Schlaganfall: Genetische Veranlagung und Ursachen

Kardiovaskuläre Erkrankungen, zu denen auch der Schlaganfall gehört, sind weltweit führende Todesursachen. Neben beeinflussbaren Risikofaktoren wie Alter und Lebensstil spielt auch die genetische Veranlagung eine bedeutende Rolle bei der Entstehung eines Schlaganfalls.

Genetische Faktoren und Schlaganfallrisiko

Die Forschung hat gezeigt, dass bestimmte Gene das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen können. Großangelegte genomweite Assoziationsstudien haben mehrere Gene identifiziert, die das Schlaganfallrisiko beeinflussen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten, um Angriffspunkte für medikamentöse Behandlungen zu identifizieren.

Professor Martin Dichgans vom LMU Klinikum betont, dass genetische Informationen genutzt werden können, um mögliche Angriffspunkte für eine medikamentöse Behandlung zu finden.

Ein spezifisches Gen, das in diesem Zusammenhang untersucht wurde, ist HTRA1. Es kodiert für eine Protease, ein Enzym, das die extrazelluläre Matrix reguliert. Bestimmte Varianten dieses Gens erhöhen das Risiko für Schlaganfälle und Erkrankungen der kleinen Hirngefäße.

Die Rolle von HTRA1

HTRA1 hat sich als Risikogen für verschiedene Krankheitsbilder erwiesen, darunter Schlaganfall und Erkrankungen der kleinen Hirngefäße. Menschen, die bestimmte Varianten des Gens vererbt bekommen, sind also signifikant häufiger davon betroffen. Die Mechanismen, die diesem erhöhten Risiko zugrunde liegen, seien bislang jedoch nur unzureichend bekannt.

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Genetische Risikoscores zur Vorhersage des Schlaganfallrisikos

Genetische Risikoscores können zur Risikoabschätzung von Erkrankungen eingesetzt werden. Die Risikovorhersage anhand dieser Scores bietet den Vorteil, dass die Wahrscheinlichkeit zu erkranken von Geburt an bekannt ist.

Die genomische Risikovorhersage, die auf der einzigartigen DNA-Sequenz eines Individuums basiert, hat deutliche Vorteile gegenüber etablierten Risikofaktoren, da sie von Geburt an dazu genutzt werden kann, um das Risiko abzuschätzen. Sie kann daher die Einleitung von Präventionsstrategien ermöglichen, bevor die Patienten konventionelle Risikofaktoren für Schlaganfälle wie Bluthochdruck oder zu hohe Blutfettwerte entwickeln.

Eine Studie unter der Leitung von Professor Dichgans untersuchte die Vorhersage des Schlaganfallrisikos anhand eines genetischen Risikowertes im Vergleich zu den klassischen Risikofaktoren. Die Forscher nutzten einen Machine-Learning-Ansatz, um genetische Daten auf schlaganfallbezogene Risikogene zu untersuchen und für jeden Probanden einen individuellen genetischen Risikowert zu ermitteln. Die genetischen Daten waren von verschiedenen Forschungsgruppen weltweit erhoben worden.

In einem zweiten Schritt überprüften die Wissenschaftler die Aussagekraft der genetischen Risikoabschätzung anhand von 420.000 Patientendaten, die in der britischen Biobank hinterlegt sind.

Die Studienergebnisse zeigen, dass der ermittelte genetische Risikowert (metaGRS) das Schlaganfallrisiko besser vorhersagt als andere bekannte Risikofaktoren wie LDL-Cholesterolspiegel, systolischer Blutdruck, Familienhistorie eines Schlaganfalls, Body-Mass-Index, Diabetes, Rauchen und Hypertonie. Der genetische Risikowert kann auch Patienten identifizieren, die ein dreifach erhöhtes Risiko für einen zukünftigen ischämischen Schlaganfall haben.

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Unter den klassischen Risikofaktoren besaß Bluthochdruck den besten Vorhersagewert.

Unabhängige Wirkung von genetischen und klassischen Risikofaktoren

Bei Schlaganfällen konnte gezeigt werden, dass genetische und klassische Risikofaktoren unabhängig voneinander wirken. Das bedeutet, dass bei Personen mit einem hohen genetischen Risiko eine Reduktion des Gesamt-Risikos durch entsprechende Lifestyle-Maßnahmen erreicht werden kann.

Intensivere Präventionsmaßnahmen bei hohem genetischem Risiko

Die Forscher schlussfolgern aus ihren Analysen, dass Personen mit einem hohen genetischen Risiko intensiverer Maßnahmen zur Minderung des Risikos bedürfen, als in den aktuellen Richtlinien empfohlen wird. Wissenschaftler haben mithilfe genetischer Daten das Schlaganfallrisiko ähnlich präzise oder sogar besser vorhergesagt als etablierte Risikofaktoren und zeigen, dass Patienten mit hohem Risiko intensivere Präventivmaßnahmen benötigen könnten.

Der neue genetische Risikoabschätzung ist so präzise, dass er selbst zwischen Personen innerhalb einer der von den aktuellen Richtlinien empfohlenen Risikofaktorstufen erhebliche Risikounterschiede aufzeigt. Deshalb könnten nach Ansicht der Wissenschaftler die aktuellen klinischen Richtlinien für Personen mit hohem genetischem Schlaganfallrisiko unzureichend sein, da diese Personen möglicherweise intensivere Interventionen benötigen.

Individuelle Frühintervention

Der neue Ansatz könnte nicht nur bei der Einschätzung helfen, welche modifizierbaren Risikofaktoren eine Person vor dem Hintergrund ihres individuellen genetischen Risikos reduzieren sollte, um auf ein akzeptables Schlaganfallrisiko zu kommen, sondern auch zukünftig eine effektivere Frühintervention für Menschen mit hohem Risiko für Schlaganfälle und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermöglichen.

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Weitere genetische Ursachen für Schlaganfälle

Neben den genannten Genen gibt es weitere genetische Faktoren, die das Schlaganfallrisiko beeinflussen können:

  • Mutationen in Blutgerinnungsfaktoren: Mutierte Gene der Blutgerinnungsfaktoren II oder V (Leiden) erhöhen die Gerinnungsneigung.
  • Genetische Veränderungen im Hämoglobin: Diese können dazu führen, dass die Blutkörperchen verkleben und die kleinen Gefäße verstopfen.
  • Bindegewebserkrankungen: Seltene, genetisch bedingte Erkrankungen können das Gleichgewicht im Auf- und Abbau von Bindegewebe stören, sodass Blutgefäße durch die Ablagerung von zu viel produziertem Bindegewebe verstopft werden.
  • Mutationen in Genen für die Zusammensetzung des Bindegewebes: Diese können zu einer brüchigen Gefäßwand und damit entweder zu einem Einriss (Dissektion) mit der Folge einer Durchblutungsstörung (Ischämie) oder zu einem Platzen des Gefäßes mit der Folge einer Hirnblutung führen.
  • Fehlbildungen der Gehirngefäße: Diese können zu Ausbeulungen der Gefäße (Aneurysmen) oder zur Bildung von vielen kleinen Gefäßen anstelle von einem (Kavernöse, Hämangiome) führen. Beide Erkrankungen sind mit einem hohen Risiko einer Hirnblutung verbunden. Diese Gefäßfehlbildungen können familiär gehäuft vorkommen oder Teil von übergeordneten, genetisch bedingten Erkrankungen sein.
  • Angeborene Herzfehler: Diese sind meist genetisch bedingt. Strukturelle Veränderungen am Herzen oder Herzrhythmusstörungen erleichtern die Gerinnsel-Bildung.

Beeinflussbare Risikofaktoren

Neben der genetischen Veranlagung gibt es zahlreiche beeinflussbare Risikofaktoren für einen Schlaganfall:

  • Bluthochdruck: Schädigt die Blutgefäße und das Herz und erhöht damit das Schlaganfallrisiko.
  • Diabetes: Erhöht das Schlaganfallrisiko um das Zwei- bis Vierfache.
  • Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern): Können zur Bildung von Blutgerinnseln im Herzen führen, die in die Hirnschlagadern gelangen und einen Schlaganfall verursachen können.
  • Übergewicht und Bewegungsmangel: Können Bluthochdruck und Diabetes zur Folge haben und somit das Schlaganfallrisiko erhöhen.
  • Rauchen: Schädigt die Blutgefäße und senkt die Sauerstoffaufnahme im Blut. Raucher haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Schlaganfallrisiko.
  • Übermäßiger Alkoholkonsum: Wird ein starker negativer Einfluss auf das Schlaganfallrisiko zugesprochen: Wenn Frauen maximal ein- und Männer höchstens zweimal täglich ein Glas alkoholhaltiger Getränke konsumieren, könnten sie dadurch ihr Schlaganfallrisiko um etwa 30 Prozent senken. Alkohol sollte daher nur in Maßen genossen werden.
  • Fettstoffwechselstörungen: Können eine Atherosklerose begünstigen und tragen damit zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko bei. Besonders das sogenannte LDL-Cholesterin erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.

Vorbeugung und Lebensstiländerungen

Vorbeugung ist der sicherste und beste Schutz vor einem Schlaganfall. Durch eine gesunde Lebensführung können bereits im Vorfeld einige Risikofaktoren gemindert bzw. ganz ausgeschlossen werden. Zu einer gesunden Lebensweise gehören:

  • Eine bewusste Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst, Gemüse, fett- und zuckerarmer Kost
  • Regelmäßige Bewegung und Sport
  • Eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme
  • Raucherentwöhnung
  • Geringer Alkoholkonsum
  • Vermeidung von Stress
  • Gewichtsabnahme bei Übergewicht

Auch eine angepasste Ernährung ist ratsam. So können bereits fünf bis sechs Gramm weniger Salz am Tag, was in etwa einem Teelöffel entspricht, die Blutdruckwerte senken. Auch andere Risikofaktoren wie Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas), ein hoher Cholesterinspiegel oder Bluthochdruck (Hypertonie) lassen sich durch einen ballaststoffreichen, zucker- und fettreduzierten Speiseplan mit viel Gemüse- und Getreideprodukten und wenig Fleisch, Wurst und Käse verhindern oder reduzieren.

Unterstützend zu einer angepassten Ernährung ist es ratsam, sich täglich zu bewegen. Bereits ein leichtes Ausdauertraining beispielsweise durch Schwimmen, Fahrradfahren oder lange Spaziergänge wirkt sich positiv auf den Blutdruck aus und hilft dabei, die Gefäße geschmeidig zu halten. So lässt sich verhindern, dass sich Blutfette an den Gefäßen ablagern, wodurch sich das Risiko für einen Schlaganfall reduziert. Gleichzeitig machen es sportliche Aktivitäten möglich, neben Übergewicht auch Alltagsstress abzubauen.

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