Schlaganfall im Großhirn: Folgen, Rehabilitation und Prävention

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das oft langfristige Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen hat. Er entsteht durch eine Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn, was zum Absterben von Nervenzellen führt. Je nach betroffenem Areal und Ausmaß der Schädigung können die Folgen vielfältig sein.

Was ist das Großhirn und welche Funktion hat es?

Das Großhirn (Cerebrum, Endhirn oder Telencephalon) ist der größte Teil des Gehirns und besteht aus zwei Hemisphären, die durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Die beiden Hälften sind jeweils in vier Lappen unterteilt:

  • Stirnlappen oder Frontallappen (Lobus frontalis): zuständig für Willkürbewegungen, Kontrolle und Koordination vegetativer, affektiver und geistiger Funktionen. Hier befindet sich auch das motorische Sprachzentrum (Broca-Areal).
  • Scheitellappen oder Parietallappen (Lobus parietalis): enthält die Körperfühlsphäre und speichert Erinnerungen an Empfindungen.
  • Schläfenlappen oder Temporallappen (Lobus temporalis): beherbergt das primäre Hörzentrum und das akustische Erinnerungszentrum. Hier befindet sich auch das Wernicke-Areal, das für das Verstehen von Sprache entscheidend ist.
  • Hinterhauptslappen oder Okzipitallappen (Lobus occipitalis): enthält die Sehrinde, die in ein primäres und ein sekundäres Sehzentrum unterteilt ist.

Das Großhirn ist die oberste Instanz des Zentralen Nervensystems und verbindet alle Organe, Organsysteme und Gewebe miteinander. Es ist zuständig für die Verarbeitung von Reizen, die aus der Umwelt und dem Inneren des Körpers aufgenommen werden.

Folgen eines Schlaganfalls im Großhirn

Die Folgen eines Schlaganfalls können sehr unterschiedlich sein und hängen von der betroffenen Hirnregion und dem Ausmaß der Schädigung ab. Einige Betroffene erholen sich schnell, während andere mit schwerwiegenden Behinderungen zu kämpfen haben. Die Folgen lassen sich in drei Bereiche unterteilen:

  • Neurologische Folgen (körperliche Auswirkungen/Motorik): Hierzu gehören Lähmungen (Hemiplegie), Spastik, Koordinationsstörungen, Schluckstörungen (Dysphagie) und Sprechstörungen (Dysarthrie).
  • Neuropsychologische Folgen (Sinneswahrnehmung und kognitive Funktionen): Diese umfassen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme, Neglect (Vernachlässigung einer Körperseite), Gesichtsfeldausfälle (Hemianopsie) und Apraxie (Störung beim Ausführen von Handlungen).
  • Psychische Folgen (Emotionen): Viele Schlaganfall-Betroffene leiden unter Depressionen, Angststörungen, Reizbarkeit und emotionaler Labilität.

Spezifische Folgen je nach betroffenem Hirnlappen

  • Stirnlappen (Frontallappen): Schädigungen können zu Lähmungen, motorischer Aphasie (Broca-Aphasie), Verlust der Fähigkeit zu zweckgerichteten Bewegungen (Agraphie), sowie Störungen der Willkürbewegungen und der Kontrolle vegetativer Funktionen führen.
  • Scheitellappen (Parietallappen): Schädigungen können zu Unempfindlichkeit (Anästhesie), Agnosien (Unfähigkeit, Gegenstände durch Betasten zu erkennen), Alexie (Unfähigkeit zu lesen) führen.
  • Schläfenlappen (Temporallappen): Schädigungen können zu Rindentaubheit, Schwierigkeiten beim Sprachverständnis (sensorische Aphasie/Wernicke-Aphasie), sowie Störungen des akustischen Gedächtnisses führen.
  • Hinterhauptlappen (Okzipitallappen): Schädigungen können zu Gesichtsfeldausfällen, Rindenblindheit, Seelenblindheit führen.

Häufige Symptome und Beschwerden

  • Lähmungen: Halbseitige Lähmungen (Hemiplegie) sind eine häufige Folge eines Schlaganfalls. Betroffene können eine Körperhälfte nicht mehr richtig spüren und/oder kontrollieren.
  • Sprach- und Sprechstörungen: Eine Dysarthrophonie ist eine Beeinträchtigung der Steuerung und Ausführung von Sprechbewegungen. Eine Aphasie ist eine Sprachstörung, die das Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben beeinträchtigen kann.
  • Schluckstörungen: Eine Schluckstörung kann zu einer verlangsamten Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, häufigem Verschlucken, Hustenanfällen oder Atemnot führen.
  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten: Vorübergehende oder dauerhafte Schwierigkeiten mit der Konzentration und der Aufmerksamkeit sind relativ unabhängig von der betroffenen Hirnregion.
  • Neglect: Bei einem Neglect ist die Wahrnehmung der betroffenen Körperseite gestört. Betroffene vernachlässigen oft eine Körperhälfte oder eine Raumhälfte.
  • Depressionen und Angststörungen: Viele Schlaganfall-Betroffene leiden unter Depressionen und Angststörungen. Diese können die Rehabilitation erschweren und die Lebensqualität beeinträchtigen.

Rehabilitation nach einem Schlaganfall

Die Rehabilitation ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung nach einem Schlaganfall. Ziel der Rehabilitation ist es, die verlorengegangenen Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Selbstständigkeit im Alltag wiederherzustellen. Das erste Training erfolgt kurz nach dem Schlaganfall noch im Krankenhaus. Auf Schlaganfall-Stationen arbeiten Neurologen mit intensivmedizinischer Zusatzausbildung, Krankenschwestern und Pfleger Hand in Hand mit medizinischen Assistenzberufen, wie Krankengymnastik (Physiotherapie), Sprach- und Beschäftigungstherapie (Logopädie, Ergotherapie).

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Therapieansätze

  • Physiotherapie: Mit Hilfe von Krankengymnasten sollen die Patienten die verlorengegangenen alltäglichen Fähigkeiten wie z. B. Gehen wieder erlernen.
  • Ergotherapie: Mit Hilfe von Ergotherapeuten sollen die Patienten die verlorengegangenen alltäglichen Fähigkeiten wie z. B. Ankleiden wieder erlernen. Ziel der Ergotherapie ist es, die Selbstständigkeit im Alltag wiederzuerlangen.
  • Logopädie: Mit Hilfe von Sprachtherapeuten sollen die Patienten die verlorengegangenen alltäglichen Fähigkeiten wie z. B. Sprechen und Schlucken wieder erlernen.
  • Neuropsychologie: Neuropsychologen helfen bei der Bewältigung von kognitiven und emotionalen Problemen. Sie bieten Trainings zur Verbesserung der Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis und Exekutivfunktionen an.
  • Spiegeltherapie: Die Spiegeltherapie ist ein evidenzbasiertes Verfahren, das die Wahrnehmung und Bewegung gelähmter Körperteile verbessern soll.
  • Forced-use Therapie: In der Forced-use Therapie fördern wir die Beweglichkeit gelähmter Körperteile durch gezielte Beanspruchung der betroffenen Regionen.

Phasen der Rehabilitation

Je nach Schweregrad der Behinderung wird der Schlaganfall-Patient in einem Rehabilitationszentrum stationär, tagesklinisch oder ambulant weiterbehandelt. Auch eine rein ambulante Versorgung zu Hause ist denkbar, wenn nur einzelne Funktionen, wie zum Beispiel die Sprache, betroffen sind. Die neurologische Rehabilitation verläuft in verschiedenen Phasen:

  • Phase B (Frührehabilitation): Diese Phase beginnt in der Akutklinik und dient der Stabilisierung des Patienten und der Verhinderung von Komplikationen.
  • Phase C (Weiterführende Rehabilitation): In dieser Phase werden die verlorengegangenen Fähigkeiten wiedererlernt und die Selbstständigkeit im Alltag gefördert.
  • Phase D (Anschlussheilbehandlung): Diese Phase dient der Festigung der erreichten Fortschritte und der Vorbereitung auf die Rückkehr in den Alltag.

Bedeutung der Angehörigen

Auch die Angehörigen der Schlaganfallpatienten haben eine sehr wichtige Bedeutung im Rehabilitationsprozess. Sie begleiten den Patienten über einen manchmal sehr langen Zeitraum. Zu den belastenden Folgen für die Angehörigen zählen die Zunahme emotionaler und praktischer Anforderungen nach dem Schlaganfall, Veränderungen im familiären Zusammenleben sowie ein fortschreitender Verlust sozialer Kontakte.

Aufgrund der erlebten Belastungen kann sich auch der Gesundheitszustand der Angehörigen deutlich verschlechtern, was sich zumeist in erhöhter Depressivität ausdrückt. Angehörige sollten daher sorgfältig auch auf ihr eigenes Wohl achten. Es ist wichtig, Unterstützung anzunehmen, wann immer es geht. Denn es gibt auch für Familienangehörige eine Reihe von Unterstützungsangebote wie Selbsthilfegruppen oder Beratungsangebote der Kliniken und Gemeinden.

Langfristige Perspektive

Mit Disziplin, Durchhaltevermögen und der Unterstützung ihres Umfeldes gelingt es den meisten Schlaganfallpatienten, wieder zu einer guten Lebensqualität zurückzufinden. Zunächst ist es wichtig, dass sich Betroffene nicht aufgeben und auch in der häuslichen Umgebung das Training aus der Rehabilitation fortführen. Die kontinuierlichen Übungen können dazu beitragen, einen alltäglichen Rhythmus zu etablieren und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Betroffene sollten sich viel bewegen. Regelmäßige Bewegung kann Druckgeschwüre, Gelenkversteifungen und Beinvenenthrombosen verhindern. Bewegung bedeutet Selbstständigkeit im Sinne eines selbstbestimmten Lebens. Die Zusammenkunft mit Menschen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, hilft bei der seelischen Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung. Als Betroffener bietet sich die Möglichkeit, sich innerhalb einer Selbsthilfegruppe gegenseitig zu unterstützen und zu motivieren. In Deutschland gibt es über 400 Schlaganfall- Selbsthilfegruppen.

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Eine spezielle Form der Nachsorge stellen die Schlaganfall-Losten dar, die den Patienten unterstützen, in die gewohnte Lebensumgebung zurückzukehren. Nach der Rehabilitation wird festgestellt, welche Restfunktionsstörungen verbleiben und ob diese zum Beispiel eine permanente Betreuung erforderlich machen.

Prävention eines Schlaganfalls

Betroffene werden während der Rehabilitation auch über die Risikofaktoren aufgeklärt, die das Auftreten eines Schlaganfalls begünstigen. Sie erfahren, was sie selbst tun können, um einem weiteren Schlaganfall möglichst vorzubeugen. Die besten Tipps zur Prävention eines Schlaganfalls sind letztendlich immer die Vermeidung von Risikofaktoren.

Risikofaktoren

  • Bluthochdruck (Hypertonie)
  • Vorhofflimmern
  • Diabetes mellitus
  • Rauchen
  • Übergewicht
  • Bewegungsmangel
  • Fettstoffwechselstörungen
  • Alter
  • Genetische Veranlagung

Präventive Maßnahmen

  • Gesunde Ernährung: Eine balancierte, ausgewogene, zum Beispiel mediterrane Diät mit viel Gemüse, nicht zu viel Fleisch und wenig Alkohol.
  • Ausreichend Bewegung: 20 bis 30 Minuten Bewegung pro Tag, bei der man leicht schwitzt, ist ideal.
  • Vermeidung von Übergewicht
  • Nicht Rauchen
  • Behandlung von Risikofaktoren: Wenn Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck vorliegen, sollten diese natürlich auch behandelt werden.

Schlaganfall-Risikotest

Es gibt Selbsttests, mit denen Personen ihr persönliches Schlaganfall-Risiko einschätzen können. Wenn der Test auffällig ist, sollte man unbedingt zum Arzt gehen und dann können Risikofaktoren frühzeitig überprüft und entsprechende Behandlungen eingeleitet werden.

Akutversorgung und Therapiechancen

Bei einem akuten Schlaganfall ist schnelles Handeln entscheidend. Es muss immer sofort der Rettungsdienst beziehungsweise Notarzt (112) angerufen werden. Das Wichtigste ist, dass der Rettungsdienst alarmiert wird und so schnell wie möglich Hilfe eintrifft. Die Erstversorgung in einer Stroke Unit ist essentiell. In Deutschland wird heutzutage auch der Großteil der Schlaganfall-Patienten auf solchen Stroke Units behandelt.

Therapeutische Maßnahmen in der Akutphase

  • Lyse-Therapie: Bei einem ischämischen Schlaganfall kann versucht werden, das Blutgerinnsel mit Medikamenten aufzulösen (Lyse).
  • Thrombektomie: Bei einem Verschluss eines großen Gefäßes kann das Gerinnsel mechanisch mit einem Katheter entfernt werden (Thrombektomie).

Im Bereich der Thrombektomie gibt es tatsächlich Heilungserfolge, die an Wunderheilung grenzen kann: Es gibt Fälle, in denen der Patient mit einer schwerstgradigen Lähmung in die Klinik kommt und bei Entlassung eine Woche später keinerlei Einschränkungen mehr hat - sofern er nach dem Schlaganfall schnell in die Klinik gebracht wurde.

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Stille Schlaganfälle

Nicht immer ist ein Schlaganfall ja sofort als akuter Schlaganfall auffällig. Manchmal gibt es die sogenannten „stillen Schlaganfälle“, die weder von Betroffenen noch von deren Umfeld als solche erkannt werden. Es ist schon so, dass auch die stillen Schlaganfälle - oder wie wir sagen „stummen Schlaganfälle“ - mild ausgeprägte Symptome zeigen. Diese Symptome werden jedoch häufig nicht als Schlaganfall-Symptom bewertet, daher bleiben sie „still“. Das kann zum Beispiel mal ein kurzer Schwindel oder mal ein Kribbeln sein. Dass ein „stiller Schlaganfall“ gar keine Symptome verursacht, ist eher selten der Fall. Meistens werden die Symptome einfach gar nicht bemerkt, weil stille Schlaganfälle in aller Regel kleinere Schlaganfälle sind, die letzten Endes keine Funktionsstörung verursachen.

Lebenserwartung und Rezidivrisiko

Die Mortalität von Patienten nach einem ersten Schlaganfall liegt bei 25 bis 30 Prozent. Das betrifft allerdings nur die Subgruppe der sehr schweren Schlaganfälle. Es gibt eine Reihe an Rezidiv-Schlaganfällen (Anmerkung der Redaktion: wiederholte Schlaganfälle) und die Zahl liegt bei rund 50.000 bis 70.000 pro Jahr. Auch wegen dieses hohen Rezidiv-Risikos ist aber so wichtig, nach dem ersten Schlaganfall die genauen Ursachen zu erforschen, um daraus eine gute Sekundär-Prävention aufbauen zu können. Die entscheidenden Faktoren sind einfach eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, kein Diabetes, kein Bluthochdruck usw.

Forschung und Zukunftsperspektiven

Ein Bereich der Forschung dreht sich aktuell um die Verbesserung der Akuttherapie. Da haben wir ja mit der Thrombektomie eine sensationell wirksame neue Therapiemethode hinzugewonnen. Auf dem Gebiet der Schlaganfall-Früherkennung wird natürlich auch viel an der Genetik des Schlaganfalls geforscht. Warum treten Schlaganfälle zum Beispiel in manchen Familien häufiger auf als in anderen? Woran kann man eine Art Veranlagung erkennen? An diese und ähnlichen Fragen wird stark geforscht. Zuletzt gibt es auch viele Forschungsprojekte zur Verbesserung der Regeneration und Rehabilitation nach Schlaganfall.

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