Ein Schlaganfall ist eine Durchblutungsstörung im Gehirn, die nicht nur Erwachsene, sondern auch Neugeborene betreffen kann. In Deutschland erleiden schätzungsweise 100 Babys pro Jahr einen Schlaganfall im Zeitraum um die Geburt. Obwohl ein Verschluss der Hirnstammarterie, der lebensbedrohlich sein kann, sehr selten vorkommt, ist es wichtig, die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung zu kennen, um betroffenen Kindern die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.
Ursachen von Schlaganfällen bei Neugeborenen
Bei Neugeborenen wird ein Schlaganfall als neonataler Schlaganfall bezeichnet. Eine komplizierte Geburt, wie beispielsweise eine Zangengeburt, kann eine Ursache sein. Auch Frühgeburtlichkeit kann die Entstehung eines Schlaganfalls begünstigen, da die Gefäße bei Frühgeborenen sehr fragil und empfindsam sind.
Allgemein können Schlaganfälle im Kindes- und Jugendalter verschiedene Ursachen haben. Angeborene Fehlanlagen in Gefäßen, wie Aneurysmen oder Blutschwämmchen, können im Gehirn freie Blutungen verursachen, die zu Störungen der Nervenversorgung führen. Auch ein Hirntumor kann Nerven abdrücken und einen Schlaganfall hervorrufen. Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem Gehirngefäße angreift, können ebenfalls Gefäßentzündungen verursachen, die eine Durchblutungsstörung nach sich ziehen. Mögliche Risikofaktoren für Schlaganfälle bei Kindern sind Herzfehler oder Gerinnungsstörungen.
Symptome und Diagnose
Wie sich ein Schlaganfall äußert, hängt von der Stärke, Ursache und dem betroffenen Hirnareal ab. Durch Blutungen und Hirntumore verursachte Anfälle führen zu starken Kopfschmerzen, die einer schweren Migräne ähneln. Die Betroffenen empfinden dies als schmerzhaften Stich oder Schlag auf den Kopf. Schädigt die Durchblutungsstörung motorisch relevante Bereiche im Gehirn, setzen Lähmungserscheinungen ein. Sind das Sprachzentrum oder die Sehrinde betroffen, können eine verwaschene, eingeschränkte Sprache beziehungsweise ein stark eingeschränktes Sehvermögen auftreten. Derartige Ausfallerscheinungen und plötzliche, massive Kopfschmerzen sind Alarmzeichen, auf die Eltern umgehend reagieren sollten. Bei Neugeborenen können Krampfanfälle, eine unregelmäßige Atmung und auffällige Bewegungsmuster der Arme und Beine auf einen Schlaganfall hindeuten.
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist schnelles Handeln entscheidend, da "Zeit Schutz des Gehirns" bedeutet. In der Klinik erfolgt zunächst eine umfassende Differenzialdiagnostik, bei der Spezialisten für Neurologie, Blutgerinnung, Autoimmunerkrankungen und Tumore zusammenarbeiten, um schnellstmöglich die Ursache des Schlaganfalls zu finden. Um die Diagnose zu bestätigen, können eine Ultraschalluntersuchung, eine Computertomografie oder eine Magnetresonanztomografie durchgeführt werden.
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Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung eines Schlaganfalls bei Neugeborenen und Kindern hängt von der Ursache und dem Ausmaß der Schädigung ab. Wenn eine Gefäßentzündung aufgrund einer Autoimmunerkrankung vorliegt, kann es notwendig sein, das Immunsystem über einen längeren Zeitraum hinweg kontrolliert zu unterdrücken. Bei Fehlanlagen in Gefäßen und bei Hirntumoren sind eine Operation oder der Einsatz von Betablockern mögliche Maßnahmen. Liegt ein Gefäßverschluss vor, ist eine gerinnselauflösende Therapie denkbar.
In einigen Fällen kann eine Thrombektomie durchgeführt werden, bei der das Gerinnsel mit einem Katheter aus dem Gehirn entfernt wird, um die Durchblutung wiederherzustellen. Am UKM (Universitätsklinikum Münster) gelang es beispielsweise, bei dem frischgeborenen kleinen Pepe das lebenswichtige Gefäß innerhalb von 14 Stunden nach der Geburt wiederzueröffnen. Dabei wurde das Gerinnsel mit einem Katheter über die Leiste des Babys aus der Hirnstammarterie entfernt. Pepe ist weltweit der erste beschriebene Fall einer erfolgreichen Thrombektomie direkt am Tag der Geburt.
Die häufigste Behandlungsform ist jedoch die symptomatische Therapie, bei der Experten versuchen, die durch einen Schlaganfall eingetretenen Folgen auszugleichen und zu mildern.
Rehabilitation und Prognose
Die Rehabilitation im Kindesalter erfolgt entsprechend der jeweiligen Grunderkrankung in Zusammenarbeit mit Physiotherapeutinnen, Logopädinnen, Ergotherapeutinnen, Immunspezialistinnen und Neurolog*innen. Sie begleiten die jungen Patientinnen und Patienten teilweise über mehrere Jahre. Kinder sind sehr lernfähig und haben deshalb gute Aussicht auf Heilung. Je nach Schwere des Schlaganfalls können Einschränkungen zurückbleiben, mit denen die Betroffenen erfahrungsgemäß aber durchaus gut zurechtkommen können. Somit ist die Prognose in vielen Fällen positiv.
Nach einem Schlaganfall erhalten die Kinder oft eine Behandlung mit einem Blutverdünner, damit sich keine weiteren Gerinnsel mehr bilden. Es ist wichtig zu beachten, dass zwei Drittel der Neugeborenen, Kinder und Jugendlichen, die einen Schlaganfall überleben, danach gesundheitliche Probleme haben. Daher ist eine umfassende und langfristige Betreuung durch ein interdisziplinäres Team von Spezialisten unerlässlich.
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Fallbeispiel: Pepe
Der Fall des kleinen Pepe am UKM zeigt, dass auch bei Neugeborenen mit einem Schlaganfall eine erfolgreiche Behandlung möglich ist. Pepe wurde kurz nach Mitternacht geboren und war zunächst ein vitales Neugeborenes ohne besondere Auffälligkeiten. Erst morgens um sechs Uhr verzeichnete die Geburtsklinik neurologische Auffälligkeiten, die die Ärzte veranlassten, sich mit den Spezialisten der Universitätskinderklinik in Münster in Verbindung zu setzen. Pepe bekam plötzlich Krampfanfälle, zeigte eine unregelmäßige Atmung mit einem auffälligen Bewegungsmuster der Arme und Beine.
Nach der Diagnose wurde Pepe innerhalb einer Stunde in das UKM verlegt, wo die Neuroradiologen das Gerinnsel mit einem Katheter über die Leiste des Babys aus der Hirnstammarterie entfernten. Mit dem minimalinvasiven Eingriff gelang es dem Neuroradiologen im ersten Anlauf, die Hirnstammarterie wieder durchgängig zu machen und den Thrombus vollständig zu entfernen. Pepe selbst hat den Eingriff gut überstanden, allerdings wurde bei ihm im Zuge der Untersuchungen noch ein kleinerer Herzfehler gefunden, der beobachtet und eventuell behoben werden muss. Seine Prognose ist generell gut, und er konnte schon zu Ostern wieder nach Hause entlassen werden.
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