Ein Schlaganfall ist eine ernsthafte Erkrankung, die nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und sogar Neugeborene betreffen kann. Obwohl der kindliche Schlaganfall selten ist, stellt er eine große Herausforderung für betroffene Familien und Ärzte dar. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Behandlung von Schlaganfällen bei Neugeborenen und gibt einen Überblick über die Unterstützungsmöglichkeiten für betroffene Familien.
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall, auch Apoplexie oder "Hirnschlag" genannt, ist eine Durchblutungsstörung im Gehirn. Diese Störung kann durch einen Verschluss eines Blutgefäßes (ischämischer Schlaganfall) oder durch eine Blutung im Gehirn (hämorrhagischer Schlaganfall) verursacht werden. In beiden Fällen werden Teile des Gehirns nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, was zu Schäden führen kann.
Schlaganfall bei Neugeborenen: Eine seltene, aber ernste Erkrankung
Schätzungsweise 100 Babys in Deutschland erleiden jährlich einen Schlaganfall im Zeitraum um die Geburt. Dies entspricht etwa einem Drittel aller Schlaganfälle im Kindesalter. Die Diagnose eines Schlaganfalls bei einem Neugeborenen ist oft schwierig, da die Symptome unspezifisch sein können und sich von denen bei Erwachsenen unterscheiden.
Fallbeispiel Clara: Leben mit einem frühkindlichen Schlaganfall
Clara ist ein neunjähriges Mädchen, das auf den ersten Blick wie jedes andere Kind wirkt. Sie geht in die dritte Klasse und ist aktiv. Doch Clara hat eine Besonderheit: Sie hatte einen Schlaganfall, wahrscheinlich schon vor ihrer Geburt. Erst ein halbes Jahr später bemerkten ihre Eltern, dass sie ihre rechte Körperhälfte weniger nutzte als ihre Zwillingsschwester. Nach mehreren Untersuchungen wurde die Diagnose Schlaganfall gestellt.
Dank intensiver Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie hat Clara gelernt, mit den Folgen des Schlaganfalls zu leben. Sie kann laufen, sprechen und geht regulär zur Schule. Nur beim Sport kann sie manchmal nicht mit Gleichaltrigen mithalten. Claras Geschichte zeigt, dass Kinder auch nach einem Schlaganfall ein erfülltes Leben führen können, wenn sie frühzeitig die richtige Unterstützung erhalten.
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Ursachen von Schlaganfällen bei Neugeborenen
Die Ursachen für einen Schlaganfall bei Neugeborenen können vielfältig sein. Im Folgenden werden einige der häufigsten Ursachen aufgeführt:
- Komplizierte Geburt: Eine schwierige Geburt, beispielsweise eine Zangengeburt, kann zu Verletzungen und damit zu einem Schlaganfall führen.
- Frühgeburt: Frühgeborene haben anfälligere Gefäße, was das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen kann.
- Herzfehler: Angeborene Herzfehler können die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen, die ins Gehirn gelangen und dort einen Schlaganfall auslösen können.
- Gerinnungsstörungen: Angeborene oder erworbene Gerinnungsstörungen können ebenfalls das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen.
- Infektionen: Infektionen während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt können Entzündungen in den Blutgefäßen verursachen und so einen Schlaganfall begünstigen. Eine Grippe der Mutter in der Schwangerschaft kann beispielsweise zur Bildung eines Thrombus führen, der über die Nabelschnur in den Kopf des Kindes wandert und dort einen Schlaganfall auslöst.
- Genetische Faktoren: In seltenen Fällen können genetische Veranlagungen eine Rolle spielen. Mutationen in Genen, die die Blutgerinnung oder den Aufbau von Bindegewebe regulieren, können das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen.
- Sauerstoffmangel (Asphyxie): Sauerstoffmangel vor, während oder nach der Geburt kann zu Hirnschäden führen und das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen.
- Fehlbildungen: Angeborene Fehlbildungen von Organen oder Körperteilen können ebenfalls mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergehen.
- Arteriopathien: Gefäßerkrankungen wie die transiente zerebrale Arteriopathie (TCA) können bei Kindern einen Schlaganfall auslösen.
- Herzerkrankungen: Angeborene und erworbene Herzerkrankungen stellen wichtige Risikofaktoren dar.
- Stoffwechselerkrankungen: Manche angeborene Stoffwechselerkrankungen führen zu Ablagerungen von Stoffwechselprodukten an den Innenwänden von Blutgefäßen oder gehen mit einer gestörten Funktion der Blutgefäße einher, die eine Gerinnselbildung fördert.
Symptome eines Schlaganfalls bei Neugeborenen
Die Symptome eines Schlaganfalls bei Neugeborenen können unspezifisch sein und sich von denen bei Erwachsenen unterscheiden. Einige mögliche Anzeichen sind:
- Krampfanfälle: Plötzliche Krampfanfälle können ein Hinweis auf einen Schlaganfall sein.
- Unregelmäßige Atmung: Eine unregelmäßige oder erschwerte Atmung kann ebenfalls auf ein Problem im Gehirn hindeuten.
- Auffällige Bewegungsmuster: Ungewöhnliche oder einseitige Bewegungen der Arme und Beine können ein Zeichen für eine Schädigung des Gehirns sein.
- Schwierigkeiten beim Trinken: Probleme beim Saugen oder Schlucken können auf eine neurologische Störung hindeuten.
- Übermäßige Schläfrigkeit: Wenn das Baby ungewöhnlich schläfrig ist und schwer aufzuwecken ist, sollte dies ärztlich abgeklärt werden.
- Einseitige Lähmung: Eine Schwäche oder Lähmung einer Körperseite kann ein deutliches Zeichen für einen Schlaganfall sein.
- Verhaltensänderungen: Plötzliche Veränderungen im Verhalten des Babys, wie z.B. Reizbarkeit oder Teilnahmslosigkeit, können ebenfalls auf ein Problem hindeuten.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Babys mit einem Schlaganfall alle diese Symptome zeigen. Wenn Eltern oder Betreuer den Verdacht haben, dass ein Neugeborenes einen Schlaganfall erlitten hat, sollten sie umgehend einen Arzt aufsuchen.
Diagnose eines Schlaganfalls bei Neugeborenen
Die Diagnose eines Schlaganfalls bei Neugeborenen erfordert eine schnelle und umfassende Untersuchung. Folgende Methoden können dabei zum Einsatz kommen:
- Ultraschalluntersuchung: Eine Ultraschalluntersuchung des Gehirns kann erste Hinweise auf eine Durchblutungsstörung liefern.
- Computertomographie (CT): Eine CT-Aufnahme kann Blutungen im Gehirn erkennen und andere mögliche Ursachen für die Symptome ausschließen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Eine MRT ist die genaueste Methode, um einen Schlaganfall im Gehirn darzustellen. Sie kann auch kleinste Veränderungen im Gewebe erkennen.
- Angiographie: Eine Angiographie ist eine spezielle Röntgenuntersuchung, bei der die Blutgefäße im Gehirn dargestellt werden. Sie kann helfen, Gefäßverschlüsse oder andere Anomalien zu erkennen.
- Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen können helfen, Gerinnungsstörungen, Infektionen oder andere Grunderkrankungen zu identifizieren, die einen Schlaganfall begünstigen können.
- Elektrokardiogramm (EKG): Ein EKG kann Herzrhythmusstörungen erkennen, die zu einer Embolie und damit zu einem Schlaganfall führen können.
Behandlung eines Schlaganfalls bei Neugeborenen
Die Behandlung eines Schlaganfalls bei Neugeborenen zielt darauf ab, die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen und weitere Schäden zu verhindern. Folgende Maßnahmen können dabei zum Einsatz kommen:
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- Thrombolyse: Bei einem ischämischen Schlaganfall kann versucht werden, das Blutgerinnsel mit Medikamenten aufzulösen (Thrombolyse). Diese Behandlung ist jedoch nur in den ersten Stunden nach dem Schlaganfall wirksam.
- Thrombektomie: In manchen Fällen kann das Blutgerinnsel mit einem Katheter механиisch entfernt werden (Thrombektomie).
- Antikoagulation: Um die Bildung weiterer Blutgerinnsel zu verhindern, können gerinnungshemmende Medikamente (Antikoagulantien) eingesetzt werden.
- Neuroprotektion: Medikamente, die das Gehirn vor weiteren Schäden schützen sollen (Neuroprotektiva), können ebenfalls eingesetzt werden.
- Unterstützende Maßnahmen: Die Behandlung umfasst auch unterstützende Maßnahmen wie die Überwachung der Vitalfunktionen, die Sauerstoffversorgung und die Behandlung von Komplikationen.
- Rehabilitation: Nach der Akutbehandlung ist eine umfassende Rehabilitation wichtig, um die Folgen des Schlaganfalls zu minimieren. Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie können helfen, verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen und neue Strategien zur Bewältigung des Alltags zu entwickeln.
Fallbeispiel Pepe: Erfolgreiche Thrombektomie bei einem Neugeborenen
Pepe wurde im März geboren und zeigte kurz nach der Geburt neurologische Auffälligkeiten. Eine Ultraschalluntersuchung bestätigte den Verdacht auf einen Schlaganfall. Am Universitätsklinikum Münster (UKM) wurde bei Pepe eine Thrombektomie durchgeführt, bei der das Blutgerinnsel mit einem Katheter aus der Hirnstammarterie entfernt wurde. Pepe ist weltweit der erste beschriebene Fall einer erfolgreichen Thrombektomie direkt am Tag der Geburt.
Pepe hat den Eingriff gut überstanden und konnte bereits zu Ostern wieder nach Hause entlassen werden. Er erhält eine Behandlung mit einem Blutverdünner, um die Bildung weiterer Gerinnsel zu verhindern. Obwohl noch nicht sicher ist, ob er den Hirninfarkt ohne Schaden überstanden hat, sind die Ärzte zuversichtlich, da es keine weiteren Hirninfarkte mehr gab und die Durchblutung des lebenswichtigen Hirnstamms erhalten werden konnte.
Rehabilitation und Langzeitbetreuung
Die Rehabilitation spielt eine entscheidende Rolle bei der Genesung von Kindern nach einem Schlaganfall. Sie umfasst verschiedene Therapieformen, die individuell auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt werden:
- Physiotherapie: Ziel der Physiotherapie ist es, die Beweglichkeit und Koordination zu verbessern und Lähmungen zu reduzieren.
- Ergotherapie: Die Ergotherapie hilft dem Kind,Alltagsaktivitäten selbstständig auszuführen und seine Feinmotorik zu verbessern.
- Logopädie: Die Logopädie unterstützt das Kind bei Sprach- und Sprechstörungen sowie bei Schluckbeschwerden.
- Psychologische Betreuung: Ein Schlaganfall kann für Kinder und ihre Familien belastend sein. Eine psychologische Betreuung kann helfen, mit den emotionalen Folgen der Erkrankung umzugehen und neue Perspektiven zu entwickeln.
Die Rehabilitation kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Fachkräfte. Wichtig ist, dass die Therapie kontinuierlich an die Fortschritte des Kindes angepasst wird.
Unterstützung für betroffene Familien
Ein Schlaganfall bei einem Neugeborenen stellt eine große Belastung für die gesamte Familie dar. Es ist wichtig, dass betroffene Eltern und Angehörige Unterstützung erhalten, um mit der neuen Situation umzugehen.
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- Schlaganfall-Kinderlotsen: Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe bietet mit ihrem Programm Kinder Schlaganfall-Hilfe Unterstützung für betroffene Familien. Schlaganfall-Kinderlotsen stehen Familien in Nord- und Süddeutschland zur Seite. Sie helfen dabei, die Diagnose und die neue Lebenssituation anzunehmen, geben umfassende Beratung, recherchieren nach Therapieplätzen und wissen, wo es welche Hilfen für Betroffene gibt.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen betroffenen Familien kann sehr hilfreich sein. In Selbsthilfegruppen können Eltern ihre Erfahrungen teilen, sich gegenseitig Mut machen und praktische Tipps geben. Die bundesweite Selbsthilfegruppe "Schaki" ist ein Beispiel für eine solche Organisation.
- Sozialdienst: Der Sozialdienst kann bei Fragen zu finanziellen Hilfen, Pflegegraden und Schwerbehindertenausweisen beraten.
- Psychologische Unterstützung: Eine psychologische Beratung kann Eltern und Kindern helfen, mit den emotionalen Belastungen der Erkrankung umzugehen.
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