Schlaganfall und Sprachzentrum: Heilung und Therapie

Ein Schlaganfall kann verheerende Folgen haben, insbesondere wenn das Sprachzentrum im Gehirn betroffen ist. Sprachstörungen, auch Aphasie genannt, sind eine häufige Folge, die das Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben beeinträchtigen kann. Doch es gibt Hoffnung: Durch gezielte Therapien und das Verständnis der neuronalen Reorganisation können Betroffene ihre sprachlichen Fähigkeiten wiedererlangen oder verbessern.

Die Auswirkungen eines Schlaganfalls auf das Sprachzentrum

Ein Schlaganfall tritt auf, wenn die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrochen wird, entweder durch einen Gefäßverschluss oder eine Blutung. Dies führt zu einer Schädigung von Nervenzellen, was wiederum Funktionsverluste zur Folge haben kann. Wenn das Sprachzentrum betroffen ist, resultiert dies in einer Aphasie, die sich in unterschiedlichen Formen und Schweregraden äußern kann.

Formen der Aphasie

Es gibt verschiedene Formen der Aphasie, die sich durch spezifische Symptome unterscheiden:

  • Globale Aphasie: Die schwerste Form, bei der sowohl das Sprechen als auch das Verstehen von Sprache stark beeinträchtigt sind. Betroffene können oft nur einzelne Wörter sprechen oder verstehen.
  • Broca-Aphasie: Auch als motorische Aphasie bekannt, äußert sich diese Form durch eine eingeschränkte Sprachproduktion. Betroffene sprechen langsam und mühsam, oft in kurzen, telegrammartigen Sätzen. Das Sprachverständnis ist jedoch relativ gut erhalten.
  • Wernicke-Aphasie: Hier ist der Redefluss zwar erhalten, aber das Sprachverständnis ist stark beeinträchtigt. Betroffene sprechen oft flüssig, aber unverständlich, mit langen, verschachtelten Sätzen, die wenig Sinn ergeben.
  • Amnestische Aphasie: Diese Form ist durch Wortfindungsstörungen gekennzeichnet. Betroffene haben Schwierigkeiten, die richtigen Wörter zu finden, und verwenden oft Umschreibungen oder Ersatzwörter. Das Sprachverständnis ist in der Regel gut erhalten.

Zusätzliche Beeinträchtigungen

Neben der Aphasie können nach einem Schlaganfall weitere neurologische Störungen auftreten, die die sprachliche Rehabilitation erschweren können:

  • Dysarthrie (Dysarthrophonie): Eine Sprechstörung, die die Artikulation, Stimmgebung und Sprechatmung beeinträchtigt. Betroffene sprechen beispielsweise verwaschen oder undeutlich.
  • Sprechapraxie: Eine Störung der Planung und Programmierung der Sprechbewegungen. Die Betroffenen zeigen oft Suchbewegungen mit Lippen und Zunge, um die richtigen Laute zu bilden.
  • Dysphagie: Schluckstörungen, die die Nahrungsaufnahme erschweren und das Risiko von Lungenentzündungen erhöhen können.
  • Apraxie: Störungen von Bewegungsabfolgen.
  • Akalkulie: Einschränkungen bei der Verarbeitung von Zahlen.
  • Hemianopsie: Teilweise Einschränkungen des Gesichtsfelds.
  • Halbseitige Lähmung: Sensibilitätsstörungen.
  • Krampfanfälle: Epileptische Anfälle.
  • Gedächtnisstörungen: Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.
  • Orientierungsstörungen: Gefühlsschwankungen mit depressiver Verstimmung, Reizbarkeit oder auch Ängsten.

Wie das Gehirn nach einem Schlaganfall kompensiert

Nach einem Schlaganfall ist das Gehirn in der Lage, sich neu zu organisieren und die Funktionen der geschädigten Bereiche teilweise zu kompensieren. Dieser Prozess wird als Neuroplastizität bezeichnet. Dabei können intakte Hirnregionen die Aufgaben der zerstörten Areale übernehmen oder neue Verbindungen zwischen Hirnbereichen entstehen.

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Netzwerk-Reorganisation

Funktionen wie Sprache sind im Gehirn in komplexen Netzwerken verortet. Nach einem Schlaganfall werden diese Netzwerke gestört. Studien haben gezeigt, dass das Gehirn versucht, diese Störungen zu kompensieren, indem es die Aktivität in anderen Hirnregionen erhöht. "Uns hat interessiert, wie sich das gestörte Netzwerk reorganisiert, um die Störung zu kompensieren", sagte Prof. Dorothee Saur, Leitende Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKL. Interessant war vor allem, was dabei im Zeitverlauf nach dem Schlaganfall beobachtet werden konnte: "Im akuten Zustand erkennen wir erhebliche Netzwerkstörungen, abhängig davon, wo im Gehirn der Infarkt stattfand. Dies führt dazu, dass Netzwerke, die nicht vom Infarkt zerstört wurden, mobilisiert werden", schildert sie. "Sogar solche, die nicht einmal für Sprache verantwortlich sind, helfen bei der Erholung." Hirngewebe nahe am Infarkt erholt sich erst im späteren Verlauf nach einigen Monaten. "Dieses Verständnis ist ganz entscheidend", so Prof. Saur, "denn nur wenn wir die Hirnregionen kennen, die für die Erholung wichtig sind, können wir sie gezielt anregen und so die Heilung fördern." Die Ergebnisse der Studie aus der Arbeitsgruppe um Prof. Saur, Leitende Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKL, und Dr. "Uns hat besonders interessiert, wie sich das gestörte Netzwerk reorganisiert, um die Störung zu kompensieren", beschreibt Prof. Saur.

Funktionelle MRT (fMRT)

Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) können die Veränderungen in den Hirnnetzwerken nach einem Schlaganfall sichtbar gemacht werden. Bei dieser Untersuchung werden die Patienten während der Durchführung von Sprachaufgaben im MRT untersucht. So können die Ärzte sehen, welche Hirnregionen aktiv miteinander kommunizieren, während die Patienten diese Sätze hören. "Das bedeutet, die Patienten erhalten von uns während der MRT-Untersuchung einfache Sätze zum Zuhören. So können wir sehen, welche Hirnregionen aktiv miteinander kommunizieren, während die Patienten diese Sätze hören", erläutert die Neurologin. Geschieht dies auch zu einem frühen Zeitpunkt, können die Ärzte nicht nur die Störungen in den Netzwerken, sondern auch deren Veränderung erkennen. "Nach zwei Wochen und nach einem halben Jahr wiederholen wir das Ganze und sehen dann die Entwicklung und Erholung", sagt Prof. Nicht nur die Struktur, sondern auch Funktionen des Gehirns lassen sich so darstellen.

Individualisierte Netzwerktherapien

Das Verständnis der neuronalen Reorganisation ermöglicht die Entwicklung individualisierter Netzwerktherapien. Diese Therapien zielen darauf ab, die Hirnregionen, die für die Erholung wichtig sind, gezielt anzuregen und so die Heilung zu fördern. Dieser Idee folgend entwickeln die UKL-Neurologen nun in Kooperation mit Privatdozentin Dr. Gesa Hartwigsen und der gemeinsamen Doktorandin Sandra Martin vom benachbarten Max-Planck-Institut (MPI) für Kognitions- und Neurowissenschaften eine Studie, in der die für die Spracherholung kritischen Netzwerke bei Schlaganfallpatienten mit chronischer Aphasie mit Magnetstimulation angeregt werden. "Wir sehen in der Anwendung solcher individualisierter Netzwerktherapien zusätzlich zur Sprachtherapie ein großes Potential für die Neurorehabilitation", ist Prof. Saur überzeugt.

Therapieansätze zur Behandlung von Aphasie

Die Behandlung von Aphasie erfordert einen multidisziplinären Ansatz, der verschiedene Therapieformen kombiniert. Ziel ist es, die Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen so gut wie möglich zu verbessern und vorhandene Fähigkeiten zu fördern.

Logopädie/Sprachtherapie

Die Logopädie ist ein zentraler Bestandteil der Aphasie-Therapie. Logopäden helfen den Betroffenen, die Aussprache zu verbessern, die Stimme zu trainieren oder wieder richtig sprechen zu lernen. Die Sprachtherapie beginnt in der Regel direkt in der Akut-Klinik und wird je nach Bedarf in der Rehabilitation und ambulanten Therapie fortgeführt. Je nach Symptomen der Störung legt das therapeutische Fachpersonal gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten (und Angehörigen) die Ziele der Therapie fest. Die Sprache verbessern, indem zum Beispiel die Bildung von Lauten, die Bedeutung von Wörtern oder der Satzbau geübt werden.

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Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)

Ein vielversprechender Therapieansatz ist die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS). Bei diesem Verfahren wird ein schwacher elektrischer Strom durch den Schädel geleitet, um die Aktivität bestimmter Hirnregionen zu stimulieren. Studien haben gezeigt, dass tDCS in Kombination mit Sprachtherapie die Sprachfähigkeit von Aphasie-Patienten verbessern kann. Die transkranielle Gleichstromstimulation funktioniert wie eine Starthilfe für die Reorganisation des Sprachzentrums: „Intakte Hirnregionen übernehmen die Aufgaben zerstörter oder geschädigter Areale und kompensieren so die Funktionsverluste im Sprachzentrum. Der Stromfluss stimuliert diese Kompensation, ist also eine Hilfe zur Selbsthilfe für das Gehirn“, erläutert Flöel. Ein leichter, von außen gezielt zugefügter Stromfluss kann das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale stimulieren. Funktionsverluste nach einem Schlaganfall können so besser kompensiert werden.

Computergestützte Sprachtherapie

Computergestützte Sprachtherapieprogramme können eine sinnvolle Ergänzung zur traditionellen Logopädie sein. Diese Programme bieten den Patienten die Möglichkeit, selbstständig zu üben und ihre Fortschritte zu verfolgen. Studien haben gezeigt, dass Patienten mit Sprachapps und Sprachsoftware zur Aphasie-Behandlung größere Fortschritte erzielen als ohne die Übungen.

Weitere Therapieformen

Ergänzend zu den genannten Therapieformen können auch andere Ansätze hilfreich sein:

  • Neuropsychologische Therapie: Zur Verbesserung von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und anderen kognitiven Funktionen.
  • Physiotherapie: Bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen.
  • Ergotherapie: Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten.
  • Physikalische Therapien: Elektrotherapie, Massage, Bäder.

Tipps für den Umgang mit Aphasie-Patienten

Der Umgang mit Aphasie-Patienten erfordert Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen. Hier sind einige Tipps, die die Kommunikation erleichtern können:

  • Behandeln Sie den Aphasie-Patienten als Gesprächspartner auf Augenhöhe.
  • Nehmen Sie der aphasischen Person nicht das Wort aus dem Mund.
  • Sprechen Sie nicht über sie, sondern mit ihr.
  • Sprechen Sie in normaler Sprache und in einfachen Sätzen.
  • Sprechen Sie langsam, klar und deutlich.
  • Formulieren Sie Fragen so, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.
  • Korrigieren Sie nicht.
  • Halten Sie Blickkontakt.
  • Setzen Sie alle Mittel der Kommunikation ein: Gesten und Mimik, zeichnen oder schreiben Sie, zeigen auf Gegenstände oder Abbildungen.
  • Warten Sie geduldig auf eine Antwort.
  • Sorgen Sie im Gespräch für eine ruhige Umgebung.
  • Drängen Sie nicht, wenn der Betroffene in einem Satz nicht weiterkommt.
  • Seien Sie verständnisvoll und geduldig bei Gefühlsschwankungen.

Selbsthilfe und Unterstützung

Neben der professionellen Therapie ist der Austausch mit anderen Betroffenen und ihren Angehörigen von großer Bedeutung. Selbsthilfegruppen bieten eine Plattform, um Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und neue Perspektiven zu gewinnen.

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