Schlaganfall und Sprachzentrum: Lokalisation, Aphasie und Therapie

Ein Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung im Gehirn, die den Untergang von Nervenzellen in der betroffenen Region verursacht. Jedes Gefäß versorgt ein bestimmtes Gebiet im Gehirn, und jede Hirnregion ist für unterschiedliche Körperfunktionen zuständig. Die Symptome können stark variieren, je nach Lokalisation des Schlaganfalls.

Ursachen und betroffene Gefäße

Die häufigste Ursache für einen Schlaganfall ist die Verstopfung eines Gefäßes durch ein Gerinnsel, was zum Beispiel aufgrund von Herzrhythmusstörungen oder Arteriosklerose entstehen kann. Ein Riss (Ruptur) einer Gefäßwand kann ebenfalls zu einem Schlaganfall führen, indem Blut aus einem der Blutgefäße des Gehirns austritt.

Die Arteria carotis interna ist mit 50 Prozent aller Schlaganfälle am häufigsten betroffen, gefolgt von der Arteria cerebri media in 25 Prozent der Fälle. Ein Verschluss der Arteria cerebri media führt typischerweise zu Hemiparesen (Lähmung einer Körperhälfte), da sie große Teile des motorischen Kortex versorgt.

Sprachzentren im Gehirn

Grundsätzlich kann man zwischen zwei Sprachzentren unterscheiden:

  • Broca-Areal (Frontallappen): Verantwortlich für die Sprachproduktion.
  • Wernicke-Areal (Temporallappen): Verantwortlich für das Sprachverständnis.

Diese Sprachzentren sind meistens in der linken Hälfte des Gehirns lokalisiert, bei 95 Prozent der Rechtshänder. Das heißt, dass ein rechtshändiger Schlaganfallpatient mit einer Schädigung in der linken Gehirnhälfte mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine Aphasie (Sprachstörung) aufweist.

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Aphasie: Sprachstörungen nach Schlaganfall

Plötzlich aufzuwachen und nicht mehr sprechen zu können, ist eine schreckliche Erfahrung, die ein Mensch mit Aphasie durchmacht. Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die nach einer Schädigung der linken Gehirnhälfte auftreten kann. In der Bundesrepublik Deutschland sind rund 85.000 Menschen von Aphasie betroffen, und jährlich kommen ca. 30.000 Neuerkrankte hinzu. Das Wort “Aphasie” ist ein medizinischer Fachbegriff und bedeutet “ohne Sprache”. Aphasie hat nichts mit geistiger Behinderung oder psychischer Störung zu tun.

Ursachen von Aphasie

Ursache solch einer Schädigung ist in vielen Fällen ein Schlaganfall. Andere mögliche Ursachen sind Hirnblutungen, Hirntumore, entzündliche Prozesse oder Schädelhirnverletzungen (etwa nach einem Unfall).

Symptome von Aphasie

Aphasie bedeutet aber nicht unbedingt einen totalen Sprachverlust. Je nach Ausmaß und Lokalisation der Schädigung tritt die Sprachstörung Aphasie in unterschiedlichen Schweregraden auf.

  • Sprechen: Viele Menschen mit Aphasie haben Mühe, sich spontan zu äußern, wenn sie angesprochen werden und antworten wollen. Manche sprechen nur Silben, die sie aneinander reihen, andere sprechen sehr langsam und es gelingt ihnen nur mit Mühe, Wörter zu bilden. Wieder andere finden nicht die passenden Wörter. Manche Betroffene sprechen dagegen flüssig, verwechseln jedoch dabei Laute und Wörter. Zudem sind grammatische Fehler sehr häufig. Es kann vorkommen, dass Menschen mit Aphasie etwas ganz anderes sagen, als sie ausdrücken wollten. Viele verwechseln inhaltlich ähnliche Wörter wie “rechts” und “links” oder vertauschen “ja” und “nein”.
  • Schreiben: Oft werden Grapheme vertauscht, hinzugefügt oder ausgelassen. In vielen Fällen werden Wörter zwar richtig geschrieben, oft aber mit einem bedeutungs- oder klangähnlichen Wort verwechselt.
  • Verstehen: Menschen mit Aphasie haben häufig Schwierigkeiten, gesprochene und geschriebene Sprache zu verstehen.
  • Lesen: Viele von Aphasie Betroffene verlieren ihre Lesefähigkeit ganz, andere teilweise. Aber selbst bei schweren Lesestörungen können manchmal gut bekannte Wörter gelesen werden. Oft werden gelesene Wörter mit sinnverwandten Wörtern verwechselt, z.B. liest ein Betroffener statt “Jacke” evtl. “Mantel”.
  • Gestik und Mimik: Manchmal sind auch Gestik und Mimik gestört.

Formen der Aphasie

Klinisch werden vier Aphasiesyndrome unterschieden: Globale Aphasie, Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie, Amnestische Aphasie und Restaphasie. Daneben treten aber auch Sonder- und Mischformen auf.

  • Globale Aphasie: Verstehen und Produzieren von Sprache schwer betroffen, gar keine oder nur wenig inhaltsreiche verbale Kommunikation möglich, Auftreten von Sprachautomatismen, die nur aus aneinandergereihten sinnlosen Silben bestehen. Dies ist die schwerste Form der Aphasie.
  • Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Patient spricht meist unflüssig, mit Pausen, viele lautliche oder Bedeutungs-Fehler, häufige Selbstkorrekturversuche, kurze, häufig unvollständige oder ungrammatische Sätze. Das Sprachverständnis ist auch betroffen, aber häufig im Vergleich zur Sprachproduktion relativ gut erhalten. Bei einem Schlaganfall im Bereich des Broca-Areals entwickelt der Patient eine Sprechstörung. Das heißt, dass der Betroffene nicht mehr oder nur mit großer Schwierigkeit reden kann. Das Verständnis für die Sprache bleibt erhalten, es wird also alles was andere sagen verstanden. Allerdings gelingt es dem Patienten nicht selbst zu reden oder nur sehr langsam und telegrammartig.
  • Wernicke-Aphasie (sensorische Aphasie): Patient spricht flüssig, teilweise überschießend, aber inhaltsarm bis inhaltsleer. Häufige Verwendung von inhaltsleeren Floskeln (z.B. Na, Sie wissen schon, mal so mal so) oder auch von Wörtern und Phrasen, die es gar nicht gibt (Neologismen, z.B. Flanduline gabadene), Auftreten von Satzverschränkungen, Sprachverständnis stark beeinträchtigt. Wenn der Wernicke-Areal vom Schlaganfall betroffen ist, dann entsteht eine Sprachstörung. Die Betroffene können zwar problemlos reden, der Inhalt ergibt aber keinen Sinn. Oft werden Wörter wiederholt oder neu erfunden. Linguistisch lässt sich die Wernicke-Aphasie besser als Störung der Semantik erklären, die sowohl das Sprachverständnis als auch die Sprachproduktion betrifft.
  • Amnestische Aphasie: Herausstechendes Merkmal sind die Wortfindungsstörungen mit Suchen von Wörtern und Umschreibungen, während andere Bereiche wie Lautstruktur und Satzbau häufig wenig beeinträchtigt sind. Patient spricht meist flüssig, es kann aber durch die Wortfindungsstörungen zu Satzabbrüchen kommen. Eine weitere Sprachstörung ist die anamnestische Aphasie, in der vor allem Wortfindungsstörungen auftreten. Dabei suchen die Patienten oft nach Wörter oder beschreiben diese.

Weitere neurologische Auswirkungen eines Schlaganfalls

Neben Aphasie können nach einem Schlaganfall noch weitere Symptome auftreten, abhängig von der betroffenen Hirnregion:

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  • Motorische Defizite: Hemiparese (Lähmung einer Körperhälfte), Apraxie (Unfähigkeit, bestimmte Handlungen durchzuführen). Ein pathologischer Babinski-Reflex kann auftreten, bei dem das Bestreichen des seitlichen Fußsohlenrandes zu einer Streckung des großen Zehs nach oben führt.
  • Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühl.
  • Visuelle Störungen: Hemianopsie (halbseitiger Gesichtsfeldausfall), Laterale Augendeviation („ocular lateral deviation“, OLD). Bei Störungen im Bereich der Sehrinde kommt es zu plötzlichen Sehstörungen in Form einer Hemianopsie (halbseitiger Gesichtsfeldausfall).
  • Kognitive Defizite: Aufmerksamkeitsprobleme, Agnosie (Nicht-Erkennen von Dingen), Prosopagnosie (Nicht-Erkennen von Gesichtern), räumliche Desorientierung, Halbseiten-Neglect (Nichtwahrnehmen einer Körperseite). In der rechten Gehirnhälfte liegen visuell-räumliche Fähigkeiten. Patienten mit einem Schlaganfall in der rechten Gehirnseite sind meist räumlich desorientiert und haben Aufmerksamkeitsprobleme. Einige zeigen einen sogenannten „Halbseiten-Neglect“ - die linke Körperseite wird plötzlich nicht mehr wahrgenommen, obwohl keine Sehstörung vorliegt. Manche Patienten laufen gegen Türrahmen oder rasieren sich nur eine Hälfte des Gesichts. Weiterhin kann eine Agnosie vorliegen - bestimmte Dinge werden nicht erkannt - zum Beispiel Gegenstände.Bei einer sogenannten „Prosopagnosie“ können die Betroffenen Gesichter nicht erkennen - manchmal sogar nicht einmal ihr eigenes Spiegelbild.
  • Ataxie: Störung der Bewegungsabläufe.
  • Hirnstamm-Infarkte: Bei Hirnstamm-Infarkten (z. B. bei Thrombose der A. vertebralis und A. basilaris) kann es zu Bewusstseinsstörungen, Atemstörungen, Schluckstörungen, Gleichgewichtsstörungen und vielfältigen Hirnnervenausfällen kommen.

Rehabilitation und Therapie

Die langfristigen Folgen eines Schlaganfalls des Sprachzentrums sind individuell unterschiedlich und stark davon abhängig, wie schwer der Patient betroffen ist und welche Erkrankungen noch zusätzlich bestehen. Generell erholen sich die Patienten mit einer leichten Sprachstörung besser und schneller. Dennoch können auch schwer Betroffene das Sprechen neu erlernen. Studien zeigen, dass sich bei etwa ein Drittel der Patienten innerhalb des ersten Monats die Sprache wieder erholt.

Um die Sprachfunktionen wieder zu erlangen, ist einen sofortigen Beginn einer systematischen Sprachtherapie ganz wichtig. Die Unterstützung der Spontanheilung in der frühen Phase kann große Fortschritte mit sich bringen. Es wurde wissenschaftlich belegt, dass mindestens 5 bis 10 Stunden Therapie pro Woche nötig sind, um nachweißlich eine Besserung zu verursachen. Die Dauer der Therapie kann mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen, je nachdem wie ausgeprägt die Sprachstörung ist. Meistens wird am Anfang eine Einzeltherapie angeboten, in der das Sprechen und Verstehen, aber auch die Aufmerksamkeit trainiert werden.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist das Einbeziehen der Angehörige. Diese können einen großen Einfluss auf die Motivation und Fortschritt des Patienten haben. Sie brauchen aber manchmal auch Rat, wie sie das am besten erzielen können. Das Beste, was man als Betroffener machen kann, ist viel üben und die Sprachtherapie wahrnehmen.

Bedeutung der Sprachtherapie

Die Sprachtherapie spielt eine zentrale Rolle für das Wiedererlangen des Sprechens. Die Regionen vom Gehirn, die vom Schlaganfall betroffen sind, können auch ein Einfluss auf die langfristige Folgen haben. Wenn der Patient in seiner Aufmerksamkeit und kognitive Fähigkeiten ebenfalls eingeschränkt ist, gestaltet sich die Rehabilitation der Sprache schwieriger. Zuletzt sind auch die psychischen Folgen von einer gestörten Kommunikation nicht zu unterschätzen. Diese können sehr frustrierend für den Patient sein und eine depressive Verstimmung verursachen. Auch das soziale Umfeld kann sich verändern. Der Schlaganfall kann zu weiteren schwerwiegenden Folgen führen.

Tipps für Betroffene und Angehörige

Eine Sprachstörung ist eine frustrierende und beängstigende Folge des Schlaganfalls. Viele Patienten verlieren die Motivation und sind schnell verzweifelt. Man sollte nicht nur in den Therapiestunden die Übungen durchführen, sondern auch die Kommunikation im Alltag, sowie das Lesen und Schreiben trainieren. Hier spielen die Angehörigen eine wesentliche Rolle. Selbsthilfegruppen stellen ebenfalls eine große Hilfe dar. Dort kann man andere betroffene Menschen kennenlernen, die ihre Erfahrungen teilen und Ratschläge geben.

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FAST-Test: Schlaganfallsymptome schnell erkennen

Der nachfolgend beschriebene FAST-Test ermöglicht, wichtige und typische Schlaganfallsymptome im Notfall schnell zu überprüfen:

  • Face: Schiefes Lächeln?
  • Speech: Verwaschene Sprache?
  • Time: Zeit, den Notruf zu wählen!

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