Depressionen sind mehr als nur Traurigkeit. Sie sind eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die sich vielfältig äußern kann. Neben den Hauptsymptomen wie gedrückter Stimmung, Freudlosigkeit und Antriebslosigkeit können auch körperliche Beschwerden im Vordergrund stehen. Dazu gehören Kribbeln und Taubheitsgefühle, die oft als somatisches Syndrom bezeichnet werden. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Zusammenhänge zwischen Depressionen, Kribbeln und Taubheitsgefühlen.
Was ist eine Depression?
Die Depression ist eine der häufigsten Erkrankungen. In Deutschland leiden derzeit ca. 4 Millionen Menschen unter einer Depression. 10 Millionen Menschen, also etwa jeder 8. Einwohner Deutschlands, durchlebt zumindest einmalig in seinem Leben eine depressive Phase. Die Depression ist jedoch mehr als eine Auflistung von Krankheitszeichen. Die psychische Störung verändert das Denken, Fühlen und Verhalten der Betroffenen. Und: Sie zeigt sich bei jeder Person anders. Manche spüren zum Beispiel eine tiefe, grundlose Traurigkeit. Andere Betroffene berichten hingegen von einem "Gefühl der Gefühllosigkeit". Sie sind nicht mehr in der Lage, intensive Gefühlsregungen wie Freude, Wut, aber auch Traurigkeit wahrzunehmen.
Neurologisch lässt sich dies unter anderem so erklären: Während depressiver Episoden wird weniger Noradrenalin produziert. Durch den Mangel des "Glückshormons" vernetzen sich die Nervenzellen im Gehirn langsamer, sodass es sich schlechter an neue Reize anpasst.
Wird diese nicht rechtzeitig erkannt, kann das schwerwiegende Folgen nach sich ziehen: Mehr als die Hälfte der Suizide in Deutschland sind auf Depressionen zurückzuführen.
Symptome einer Depression
Neben den Hauptsymptomen gibt es zahlreiche Zusatzsymptome. Bei einigen Menschen stehen Letztere so sehr im Vordergrund, dass die Erkrankung lange im Verborgenen bleibt. Denn in diesem Fall vermuten Betroffene, Angehörige und Fachleute häufig eine andere Ursache. Dazu kommt es vor allem, wenn die Depression vorrangig mit körperlichen Beschwerden einhergeht, einem sogenannten somatischen Syndrom.
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Zu den möglichen Symptomen einer Depression gehören:
- Schlafstörungen: Menschen mit Depressionen leiden häufig unter Schlafstörungen. Sie haben etwa Schwierigkeiten, einzuschlafen. Oft werden sie bereits in den frühen Morgenstunden wach und finden bis zum Aufstehen keinen Schlaf mehr. Grundsätzlich schlafen Betroffene meist deutlich weniger als normal.
- Verlust der Libido: Viele depressive Personen verspüren weder Lust auf Geschlechtsverkehr, noch haben sie den Antrieb für sexuelle Aktivitäten. Mediziner*innen sprechen von einer mangelnden beziehungsweise fehlenden Libido. Sexuelle Unlust ist ein häufiges Anzeichen bei einer depressiven Verstimmung, das die Partnerschaft stark belasten kann.
- Körperliche Beschwerden ohne organische Ursache: Eine Depression kann sich durch zahlreiche körperliche Anzeichen bemerkbar machen. Dann ist keine organische Ursache für die Beschwerden feststellbar. So kann bei immer wiederkehrenden Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Schwindel auch psychische Ursachen möglich sein. Mögliche körperliche Anzeichen einer Depression sind allgemeines Krankheitsgefühl, Taubheitsgefühl (Hypästhesie) in den Armen und Beinen, Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme und Schwindel, ein Kloßgefühl im Hals, Luftnot (Dyspnoe), Herzrasen (Tachykardie) und Herzstolpern (Extrasystolen) sowie Rückenschmerzen.
- Fehlender Appetit und Gewichtsverlust: Ob Nudeln, Pizza oder Salat: Bei einer Depression schmeckt selbst das Lieblingsgericht oft nicht. Manche Betroffene vergessen regelrecht zu essen, da sie schlichtweg keinen Appetit mehr verspüren (Inappetenz). Häufig verlieren sie innerhalb weniger Wochen deutlich an Gewicht. Auch das Gegenteil kann der Fall sein: Manche Personen essen während einer Depression besonders viel, sodass eine Gewichtszunahme folgt. Dazu kommt es, wenn Betroffene sich mit Essen trösten, ablenken oder "betäuben".
- Morgentief und Abendhoch: Viele depressive Menschen haben ein sogenanntes Morgentief. Morgens geht es ihnen besonders schlecht. Sie würden am liebsten im Bett bleiben und müssen sich regelrecht zum Aufstehen zwingen. Bei einer schweren Depression schaffen sie es kaum oder gar nicht, aus dem Bett zu kommen. In den Abendstunden hellt sich die Stimmung dagegen häufig deutlich auf - manchmal so sehr, dass sich die Betroffenen wieder richtig gut fühlen. Am nächsten Morgen folgt allerdings das nächste Tief.
- Konzentrationsprobleme: Konzentrationsstörungen und Irritierbarkeit zählen zu typischen Anzeichen einer Depression. Während einer ausgeprägten depressiven Episode fällt es Betroffenen zum Beispiel schwer, einem Gespräch zu folgen, sich etwas zu merken oder ein Buch zu lesen. Ebenfalls typisch: Vielen depressiven Menschen erscheint es nahezu unmöglich, selbst einfache Entscheidungen zu treffen - und wenn es nur um die Frage geht, was es zum Mittagessen geben soll. Die Konzentrationsprobleme bereiten den Erkrankten oft große Sorgen. Sie befürchten etwa, an einer Demenz erkrankt zu sein. In der Regel handelt es sich aber um Brain Fog.
- Negative Gedanken: Depressive Menschen sehen schwarz: Für sie ist das Glas grundsätzlich halb leer. Sie sehen keinen Ausweg aus ihrer Situation und sind fest davon überzeugt, dass es ihnen nie mehr besser gehen wird. Entsprechend fühlen sie sich der Krankheit ausgeliefert und jeder neue Tag ist für sie eine Qual.
- Angst: Etwa sieben bis acht von zehn Betroffenen berichten während einer depressiven Episode über Angstgefühle. Die Ängste sind oft diffus. Das bedeutet: Die Betroffenen können nicht sagen, wovor sie genau Angst haben. Vielmehr erleben sie ein unspezifisches Gefühl von Bedrohung. Sie fühlen sich überfordert und haben Sorge, wie es in Zukunft für sie weitergeht.
- Reizbarkeit: Eine Depression kann sich in Form von Reizbarkeit und Aggression äußern. Schon Kleinigkeiten werfen die Erkrankten völlig aus der Bahn und sie fühlen sich entsprechend schnell angegriffen und reagieren gereizt.
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen: Viele depressive Personen, selbst wenn sie vorher sehr selbstbewusst waren, fühlen sich während einer Depression unzulänglich und minderwertig. Ob bei der Arbeit oder in der Haushaltsführung: Wer eine Depression hat, traut sich kaum noch etwas zu. Nichts will mehr gelingen - und wenn doch einmal etwas funktioniert hat, dann war es ihrer Meinung nach Glück. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang auch vom Hochstapler-Syndrom.
- Schuldgefühle und die Überzeugung, wertlos zu sein: Egal, was passiert: Depressive Menschen suchen die Schuld meist bei sich selbst und weniger bei anderen. Verspäten sie sich zum Beispiel, weil sie unvorhergesehen im Stau standen, sehen sie den Fehler bei sich - denn sie hätten ja früher losfahren können. Solche Schuldgefühle verstärken die Annahme, unzulänglich und wertlos zu sein und die Freundschaft anderer "nicht zu verdienen".
- Psychomotorische Hemmung und/oder starke Unruhe: Insbesondere bei schwereren Depressionen kann eine sogenannte psychomotorische Hemmung auftreten. Die Bewegungen der Betroffenen sind verlangsamt, ihre Mimik wirkt starr und sie sprechen langsamer als gewöhnlich. Auch wenn sie nach außen sehr ruhig wirken, verspüren Betroffene oft eine quälende innere Unruhe. Andere haben hingegen einen ausgeprägten Bewegungsdrang.
Kribbeln und Taubheitsgefühle als Ausdruck der Depression
Körperliche Symptome wie Kribbeln und Taubheitsgefühle sind bei Depressionen nicht ungewöhnlich. Sie können an verschiedenen Stellen des Körpers auftreten und wechseln. Oftmals werden sie von anderen Symptomen wie Hitzegefühlen, einem glühenden Gesicht, Schreckhaftigkeit, Nervosität, zittrigen Händen, Atembeschwerden, Schwindel, Magen- und Darmbeschwerden sowie einem allgemeinen Schwächegefühl begleitet.
Diese Empfindungen werden als Parästhesien (Fehlempfindungen) oder Hypästhesie (verminderte Berührungsempfindlichkeit) bezeichnet. Sie können durch eine gestörte Reizweiterleitung im Nervensystem verursacht werden, die durch die Depression beeinflusst wird.
Ursachen von Depressionen
Die Ursachen depressiver Erkrankungen sind vielfältig und nur unvollständig erforscht. Es ist von einem Zusammenwirken mehrerer Ursachen auszugehen. Neben Erbfaktoren spielen biologische Faktoren und Umwelteinflüsse eine Rolle. Die Depression im Gehirn entsteht, nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse, am ehesten durch einen Mangel oder ein Ungleichgewicht an Überträgerstoffen zwischen den einzelnen Nervenzellen des Gehirns. Bekannt ist, dass beispielsweise ein Mangel oder Ungleichgewicht der Überträgerstoffe Serotonin, Dopamin, Melatonin oder Noradrenalin eine Depression auslösen oder unterhalten kann. Eine Depression kann auch Teil einer anderen Gehirnerkrankung, wie zum Beispiel eines Schlaganfalls, einer Epilepsie oder einer Gehirnverletzung sein. Die Depression kommt in einigen Familien gehäuft vor.
Eine Depression kann durch ein einschneidendes negatives Erlebnis, wie den Verlust einer nahestehenden Person, einen Unfall mit schwerwiegenden Folgen oder einen Arbeitsplatzverlust aber auch durch eine chronische Konfliktsituation und Überforderung ausgelöst oder in ihrer Entstehung begünstigt werden. Dies ist aber nicht immer der Fall. Oft entsteht eine Depression auch ohne äußeren Anlass.
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Eine Depression kann überdies als Nebenwirkung eines Medikamentes vorkommen. Dies ist immer zu beachten und gegebenenfalls das auslösende Medikament abzusetzen.
Weitere Ursachen für Kribbeln und Taubheitsgefühle
Es ist wichtig zu beachten, dass Kribbeln und Taubheitsgefühle auch andere Ursachen haben können, die nicht mit einer Depression zusammenhängen. Dazu gehören:
- Neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose, Parkinson, Polyneuropathie
- Stoffwechselerkrankungen: Diabetes mellitus, Vitamin-B12-Mangel
- Durchblutungsstörungen
- Bandscheibenvorfall
- Engpasssyndrome: Karpaltunnelsyndrom, Tarsaltunnelsyndrom
- Infektionen: Gürtelrose
- Medikamentennebenwirkungen
- Psychische Belastungen: Angstzustände, Panikattacken, Stress
Diagnose und Behandlung
Bei länger anhaltenden und/oder starken Beschwerden sollte immer ein ärztlicher oder psychotherapeutischer Rat eingeholt und eine Therapie eingeleitet werden. Grundsätzlich ist es wichtig, bei den genannten Symptomen zunächst körperliche oder andere psychische Ursachen auszuschließen.
Die Behandlung der Depression erfolgt mit Psychotherapie, antidepressiven Medikamenten und körperlichem Training sowie Entspannungstraining. Zusätzlich können ergänzend eine Neural-Akupunktur und eine magneto-elektrische Stimulation angewendet werden. Insgesamt empfiehlt sich die Behandlung integriert und multimodal, das heißt unter Ausschöpfung aller Behandlungsmöglichkeiten zu gestalten.
- Psychotherapeutische Behandlung: Die Psychotherapie ist eine effektive Methode zur Behandlung der Depression. Die Psychotherapie bei Depressionen wird durch qualifizierte Ärzte oder psychologische Psychotherapeuten durchgeführt. Man unterscheidet Verhaltenspsychotherapie und analytische Psychotherapie. Für die Depression wird man überwiegend die Verhaltenspsychotherapie anwenden. Hierbei werden die verschiedenen Lebensbereiche im Hinblick auf Krankheit-auslösende oder Krankheit-unterstützende Faktoren analysiert, erörtert und Möglichkeiten der Konfliktlösung aufgezeigt. Im optimalen Fall führt dies zu einer Verhaltensänderung des Patienten, die für ihn vorteilhaft ist und zur Ausheilung der Depression beiträgt.
- Medikamentöse Therapie: Ziel der medikamentösen Therapie der Depression ist es Störungen im Stoffwechsel der Überträgerstoffe zwischen den Nervenzellen im Gehirn zu verbessern. Wichtige Überträgerstoffe hierfür sind Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Melatonin. Es stehen etwa 10 Substanzen der 1. Wahl zur Verfügung. Die Frage, welches Medikament, in welcher Dosierung, über welchen Zeitraum eingesetzt werden soll, wird durch den Facharzt (Psychiater oder Neurologen) in enger Abstimmung mit dem Patienten festgelegt. Wichtig ist zu wissen, dass viele antidepressive Medikamente ihre Wirksamkeit erst nach Ablauf von 2 Wochen entfalten und sich diese danach, auch bei gleichbleibender Dosierung, noch steigern kann. Die Medikamente machen nicht abhängig und können jederzeit (ausschleichend) wieder abgesetzt werden. Gegebenenfalls können zusätzlich weitere Medikamente zur Beruhigung oder Verbesserung des Nachtschlafes angewendet werden.
- Körperliches Training und Entspannungstraining: Ratsam sind 30-60 min Ausdauertraining mehrfach wöchentlich. Durch körperliches Training werden die Gehirnzellen aktiviert und Stammzellen im Gehirn zur Teilung angeregt. Schon nach kurzer Zeit können Stimmung und Lebensfreude steigen, Antrieb und Selbstvertrauen sich normalisieren, Schlafstörungen behoben sein. Eine Sonderform des körperlichen Trainings ist das Entspannungstraining. Dieses wird unter Anleitung durch spezifisch geschulte Physiotherapeuten oder Sportlehrer vermittelt und kann danach in eigener Regie praktiziert werden.
- Neural-Akupunktur: Hypothetisches Ziel der Neural-Akupunktur ist es, durch Stimulation an den Nervenaustrittspunkten die Freisetzung der körpereigenen Endorphine herbeizuführen. Die, landläufig auch als Glückshormone bezeichneten, Endorphine haben eine schmerz-lösende, ausgleichende und Stimmungs-aufhellende Wirkung.
- Magneto-elektrische Stimulation: Mit einer direkt über den Kopf gehaltenen Magnetspule wird im Bereich des Gehirns schwacher elektrischer Strom ausgelöst, der das Gehirn aktiviert. Weltweit existieren mehr als 50 Studien, die eine Wirksamkeit der Methode beobachteten. Die Methode ist harmlos und nebenwirkungsfrei.
Was Sie selbst tun können
Neben der ärztlichen Behandlung können Sie selbst einiges tun, um Ihre Beschwerden zu lindern:
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- Achten Sie auf einen gesunden Lebensstil: Ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung können sich positiv auf Ihre Stimmung und Ihr Körpergefühl auswirken.
- Vermeiden Sie Stress: Suchen Sie nach Möglichkeiten, Stress abzubauen, z.B. durch Entspannungsübungen, Yoga oder Meditation.
- Pflegen Sie soziale Kontakte: Verbringen Sie Zeit mit Freunden und Familie und unternehmen Sie Dinge, die Ihnen Freude bereiten.
- Sprechen Sie über Ihre Gefühle: Scheuen Sie sich nicht, sich einer Vertrauensperson anzuvertrauen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- Überprüfen Sie Ihre Sitzposition: Besonders viele Beschwerden macht das Sitzen mit gekreuzten Beinen, weil dies die Blutversorgung stört oder gar Nerven gequetscht werden. Wechseln Sie also immer wieder die Sitzposition und stehen Sie beim ersten Kribbeln sofort auf, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Auch zu enge Schuhe schnüren die Blutzufuhr ab. Ein einfacher Test ist das Wackeln mit den Zehen.
- Kurbeln Sie die Durchblutung an: Steckt eine schlechte Durchblutung hinter den Empfindungsstörungen, hilft alles, was den Kreislauf in Schwung bringt und den Blutfluss anregt. Sorgen Sie für ausreichend Bewegung, etwa durch flotte Spaziergänge oder Radfahren. Kräftigungs-, aber auch Dehnübungen steigern die Durchblutung noch zusätzlich. Stehen Sie auch bei sitzenden Tätigkeiten immer wieder zwischendurch auf und gehen Sie herum, damit das Blut nicht in den Beinen "versackt".
- Halten Sie die Gefäße gesund: Gesunde Blutgefäße sind die Voraussetzung für eine gute Durchblutung. Viele Abnutzungsprozesse entstehen aber durch einen falschen Lebensstil - z. B. durch Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsarmut.
- Trainieren Sie Ihr Körperbewusstsein: Entstehen Taubheitsgefühle im Rahmen von Panikattacken oder als Ausdruck einer psychischen Störung, helfen eventuell Übungen zur Verbesserung des Körperbewusstseins. Mit Techniken wie Yoga oder dem Body Scan trainieren Sie, Ihre Aufmerksamkeit auch über einen längeren Zeitraum auf Ihren Körper zu richten und sich intensiver zu spüren.
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