Aphasie, eine erworbene Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Gehirns verursacht wird, betrifft viele Menschen nach einem Schlaganfall. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet "keine Sprache". Diese Sprachstörung beeinträchtigt die Fähigkeit, Sprache zu produzieren und zu verstehen. Obwohl Aphasie oft mit Sprachlosigkeit übersetzt wird, handelt es sich nicht um ein Problem der Mundmuskulatur oder Motorik, wie es bei Sprechstörungen wie Stottern oder Gesichtslähmung der Fall ist. Stattdessen ist die Ursache im Gehirn selbst zu finden.
Ursachen und Häufigkeit
In etwa 80 Prozent der Fälle ist ein Schlaganfall die Ursache einer Aphasie. Ein Schlaganfall führt dazu, dass Nervenzellen im Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, was zum Absterben von Hirngewebe führen kann. Bei etwa 30 Prozent der Menschen, die ihren ersten Schlaganfall erleiden, tritt auch eine Aphasie auf. Glücklicherweise erholt sich etwa ein Drittel dieser Betroffenen innerhalb von vier Wochen weitgehend von der Sprachstörung.
Die neurologische Grundlage der Aphasie
Verantwortlich für eine Aphasie ist die Funktionseinschränkung von definierten Regionen des Großhirns, den sogenannten Sprachzentren. Bei den meisten Menschen befinden sich diese Zentren in der linken Großhirnhälfte. Die Funktion der Sprachzentren besteht darin, Sprachlaute in sinnvolle und grammatikalisch korrekte Worte oder Wortfolgen umzusetzen und Wort- oder Schriftinformationen zu verstehen. Aphasien sind somit Sprachsinn- und Sprachverwendungsstörungen.
Es ist wichtig zu betonen, dass Aphasie nicht mit einer Beeinträchtigung der Intelligenz einhergeht. Betroffene sind sich ihrer Gedanken und Gefühle bewusst, können sich aber aufgrund der Sprachstörung nicht mehr adäquat mitteilen.
Formen der Aphasie
Je nach betroffenem Hirnareal und Schweregrad der Schädigung können verschiedene Formen der Aphasie auftreten:
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- Amnestische Aphasie: Diese Form ist oft schwer zu erkennen, da sie sich hauptsächlich in Wortfindungsstörungen äußert. Betroffene können das Problem oft durch Umschreibungen oder Redefloskeln kaschieren.
- Broca-Aphasie: Menschen mit Broca-Aphasie sprechen langsam und angestrengt, oft in kurzen, einfachen Sätzen oder im Telegrammstil. Die Sprachproduktion ist erschwert, und Wortfindungsstörungen treten häufig auf. Eine Broca-Aphasie ist Ausdruck einer gestörten Sprachproduktion. Spärliche oder keine spontanen Äußerungen. Agrammatismus: Erhebliche Vereinfachung der Sprache durch Auslassen von Wortendungen bei Substantiven, Adjektiven und Verben. Bildung kurzer Sätze im Telegrammstil. Im Extremfall Bildung nur unzusammenhängender Worte in Zweier- oder Dreiergruppen. Phonematische Paraphasien, d.h., klangliche Veränderung von Worten durch Auslassen von Lauten. Semantische Paraphasien, d.h., Vertauschen von Wörtern. Beeinträchtigung der Steuerung und Ausführung von Sprechbewegungen (Dysarthrie). Das Nachsprechen ist wie die Spontansprache beeinträchtigt. Auffällig sind vor allem Wortverkürzungen und phonematische Paraphasien. Das Sprachverständnis ist für komplexe Wortfolgen gestört, allerdings wird der ungefähre Inhalt verstanden. Ebenfalls ist die Eigenwahrnehmung der Sprache bei Patienten mit Broca-Aphasie typischerweise gut erhalten, d.h. Die Schädigung (Läsion) im Falle der Broca-Aphasie ist im sogenannten Broca-Areal lokalisiert, das sich im unteren Stirnlappen (Frontallappen), bei den meisten Menschen der linken Gehirnhälfte, befindet. Ursache ist häufig ein Verschluss der mittleren Hirnarterie (Arteria cerebri media) oder einer ihrer Äste, die Arteria praerolantica, welche unter anderem für die Blutversorgung des Broca-Sprachzentrums sorgt.
- Wernicke-Aphasie: Im Gegensatz zur Broca-Aphasie zeichnet sich die Wernicke-Aphasie durch einen flüssigen, aber oft unverständlichen Sprachfluss aus. Betroffene sprechen in langen, verschachtelten Sätzen, in denen sich Satzteile wiederholen. Das Sprachverständnis ist meist stark beeinträchtigt.
- Globale Aphasie: Diese schwerste Form der Aphasie betrifft sowohl das Sprachverständnis als auch die Sprachproduktion massiv. Ganze Sätze sind selten, und Betroffene nutzen oft einzelne Worte oder wiederkehrende Floskeln.
Diagnose
Die Diagnose einer Aphasie und die Beschreibung der sprachlichen Einschränkungen erfolgen durch Neurologen und Neuropsychologen.
Therapie und Rehabilitation
Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich nach einer Schädigung neu zu organisieren. Wesentliche Ziele der Aphasie-Therapie sind die Reorganisation und Kompensation der Hirnareale. Bei der Reorganisation erlernen die früheren Nervenzellen ihre alten Aufgaben wieder. Bei der Kompensation lernen andere Nerven die Aufgaben zu übernehmen. Außerdem sollen Betroffene ihre Fähigkeiten aufbauen und zum Sprechen und sozialem Kontakt animiert werden.
Die Therapie einer Aphasie ist Aufgabe von Logopäden oder Patholinguisten. Sie beginnen oft schon in der Stroke-Unit mit dem Training. In schweren Fällen kann auch das Erlernen einer Zeichensprache notwendig sein.
Technologische Hilfsmittel
Technische Entwicklungen erleichtern die Behandlung und den Alltag von Aphasie-Patienten. Dazu gehören Sprach-Apps und spezielle Computerprogramme, die in der Therapie eingesetzt werden können. Studien haben gezeigt, dass der Einsatz solcher Hilfsmittel die Fortschritte in der Aphasie-Behandlung verbessern kann.
Intensives Sprachtraining
Auch bei chronischer Aphasie, die länger als sechs Monate nach dem Schlaganfall besteht, kann intensives Sprachtraining zu Verbesserungen führen. Studien haben gezeigt, dass ein Training von mindestens zehn Stunden pro Woche über mehrere Wochen die Sprachstörung und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern kann. Auch selbstgesteuertes Sprachtraining per Software kann die Wortfindung effektiv verbessern.
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Transkranielle Gleichstromstimulation
Ein neuer Therapieansatz ist die transkranielle Gleichstromstimulation. Bei diesem Verfahren wird ein schwacher Strom von außen durch den Schädel geleitet, um das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale zu stimulieren. Dies kann die Reorganisation des Sprachzentrums unterstützen und die Fähigkeit, Gegenstände zu benennen und einzuordnen, verbessern.
Individualisierte Netzwerktherapien
Forscher entwickeln individualisierte Netzwerktherapien, bei denen die für die Spracherholung kritischen Netzwerke im Gehirn mit Magnetstimulation angeregt werden. Dieser Ansatz hat das Potenzial, die Neurorehabilitation von Aphasie-Patienten weiter zu verbessern.
Fallbeispiel
Die 76-jährige Lena K. erlitt beim Einkaufen einen Schlaganfall, der zu einer Halbseitenlähmung und einer Broca-Aphasie führte. Dank schneller notärztlicher Versorgung und Lyse-Therapie besserte sich die Lähmung rasch. Durch konsequente krankengymnastische, ergotherapeutische und logopädische Behandlung konnte Frau K. ihre Sprachfähigkeiten deutlich verbessern.
Aphasie im Alltag
Eine Aphasie kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen grundlegend verändern. Sprache ist nicht nur ein praktisches Werkzeug, sondern auch Ausdruck unserer Persönlichkeit, unserer Gefühle und unseres Humors. Aphasiker wirken daher oft ihrer Persönlichkeit beraubt.
Autofahren
Die Fahreignung von Aphasie-Patienten muss individuell geprüft werden. Eine Aphasie ist nicht von vornherein ein Ausschlusskriterium, aber bestimmte Voraussetzungen wie ausreichende Konzentration, rasche Reaktion und gute Auffassungsgabe müssen gegeben sein.
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Berufliche Rehabilitation
Einen Beruf zu finden, ist für Aphasiker oft schwer. Spezielle Modelle zur beruflichen Rehabilitation, wie das Heidelberger Aphasie Modell, können helfen, eine passende berufliche Richtung zu finden.
Selbsthilfe
Selbsthilfegruppen bieten Aphasie-Patienten und ihren Angehörigen die Möglichkeit, sich auszutauschen, neue Freunde zu finden und Unterstützung zu erhalten.
Prävention
Die besten Tipps zur Prävention eines Schlaganfalls und damit auch einer Aphasie sind die Vermeidung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, Diabetes und Rauchen. Eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und die Behandlung von Risikofaktoren können das Schlaganfallrisiko deutlich senken.
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