Schätzungen zufolge erleiden jährlich über 160.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Viele dieser Betroffenen leiden an Diabetes mellitus. Diabetes stellt somit einen bedeutenden Risikofaktor für Schlaganfälle dar. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Zusammenhänge zwischen Diabetes und Schlaganfall, um das Bewusstsein für präventive Maßnahmen zu schärfen und die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung hervorzuheben.
Was ist Diabetes?
Diabetes mellitus, insbesondere Typ-2-Diabetes, ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch chronisch erhöhte Blutzuckerwerte gekennzeichnet ist. Diese erhöhten Blutzuckerwerte können langfristig zu Schädigungen der Blutgefäße führen, was wiederum das Risiko für verschiedene Komplikationen erhöht, darunter Herzinfarkt und Schlaganfall.
Der Zusammenhang zwischen Diabetes und Schlaganfall
Bei etwa jedem vierten Patienten, der einen Schlaganfall erleidet, ist Diabetes mellitus nachweisbar. Generell ist bei Diabetes das Schlaganfallrisiko zwei- bis viermal erhöht. Diabetes ist daher ein klassischer Risikofaktor für den Schlaganfall. Menschen mit Typ-2-Diabetes sind häufig auch besonders frühzeitig von einer rasch voranschreitenden Arteriosklerose betroffen. Entsprechend ist das Risiko für eine Herzgefäßerkrankung (KHK) bei Diabetikern im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um etwa das Zwei- bis Vierfache erhöht. Rund 80 Prozent aller Typ-2-Diabetiker versterben an den Folgen einer Herzgefäßerkrankung.
Mechanismen der Risikosteigerung
Beim Diabetes kommt es durch dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte zu einer fortschreitenden Schädigung vor allem kleinerer Blutgefäße. Erhöhte Blutzuckerwerte schädigen langfristig die Blutgefäße und fördern die Gerinnselbildung in den Gefäßen. Die Arterien verlieren an Elastizität, in Folge entstehen Verletzungen und Ablagerungen an den Gefäßwänden. Diese Gefäßschäden (Arteriosklerose) erhöhen die Gefahr eines Gefäßverschlusses. Ereignet sich der Verschluss in den Gefäßen, die das Gehirn versorgen, kommt es zu einem Schlaganfall.
Prädiabetes als Risikofaktor
Bereits leicht erhöhte Blutzuckerwerte bei der Vorstufe von Diabetes schaden den kleinen und großen Blutgefäßen. Deswegen ist auch schon bei Prädiabetes die Gefahr von Schlaganfällen erhöht. Prädiabetes bezeichnet ein Diabetes-Vorstadium, bei dem die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist, der Blutzuckerwert aber bereits erhöht ist. Wenn Prädiabetes vorliegt, ist das Risiko an Typ-2-Diabetes zu erkranken deutlich erhöht. Außerdem ist die Gefahr für Herzinfarkt und Schlaganfall größer. Das liegt an Schädigungen an den kleinen und großen Blutgefäßen aufgrund der erhöhten Zuckerwerte. Forscher untersuchten die Bedeutung von Prädiabetes auf ischämische Schlaganfälle. Damit sind die Schlaganfälle gemeint, die aufgrund von verengten oder verstopften Gefäßen auftreten. Sechs von zehn mit Schlaganfall haben Prädiabetes oder Diabetes. Diejenigen mit Prädiabetes erlitten vor allem sogenannte lakunäre Infarkte. Damit sind kleinere Hirninfarkte gemeint, die auf Veränderungen der kleinen Blutgefäße beruhen. Häufig waren auch atherosklerotische Infarkte, bei denen Kalkablagerungen in den Gefäßen vorliegen.
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Weitere Risikofaktoren, die sich potenzieren
Die Risikofaktoren für den ischämischen Schlaganfall addieren sich nicht nur, sondern potenzieren sich: Diabetes mellitus erhöht das Risiko um den Faktor 2 bis 3, ebenso Rauchen. Bluthochdruck schlägt sogar mit dem Faktor 6 bis 8 zu Buche. Die absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern führt ebenfalls zu einem mindestens 5fach erhöhten Schlaganfallrisiko. Wenn neben dem Vorhofflimmern noch eine koronare Herzerkrankung oder eine Herzschwäche bestehen, erhöht sich das Risiko zusätzlich um den Faktor 2 bis 3. Viele Menschen sind von mehreren dieser Einflüsse gleichzeitig betroffen. Wenn noch weitere Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck oder schlechte Blutfettwerte hinzukommen, steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall noch stärker an. So haben Diabetiker mit Bluthochdruck bereits ein zehnmal höheres Risiko für einen Schlaganfall als Menschen ohne Diabetes und ohne Bluthochdruck. Übergewicht und Bewegungsmangel können einen Bluthochdruck oder einen Diabetes zur Folge haben. Alleine hierdurch ist das Schlaganfallrisiko bei übergewichtigen Menschen deutlich erhöht. Rauchen schädigt die Blutgefäße und senkt die Sauerstoffaufnahme im Blut. Folge sind ein erhöhter Blutdruck, verengte Blutgefäße und eine schlechtere Gewebedurchblutung. Raucher haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Schlaganfallrisiko. Fettstoffwechselstörungen können eine Atherosklerose begünstigen und tragen damit zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko bei. Besonders das sogenannte LDL-Cholesterin erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Ist bei Familienmitgliedern bereits ein Schlaganfall aufgetreten, so ist das Schlaganfallrisiko erhöht.
Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko bei Diabetikern
Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern können zur Bildung von Blutgerinnseln im Herzen führen. Solche Gerinnsel können mit dem Blutstrom in die Hirnschlagadern gelangen und stellen ein sehr großes Risiko für Schlaganfälle dar. Menschen mit Vorhofflimmern haben ein bis zu 5-fach erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Bei Diabetes können sich Herzmuskelfasern krankhaft verändern, auch die elektrische Funktion der Zellmembranen kann gestört sein. Störungen des Herzrhythmus wie Vorhofflimmern sind daher eine häufige Begleiterkrankung des Diabetes. Bei den 65- bis 74jährigen Menschen mit Diabetes ist das Risiko für Vorhofflimmern um 20 Prozent erhöht. Deshalb wird gerade auch Diabetikern geraten, auf ihren Herzrhythmus zu achten, um Vorhofflimmern rechtzeitig zu erkennen.
Prävention und Risikomanagement
Wie bei so vielen Krankheiten gehören der Verzicht auf das Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum sowie eine gesunde, ausgewogene Ernährung und ausreichende, regelmäßige Bewegung zu den vorbeugenden Maßnahmen. Aber auch bei einem gesunden Lebensstil sollten bekannte Risikofaktoren für einen Schlaganfall durch den Hausarzt intensiv kontrolliert und behandelt werden. Sowohl Bluthochdruck als auch Diabetes begünstigen die Kalkeinlagerung in die Blutgefäße und erhöhen so das Risiko für einen Schlaganfall. So gilt es etwa, den Blutdruck als wichtigsten Risikofaktor unbedingt in einen Bereich von unter 140/90 mmHg zu bringen. Bei Patienten mit Diabetes muss konsequent der Blutzucker richtig eingestellt werden. Bei diesen Patienten müssen Blutdruckwerte in einem Bereich von 130-139/80-85 mmHg erreicht werden, um das Risiko für einen Schlaganfall zu senken. Weitere Risikofaktoren, bei denen von ärztlicher Seite risikosenkende Therapien eingeleitet werden sollten, sind Fettstoffwechselstörungen und bestimmte Herzerkrankungen, wie z. B. Herzrhythmusstörungen, oder ein genetisch bedingtes erhöhtes Thromboserisiko. Durch die Senkung des Blutzuckerspiegels, kann das damit verbundene Risiko von Folgeerkrankungen wie z.B. Schlaganfälle reduziert werden.
Lebensstilmodifikationen
Rauchverzicht, eine gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und ein Körpergewicht im Normbereich sind entscheidende Faktoren zur Sekundärprophylaxe nach einem Schlaganfall. Bei vielen Menschen mit Prädiabetes schützen zwei Veränderungen ihres Lebensstils vor Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung, die zur Hälfte aus Gemüse und wenig Zucker besteht und regelmäßiger Sport mindestens zweieinhalb Stunden pro Woche.
Medikamentöse Therapie
Oft verordnen Ärztinnen und Ärzte auch Medikamente, um das Risiko eines neuerlichen Blutgerinnsels zu verringern. Die Ärztin oder der Arzt wählt dafür geeignete Medikamente aus. Außerdem werden häufig Medikamente, zum Beispiel Statine, verschrieben, um den Cholesterinspiegel zu senken und das Risiko von Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) und Blutgerinnseln zu reduzieren. Menschen mit Diabetes sollten ihre Blutzuckerwerte engmaschig kontrollieren. Nach ärztlicher Empfehlung kann es erforderlich sein, die Behandlung umzustellen. Einige Mediziner empfehlen bereits bei Prädiabetes eine Behandlung mit Metformin oder einem GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid.
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Schlaganfall: Symptome erkennen und richtig handeln
Eine Person (mit Diabetes oder ohne) in Ihrer Nähe zeigt Schlaganfall-Symptome, aber Sie sind sich unsicher, was Sie jetzt tun sollen? Achten Sie auf folgende Anzeichen:
- F wie Face (Gesicht): Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab?
- A wie Arms (Arme): Lassen Sie die Person die Arme nach vorne heben. Kann die Person beide Arme gleichmäßig heben?
- S wie Speech (Sprache): Die Person soll einen einfachen Satz nachsprechen. Ist die Sprache verwaschen oder undeutlich?
- T wie Time (Zeit): Die wichtigste Devise: Zeit ist Hirn!
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall zählt jede Minute. Rufen Sie sofort den Notruf (112) und schildern Sie die Symptome.
Behandlung und Rehabilitation nach einem Schlaganfall
Die Behandlung eines Schlaganfalls hängt von der Art des Schlaganfalls (ischämisch oder hämorrhagisch) und der Schwere der Symptome ab. Zeit ist ein entscheidender Faktor: Eine schnelle Behandlung kann die Chancen auf eine vollständige Genesung erheblich verbessern.
Akuttherapie
Bei ischämischen Schlaganfällen versuchen Ärztinnen und Ärzte, mit speziellen Medikamenten das Blutgerinnsel aufzulösen und den Blutfluss wiederherzustellen. Diese sogenannte Thrombolyse ist jedoch nur innerhalb eines Zeitfensters von wenigen Stunden nach Beginn der Symptome wirksam. Eine mögliche Alternative ist, das Blutgerinnsel mechanisch zu entfernen (Thrombektomie). Dies geschieht mit einem Katheter, also einem sehr feinen Schlauch, der in dem betroffenen Blutgefäß bis zum Blutgerinnsel vorgeschoben wird.
Bei hämorrhagischen Schlaganfällen, die durch eine Blutung im Gehirn verursacht werden, ist die Kontrolle des Blutdrucks wichtig, um die Blutung zu verringern und weitere Schäden zu minimieren. Falls erforderlich, wird versucht, über einen chirurgischen Eingriff den Druck im Schädel zu reduzieren und so das Gehirn zu entlasten.
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Unabhängig von der Art des Schlaganfalls überwachen und behandeln Ärztinnen und Ärzte die Patientinnen und Patienten oft in sogenannten “Stroke Units” (englisch für Schlaganfall-Einheit). Das sind Abteilungen, die auf die Behandlung von Schlaganfällen spezialisiert sind.
Rehabilitation
Die Rehabilitation, kurz Reha, nach einem Schlaganfall ist wichtig, um bei betroffenen Personen körperliche Funktionen wiederherzustellen und die Lebensqualität zu verbessern. Sie beginnt noch im Krankenhaus, gefolgt von der Reha in spezialisierten Einrichtungen. Je nach Art und Ausmaß der Einschränkung(en) kann die Genesung nach einem Schlaganfall längere Zeit in Anspruch nehmen. Da kein Schlaganfall dem anderen gleicht, sollten Patientinnen und Patienten bei Fragen zur Prognose mit den behandelnden Ärztinnen oder Ärzten sprechen.
Eine stationäre Reha wird in der Regel für 3 Wochen bewilligt. Sie umfasst je nach Einschränkung(en) unterschiedliche Aspekte. So ist das Ziel der Physiotherapie, Muskelkraft, Koordination, Gleichgewicht und Beweglichkeit zu verbessern. Sie kann zudem helfen, die Mobilität wiederherzustellen. Mit der Ergotherapie wiederum versuchen Behandelnde, Patientinnen und Patienten für den Alltag fit zu machen. Sprich: Sie lernen je nach Art ihrer Einschränkung(en), wieder zu gehen, sich selbst zu waschen, Gegenstände zu halten und vieles mehr.
Die Logopädie ist wichtig, falls der Schlaganfall die Sprach-, Sprech- oder Schluckfunktionen beeinträchtigt hat. Patientinnen und Patienten verbessern ihre Kommunikationsfähigkeiten und lernen, wie sie mit Schluckproblemen umgehen können. Die neuropsychologische Reha wiederum konzentriert sich auf Gehirnfunktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken und Problemlösung.
Darüber hinaus unterstützen Psychologinnen und Psychologen Menschen nach einem Schlaganfall. Gemeinsam entwickeln sie Strategien zur Bewältigung von Stress und Depressionen.
Viele Kliniken leiten Patientinnen und Patienten an, später zu Hause selbst zu trainieren.
Diabetes und Herzinfarkt: Weitere Zusammenhänge
Dauerhaft zu hohe Blutzuckerwerte können Verkalkungen und Schädigungen von Gefäßen beschleunigen. Außerdem begünstigen sie Entzündungsreaktionen im Körper. Über welche Mechanismen Diabetes das Herz genau schädigt, ist noch nicht vollständig geklärt. Eine außergewöhnliche Form des Herzinfarktes trifft vor allem Menschen mit Diabetes: Beim sogenannten „stummen Infarkt“ sind die typischen Symptome kaum oder gar nicht vorhanden. Betroffene mit Diabetes bemerken die für einen Herzinfarkt typischen Schmerzen nicht oder zumindest in keinem alarmierenden Ausmaß. Deshalb gilt: Bei den kleinsten Anzeichen eines Herzinfarkts lieber einmal zu oft als zu wenig den Notruf wählen - das kann bedrohliche Langzeitfolgen verhindern. Menschen mit Diabetes sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Stoffwechselgesunde.
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