Demenz, ein Sammelbegriff für Krankheiten, die mit dem Abbau kognitiver Fähigkeiten einhergehen, stellt eine wachsende Herausforderung für die deutsche Gesellschaft dar. Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form, gefolgt von der vaskulären Demenz, der Lewy-Körper-Demenz und der frontotemporalen Demenz. Obwohl Demenz grundsätzlich in jedem Alter auftreten kann, steigt das Risiko mit zunehmendem Alter erheblich.
Aktuelle Statistiken und Trends
Prävalenz und Inzidenz
Nach neuesten Berechnungen leben in Deutschland derzeit rund 1,84 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Die meisten von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Im Jahr 2023 sind in Deutschland zwischen 364.000 und 445.000 Menschen im Alter von 65+ neu an einer Demenz erkrankt. Rund 1,8 Millionen Menschen leben insgesamt mit der Diagnose; die meisten sind Frauen (1,2 Millionen).
Die Zahlen werden weiter steigen, weil auch die Lebenserwartung steigt - und Alter ist der häufigste Risikofaktor. „Liegt die Prävalenz bei den 65- bis 69-Jährigen noch bei 1,85 Prozent, steigt sie auf über 36 Prozent bei den über 90-Jährigen“, heißt es im jüngst aktualisierten Infoblatt „Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft - ein mächtiger Sprung.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet im Jahr 2050 mit weltweit 139 Millionen Menschen, die unter einer Demenz leiden; in Deutschland könnten es dann zwischen 2,3 und 2,7 Millionen Menschen sein. Das gilt unter der Voraussetzung, dass es in den kommenden Jahren nicht gelingt, in Prävention und Therapie von Erkrankungen wie Alzheimer deutliche Fortschritte zu erzielen.
Regionale Unterschiede
Der Anteil von Menschen mit Demenz an der Bevölkerung unterscheidet sich zwischen den Bundesländern deutlich. Dies liegt an den Unterschieden in der Altersstruktur der Länder. Betrachtet man allerdings den Anteil an Demenz erkrankter Menschen an der Gesamtbevölkerung in den einzelnen Bundesländern, ergibt sich ein anderes Bild“, schreibt die Alzheimer Gesellschaft. „Am höchsten ist der Anteil von Menschen mit Demenz in Sachsen und Sachsen-Anhalt (2,6 Prozent), gefolgt von Sachsen und Thüringen (je 2,5 Prozent). Am niedrigsten ist er in Berlin (1,7 Prozent) und Hamburg (1,8 Prozent).“ Je höher der Altersdurchschnitt in den Ländern ist, desto häufiger treten Demenzerkrankungen auf.
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Todesfälle
Auch das Statistische Bundesamt (Destatis) hat wenig gute Nachrichten: Mit 10.100 Toten im Jahr 2023 wurde ein neuer Höchstwert registriert - das ist auf die vergangenen 20 Jahre hinweg betrachtet, eine Verdopplung. Im Jahr 2020 starben in Deutschland insgesamt 9 450 Menschen an Alzheimer - so viele wie nie zuvor. Die Zahl der Todesfälle war mehr als doppelt (+108,4 %) so hoch wie im Jahr 2000 mit 4 535. Der Anstieg der Krankenhausbehandlungen und Todesfälle mit der Diagnose Alzheimer ist zumindest teilweise auf eine immer älter werdende Bevölkerung zurückzuführen.
Demenz bei jüngeren Menschen
Nach wie vor gelten Demenzerkrankungen als ein Problem des höheren Lebensalters. Tatsächlich steigt das Risiko für eine Demenz ab dem 80. Lebensjahr deutlich an. Doch sind fast 6 Prozent der Betroffenen in Deutschland - rund 106.000 Menschen - jünger als 65 Jahre. Diese Gruppe wird erst seit wenigen Jahren zunehmend wahrgenommen und es fehlt vielfach noch an geeigneten Unterstützungsangeboten für sie und ihre Familien.
Ursachen und Risikofaktoren
Demenzerkrankungen haben unterschiedliche Ursachen. Da Demenz nicht kurativ therapiebar ist, kommt der Prävention von demenzrelevanten Faktoren über die gesamte Lebensspanne besondere Bedeutung zu. Zu diesen Faktoren gehören: soziale und umweltassoziierte Determinanten der Gesundheit (niedrige Bildung, soziale Isolation, Luftverschmutzung), gesundheitsrelevante Verhaltensweisen (Bewegungsmangel, riskanter Alkoholkonsum, Rauchen) und bestimmte Vorerkrankungen (Adipositas, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Depression, Diabetes Mellitus, Sehstörung, Hörverlust, Schädel-Hirnverletzungen).
Bislang sind 14 Risikofaktoren für Demenz bekannt, die prinzipiell modifizierbar sind und durch medizinische Vorsorge und gesunde Lebensgewohnheiten zum Teil persönlich beeinflusst werden können. Dazu gehören unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Schwerhörigkeit, Luftverschmutzung, geringe Bildung und soziale Isolation.
Prävention und Therapie
Demenzerkrankungen wie Alzheimer sind bisher nicht heilbar. Ärzt:innen stehen verschiedene Medikamentenklassen zur Verfügung, um die Symptome der Erkrankung zu behandeln (s. „Alzheimer: Medikamentöse Therapie“).
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Besonders erfolgversprechend sind Präventionsmaßnahmen, die gleichzeitig an mehreren Lebensstilfaktoren ansetzen (10). Eine der größten multimodalen Präventionsstudien, die finnische FINGER-Studie (11), richtete sich an ältere Menschen mit erhöhtem Demenzrisiko. Die Autorinnen und Autoren berichten für die Interventionsgruppe - die eine zweijährige Intervention aus Ernährungsberatung, körperlichem und kognitivem Training sowie ärztlichem Feedback zu kardiovaskulären Risikofaktoren erhielt - von kleinen, aber signifikant positiven Effekten auf die allgemeine Kognition im Vergleich zur Kontrollgruppe. Der berichtete Interventionseffekt ist ermutigend, denn Studien zur Demenzprävention unterliegen Herausforderungen: Die langsame Entwicklung der Erkrankung über Jahrzehnte erschwert die Identifikation geeigneter Interventionszeitpunkte und -gruppen (10, 12). In einem internationalen Demenzpräventionsnetzwerk (10), an dem auch Deutschland beteiligt ist (13), werden derzeit Präventionsmaßnahmen weiterentwickelt.
Arzneimittel gegen Alzheimer neu zugelassen
In die Erforschung von Alzheimer-Präparaten ist nach Jahren der Stagnation in der letzten Zeit einiges an Bewegung gekommen. In den USA wurde 2023 ein Antikörper zugelassen, dem die Fähigkeit zugesprochen wird, kausal gegen die Erkrankung zu wirken - eine Zulassung in Europa hat die zuständige Behörde EMA bisher abgelehnt. Das Votum der Behörde wird seitdem kontrovers diskutiert: „Was haben die USA, Israel, Japan, China und Südkorea gemeinsam?“, fragte die Ärzte Zeitung. „Hier können Menschen mit einer frühzeitigen Alzheimerdemenz eine wirksame Therapie bekommen. In Europa ist das nicht der Fall.“ Ein Sonderweg, so der Autor, der reichlich seltsam anmute und „ins Abseits führt“. Ob Europa auf diesem Weg bleibt? In den USA wurde im vergangenen Juli nun der nächste Antikörper zugelassen - Europa prüft noch.
Kosten und gesellschaftliche Auswirkungen
Berechnungen des DZNE beziffern die Kosten für Demenz in Deutschland für das Jahr 2020 mit rund 83 Milliarden Euro - das entspricht mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach Prognosen könnten diese Kosten im Jahr 2040 auf rund 141 Milliarden Euro, im Jahr 2060 auf rund 195 Milliarden Euro anwachsen.
Ein Großteil der Betreuung und Pflege übernehmen die Angehörigen. Doch auch sie brauchen Unterstützung bei dieser Aufgabe. Schon heute gelangt unser Pflegesystem an seine Grenzen. Eine optimale Versorgung und Teilhabe von Menschen mit Demenz stellt hohe Anforderungen an das Versorgungssystem und die Gesellschaft.
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