Schmerztherapie nach Schlaganfall: Ein umfassender Überblick

Ein Schlaganfall kann nicht nur zu Lähmungen und Spastiken führen, sondern auch chronische Schmerzen verursachen, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Aspekte der Schmerztherapie nach einem Schlaganfall, von der Diagnostik bis zu den unterschiedlichen Behandlungsansätzen.

Chronische Schmerzen als eigenständiges Krankheitsbild

Chronische Schmerzen sind mehr als nur ein Symptom; sie entwickeln sich zu einem eigenständigen Krankheitsbild, das sich vom ursprünglichen Auslöser löst. Je länger diese Schmerzen andauern, desto stärker beeinflussen sie das private, berufliche und soziale Leben der Betroffenen. Viele Patienten haben bereits eine lange Leidensgeschichte mit erfolglosen Behandlungsversuchen hinter sich. In solchen Fällen kann eine tagesklinische oder stationäre Behandlung in einem spezialisierten Schmerzzentrum in Betracht gezogen werden.

Multimodale Schmerztherapie

Ein wissenschaftlich standardisiertes, multimodales Behandlungskonzept, wie es beispielsweise am AMEOS Klinikum Mitte Bremerhaven angewendet wird, bietet hier eine vielversprechende Lösung. Ein interdisziplinäres Team aus Anästhesisten, Psychologen, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten arbeitet dabei eng zusammen, um die komplexen Schmerzprobleme der Patienten zu behandeln.

Ursachen und Arten von Schmerzen nach einem Schlaganfall

Nach einem Schlaganfall können verschiedene Arten von Schmerzen auftreten:

  • Neuropathische Schmerzen: Diese entstehen durch eine Schädigung der Nervenstruktur und können sich als brennende, stechende oder einschießende Schmerzen äußern.
  • Spastik-bedingte Schmerzen: Lähmungen und Spastiken, die häufige Folgen eines Schlaganfalls sind, können zu schmerzhaften Muskel- und Gelenkkontrakturen führen. Fehlhaltungen der betroffenen Extremitäten verstärken diese Problematik zusätzlich.
  • Kopfschmerzen: Ein Schlaganfall kann auch Kopfschmerzen auslösen oder bestehende Kopfschmerzerkrankungen verstärken. Hierbei ist eine differenzierte Therapie notwendig, die sowohl die akuten Schmerzzustände behandelt als auch deren Vorbeugung umfasst.
  • Zentrale Schmerzen: Diese entstehen durch eine Schädigung im Gehirn selbst und sind oft schwer zu behandeln.

Diagnostik und Analyse

Die Schmerztherapie beginnt mit einer umfassenden Analyse der Schmerzproblematik. Dazu gehört:

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  • Ausführliche Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der bisherigen Behandlungsversuche.
  • Körperliche Untersuchung: Beurteilung der Schmerzlokalisation, -intensität und -qualität.
  • Spezielle schmerzbezogene Diagnostik: Einsatz von bildgebenden Verfahren und neurophysiologischen Untersuchungen zur Identifizierung der Schmerzursache.
  • Interdisziplinäre Diagnostik: Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen, um ein umfassendes Bild der Schmerzproblematik zu erhalten.

Therapieansätze

Basierend auf der Diagnose wird gemeinsam mit dem Patienten ein individuelles Behandlungskonzept entwickelt. Dieses kann verschiedene Therapieansätze umfassen:

Medikamentöse Behandlung

  • Schmerztherapeutische medikamentöse Behandlung: Einsatz von Schmerzmitteln, Antidepressiva oder Antikonvulsiva zur Schmerzlinderung.
  • Botulinumtoxin A (BoNT A): Bei fokaler und multifokaler Spastik ist die intramuskuläre Injektion von BoNT A die medikamentöse Therapie der Wahl. BoNT A wird als First-Line-Behandlung für die fokale Spastik nach Schlaganfall in den aktuellen deutschen und internationalen Leitlinien empfohlen.
  • Orale Antispastika: Bei generalisierter oder segmentaler Spastik können orale Antispastika wie Baclofen oder Tizanidin in Betracht gezogen werden.

Interventionelle Behandlungen

  • Infiltrationen: Injektion von schmerzlindernden Medikamenten in die Nähe von Nerven oder Gelenken.
  • Kryotherapie: Anwendung von Kälte zur Schmerzlinderung.
  • Radiofrequenzstimulation: Gezielte Erwärmung von Nervengewebe zur Schmerzreduktion.
  • Neuromodulation (SCS): Implantation eines Rückenmarkstimulators zur Beeinflussung der Schmerzwahrnehmung.
  • Kyphoplastie: Behandlung von Wirbelkörperbrüchen.

Physiotherapie und Ergotherapie

  • Physiotherapeutische Einzelbehandlung: Verbesserung der Beweglichkeit, Koordination und Kraft.
  • Körperlich-aktivierende Methoden: Förderung der körperlichen Aktivität und des Wohlbefindens.
  • Aufgabenorientiertes Training (AOT): Verbesserung einzelner Bewegungsabläufe mit konkretem Alltagsbezug.
  • Bobath-Konzept: Verbesserung der funktionellen Fähigkeiten durch Regulierung des Muskeltonus und Anbahnung normaler Bewegungsmuster.
  • Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT): Förderung des verstärkten Einsatzes des betroffenen Armes im Alltag durch Immobilisierung des nicht-betroffenen Armes.
  • Elektrostimulation: Unterstützung beim Wiedererlernen von Bewegungsabläufen durch elektrische Stimulation der Muskeln.
  • Laufbandtraining: Verbesserung der Gehgeschwindigkeit und Ausdauer.

Spiegeltherapie

Die Spiegeltherapie ist eine spezielle Form der Therapie, die insbesondere bei Phantomschmerzen und komplexen regionalen Schmerzsyndromen (CRPS) eingesetzt wird. Durch die Illusion eines gesunden Körperteils im Spiegelbild können Schmerzen reduziert und die Beweglichkeit verbessert werden.

  • Wirkungsweise: Die Spiegeltherapie nutzt die Plastizität des Gehirns, um die betroffenen Hirnareale neu zu organisieren und ein natürliches Körperschema wiederherzustellen. Spiegelneuronen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Verminderung von Schmerzerfahrungen.
  • Durchführung: Die Therapie wird in vier Stufen aufgebaut, beginnend mit der Betrachtung des Spiegelbildes und endend mit aktiven Übungen mit Therapiemitteln.
  • Übungshäufigkeit: Die Übungen sollten in kleinen Einheiten von 5-10 Minuten mehrmals täglich durchgeführt werden.
  • Wichtige Hinweise: Die Spiegeltherapie sollte unter Anleitung eines Physio- oder Ergotherapeuten begonnen werden. Die Umgebung sollte reizarm sein, und es sollte auf eine korrekte Spiegelung geachtet werden.

Transkranielle Magnetstimulation (TMS)

Die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht-invasive Behandlungsmethode, bei der bestimmte Bereiche des Gehirns mithilfe von Magnetfeldern stimuliert werden. Sie kann zur Verbesserung von Schlaganfallsymptomen, insbesondere der Funktionsfähigkeit von Armen und Händen, eingesetzt werden. Die TMS-Therapie besteht in der Regel aus 18 Stimulations-Sitzungen, die über einen Zeitraum von sechs Wochen durchgeführt werden.

Psychologische Betreuung

  • Begleitende regelmäßige ärztliche Einzelgespräche: Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und der Entwicklung von Schmerzbewältigungsstrategien.
  • Schmerzbewältigungstraining: Erlernen von Techniken zur Reduktion von Stress, Angst und Depressionen.

Spastik-Management nach Schlaganfall

Spastik ist eine häufige Folgeerscheinung nach einem Schlaganfall und kann zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Kontrakturen führen. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Spastik ist daher entscheidend.

Diagnostik der Spastik

Zur Erfassung der Spastik werden verschiedene Assessments eingesetzt, wie z. B. die Ashworth-Skala, die modifizierte Ashworth-Skala, die REPAS und die Tardieu-Skala.

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Therapie der Spastik

Die Therapie der Spastik beruht auf einem multimodalen Ansatz, der physikalische, physiotherapeutische, pharmakologische und operative Behandlungsoptionen umfasst.

  • Physiotherapie: Übungsprogramme zur Behandlung der passiven und aktiven motorischen Funktionseinschränkungen.
  • Medikamentöse Therapie: Orale Antispastika, intrathekale Baclofen-Behandlung (ITB) bei schwerer generalisierter Spastik und intramuskuläre BoNT A-Injektionen bei fokaler und multifokaler Spastik.

Spastik-Ampel

Die Spastik-Ampel ist ein Risikoklassifizierungssystem, das Ärzten, Physio- und Ergotherapeuten bei der Identifizierung von Patienten mit einem Risiko für eine Spastik helfen soll. Sie unterscheidet drei Kategorisierungen in Risikogruppen: Rot (dringende Überweisung), Gelb (Routineüberweisung) und Grün (regelmäßige Überwachung).

Neurointerventionelle Verfahren bei zerebrovaskulären Durchblutungsstörungen

In der Behandlung des akuten ischämischen Schlaganfalls erlangt die endovaskuläre Therapie zunehmend an Bedeutung.

Neurothrombektomie

Die Neurothrombektomie ist ein Verfahren zur Entfernung von Blutgerinnseln aus den Hirngefäßen. Es gibt verschiedene Methoden der mechanischen Thrombekotomie, darunter Aspirationsthrombektomiesysteme und Clot-Retriever-Systeme. Zunehmend kommen Stent-ähnliche Neurothrombektomiesysteme zum Einsatz.

Thrombolyse

Die selektive intraarterielle Thrombolyse mit r-tPA birgt im Vergleich zur systemischen Gabe ein geringeres systemisches Blutungsrisiko und führt gleichzeitig zu einer höheren Wirkstoffkonzentration am Thrombus.

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Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit

Eine erfolgreiche Schmerztherapie nach Schlaganfall erfordert eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen. Neurologen, Orthopäden, Physio- und Ergotherapeuten, Psychologen und Schmerztherapeuten müssen Hand in Hand arbeiten, um die komplexen Bedürfnisse der Patienten zu erfüllen.

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