Schreibübungen für Erwachsene mit neurologischen Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen können im Erwachsenenalter zu einer Vielzahl von Beeinträchtigungen führen, die sich auf die sprachlichen und schreiberischen Fähigkeiten auswirken. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Formen von Schreibstörungen, die durch neurologische Erkrankungen verursacht werden können, und stellt Übungen und Therapieansätze vor, die speziell auf die Bedürfnisse von Erwachsenen zugeschnitten sind.

Ursachen und Formen von Schreibstörungen

Schreibstörungen bei Erwachsenen mit neurologischen Erkrankungen können verschiedene Ursachen haben, darunter:

  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall kann zu Schädigungen in den für die Sprachproduktion und das Sprachverständnis zuständigen Hirnregionen führen.
  • Hirnblutung: Ähnlich wie beim Schlaganfall kann eine Hirnblutung zu neurologischen Ausfällen führen, die das Schreiben beeinträchtigen.
  • Hirntumoren: Tumore im Gehirn können Druck auf umliegende Hirnstrukturen ausüben und so die normale Funktion beeinträchtigen.
  • Enzephalitis (Gehirnentzündung): Entzündungen des Gehirns können zu Schäden an Nervenzellen und somit zu neurologischen Defiziten führen.
  • Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu vielfältigen neurologischen Symptomen führen kann.
  • Degenerative Erkrankungen des Gehirns: Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson können ebenfalls die kognitiven und motorischen Fähigkeiten beeinträchtigen, die für das Schreiben erforderlich sind.
  • Long-/Post-COVID: Auch nach einer COVID-19-Erkrankung können neurologische Symptome auftreten, die das Schreiben beeinflussen.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Unfälle können zu Schädigungen des Gehirns führen und in der Folge zu Schädigungen und Störungen des Sprachzentrums kommen.

Je nach Art und Lokalisation der Hirnschädigung können sich unterschiedliche Formen von Schreibstörungen entwickeln. Zu den häufigsten gehören:

  • Aphasie: Aphasie bezeichnet den teilweisen oder vollständigen Verlust der Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken und Sprache zu verstehen. Betroffene können Schwierigkeiten haben, Worte zu finden, Sätze zu bilden oder Buchstaben zu verwechseln. Man unterscheidet zwischen flüssigen und nicht-flüssigen Aphasien. Patienten mit flüssigen Aphasien zeigen wenig Sprachanstrengung, sprechen aber oft inhaltlich fehlerhaft. Patienten mit nicht-flüssigen Aphasien zeigen deutliche Sprachanstrengung und sprechen in kurzen, lückenhaften Sätzen.
  • Dysgraphie: Hierbei handelt es sich um eine isolierte Schreibstörung, die nicht mit einer Aphasie einhergeht. Betroffene haben Schwierigkeiten, Buchstaben zu formen, Wörter richtig zu schreiben oder grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden.
  • Sprechapraxie: Die Sprechapraxie ist eine Störung der Planung von Sprechbewegungen. Obwohl die Muskeln, die zum Sprechen benötigt werden, intakt sind, können Betroffene Schwierigkeiten haben, die richtigen Bewegungen zu koordinieren, um Wörter auszusprechen.
  • Fazialisparese (Gesichtslähmung): Eine Fazialisparese kann die Gesichtsmuskulatur beeinträchtigen, was sich indirekt auf das Schreiben auswirken kann, insbesondere wenn die Feinmotorik der Hand betroffen ist.
  • Redeflussstörungen: Zu den Redeflussstörungen zählen Stottern und Poltern. Stottern ist durch Wiederholungen, Dehnungen oder Blockaden von Lauten, Silben oder Wörtern gekennzeichnet. Poltern ist durch ein stark erhöhtes Sprechtempo und eine undeutliche Sprechweise gekennzeichnet.
  • Dysarthrie: Hierbei handelt es sich um eine Störung der Atem-, Sprech- und Stimmfunktionen. Es können Störungen der Stimmgebung, Aussprache, Betonung (Prosodie) und der Atmung auftreten. Diese treten durch Lähmungen, Schwächungen, Verkrampfungen und/oder Koordinationsstörungen der am Sprechen beteiligten Muskulatur auf.

Diagnostik von Schreibstörungen

Um eine geeignete Therapie für Schreibstörungen zu planen, ist eine ausführliche Diagnostik unerlässlich. Diese umfasst in der Regel:

  • Anamnesegespräch: In einem ausführlichen Gespräch werden die Art und Dauer der Schreibprobleme erfasst, sowie eventuelle Vorerkrankungen oder Nebendiagnosen.
  • Klinische Untersuchung: Hierbei werden Körper-, Schreib- und Stifthaltung beurteilt.
  • Schreibtests: Mithilfe von standardisierten Tests werden verschiedene Aspekte des Schreibens untersucht, wie z.B. die Fähigkeit, Buchstaben zu schreiben, Wörter richtig zu schreiben oder grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden. Schreibbewegungen werden mit einem graphischen Tablett und einer speziell entwickelten Software aufgezeichnet und verschiedenste Parameter analysiert.

Therapieansätze und Übungen

Die Therapie von Schreibstörungen bei Erwachsenen mit neurologischen Erkrankungen zielt darauf ab, die Kommunikationsfähigkeit des Patienten zu verbessern oder wiederherzustellen. Die Therapieansätze sind vielfältig und werden individuell auf die Bedürfnisse des Patienten angepasst.

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  • Logopädie: Die Logopädie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Schreibstörungen. Logopäden arbeiten mit den Patienten an der Verbesserung ihrer sprachlichen Fähigkeiten, wie z.B. Wortfindung, Grammatik und Satzbau. Sie setzen verschiedene Übungen ein, um die Schreibmotorik, die Rechtschreibung und die Textproduktion zu verbessern.
  • Ergotherapie: Die Ergotherapie konzentriert sich auf die Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, die für das Schreiben erforderlich sind. Ergotherapeuten arbeiten mit den Patienten an der Verbesserung ihrer Handkraft, Koordination und Feinmotorik. Sie setzen auch Hilfsmittel ein, um das Schreiben zu erleichtern, wie z.B. spezielle Stifte oder Schreibhilfen.
  • Grafomotorisches Training: Grafomotorisches Training zielt darauf ab, die feinmotorischen Fähigkeiten zu verbessern, die für das Schreiben erforderlich sind. Übungen zur Verbesserung der Stifthaltung, des Schreibdrucks und der Bewegungsflüssigkeit werden eingesetzt.
  • Modalitätenaktivierung: Die Modalitätenaktivierung nach L. zielt darauf ab, verschiedene Sinneskanäle zu aktivieren, um die Sprachverarbeitung zu verbessern.
  • Computergestütztes Training: Es gibt eine Vielzahl von Computerprogrammen und Apps, die speziell für die Therapie von Schreibstörungen entwickelt wurden. Diese Programme bieten interaktive Übungen zur Verbesserung der Wortfindung, Grammatik, Rechtschreibung und Schreibmotorik.
  • myReha App: Die myReha App bietet eine individuelle Neuro-Therapie für Sprache und Gedächtnis, die bequem von zu Hause aus genutzt werden kann. Die App bietet über 35.000 interaktive Übungen zu Sprache, Gedächtnis und Alltagsfähigkeiten, erstellt individuelle KI-basierte Therapiepläne und begleitet Sie flexibel zu Hause via Tablet. Sie ist CE-zertifiziert als Medizinprodukt, intuitiv bedienbar und unterstützt Ihren Rehabilitationsprozess durch Echtzeit-Feedback und Fortschrittsanalysen.

Beispiele für Schreibübungen

  • Referenzbewegungen: Während des Trainings werden so genannte „Referenzbewegungen“ geübt. Das sind Bewegungen, die nach mehrmaliger Supervision durch einen erfahrenen Therapeuten korrekt gelingen (der Patient hat ein „Gefühl“ erworben, wie sich die korrekte Bewegung anfühlt und kann sie sehr schnell und ohne Nachdenken ausführen).
  • Schreibübungen mit Fokus auf Buchstabenformen und Verbindungen: Übungen, die sich auf die korrekte Formung von Buchstaben und die Verbindung von Buchstaben in Wörtern konzentrieren.
  • Geläufigkeitsübungen: Übungen, die darauf abzielen, die Schreibgeschwindigkeit und -flüssigkeit zu verbessern.
  • Übungen zur Verbesserung der Stifthaltung: Übungen, die darauf abzielen, eine korrekte und entspannte Stifthaltung zu erlernen.
  • Übungen zur Verbesserung des Schreibdrucks: Übungen, die darauf abzielen, den Schreibdruck zu kontrollieren und zu variieren.
  • Textproduktion: Verfassen von kurzen Texten zu vorgegebenen Themen, um die Fähigkeit zur Formulierung von Sätzen und Absätzen zu verbessern.
  • Abschreibübungen: Abschreiben von Texten, um die Rechtschreibung und die korrekte Wiedergabe von Buchstaben und Wörtern zu üben.
  • Diktate: Schreiben nach Diktat, um das Hörverständnis und die Rechtschreibung zu trainieren.
  • Kreatives Schreiben: Verfassen von Geschichten, Gedichten oder anderen kreativen Texten, um die sprachliche Ausdrucksfähigkeit zu fördern.
  • Alltagsrelevante Schreibaufgaben: Schreiben von Einkaufslisten, Terminkalendern oder E-Mails, um die Schreibfähigkeiten im Alltag zu trainieren.

Wichtige Aspekte beim Üben

  • Regelmäßigkeit: Regelmäßiges Üben ist entscheidend für den Erfolg der Therapie.
  • Individualisierung: Die Übungen sollten individuell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Patienten angepasst werden.
  • Supervision: Alle Trainingseinheiten sollten unter Supervision eines spezialisierten Therapeuten stattfinden, um falsche Muster oder Bewegungen zu vermeiden.
  • Alltagsrelevanz: Die Übungen sollten sich an alltagsrelevanten Situationen orientieren, in denen die Patienten tatsächlich schreiben müssen.
  • Motivation: Die Übungen sollten motivierend sein und Spaß machen, um die Therapietreue zu erhöhen.
  • Vermeidung von Fehlstrategien: Das Schreiben z.B. mit Schmerzen, ausgelöst z.B. durch eine hohe Anzahl an Wiederholungen, sollte vermieden werden.

Digitale Hilfsmittel

Digitale Tools können eine wertvolle Ergänzung zur traditionellen Therapie von Schreibstörungen sein. Sie bieten eine Vielzahl von interaktiven Übungen und personalisierten Trainingsprogrammen, die den Patienten motivieren und ihnen helfen, ihre Schreibfähigkeiten zu verbessern. Die myReha App ist ein Beispiel für ein solches digitales Hilfsmittel.

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