Schreien im Schlaf: Ursachen und Behandlung von Parasomnien

Nächtliche Schreie, Schlafwandeln und Albträume sind Erfahrungen, die viele Menschen kennen. In der Schlafmedizin werden diese und ähnliche Phänomene als Parasomnien bezeichnet. Sie umfassen eine Vielzahl von Verhaltensweisen, die während des Schlafs oder beim Übergang vom Schlaf- zum Wachzustand auftreten können. Obwohl sie bei Kindern relativ häufig vorkommen, sind sie bei Erwachsenen seltener. In den meisten Fällen sind Parasomnien harmlos, aber einige können gefährlich sein und sollten in einem Schlaflabor untersucht werden.

Arten von Parasomnien

Schlafmediziner unterscheiden zwischen Parasomnien, die während der REM-Schlafphase (Rapid Eye Movement) auftreten, solchen, die außerhalb der REM-Schlafphase auftreten (NREM-Schlaf-Parasomnien), und solchen, die in allen Schlafstadien auftreten können.

NREM-Schlaf-Parasomnien (Aufwachstörungen)

Bei NREM-Schlafstörungen wacht das Gehirn nicht vollständig auf. Zu diesen Störungen gehören:

  • Nachtschreck (Pavor nocturnus): Betroffene schrecken plötzlich mit lautem Schreien aus dem Tiefschlaf auf, oft begleitet von Angst, aufgerissenen Augen, schneller Atmung, geweiteten Pupillen und Schweißausbruch. Sie reagieren typischerweise nicht auf Umweltreize und sind desorientiert. Nach einigen Minuten schlafen sie wieder ein und können sich am nächsten Morgen nicht an den Vorfall erinnern. Der Nachtschreck tritt häufiger bei Kindern auf, kann aber auch Erwachsene betreffen.
  • Schlafwandeln (Somnambulismus): Betroffene verlassen mitten in der Nacht das Bett und führen verschiedene Aktivitäten aus, ohne dabei aufzuwachen. Sie können umherlaufen, alltägliche Dinge tun oder sogar das Haus verlassen. Da sie Situationen nicht rational einschätzen können, besteht Verletzungsgefahr. Schlafwandeln scheint genetisch bedingt zu sein und kann durch Stress verstärkt werden.
  • Schlaftrunkenheit: Betroffene sind unvollständig erwacht, verwirrt und desorientiert, verlassen aber nicht das Bett. Sie können den Wecker überhören oder ausschalten, ohne aufzuwachen.

REM-Schlaf-Parasomnien

REM-Schlaf-Parasomnien treten überwiegend in der zweiten Nachthälfte auf und umfassen:

  • Albträume: Intensiv erlebt, oft von Angst oder Ekel geprägt. Treten Albträume häufiger als einmal pro Woche auf und verursachen Belastungen, spricht man von einer Albtraumstörung.
  • REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD): Die normalerweise während des REM-Schlafs vorhandene Muskelblockade fehlt, wodurch Betroffene ihre Träume motorisch ausleben. Sie können schreien, schlagen, treten oder aus dem Bett springen, was zu Verletzungen führen kann. Die RBD tritt häufiger bei älteren Männern auf und kann ein Vorbote neurologischer Erkrankungen wie Parkinson sein.
  • Schlaflähmung: Beim Aufwachen kommt es zu einer vorübergehenden Lähmung des Körpers, während das Bewusstsein voll da ist.

Andere Parasomnien

Es gibt auch Parasomnien, die keinem bestimmten Schlafstadium zugeordnet werden können, wie z.B.:

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  • Bettnässen (Enuresis nocturna)
  • Schlafbezogene Essstörungen
  • Nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus)
  • Rhythmische Bewegungsstörungen
  • Einschlafzuckungen
  • Sprechen im Schlaf (Somniloquie)

Ursachen

Die genauen Ursachen für Schreien im Schlaf und andere Parasomnien sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen, neurologischen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle spielt.

  • Genetische Faktoren: Viele Parasomnien, wie z.B. Schlafwandeln und Nachtschreck, treten familiär gehäuft auf, was auf eine genetische Veranlagung hindeutet.
  • Stress: Stressige Lebensereignisse, psychische Belastungen und Schlafmangel können Parasomnien auslösen oder verstärken.
  • Medizinische Bedingungen: Bestimmte medizinische Bedingungen, wie z.B. Fieber, Restless-Legs-Syndrom, Schlafapnoe und neurologische Erkrankungen wie Parkinson, können mit Parasomnien in Verbindung stehen.
  • Medikamente und Substanzen: Einige Medikamente, Alkohol und Drogen können Parasomnien verursachen oder verschlimmern.
  • Reifungsprozesse des Gehirns: Bei Kindern können unvollständige Reifungsprozesse des Gehirns zu Parasomnien wie Nachtschreck beitragen.

Diagnose

Um die Ursache für Schreien im Schlaf und andere Parasomnien zu ermitteln, ist eine sorgfältige Diagnose erforderlich. Diese umfasst in der Regel:

  • Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten und ggf. den Bettpartner nach den genauen Symptomen, der Häufigkeit und dem Zeitpunkt des Auftretens der Episoden, möglichen Auslösern und der familiären Vorgeschichte.
  • (Neurologische) Untersuchung: Um andere Ursachen und primäre Schlafstörungen wie Narkolepsie auszuschließen, wird eine körperliche und neurologische Untersuchung durchgeführt.
  • Schlaflaboruntersuchung (Polysomnographie): Eine umfassende Beobachtung des Schlafs im Schlaflabor mit Videoaufzeichnung kann helfen, die Schlafstadien zu identifizieren, in denen die Verhaltensweisen auftreten, und andere Schlafstörungen auszuschließen.
  • Spezielle Fragebögen: Für bestimmte Parasomnien, wie z.B. die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, gibt es spezielle Fragebögen, die bei der Diagnose helfen können.

Behandlung

Die Behandlung von Schreien im Schlaf und anderen Parasomnien richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und dem Schweregrad der Symptome. In vielen Fällen ist keine spezielle Behandlung erforderlich, insbesondere wenn die Parasomnien selten auftreten und keine wesentlichen Belastungen verursachen.

Allgemeine Maßnahmen

  • Schlafhygiene: Eine gute Schlafhygiene ist wichtig, um den Schlaf zu verbessern und Parasomnien zu reduzieren. Dazu gehören regelmäßige Schlafzeiten, eine entspannende Schlafumgebung, der Verzicht auf Koffein und Alkohol vor dem Schlafengehen und ausreichend Bewegung während des Tages.
  • Stressmanagement: Stressreduktionstechniken wie Entspannungsübungen, Meditation oder Yoga können helfen, Parasomnien zu reduzieren, die durch Stress ausgelöst werden.
  • Sicherheitsmaßnahmen: Bei Parasomnien, die mit einem Verletzungsrisiko verbunden sind, sollten Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, z.B. das Sichern der Schlafumgebung, das Entfernen von gefährlichen Gegenständen und das Verschließen von Türen und Fenstern.

Spezifische Therapien

  • Psychotherapie: Bei Albträumen und anderen Parasomnien, die mit Ängsten oder Traumata verbunden sind, kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Eine spezielle Technik zur Behandlung von Albträumen ist die Imagery Rehearsal Therapy (IRT), bei der der Patient den Albtraum aufschreibt, ein neues positives Ende erfindet und sich dieses neue Ende regelmäßig vorstellt.
  • Medikamente: In einigen Fällen können Medikamente eingesetzt werden, um Parasomnien zu behandeln. Bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung können Clonazepam oder Melatonin helfen, die Muskelaktivität während des Schlafs zu reduzieren. Bei Nachtschreck können in seltenen Fällen Benzodiazepine in niedriger Dosierung eingesetzt werden.
  • Wecken: Bei häufigem Nachtschreck kann es hilfreich sein, den Betroffenen kurz vor dem Zeitpunkt zu wecken, zu dem der Nachtschreck normalerweise auftritt, um das Schlafmuster zu unterbrechen.
  • CPAP-Therapie: Bei Schlafapnoe, die mit Parasomnien einhergeht, kann eine CPAP-Therapie (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) helfen, die Atemwege während des Schlafs offen zu halten.

Schreien im Schlaf bei Kindern

Schreien im Schlaf und andere Parasomnien sind bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen. In den meisten Fällen sind sie harmlos und verschwinden von selbst wieder. Eltern sollten jedoch einen Arzt aufsuchen, wenn die nächtlichen Verhaltensweisen des Kindes besonders aggressiv sind, eine erhöhte Verletzungsgefahr besteht, die Ereignisse fast jede Nacht auftreten, das Kind unter ausgeprägter Tagesmüdigkeit leidet oder andere Familienmitglieder stark beeinträchtigt werden.

Umgang mit Nachtschreck bei Kindern

Wenn ein Kind einen Nachtschreck hat, sollten Eltern ruhig bleiben und das Kind nicht wecken, da es sonst verwirrt und desorientiert sein kann. Es ist wichtig, das Kind vor Verletzungen zu schützen, indem man es nicht auf den Arm nimmt oder versucht, es festzuhalten. Stattdessen sollte man beruhigend auf das Kind einwirken, auch wenn es wahrscheinlich nicht darauf reagiert. Am nächsten Morgen kann man dem Kind erklären, was passiert ist, und ihm versichern, dass alles in Ordnung ist.

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REM-Schlaf-Verhaltensstörung als Vorbote neurologischer Erkrankungen

Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD) gilt als Vorläuferstadium für die Entwicklung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Lewy-Körper-Demenz. Studien haben gezeigt, dass Menschen mit RBD ein erhöhtes Risiko haben, innerhalb von 10-15 Jahren an einer dieser Erkrankungen zu erkranken. Daher ist es wichtig, bei Verdacht auf RBD einen Neurologen aufzusuchen, um eine frühzeitige Diagnose und Behandlung zu ermöglichen.

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