Das Gehirn, das komplexeste Organ des menschlichen Körpers, ist von einer Vielzahl von Schutzmechanismen umgeben, die seine empfindliche Struktur und Funktion gewährleisten. Zu diesen Schutzmechanismen gehören sowohl physische Barrieren wie die Hirnhäute und das Liquorsystem als auch zelluläre Schutzschichten wie Myelin und die Blut-Hirn-Schranke. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Schutzschichten des Gehirns und ihre jeweiligen Funktionen, um ein umfassendes Verständnis ihrer Bedeutung für die Gesundheit und Funktion des Gehirns zu vermitteln.
Die Hirnhäute (Meningen)
Die Hirnhäute sind eine Reihe von Membranen, die das Gehirn und das Rückenmark umgeben und schützen. Gemeinsam bilden Dura mater, Arachnoidea mater und Pia mater ein wichtiges System von Membranen für das zentrale Nervensystem (ZNS) und das anschließende Rückenmark. Sie bieten nicht nur physischen Schutz, sondern tragen auch zur anatomischen Anordnung verschiedener Bereiche im Gehirn bei.
Dura mater (harte Hirnhaut)
Die Dura mater, auch harte Hirnhaut genannt, ist die äußerste und dickste der drei Hirnhäute. Sie kleidet die Innenfläche des Schädels aus und dient gleichzeitig als dessen Periost. Die Dura mater ist reich an Schmerzrezeptoren und steht durch den hohen Anteil peptiderger Axone (CGRP, Substanz P) im Bereich der Hirnhaut mit Kopfschmerzformen wie Migräne in Verbindung, auch wenn die genauen Pathomechanismen für dieses Krankheitsbild noch nicht endgültig geklärt sind. Die hohe Dichte der Schmerzrezeptoren erklärt auch die starken Kopfschmerzen bei einer Reizung der Meningen durch Blut, das sich bei einer Subarachnoidalblutung zwischen den Hirnhautblättern ausbreitet. Auch Entzündungen der Hirnhäute sind häufig mit starken Kopf- und Nackenschmerzen verbunden. Die Nackensteifigkeit, also die Unfähigkeit, das Kinn Richtung Brust zu bewegen, stellt eines der typischen Symptome dieser Erkrankung dar.
Die Dura mater bildet zudem Falten und Septen, die das Gehirn unterteilen und stabilisieren. Zu diesen gehören:
- Falx cerebri (Großhirnsichel): Eine zwischen den beiden Großhirnhemisphären midsagittal gestellte Duraplatte, die die Hemisphären in die rechte und linke Großhirnhälfte unterteilt. Kommt es durch eine Blutung zu einem Shift des Gehirns zur Gegenseite, kann dies zu einer subfalcinen Herniation führen - man spricht dann von einer Einklemmung des Gehirns.
- Tentorium cerebelli (Kleinhirnzelt): Trennt das Kleinhirn vom Okzipitallappen und teilt den infratentoriellen vom supratentoriellen Raum. Kommt es zu einer Volumenverschiebung unter das Tentorium cerebelli, spricht man von einer oberen Einklemmung. Im Gegensatz dazu kommt es zu einer unteren Einklemmung, wenn die Kleinhirntonsillen ins Foramen magnum gedrückt werden.
- Falx cerebelli (Kleinhirnsichel): Eine weitere, sehr variable Duraplatte.
- Diaphragma sellae: Spannt sich zwischen den vorderen und hinteren Processus clinoidei über die Fossa hypophysialis aus, in deren Mitte sich ein Loch für den Durchtritt des Hypophysenstiels befindet. Dort befindet sich die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse).
- Cavum trigeminale (Meckel‘s Cave): Befindet sich an der Vorderfläche des Felsenbeins am Boden der mittleren Schädelgrube und umschließt das Ganglion trigeminale. Sie besitzt eine Öffnung für den Nervus trigeminus, den 5. Hirnnerv.
Die Dura mater verfügt über eine besondere Blutversorgung. Die Gefäße der Vasa publica sind venös und leiten das Blut vom Gehirn in die Venae jugularis weiter. Sind sie durch eine Thrombose verstopft, kann es zu schwerwiegenden neurologischen Komplikationen kommen. Die Vasa privata sind die meningealen Arterien, welche die Dura selbst versorgen. Kommt es im Rahmen eines Schädelhirntraumas zu einer Verletzung der A. meningea media, blutet es in den Epiduralraum ein. Blutungen in diesem Raum können sich schnell vergrößern und führen so zu einem erhöhtem Hirndruck, der zu Hirnschäden und zum Tod führen kann. Therapeutisch muss bei einem raumfordernden Epiduralhämatom eine schnelle operative Entlastung mit Hämatomausräumung stattfinden.
Lesen Sie auch: Die Physiologie des Gehirns im Detail
Arachnoidea mater (Spinnengewebshaut)
Unterhalb der Dura liegt die Arachnoidea mater encephali, die sogenannte Spinnengewebshaut. Sie folgt der Kontur des Gehirns, ohne in die Furchen zu ziehen und besitzt keine eigene Blutversorgung. Zwischen diesen beiden oberflächlichen Hirnhäuten befindet sich der Subduralraum. Auch in diesem kapillaren Spaltraum kann es zu Einblutungen kommen, man spricht dann von einem Subduralhämtom. Es kann sich bei Verletzungen von kleinen Brückenvenen über Wochen entwickeln, aber auch akut im Rahmen eines Schädelhirntraumas entstehen. Auch hier ist eine schnelle operative Entlastung notwendig, da es sonst durch den Shift des Gehirns zu einer Einklemmung kommen kann.
Pia mater (innere Hirnhaut)
Die innerste Schicht der Hirnhäute ist die Pia mater. Sie ist von der Arachnoidea durch den Subarachnoidalraum getrennt. Dieser ist mit Liquor (CSF) gefüllt und wird von bindegewebigen Kollagenfaserbündeln, den Arachnoidaltrabekeln durchzogen, welche die beiden Schichten miteinander verbinden. Kommt es zu einer Einblutung in diesen Raum, spricht man von einer Subarachnoidalblutung. Klassisch geht sie von einem geplatzten Aneurysma, einer Aussackung der arteriellen Gefäßwand, aus. Klinisch kommt es zu einem Vernichtungskopfschmerz, Patienten können direkt bewusstlos werden. Auch hier ist eine schnelle Intervention erforderlich.
Das Liquorsystem
Tiefer im Gehirn liegt das Liquorsystem. Es besteht aus vier mit Flüssigkeit gefüllten Hohlräumen (Ventrikel). Liquor erfüllt wichtige Aufgaben in der Entsorgung von Stoffwechselprodukten, die im Gehirn anfallen. Außerdem dient er als Polsterung für das Gehirn, da er dieses umgibt und in Flüssigkeit einbettet.
Die Blut-Hirn-Schranke
Die Blut-Hirn-Schranke besteht aus den Wänden der Blutgefäße im Gehirn. Sie sind durch Bänder aus Membranproteinen (Tight junctions) und von Astrozyten umgeben. Die Blut-Hirn-Schranke ist eine hochselektive Barriere, die das Gehirn vor schädlichen Substanzen im Blut schützt und gleichzeitig die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen gewährleistet.
Die Subarachnoidal Lymphatic-like Membrane (SLYM)
Jüngste Forschungen haben eine vierte Hirnhautschicht entdeckt, die als Subarachnoidal Lymphatic-like Membrane (SLYM) bezeichnet wird. Diese Schicht existiert nicht nur bei der Maus, sondern auch bei uns Menschen, wie die Forschenden berichten. Trotz ihrer geringen Dicke besitzt die SLYM-Membran offenbar eine wichtige Barrierefunktion. Denn größere Moleküle können diese Schicht nicht passieren, wie Tests mit farbmarkierten Partikeln verschiedener Größen ergaben. Die neuentdeckte Schicht könnte demnach dabei helfen, saubere, frische Hirnflüssigkeit von alter, mit Abfallstoffen und potenziell schädlichen Molekülen durchsetzter Flüssigkeit zu trennen. Ähnlich wie die Mesothel-Membranen um andere Organe hat auch die SLYM-Hülle um unser Gehirn eine eigene „Eingreiftruppe“ des Immunsystems. Sie enthält größere Mengen an Abwehrzellen, darunter Makrophagen und die für die „Feinderkennung“ wichtigen dendritischen Zellen, wie Analysen enthüllten. Wenn die schützende SLYM-Membran verletzt wird, könnte sich dies auf die gesamte Immunabwehr des Gehirns und sein „Abwassersystem“ auswirken. Denn dann können potenziell schädliche Verunreinigungen bis in den inneren Subarachnoidalraum und das Gehirn vordringen. Gleichzeitig sind dann wichtige Strömungskanäle unterbrochen. Auch neuroentzündliche Komplikationen nach einer schweren Gehirnerschütterung und sogar das erhöhte Risiko für Alzheimer nach einem solchen Trauma könnten mit Verletzungen der SLYM-Membran verknüpft sein.
Lesen Sie auch: Das Gehirn im Detail
Myelin: Die Schutzschicht der Nervenzellen
Myelin ist eine weißliche Schutzschicht aus Proteinen und Fetten, die die Ausläufer unserer Nervenzellen, die Axone, umgibt. Diese Schicht isoliert die Nervenbahnen und trägt so dazu bei, dass die elektrischen Impulse, die von einer zur nächsten Nervenzelle weitergegeben werden, nicht abschwächen. Im Gehirn bildet Myelin eine isolierende Hüllschicht um die Leitungen, die unsere Gehirnzellen und -areale miteinander verbinden. Die Schicht, in der sich diese Neuronenverbindungen ballen, bekommt dadurch eine weißliche Farbe - sie wird daher auch als weiße Hirnsubstanz bezeichnet.
Funktion von Myelin
Die wesentliche Aufgabe von Myelin besteht darin, die Reizweiterleitung im Gehirn, in Form des Aktionspotentials, zu verbessern. Dieses transportiert gewissermaßen die Informationen durch das Axon einer Nervenzelle zur nächsten Zelle. Myelin erhöht die Schnelligkeit der elektrischen Impulse der einzelnen Nervenzellen. Wie schnell deine Nervenzellen also miteinander interagieren und so alle Lern-, Denk- und Erinnerungsprozesse in deinem Gehirn ablaufen, hängt von der Gesundheit des Myelins in deinem zentralen Nervensystem (ZNS) ab. Genau genommen hält die Myelinscheide die elektrische Energie davon ab, aus dem Axon auszutreten, es hält gewissermaßen die Spannung innerhalb der einzelnen Nervenzellen aufrecht.
Myelin besteht zu 70% aus Fetten und zu 30 % aus Proteinen und trägt daher auch den Namen “weiße Substanz”. Die myelinisierten Regionen im Gehirn lassen sich aufgrund ihrer weißen Farbe daher relativ deutlich erkennen. Während der Kindheit und Jugend wächst Myelin immer weiter und unterstützt das sich entwickelnde Gehirn und Nervensystem bei seiner Funktionsweise. Das ist auch der Grund dafür, dass Babys sich noch so unkoordiniert fortbewegen und agieren. Die noch nicht komplett ausgebildeten Myelinscheidewände sorgen für eine unzureichende Kommunikation zwischen den Nervenzellen.
Myelin und Intelligenz
Es besteht ein Zusammenhang zwischen der “weißen Substanz” und der Intelligenz. Da Myelin die Reizweiterleitung im Gehirn verbessert, bestimmt es also über die Geschwindigkeit aller ablaufenden Prozesse. Dass diese Prozesse richtig ablaufen, ist entscheidet für die gesamte mentale Performance, sowie für Lern- und Erinnerungsprozesse!
Myelin-Mangel
Die Auswirkungen, die ein Mangel der Myelinschutzschicht haben kann, sind zahlreich. Liegt ein Mangel vor, entstehen Signalstörungen zwischen deinem Gehirn und anderen Teilen deines Körpers. Dazu zählen unter anderem Sehschwächen, ein Kribbeln oder Taubheitsgefühl am ganzen Körper und mentale Aussetzer. All dies ist auf eine Schwäche der Myelinscheiden zurückzuführen. Häufig dauert es sehr lange, bis ein Mangel erkannt wird, da die Symptome so vielfältig sein können. Dieser wird vor allem ausgelöst durch Schwächen des Immunsystems, Infektionen und Entzündungen. Ist der Körper also bereits geschwächt, kann es passieren, dass auch die Myelinscheiden angegriffen werden.
Lesen Sie auch: Alles über Hirndurchblutungsstörungen: Symptome und Therapien
Wiederaufbau der Myelinschicht
Es gibt kein Patentrezept, um die Myelinschicht wieder aufzubauen. Von einigen Methoden und Tipps wird jedoch behauptet, dass sie förderlich für den Aufbau der Myelinschicht sein können. Dabei gibt es zwei Sorten von Zellen, die Myelin bilden können: Oligodendrozyten (ZNS) und Schwann-Zellen (PNS). Während die Schwann-Zellen im ganzen Körper verteilt sind, sind die Oligodendrozyten eher im Gehirn zu finden und dort für die Neubildung von Myelin verantwortlich.
Folgende Faktoren können den Aufbau der Myelinschicht fördern:
- Schlaf: Während dem REM-Schlaf werden im Körper vermehrt Zellen gebildet, die als Ausgangsstoff für die Oligodendrozyten benötigt werden. Je besser du dich also erholst und je mehr Schlaf du deinem Körper gönnst, desto mehr Myelin kann gebildet werden. Das Gegenteil ist bei Stress und Übermüdung der Fall.
- Ketose: Eine ketogene Ernährung bzw. Ketone können den Aufbau der Myelinschicht unterstützen. Zum einen dienen Ketone als Energiequelle und Vorstufe bei der Lipidsynthese in den so wichtigen Oligodendrozyten im Gehirn und können somit die Myelinisierung unterstützen.
- Die Omega-3 Fettsäure DHA: Der Gesamtfettgehalt deines Gehirns besteht zu ca. 20 % aus der essentiellen Omega-3-Fettsäure DHA. Es wird davon ausgegangen, dass DHA benötigt wird, um die Myelinisierung voranzutreiben.
- Vitamin-D und Vitamin K2: Studien konnten zeigen, dass der Vitamin-D-Rezeptor die Produktion von Oligodendrozyten erhöhen kann und Vitamin K an der Erhöhung von so genannten "Sulfatiden" beteiligt ist, ein Bestandteil der Myelinmembranschicht.
- Cholin, Vitamin B12 und Vitamin B5: Vor allem Vitamin B12, Citicolin und Vitamin B5 (Pantothensäure) sind wichtig für die Bildung von Myelin. Das sind einige der Ausgangsstoffe, die dein Gehirn braucht, um Myelin zu synthetisieren. Vitamin B5 ist essentiell, denn es hilft bei der Synthese von über die Nahrung aufgenommenen Fetten - und Myelin besteht aus bis zu 70% aus Fetten.
Myelin und extreme Belastung
Das Gehirn des Menschen „frisst“ bei einer extremen Belastung Myelin, eine fetthaltige Substanz, die die Nervenzellen schützt. Ein Marathonlauf ist für den menschlichen Körper und seinen Stoffwechsel eine extrem große Belastung. Forscher der University of the Basque Country (UPV/EHU) haben deshalb untersucht, wie sich der extreme Energieverlust auf das Gehirn auswirkt. Die Hirnscans zeigen, dass die Myelin-Konzentration in mehreren Gehirnarealen 24 bis 48 Stunden nach der starken Belastung deutlich abnimmt. Regionen, die für die Motorik, Koordination sowie sensorische und emotionale Prozesse relevant sind, waren am stärksten betroffen. Nach zwei Wochen stieg die Myelin-Konzentration wieder an. Die Wissenschaftler vermuten angesichts ihrer Studienergebnisse, dass Myelin bei einer extremen Belastung zudem als kurzfristige Fettreserve für das Gehirn dienen könnte. Dafür sprechen auch Studien mit Mäusen, deren Gehirn bei einer starken Energieunterversorgung das Myelin als Energiequelle verwendet hat. Laut den Forschern zeigt die beobachtete metabolische Plastizität des Myelins, dass Myelin nicht nur ein Schutzmantel für die Nervenzellen ist, sondern in Extremsituationen auch als Energiereserve dienen kann.
Erkrankungen des Großhirns
Es gibt viele verschiedene Krankheiten, die das Großhirn betreffen können. Dazu gehören:
- Schlaganfall: Ein Schlaganfall tritt auf, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird, was zu einer Schädigung oder zum Absterben von Gehirnzellen führen kann.
- Demenz: Eine Demenz ist ein fortschreitender Verlust der kognitiven Funktionen des Gehirns, wie Gedächtnis, Sprache und Denken.
- Parkinson-Krankheit: Die Parkinson-Krankheit ist eine Erkrankung des Nervensystems, die durch einen Mangel an Dopamin im Gehirn verursacht wird.
- Epilepsie: Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die zu wiederkehrenden Anfällen führt.
- Multiple Sklerose: Multiple Sklerose ist eine chronische Entzündungserkrankung des Nervensystems, die das Myelin (die Schutzschicht um die Nervenfasern) im Gehirn und Rückenmark schädigt.
- Enzephalitis: Enzephalitis ist eine Entzündung des Gehirns, die durch eine Infektion verursacht werden kann.
tags: #Schutzschichten #des #Gehirns #Funktion