Epilepsie und Schwangerschaft: Risiken, Management und sichere Optionen

Epilepsie ist heutzutage selten ein Grund gegen eine Schwangerschaft. Dennoch gibt es wichtige Aspekte zu beachten, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu gewährleisten. Eine umfassende Beratung durch Ärzte ist unerlässlich.

Kinderwunsch und Epilepsie: Was ist zu beachten?

Der Wunsch nach einem Kind ist eine sehr persönliche Entscheidung. Aus medizinischer Sicht spricht grundsätzlich nichts dagegen, jedoch sollten sich Frauen mit Epilepsie und ihre Partner der potenziellen Risiken bewusst sein, darunter:

  • Ein leicht erhöhtes Risiko für das Kind, ebenfalls an Epilepsie zu erkranken, insbesondere wenn beide Elternteile betroffen sind.
  • Mögliche Schädigung des ungeborenen Kindes durch antiepileptische Medikamente, insbesondere bei bestimmten Wirkstoffen oder Mehrfachtherapien. Ein Verzicht auf diese Medikamente ist jedoch oft nicht möglich.
  • Erschwerte Versorgung des Säuglings oder Kleinkindes bei häufigen oder schweren Anfällen der Mutter. Hier sollte im Vorfeld geklärt werden, ob Unterstützung durch den Partner, Familie oder Freunde gewährleistet ist.

Es ist aber auch wichtig zu betonen:

  • Schwangerschaften verlaufen in den meisten Fällen normal.
  • Einzelne Anfälle während der Schwangerschaft führen selten zu Komplikationen.
  • Eine natürliche Geburt ist in der Regel problemlos möglich und sollte angestrebt werden.
  • Es gibt lediglich eine geringfügig erhöhte Neugeborenensterblichkeit.
  • Neugeborene unter hoher antiepileptischer Medikation bedürfen besonderer ärztlicher Betreuung.
  • Die Wochenbettphase kann durch Schlafmangel und hormonelle Umstellungen erschwert sein.

Planung und Vorbereitung auf die Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft bei Epilepsie sollte gut geplant und frühzeitig erkannt werden. Ein ausführliches ärztliches Beratungsgespräch mit Neurologen und Gynäkologen ist unerlässlich, um die Risiken und Besonderheiten zu besprechen. Bei familiärer Vorbelastung oder Fehlbildungssyndrom sollte eine genetische Beratung über das Vererbungsrisiko erfolgen.

Optimierung der antiepileptischen Medikation

Bereits bei konkretem Kinderwunsch sollte die antiepileptische Medikation optimal eingestellt sein. Dazu gehört:

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  • Der Versuch, die Medikation bei längerer Anfallsfreiheit (mind. 1-2 Jahre) ganz abzusetzen.
  • Die Umstellung auf eine Monotherapie (Behandlung mit nur einem Medikament).
  • Die Umstellung auf ein Medikament mit möglichst geringer Fehlbildungsrate. Eine vorübergehende Umstellung in den ersten 14 Schwangerschaftswochen und eine spätere Rückumstellung ist möglich.
  • Die Dosis des Medikaments sollte so weit wie möglich verringert werden, ohne den Anfallsschutz der Mutter zu gefährden.
  • Die Verteilung der Tagesdosis auf drei Gaben oder die Verwendung von Retardpräparaten (gleichmäßigere Blutspiegel) sollte bevorzugt werden. Ein Vorteil im Hinblick auf die Missbildungsrate ist aber wissenschaftlich nicht sicher bewiesen.
  • Die vorbeugende Einnahme von Folsäure (2,5-5 mg/Tag) wird empfohlen, da bestimmte Medikamente einen Folsäuremangel verursachen können, der Fehlbildungen begünstigt.
  • Bei langjähriger Vorbehandlung mit bestimmten Medikamenten sollte Vitamin D eingenommen werden, da der Vitamin-D-Spiegel abgesunken sein kann.

Schwangerschaft und Epilepsie: Was ist zu beachten?

Schwangere Epilepsiepatientinnen gelten als Risikoschwangere, hauptsächlich wegen der potenziellen Gefährdung des Kindes durch die Medikamente. Ansonsten verlaufen Schwangerschaften aber weitgehend normal. Schwangerschaftskomplikationen wie Frühgeburten, vorzeitige Wehen, abnorme Kindslagen oder Gestosen (Blutdruckerhöhungen mit Wassereinlagerungen und evtl. Anfällen) treten nicht häufiger auf als bei Frauen ohne Epilepsie. Allerdings ist die Rate von Abtreibungen aus medizinischer Indikation bei Epilepsie-kranken Frauen erhöht.

Anfallshäufigkeit und Medikamentenspiegel

Bei etwa der Hälfte der Frauen ändert sich die Anfallshäufigkeit während der Schwangerschaft nicht, bei einem Viertel nimmt sie zu oder ab. Eine Anfallszunahme kann durch die Reduktion oder das Absetzen von Medikamenten durch die Schwangere selbst verursacht werden, um das Kind zu schützen. Auch die Gewichtszunahme und der erhöhte Östrogenspiegel können den Medikamentenspiegel im Blut senken. Zusätzliche Medikamente wie Abführmittel oder Diuretika können ebenfalls den Serumspiegel von Antiepileptika beeinflussen.

Gefahren und Vorsorge

Ein generalisierter Status epilepticus stellt eine hohe, lebensbedrohliche Gefahr für Mutter und Kind dar, tritt aber während der Schwangerschaft selten auf. Er muss notfallmedizinisch behandelt werden, um die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung zu senken. Einzelne epileptische Anfälle, auch generalisierte, gefährden das Kind in der Regel nicht, da das kindliche Blut eine höhere Sauerstoffbindung hat. Das Geburtsgewicht der Kinder ist insgesamt etwas erniedrigt, die Frühgeburtsrate ist nicht erhöht. Häufiger als bei Gesunden wird die Geburt bei Epilepsiepatientinnen eingeleitet, wahrscheinlich um die Geburt unter kontrollierten Bedingungen ablaufen zu lassen. Anfälle unter der Geburt sind selten, scheinen aber bei Patientinnen mit idiopathisch-generalisierten Epilepsie-Syndromen etwas häufiger vorzukommen. Die Sterblichkeit der Kinder um die Geburt herum ist etwa doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung, die Ursachen hierfür sind noch ungeklärt.

Vorsorgeuntersuchungen

Wichtig sind ausführliche Ultraschalldiagnostik in der 8.-16. Schwangerschaftswoche zum Ausschluss von Fehlbildungen. Eine genetische Untersuchung des Fötus oder Embryos, z.B. mittels Fruchtwasseranalyse, ist möglich, die Entscheidung hierüber ist aber individuell zu treffen. Auch eine genetische Untersuchung der Zellen des Embryos aus dem mütterlichen Blut ist möglich.

Fehlbildungen durch Antiepileptika: Risiken und Prävention

Es gibt große und kleine Fehlbildungen. Zu den großen Fehlbildungen zählen Spaltbildungen im Rückenmark oder der Wirbelsäule (offenes Neuralrohr), Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Herzfehlbildungen oder größere Skelettfehlbildungen. Kleinere Fehlbildungen sind kosmetische Auffälligkeiten oder leicht korrigierbare Fehlbildungen. In Statistiken werden oft nur die großen Fehlbildungen berücksichtigt.

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Fehlbildungsrisiko und Medikamentenwahl

Das Fehlbildungsrisiko bei Einnahme eines antikonvulsiven Medikaments liegt zwischen 4 und 7 %, bei Monotherapie bei 5-6 % und bei Polytherapie mit mehreren Medikamenten bei 7-8 %. Das natürliche Fehlbildungsrisiko liegt bereits bei 2-3 %. Bei manchen Medikamenten ist das Fehlbildungsrisiko sehr hoch, hier ist eine Beratung durch einen Epilepsie-Experten erforderlich. Manche Medikamente dürfen in der Schwangerschaft nicht angewendet werden.

Was ist während der Schwangerschaft zu beachten?

Neben gesunder Ernährung und Bewegung sollte zu Beginn der Schwangerschaft eine ausführliche Beratung durch einen Neurologen erfolgen. Die antikonvulsive Behandlung sollte, soweit möglich, auf die Schwangerschaft eingestellt werden (Monotherapie mit der niedrigsten wirksamen Dosis eines Antikonvulsivums der ersten Wahl). Neben den üblichen Schwangerschaftskontrollen sind bei erhöhter Anfallsfrequenz engmaschige Kontrollen des Serumspiegels des Antikonvulsivums und ggf. des EEGs erforderlich. Die Medikation sollte bei steigender Anfallshäufigkeit gegebenenfalls angepasst werden. Auf die Einnahme von Folsäure (5 mg/Tag) ist insbesondere während des 1. Schwangerschaftsdrittels zu achten. Zur Vorbereitung der Geburt sind keine spezifischen Maßnahmen erforderlich. Nach der Entbindung sollte die gegebenenfalls erhöhte Dosis der Antiepileptika innerhalb weniger Tage wieder auf das Ausgangsniveau gesenkt werden.

Entbindung und Wochenbett

Eine natürliche Geburt sollte angestrebt werden. Ein Kaiserschnitt ist nur bei kompliziertem Schwangerschaftsverlauf, nachgewiesener Fehlbildung des Kindes, hoher Anfallshäufigkeit oder hochdosierter medikamentöser Einstellung ratsam. Von Hausgeburten ist abzuraten, da ärztliche Hilfe nicht so rasch verfügbar ist. Derzeit liegt die Quote der Kaiserschnittentbindung bei Epilepsiepatientinnen in Deutschland bei ca. 40 - 50 %. Auch werden bei Epilepsiepatientinnen Wehen häufiger medikamentös herbeigeführt, wahrscheinlich aus Angst der betreuenden Gynäkologen vor Komplikationen im Sinne eines Anfalles unter der Geburt.

Stillen

Grundsätzlich wird zum Stillen geraten. Alle Medikamente gegen Epilepsie finden sich auch in der Muttermilch wieder, aber bei den meisten Medikamenten ist die Konzentration gering und führt nicht zu Nebenwirkungen beim Kind.

Was ist nach der Entbindung zu beachten?

Epilepsie-Patientinnen erleben nach der Entbindung hormonelle Umstellungen, die zu Stimmungsschwankungen, Wochenbettdepressionen oder Wochenbettpsychosen führen können. Diese Symptome stehen nicht mit der Epilepsie in Verbindung.

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Wenn die antiepileptische Medikation vor oder während der Schwangerschaft erniedrigt wurde, sollte sie wieder auf die ursprüngliche Dosis zurückgesetzt werden. Falls sie während der Schwangerschaft erhöht wurde, sollte sie ebenfalls innerhalb weniger Tage nach der Entbindung auf das Ausgangsniveau zurückgeführt werden.

Schlafstörungen durch ein nächtlich unruhiges Kind können epileptische Anfälle provozieren. Hier sollte es, falls möglich, zu einer partnerschaftlichen Aufteilung der nächtlichen Betreuung des Säuglings durch beide Eltern kommen.

Vorkehrungen bei hoher Anfallshäufigkeit

Bei hoher Anfallshäufigkeit sollten Vorkehrungen getroffen werden, die bei einem plötzlichen Anfall der Mutter eine Versorgung des Kindes garantieren bzw. helfen, Unfälle zu vermeiden:

  • Mitbetreuung durch eine nahestehende weitere Person
  • Gefahrloses Wickeln des Säuglings z.B. auf einem flachen abgepolsterten Bett
  • Baden des Kindes in einer Babybadewanne mit nur sehr wenig Wasser und nicht in Bauchlage.
  • Information von nahestehenden Personen über die aktuelle Anfallssituation

Neugeborene Epilepsie-kranker Frauen zeigen durchschnittlich einen etwas geringeren Kopfumfang und ein etwas niedrigeres Geburtsgewicht.

Medikamentenspiegel und Dosisanpassung in der Schwangerschaft

Durch die Schwangerschaft bedingte Veränderungen des Stoffwechsels senken häufig den Blutspiegel der Antiepileptika, sodass regelmäßige Blutkontrollen und gegebenenfalls eine Erhöhung der Dosis erforderlich sind. Typischerweise kommt es zu einem Spiegelabfall von Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Phenytoin, Topiramat und Zonisamid.

Empfehlungen für einzelne Medikamente

  • Lamotrigin: Aktuell neben Levetiracetam günstigste Daten. Fehlbildungen möglicherweise dosisabhängig (>200 mg Lamotrigin Risiko möglicherweise leicht erhöht). Spiegelabfall am stärksten im ersten Trimenon. Spiegelkontrollen in den ersten 3 Monaten sinnvoll (ca. alle 4 Wochen). Dosisanpassung spiegelgesteuert!
  • Levetiracetam: Wenig Daten bezüglich Levetiracetam. Geringe Fehlbildungsrate. Kaum Dosisanhängigkeit. Spiegelabfall am stärksten in den ersten 3 Monaten. Spiegelkontrollen in den ersten 3 Monaten sinnvoll (ca. alle 4 Wochen). Dosisanpassung spiegelgesteuert bei Abfall sinnvoll.
  • Oxcarbazepin: Geringe Fehlbildungsrate ca. 3%. Spiegelabfall am stärksten in den ersten 3 Monaten. Spiegelkontrollen in den ersten 3 Monaten sinnvoll (ca. alle 4 Wochen). Dosisanpassung spiegelgesteuert bei Abfall sinnvoll.
  • Carbamazepin: Fehlbildungsrate ca. 5,5%. Fehlbildungsrate dosisabhängig (<700mg ca. 4,5%, >700mg ca. 7,2%). Leichter Abfall des Carbamazeoinspiegels im letzten Trimenon.
  • Valproat: Hohe Fehlbildungsrate ca.10,3 %. Fehlbildungsrate dosisabhängig (< 1400 mg ca. 6,5%, >1450 mg ca. 13,5%). Valproinsäure sollte bei der Behandlung von jungen Frauen mit Epilepsie nicht eingesetzt werden.

Antiepileptika und Verhütung

Einige Antiepileptika können die Wirkung hormoneller Verhütungsmittel reduzieren. Gabapentin, Lacosamid, Levetiracetam, Pregabalin, Tiagabin, Topiramat (<200mg), Valproat, Vigabatrin, Zonisamid und Perampanel (Fycompa®) (nur bis 10mg) beeinflussen die orale Kontrazeption nicht. Carbamazepin, Eslicarbazepin, Felbamat, Lamotrigin, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Rufinamid, Topiramat (>200mg) und Perampanel (Fycompa®) (ab 12 mg bei gestagenhaltigen Pillen) können die Kontrazeption beeinträchtigen.

Verbesserung der oralen Kontrazeption

  • Kontinuierliche Einnahme eines monophasischen oralen Kontrazeptivums
  • Einnahme eines Gestagen betonten oralen Kontrazeptivums

Internationale Register für Schwangerschaften unter Antiepileptika (EURAP)

Das internationale Register EURAP dient zur Sammlung von Daten zur Sicherheit von Antiepileptika in der Schwangerschaft. Schwangerschaften sollten unbedingt im EURAP-Register gemeldet werden.

Dokumentation der Schwangerschaft

  • Bogen A: Erfassung der demographischen Daten bis Ende der 16. Woche (prospektiv und ab der 16. SSW retrospektiv)
  • Bogen B: Beurteilung des Schwangerschaftsverlaufs im ersten Trimenon (Erhebung nach 14. SSW)
  • Bogen C: Beurteilung des Schwangerschaftsverlaufs im zweiten Trimenon (Erhebung nach 26. SSW)
  • Bogen D: Beurteilung des Schwangerschaftsverlaufs im dritten Trimenon und der Neugeborenenperiode (Erhebung in den ersten 3 Monaten nach der Geburt)
  • Bogen E: Follow-up des Kindes nach dem ersten Lebensjahr (Erhebung nach dem ersten Lebensjahr)

Die Einwilligung der Patientin ist erforderlich.

Spezielle Aspekte und Hilfestellungen

  • Männer mit Epilepsie: Eine Gefahr für das Kind durch die Medikamente des Vaters besteht nicht. Einige Medikamente können die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen.
  • Epilepsie und Fruchtbarkeit: Frauen mit Epilepsie haben häufiger Hormonstörungen mit evtl. verminderter Fruchtbarkeit und kommen früher in die Wechseljahre.
  • Epilepsiechirurgie: Wenn eine Operation zur Behandlung der Epilepsie möglich ist, sollte diese vor einer geplanten Schwangerschaft erfolgen.
  • SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy) in der Schwangerschaft: Die Häufigkeit ist ca. 9-fach erhöht. Ursachen sind u.a. unregelmäßige Medikamenteneinnahme, Reduktion oder Absetzen der Medikation, Spiegelveränderungen, Schlafentzug und hormonelle Veränderungen.
  • Vermeidung von Verletzungen des Kindes: Wickeln auf dem Boden, Kinderwagen mit automatischer Bremse, Baden nur in flachem Wasser.

Neuere Erkenntnisse und Studien

Eine Studie aus Skandinavien (SCAN-AED) hat gezeigt, dass Topiramat und Valproat in Monotherapie sowie bestimmte Kombinationstherapien mit erhöhten Risiken für neurologische Entwicklungsstörungen beim Kind verbunden sind. Die Kombination Levetiracetam mit Lamotrigin wies kein erhöhtes Risiko auf.

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