Der Begriff „Demenz“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich „ohne Geist“ oder „Weg vom Geist“. Er beschreibt den Abbau der geistigen Fähigkeiten, der bis zum vollständigen Verlust führen kann. Betroffen sind zunächst oft das Kurzzeitgedächtnis und die Merkfähigkeit, später auch Inhalte des Langzeitgedächtnisses. Demenz beeinträchtigt auch die Orientierung und die Fähigkeit, alltägliche Tätigkeiten auszuführen.
Formen der Demenz und ihre Ursachen
Es gibt verschiedene Formen von Demenz, die sich in ihren Ursachen und Symptomen unterscheiden.
Alzheimer-Demenz
Die Alzheimer-Krankheit ist mit 60-70 % aller Fälle die häufigste Form der Demenz. Sie verändert Gedächtnis, Denken und Alltagsfähigkeiten schleichend, aber unumkehrbar. Der Verlauf ist individuell, folgt jedoch bestimmten Mustern:
- Frühe Phase: Leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns, die im Alltag kaum einschränken.
- Mittlere Phase: Zunehmende Vergesslichkeit im Alltag, insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses. Schwierigkeiten, neue Informationen zu behalten, Gespräche zu führen und sich zu orientieren.
- Späte Phase: Deutliche Beeinträchtigung von Kurz- und Langzeitgedächtnis. Orientierungsprobleme, auch in vertrauter Umgebung, Erkennen von bekannten Gesichtern wird schwierig. Tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und Wesen.
- Endstadium: Vollständige Pflegeabhängigkeit, Verlust der Sprache, keine sinnvolle Kommunikation mehr möglich. Selbst engste Familienmitglieder werden nicht mehr erkannt. Völlige Orientierungslosigkeit, Inkontinenz, Schluckstörungen und ein geschwächtes Immunsystem.
Vaskuläre Demenz
Die vaskuläre Demenz ist mit etwa 15 % aller Demenzerkrankungen die zweithäufigste Form. Sie entsteht aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn, die durch Ablagerungen in Blutgefäßen, Blutgerinnsel oder Hirnblutungen verursacht werden können. Dadurch werden Bereiche des Gehirns mit zu wenig Sauerstoff versorgt, was zu Schädigungen oder dem Absterben von Hirnzellen führt. Risikofaktoren sind Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems, Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, ein hoher Cholesterinspiegel, Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen.
Zu Beginn können vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Dazu können Gangstörungen oder Kontrollverluste der Blase sowie Probleme mit der Sprache kommen. Auch Gedächtnisstörungen können auftreten, stehen aber zu Beginn nicht immer im Vordergrund.
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Es gibt verschiedene Formen der vaskulären Demenz:
- Subkortikale vaskuläre Demenz: Wird durch eine Wandverdickung in kleinen Blutgefäßen hervorgerufen, welche die tiefen Strukturen des Gehirns mit Blut versorgen. Der Beginn ist oft schleichend, das Fortschreiten allmählich. Im Vordergrund stehen nicht Gedächtnisstörungen, sondern Verlangsamung, Denkschwierigkeiten oder Stimmungslabilität.
- Multi-Infarkt-Demenz: Das Gehirn wird durch viele kleine Schlaganfälle geschädigt. Sie beginnt meist plötzlich und schreitet in der Regel stufenweise fort. Die Krankheitssymptome sind denen der Alzheimer-Krankheit sehr ähnlich, es können aber körperliche Störungen wie Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen hinzu kommen.
Frontotemporale Demenz (FTD)
Die frontotemporale Demenz (FTD), früher auch als Morbus Pick bekannt, ist eine seltene Form einer schnell fortschreitenden Demenz. Sie betrifft vor allem Menschen unter 65 Jahren und macht Schätzungen zufolge zusammen mit der Alzheimer-Demenz die Mehrzahl aller Demenzerkrankungen in diesem Alter aus. Kennzeichnend ist der Untergang von Nervenzellen speziell im Stirnhirn (Frontallappen) und im Schläfenlappen (Temporallappen). Diese Gehirnbereiche steuern wichtige Funktionen wie Sozialverhalten, Verhaltenskontrolle und Sprachverständnis.
Die FTD bricht früher aus als die Alzheimer-Demenz, meist zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr, kann aber auch früher oder später auftreten (zwischen dem 20. und 85. Lebensjahr). Da die FTD häufig vor dem 65. Lebensjahr ausbricht, gehört sie zu den frühbeginnenden Demenzen.
Die Symptome sind von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, abhängig davon, in welchem Gehirnbereich Nervenzellen absterben. Es gibt zwei Hauptvarianten:
- Verhaltensbetonte Variante (bvFTD): Hier zeigen sich zuerst Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit. Die Betroffenen wirken oft unkonzentriert, desinteressiert und achtlos. Sie kommen Aufgaben nur noch eingeschränkt und ohne Sorgfalt nach, ziehen sich zurück, vernachlässigen Familie und Freizeitinteressen, werden träge und gleichgültig. Im Sozialverhalten fallen viele durch Takt- und Empathielosigkeit auf, sind enthemmt und distanzlos. Manche Patienten entwickeln ein auffälliges Essverhalten, viele lassen ihre Körperhygiene schleifen. Häufige Anzeichen sind:
- Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
- Apathie: Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
- Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
- Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
- Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
- Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.
- Sprachbetonte Varianten (Primär Progressive Aphasie, PPA): Hier stehen Sprachstörungen im Vordergrund. Es gibt drei verschiedene Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:
- Semantischer Typ: Die Betroffenen verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter.
- Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger und klingt angestrengt.
- Logopenischer Typ: Es fällt den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden. (Gehört nicht zur FTD, sondern zur Alzheimer-Krankheit.)
Die FTD hat einen schleichenden Verlauf, der in drei Stadien eingeteilt werden kann:
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- Beginn: Unterschiedliche Symptome je nach Subtyp (Verhaltensvariante oder Sprachvariante).
- Mittleres Stadium: Symptome der anderen Variante treten hinzu. Menschen mit FTD sind in ihrem Alltag zunehmend auf Hilfe angewiesen.
- Spätes Stadium: Sprache und Verhalten sind stark beeinträchtigt, und es treten zusätzlich Gedächtnisprobleme auf, die an Alzheimer erinnern. Körperliche Symptome wie Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit oder Schwierigkeiten beim Schlucken können hinzukommen. Im Endstadium benötigen die Erkrankten rund um die Uhr Pflege. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung, die durch eine Schwächung des Immunsystems oder Schluckprobleme verursacht werden kann.
Ein Teil der frontotemporalen Demenzen ist erblich bedingt und Fälle treten familiär gehäuft auf (familiäre FTD). Insgesamt sind etwa 10-15% aller frontotemporalen Demenzen genetisch bedingt, v. a. die Verhaltensvariante.
Lewy-Körperchen-Demenz
Die Lewy-Körperchen-Demenz ähnelt der Alzheimer-Krankheit sehr stark, wodurch sie schwer voneinander zu unterscheiden sind. Kennzeichnend sind:
- Starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit und der Aufmerksamkeit
- Optische Halluzinationen, die oft sehr detailreich sind
- Leichte Parkinsonsymptome (unwillkürliches Zittern der Hände, Steifigkeit der Bewegungen)
Typisch für die Lewy-Körperchen-Demenz sind charakteristische runde Einschlusskörperchen - die so genannten Lewy-Körperchen - in den Nervenzellen der Großhirnrinde.
Demenz bei Morbus Parkinson
Das Hauptsymptom der Parkinson-Krankheit besteht in einer chronischen Verlangsamung aller Bewegungsabläufe, einer Unfähigkeit neue Bewegungen zu initiieren und einer Störung der Feinmotorik. Bei ca. einem Drittel der Betroffenen entwickelt sich im späten Stadium zusätzlich eine Demenz.
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit tritt als sehr rasch (6-12 Monate) fortschreitende Demenz in Erscheinung, die typischerweise von motorischen Störungen in Form von Myoklonien (= ausgeprägte unwillkürliche Muskelzuckungen) und Ataxie (= ausgeprägte Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen) begleitet ist. Sie wird durch die Ablagerung atypischer Eiweißbruchstücke - den sogenannten Prionen - verursacht. Die Krankheit ist sehr selten und eine Therapie ist nicht bekannt.
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Korsakow-Syndrom
Das Korsakow-Syndrom tritt insbesondere als ausgeprägte Merkfähigkeitsstörung in Erscheinung. Die Betroffenen haben die Fähigkeit verloren, neue Informationen zu speichern und entwickeln gleichzeitig die Tendenz, die entstehenden Gedächtnislücken und Orientierungsstörungen mit bisweilen frei erfundenen Geschichten zu füllen (Konfabulation). Die häufigste Ursache ist ein jahrelanger übermäßiger Alkoholkonsum.
Chronische Traumatische Enzephalopathie (CTE)
Die Chronische Traumatische Enzephalopathie (CTE) ist eine seltene fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns. Betroffen sind Menschen, die wiederholten leichtgradigen Schädeltraumen ausgesetzt waren. Die wiederholten Schädeltraumen führen zu einer zunehmenden Zerstörung von Nervenzellen und zu einer abnormen Anhäufung des Tau-Proteins.
Diagnose
Die Diagnose einer Demenz erfolgt in mehreren Schritten:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Prüfung grundlegender kognitiver Fähigkeiten.
- Befragung der Angehörigen: Besonders wichtig bei der Verhaltensvariante der FTD, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen zeigen.
- Neuropsychologische Tests: Erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten.
- Bildgebende Verfahren (MRT, CT, FDG-PET): Können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar machen.
- Blutuntersuchungen: Können Hinweise auf Risikofaktoren für Durchblutungsstörungen geben.
- Genetische Untersuchungen: Bei familiärer Häufung kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.
- Liquoruntersuchung: Zum Ausschluss anderer Erkrankungen.
Behandlung
Eine Heilung von Demenz ist bislang nicht möglich. Die Behandlung zielt darauf ab, Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
- Medikamentöse Behandlung:
- Bei Alzheimer-Demenz können Medikamente eingesetzt werden, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder Symptome lindern.
- Bei vaskulärer Demenz können Medikamente zur Behandlung von Durchblutungsstörungen und Risikofaktoren wie Bluthochdruck eingesetzt werden.
- Bei der FTD können Medikamente eingesetzt werden, um Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten zu mildern. Häufig werden Beruhigungsmittel oder Antidepressiva verschrieben.
- Bei der Lewy-Körperchen-Demenz scheinen moderne Antidementiva, Acetylcholinesterase-Hemmer, besonders gut anzusprechen. Bei der Behandlung mit Neuroleptika ist dagegen besondere Vorsicht geboten.
- Bei Morbus Parkinson können Medikamente eingesetzt werden, die spezifisch gegen die Akinese und den Tremor wirken. Treten Demenzsymptome hinzu, sprechen diese nach neueren Untersuchungen auf die Behandlung mit einem Antidementivum (Rivastigmin) an.
- Nicht-medikamentöse Therapie:
- Kognitives Training: Übungen zur Verbesserung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentration.
- Ergotherapie: Training von Alltagsfähigkeiten.
- Physiotherapie: Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination.
- Logopädie: Behandlung von Sprachstörungen.
- Musiktherapie: Kann die Stimmung verbessern und die Kommunikation fördern.
- Kunsttherapie: Kann helfen, Gefühle auszudrücken und die Kreativität zu fördern.
- Psychosoziale Interventionen: Unterstützung für Betroffene und Angehörige, z.B. durch Gesprächsgruppen oder Angehörigenberatung.
Alltag mit Demenz
Der Alltag mit Menschen mit Demenz kann sehr herausfordernd sein. Es gibt jedoch viele Dinge, die dazu beitragen können, dass Betroffene länger körperlich und geistig aktiv bleiben und ihre Lebensqualität erhalten:
- Routinen schaffen: Ein geregelter Tagesablauf gibt Sicherheit und kann Verwirrung reduzieren.
- Kommunikation anpassen: Einfache Sätze verwenden und offene Fragen vermeiden.
- Demenzgerechtes Zuhause schaffen: Das häusliche Umfeld an die Bedürfnisse der Betroffenen anpassen, um eine Wohlfühlatmosphäre zu erzeugen und die Sicherheit zu erhöhen.
- Positive Momente schaffen: Gemeinsame Aktivitäten wie Musik hören, Fotos anschauen oder Zeit an der frischen Luft verbringen.
- Soziale Kontakte erhalten: Gute Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe geben Halt und tun dem Gehirn gut.
- Bewegung: Tägliche moderate Bewegung (Walking, Tanzen, Gymnastik etc.) kann Ängste abbauen, Unruhe mildern und beim Ein- und Durchschlafen helfen.
- Geistige Aktivität: Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln können die geistige Fitness fördern.
- Unterstützung suchen: Angehörige sollten sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, z.B. durch Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder ambulante Pflegedienste.
Prävention
Einige Risikofaktoren für Demenz können beeinflusst werden:
- Herz-Kreislauf-Gesundheit fördern: Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus und ein hoher Cholesterinspiegel sollten behandelt werden.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten kann das Risiko für Demenz senken.
- Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität kann die Durchblutung des Gehirns verbessern und die geistige Leistungsfähigkeit erhalten.
- Geistige Aktivität: Regelmäßiges Lesen, Lösen von Rätseln oder das Erlernen neuer Fähigkeiten können das Gehirn fit halten.
- Soziale Kontakte pflegen: Soziale Interaktion kann die geistige Leistungsfähigkeit fördern und das Risiko für Depressionen senken, die wiederum das Demenzrisiko erhöhen können.
- Nicht rauchen: Rauchen schädigt die Blutgefäße und erhöht das Risiko für vaskuläre Demenz.
- Mäßiger Alkoholkonsum: Übermäßiger Alkoholkonsum kann das Gehirn schädigen und das Risiko für Demenz erhöhen.
Forschung
Die Demenzforschung ist ein wichtiges Gebiet, um die Ursachen von Demenz besser zu verstehen und neue Behandlungsansätze zu entwickeln. Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) suchen beispielsweise nach den molekularbiologischen Ursachen für den Nervenzelltod bei frontotemporaler Demenz und untersuchen den Zusammenhang zwischen Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und FTD. Außerdem suchen sie nach Parametern, die Diagnose und Vorhersage des Krankheitsverlaufs ermöglichen.
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