Eine Sepsis, im Volksmund auch als Blutvergiftung bekannt, ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die durch eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf eine Infektion verursacht wird. Diese Reaktion kann zu einer Schädigung der eigenen Gewebe und Organe führen. Neben den bekannten Auswirkungen auf andere Organe kann eine Sepsis auch schwerwiegende neurologische Folgen haben, die oft übersehen werden oder erst später im Leben der Betroffenen auftreten. Die Sepsis steht in Deutschland mit einer Fallzahl von ca. 150.000 Betroffenen pro Jahr nach dem Herzinfarkt an dritter Stelle der häufigsten Todesursachen.
Akute neurologische Komplikationen während der Sepsis
Während einer Sepsis können verschiedene neurologische Komplikationen auftreten, die das Gehirn direkt betreffen:
- Sepsis-assoziierte Enzephalopathie: Eine häufige Komplikation, die sich durch akute geistige Einschränkungen auszeichnet. Studien zufolge tritt sie in etwa 50 % der Sepsisfälle auf.
- Epileptische Anfälle: Als Begleiteffekte der Infektion werden nicht selten epileptische Anfälle beobachtet.
- Schlaganfälle: Auch Schlaganfälle können im Rahmen einer Sepsis auftreten und bleibende Schäden verursachen.
Langfristige neurologische Folgen nach Sepsis
Auch nach einer erfolgreichen Behandlung der Sepsis können langfristige neurologische Folgen auftreten, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Bisher ist nur sehr wenig über die langfristigen Folgen einer Sepsis bekannt. Wissenschaftliche Untersuchungen legen den Verdacht nahe, dass für Überlebende einer Sepsis langfristige Konsequenzen auftreten können, wie beispielsweise körperliche und geistige Beeinträchtigungen oder starke Schmerzen.
Erhöhtes Risiko für Epilepsie
Eine Studie des Weill Cornell Medical College in New York untersuchte administrative Klinikdaten aus drei US-Bundesstaaten und fand heraus, dass ehemalige Sepsispatienten ein deutlich erhöhtes Risiko für epileptische Anfälle haben. Im Laufe von acht Jahren wurden 6,7 Prozent der ehemaligen Sepsispatienten erstmals mit einem epileptischen Anfall in ein Krankenhaus eingeliefert, während die Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung bei 1,3 Prozent lag. Selbst im Vergleich zu anderen Krankenhauspatienten und einer repräsentativen Auswahl von Medicare-Patienten (Versicherte über 65 Jahren) war das Anfallsrisiko bei ehemaligen Sepsispatienten noch erhöht. Dabei zeigte sich noch eine 2,7-fach erhöhte Anfallsinzidenz bei den ehemaligen Sepsispatienten, sofern Alter, Geschlecht und Ethnie berücksichtigt wurden. Die Neurologen um Reznik verglichen das Anfallsrisiko nicht nur mit dem der Allgemeinbevölkerung, sondern auch mit dem anderer Krankenhauspatienten. Schließlich verglichen die Neurologen die Anfallsinzidenz mit der einer repräsentativen Auswahl von Medicare-Patienten, also Versicherten im Alter über 65 Jahren.
Kognitive Beeinträchtigungen
Das Ausmaß der geistigen Langzeitfolgen bei Sepsisüberlebenden ist noch weitgehend unbekannt. Solche geistigen Einbußen können auf das Auftreten der sogenannten septischen Enzephalopathie zurückzuführen sein, welche in ca. 50% der Fälle zu auftritt und sich durch akute geistige Einschränkungen auszeichnet. Insbesondere die geistigen Beeinträchtigungen scheinen auf Veränderungen der Nervenbahnen zurück zu gehen. Um diese näher beschreiben zu können, durchlaufen die ehemaligen Sepsis-Patienten einige neuropsychologische Tests. Hauptsächlich sollen Gedächtnis-bezogene Größen ermittelt werden, welche durch die Messung von Hirnströmen gewonnen werden können, während ein Proband oder Patient mit verschiedenen visuellen Reizen konfrontiert wird. Ehemalige Sepsispatienten werden mit einer gesunden Kontrollgruppe, einer Gruppe nicht-septischer, intensivmedizinisch behandelter Patienten und einer Gruppe von Patienten, welche eine Hepatische Enzephalopathie entwickeln, verglichen. Patienten mit Hepatischer Enzephalopathie, welche nach dem Endstadium einer chronischen Lebererkrankung auftritt, weisen ähnliche geistige Beeinträchtigungen auf wie Patienten mit septischer Enzephalopathie.
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Neuromuskuläre Schwäche
Als „Critical Illness Polyneuropathie/Myopathie“ bezeichnet man die Erkrankung von Nerven oder Muskeln nach Intensivtherapie. Sie kann zu chronischen Schmerzen und Muskelschwäche/-abbau führen. Die Patienten entwickeln schwere, schlaffe Lähmungen, die alle Extremitäten betreffen können.
Chronische Schmerzen
Chronischer Schmerz wird als häufige Langzeitkomplikation der Sepsis beschrieben. Er kann zu einer Einschränkung der Lebensqualität und Alltagsaktivität beitragen und ist für die Betroffenen sehr belastend. Schmerzen, die nach Sepsis auftreten, können beispielsweise im Bereich von Wunden, Narben oder Amputationen auftreten. Auch kann es durch Mitbeteiligung von Nerven im Rahmen der Entzündungsreaktion zu so genannten neuropathischen Schmerzen kommen.
Sensorische Störungen
Riechen, Hören, Schmecken und Schlucken sind Vorgänge, denen gemeinsam ist, dass ihre Steuerung sehr komplexe Nervenverbindungen benötigt. Während einer Sepsis können die Nerven des Körpers ebenfalls mit von den Entzündungsprozessen betroffen sein, so dass nach Sepsis Riechen, Hören, Schmecken und Schlucken nicht in gewohnter Art und Weise möglich ist.
Ursachen und Mechanismen
Die genauen Mechanismen, die zu den neurologischen Folgen einer Sepsis führen, sind noch nicht vollständig verstanden. Es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die eine Rolle spielen könnten:
- Entzündung: Die massive Entzündungsreaktion im Körper kann auch das Gehirn betreffen und zu Schäden an Nervenzellen und Nervenbahnen führen.
- Durchblutungsstörungen: Ein septischer Schock kann zu einer verminderten Durchblutung des Gehirns führen, was ebenfalls Nervenzellen schädigen kann.
- Neuroinflammation: Entzündliche Prozesse im Gehirn, die durch die Aktivierung von Immunzellen (Mikrogliazellen) ausgelöst werden, können langfristige negative Auswirkungen auf das Gehirn und das Lernverhalten haben. Eine Hemmung des Proteinkomplex NLRP3 könnte diese negativen Auswirkungen verhindern.
Prävention und Behandlung
Das Vorbeugen von Langzeitfolgen ist bereits in der Akutbehandlung - oft schon auf der Intensivstation - wichtig. Frühmobilisierung und Frührehabilitation können einen positiven Einfluss auf den weiteren Verlauf nach einer Sepsis haben. Standardisierte Screeninginstrumente können früh dazu beitragen, Sepsisfolgen zu erkennen. Genauso wichtig scheint eine sektorenübergreifende Behandlung: Die Benennung der Diagnose Sepsis auf dem Entlassbrief des Krankenhauses und die strukturierte Weitergabe aller relevanten Informationen zur Therapie ist unerlässlich für eine qualitativ verbesserte Nachbehandlung. Im längerfristigen Verlauf ist eine individuelle und konsequente ärztliche Betreuung wichtig.
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Impfungen
Sepsisüberlebende sollten entsprechend der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) geimpft werden, um erneute Infektionen und Sepsis zu vermeiden. Außerdem gibt es Hinweise, dass Impfungen das Risiko von Schlaganfällen und Herzinfarkten nach einer Sepsisbehandlung verringern können. Mediziner der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin raten Betroffenen, sich gegen Pneumokokken, Meningokokken und Hib impfen zu lassen.
Rehabilitation
Um die Alltagsfähigkeiten zu verbessern, gibt es verschiedene Rehabilitationsangebote und ambulante oder stationäre Therapiemöglichkeiten. Diese schließen Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie mit ein.
Forschung und Ausblick
Die Erforschung der langfristigen Folgen einer Sepsis und ihrer Auswirkungen auf das Gehirn ist ein wichtiges Anliegen. Studien wie die der Technischen Universität Braunschweig, die den Einfluss des Inflammasoms NLRP3 auf die neurologischen Folgen einer Sepsis untersucht, eröffnen neue Möglichkeiten für therapeutische Behandlungen.
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