Sertralin-Therapie nach Schlaganfall: Ein umfassender Überblick

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das nicht nur körperliche, sondern auch psychische Folgen haben kann. Etwa ein Drittel der Patienten entwickelt innerhalb der ersten fünf Jahre nach einem Schlaganfall eine Depression, die sogenannte Post-Schlaganfall-Depression (PSD). Diese Depression ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität verbunden und stellt eine erhebliche Herausforderung für die Betroffenen und das Gesundheitssystem dar.

Schlaganfall und Depression: Eine häufige Kombination

In Deutschland erleiden jährlich etwa 196.000 Menschen einen ersten Schlaganfall, und weitere 66.000 erleiden ein Rezidiv. Der Schlaganfall ist eine der häufigsten Todesursachen und die Hauptursache für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter. Dies führt nicht nur zu individuellen Einschränkungen, sondern auch zu erheblichen gesundheitsökonomischen Folgen.

Ebenso wie der Schlaganfall ist auch die Depression ein häufiges Krankheitsbild von hoher medizinischer und gesundheitsökonomischer Relevanz. Unabhängig von den sozialpsychiatrischen Konsequenzen ist die Depression auch ein Risikofaktor für körperliche Erkrankungen, einschließlich des Schlaganfalls selbst. Patienten mit Schlaganfall erleiden überproportional häufig eine Depression.

Epidemiologie der Post-Schlaganfall-Depression

Die PSD ist eine häufige und schwerwiegende Komplikation nach einem Schlaganfall. Einer Metaanalyse zufolge entwickeln etwa 31 % der Überlebenden irgendwann nach dem Schlaganfall eine depressive Störung. Die Häufigkeit scheint nach dem ersten Jahr leicht abzunehmen (25 %), aber auch nach fünf Jahren leiden noch 23 % der Schlaganfallpatienten unter einer PSD. Es gibt keinen Unterschied in der Häufigkeit der PSD zwischen ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen.

PSD als Prädiktor für ungünstiges Outcome

Unabhängig von demografischen Faktoren und der Schwere des Schlaganfalls ist die PSD mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Studien zeigen ein um 34 % erhöhtes Sterberisiko innerhalb von fünf Jahren, wenn drei Monate nach dem Schlaganfall eine PSD vorliegt. Die PSD kann auch die funktionelle Erholung beeinträchtigen, was zu einem höheren Grad an Behinderung nach fünf Jahren führt. Die Lebensqualität nach einem Schlaganfall wird durch das Vorliegen einer PSD erheblich beeinträchtigt, unabhängig von der Schwere der Behinderung. Darüber hinaus ist das Risiko für ein Schlaganfallrezidiv innerhalb von 12 Jahren bei Patienten mit PSD um 68 % erhöht.

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Risikomarker zur Vorhersage einer PSD

Die Identifizierung von Risikomarkern kann helfen, Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine PSD frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls prophylaktisch zu behandeln. Zu den wichtigsten Risikomarkern gehören die Schwere des Schlaganfalls und das Ausmaß der resultierenden funktionellen Behinderung. Patienten, die sich aufgrund eines neurologischen Defizits nicht selbstständig an- und auskleiden können, haben ein um 57 % erhöhtes Risiko, innerhalb von acht Wochen eine PSD zu entwickeln. Weitere etablierte Risikomarker sind Depressionen oder kognitive Beeinträchtigungen in der Vorgeschichte, soziale Deprivation, weibliches Geschlecht und eine hohe Last vaskulärer Risikofaktoren.

Ätiologie der Post-Schlaganfall-Depression

Die Pathomechanismen, die zur Entstehung einer PSD führen, sind komplex und noch nicht vollständig verstanden. Es besteht jedoch Konsens darüber, dass die Ätiologie multifaktoriell ist, ähnlich wie bei Depressionen bei Patienten ohne Schlaganfall. Neben psychosozialen Aspekten werden vor allem neurobiologische Störungen als unmittelbare Folge der Hirnschädigung diskutiert.

Theoretische Modelle zur neurobiologischen Genese der PSD

Die Theorie besagt, dass strukturelle Schäden an den aufsteigenden monoaminergen Systemen, die durch einen Schlaganfall verursacht werden, zu einer Verminderung der serotoninergen, dopaminergen und noradrenergen Neurotransmission führen. Insbesondere bei Beteiligung der limbischen bzw. frontalen und temporalen Hirnregionen kann dies zur Manifestation einer depressiven Störung führen. Studien haben gezeigt, dass Schlaganfallpatienten mit PSD eine verminderte Glutamatkonzentration im anterioren cingulären Kortex aufweisen, was auf eine pathophysiologische Rolle der Glutamat-Neurotransmission hindeutet. Es konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen der Lokalisation der Läsion und der Inzidenz einer PSD nachgewiesen werden.

Klinische Daten deuten auch auf eine Assoziation zwischen einer hypothalamisch-hypophysären Funktionsstörung infolge einer zerebralen Schädigung und dem Auftreten einer PSD hin. Eine erhöhte Cortisol-Konzentration nach einem Dexamethason-Suppressionstest ist mit einem 3,28-fachen Risiko für eine PSD verbunden.

Tierexperimentelle Daten legen nahe, dass es im Rahmen einer zerebralen Ischämie zu einer vermehrten Differenzierung von Stammzellen im Hippocampus und in der subependymalen Zone kommt. Diese können in Richtung der von der Ischämie betroffenen Hirnareale migrieren. Es ist jedoch unklar, inwieweit diese Stammzellen die Funktion zugrunde gegangener Neuronen übernehmen können. Die adulte Neurogenese scheint aber auch eine Rolle in der Prävention und der Rekonvaleszenz einer Depression zu spielen.

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Interessanterweise erwirkt eine pharmakotherapeutische Intervention mit Antidepressiva einen günstigen Effekt auf das Infarktvolumen, möglicherweise basierend auf einer Stimulation der adulten Neurogenese.

Neben den genannten Theorien werden auch einem Mangel an Wachstumsfaktor BDNF (Brain-derived neurotrophic factor), einer globalen Reduktion des zerebralen Blutflusses sowie einer Reduktion des Amygdala-Volumens eine Bedeutung in der Entstehung einer PSD zugesprochen.

Vaskuläre Depression

Die Hypothese zur vaskulären Depression besagt, dass Patienten mit spätem Beginn einer Depression häufiger chronische mikrovaskuläre Veränderungen in der zerebralen Bildgebung aufweisen als Patienten mit frühem Beginn. Chronische mikrovaskuläre Veränderungen, insbesondere unter Beteiligung der kortiko-striato-pallido-kortikalen Leitungsbahnen, könnten das Risiko einer Depression erhöhen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass chronische mikrovaskuläre Veränderungen generell mit dem Alter zunehmen, weswegen es sich auch um eine koinzidente Beobachtung handeln könnte.

Diagnostik der Post-Schlaganfall-Depression

Trotz Fortschritten in der Akutversorgung von Schlaganfallpatienten erfolgt in der klinischen Praxis selten ein systematisches Screening auf das Vorliegen einer PSD. Dies liegt zum Teil daran, dass die PSD erst seit wenigen Jahren als neue Entität wahrgenommen wird. Eine Erkennung wird zudem durch die erschwerte Abgrenzung von schlaganfallbezogenen Symptomen erschwert.

Grundsätzlich unterscheidet sich die Diagnosestellung der PSD nicht von einer nicht schlaganfallbezogenen Depression, wobei die operationalen Diagnosekriterien der internationalen Klassifikationssysteme ICD-10 bzw. DSM 5 herangezogen werden können. Da sich eine PSD bereits frühzeitig in der Akutphase eines Schlaganfalls manifestieren kann, ist die Einhaltung des Zeitkriteriums dieser Klassifikationen (d.h. Bestehen der Symptome über mindestens zwei Wochen) nicht sinnvoll.

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Neben einer strukturierten psychiatrischen Exploration werden auch psychometrische Beurteilungsskalen in der Diagnostik der PSD angewandt. Es herrscht jedoch Unklarheit, welcher der üblicherweise eingesetzten Selbst- bzw. Fremdbeurteilungsbögen auch Patienten mit einer PSD zuverlässig identifiziert. Metaanalysen haben gezeigt, dass die Center of Epidemiological Studies-Depression Scale (CES-D), Hamilton Depression Rating Scale (HDRS) und der Patient Health Questionnaire (PHQ-9) optimale prädiktive Werte aufweisen.

Behandlung der Post-Schlaganfall-Depression

Die Behandlung der PSD kann Psychotherapie, medikamentöse Ansätze oder eine Kombination aus beidem umfassen. Ein frühzeitiges Erkennen und eine umfassende Unterstützung sind entscheidend, um Betroffenen dabei zu helfen, die Niedergeschlagenheit zu überwinden und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Antidepressiva

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) werden häufig bei der Behandlung von Depressionen nach einem Schlaganfall eingesetzt. Sie haben ein günstiges Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil und werden daher bevorzugt eingesetzt. Daten aus kleineren Studien und einer Metaanalyse deuten zudem auf einen positiven Effekt dieser Substanzgruppe auf die neurologische bzw. funktionelle Rekonvaleszenz nach einem Schlaganfall hin, unabhängig von einer Depression. Klinische Studien prüfen diesen Effekt gegenwärtig an größeren Patientenpopulationen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Antidepressiva bei Menschen nach Schlaganfällen allgemein nicht so wirksam sind wie bei herkömmlichen Depressionen. Sie können auch unerwünschte Wirkungen haben und die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Daher wird empfohlen, sie nur mit Bedacht einzusetzen.

Eine antidepressive Therapie nach Schlaganfall sollte sorgfältig auf etwaige pharmakologische Interaktionen geprüft werden, da Patienten mit akutem Schlaganfall häufig an vaskulären und metabolischen Begleiterkrankungen leiden und zumeist bereits mit multiplen Arzneistoffen behandelt werden.

Fluoxetin

Das Antidepressivum Fluoxetin kann die Erholung von Schlaganfall-Patienten verbessern. Es verbessert die Beweglichkeit und Eigenständigkeit der Patienten. Studien haben gezeigt, dass Patienten, die Fluoxetin erhielten, nicht nur motorisch verbessert waren, sondern auch unabhängiger lebten.

Die positiven Effekte von Fluoxetin sind wahrscheinlich nicht allein auf seine antidepressive Wirkung zurückzuführen. Es kann auch die Entzündungsreaktion nach einer Durchblutungsstörung des Gehirns begrenzen und die Entstehung neuer Nervenzellen anregen. Dies könnte auch das Wiedererlernen durch den Schlaganfall verlorengegangener Hirnfunktionen positiv beeinflussen.

Psychotherapie

Eine Psychotherapie kann helfen, die psychischen Belastungen nach einem Schlaganfall zu bewältigen. Sie kann auch die Bereitschaft für eine intensive Physiotherapie erhöhen und somit die Rehabilitationsergebnisse verbessern.

Ein vertrauensvolles Gespräch, in dem verwirrende Gedanken, Sorgen oder Gefühle von Ratlosigkeit ausgesprochen werden, kann stets zur spontanen Entlastung beitragen. Ein Austausch im Kreise der Familie oder mit guten Freunden kann gleichermaßen ein tröstendes Gefühl vermitteln, nicht alleine zu sein.

Neuropsychologische Untersuchung

Infolge einer neurologischen Erkrankung können Aufmerksamkeit und Konzentration, Sprache und Gedächtnis beeinträchtigt bleiben. Auch die Fähigkeit zur emotionalen Kommunikation kann in Mitleidenschaft gezogen sein. In solchen Fällen kann eine neuropsychologische Untersuchung sinnvoll sein, um die kognitiven und emotionalen Folgen des Schlaganfalls zu beurteilen und eine individuelle Therapie zu planen.

Die Rolle von Sertralin

Sertralin ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), der häufig zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird. Es erhöht die Verfügbarkeit von Serotonin im Gehirn, was stimmungsaufhellend wirken kann. Obwohl Sertralin nicht speziell für die Behandlung der PSD zugelassen ist, wird es aufgrund seines günstigen Nebenwirkungsprofils häufig eingesetzt.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Wirksamkeit von Sertralin bei der Behandlung der PSD individuell unterschiedlich sein kann. Einige Patienten profitieren stark von der Einnahme von Sertralin, während andere möglicherweise keine oder nur geringe Verbesserungen feststellen. Es ist daher wichtig, die Behandlung eng mit dem behandelnden Arzt abzustimmen und die Wirkung von Sertralin sorgfältig zu überwachen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Post-Schlaganfall-Depression ist eine häufige und schwerwiegende Komplikation nach einem Schlaganfall. Sie ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität verbunden und kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der PSD ist daher von großer Bedeutung.

Die Behandlung der PSD kann Psychotherapie, medikamentöse Ansätze oder eine Kombination aus beidem umfassen. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Sertralin werden häufig eingesetzt, um die Stimmung zu verbessern und die funktionelle Erholung zu fördern. Es ist jedoch wichtig, die Behandlung individuell anzupassen und die Wirkung von Sertralin sorgfältig zu überwachen.

Die Forschung zur PSD ist noch nicht abgeschlossen. Zukünftige Studien sollten sich auf die Identifizierung von Risikomarkern, die Entwicklung neuer Therapieansätze und die Verbesserung der Lebensqualität von Schlaganfallpatienten mit Depressionen konzentrieren.

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