Die Alzheimer-Demenz stellt eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. Weltweit leben mehr als 50 Millionen Menschen mit dieser Diagnose, wobei allein in Deutschland etwa eine Million Menschen betroffen sind. Die Erkrankung, die durch Gedächtnisstörungen, Persönlichkeitsveränderungen und Pflegebedürftigkeit gekennzeichnet ist, stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für ihre Angehörigen eine enorme psychische und physische Belastung dar. Angesichts dieser Herausforderungen suchen Forscher intensiv nach neuen Wegen, um diese verheerende Krankheit zu behandeln und idealerweise zu verhindern.
Alzheimer-Demenz: Eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung
Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form der Demenz, die durch einen fortschreitenden Verlust von Gehirngewebe gekennzeichnet ist, der über das normale altersbedingte Maß hinausgeht. Dieser Verlust der Gehirnmasse führt zu Einschränkungen in kognitiven Funktionen wie Sprache, Orientierung und Gedächtnis, kann aber auch motorische Funktionsstörungen oder Persönlichkeitsveränderungen verursachen. Ursächlich für den Gehirnverlust ist das Absterben von Nervenzellen, wobei die Gründe hierfür je nach Demenzart unterschiedlich sind.
Pathologische Veränderungen bei Alzheimer
Bei der Alzheimer-Demenz spielen Proteinablagerungen eine zentrale Rolle beim Zelltod. Diese Ablagerungen treten in zwei Hauptformen auf:
- Extrazelluläre Amyloid-Plaques: Diese Plaques bestehen hauptsächlich aus β-Amyloid, einem neurotoxischen Protein, das schädliche Immunantworten im Gehirn stimuliert.
- Intrazelluläre Neurofibrilläre Tangles: Diese Tangles bestehen aus Tau-Proteinen, die normalerweise das Zellskelett stabilisieren. Bei Alzheimer verklumpen diese Proteine jedoch und stören die Transportprozesse innerhalb der Zelle, was langfristig zum Absterben der Neurone führt.
Charakteristisch für die Alzheimer-Demenz ist auch ein Untergang der cholinergen Nervenzellen im Temporallappen des Gehirns. Diese Nervenzellen, die Acetylcholin als Neurotransmitter freisetzen, sind eng mit Gedächtnisfunktionen verbunden, was die typischen Symptome der AD erklärt.
Diagnosestellung
Die sicherste Methode zur Diagnosestellung ist der mikroskopische Nachweis von senilen Plaques und neurofibrillären Tangles in einem Gehirngewebestück. Diese Charakteristika können jedoch auch in der Gehirnflüssigkeit nachgewiesen werden. Im klinischen Alltag reicht für eine Diagnose meist aus, wenn die betroffene Person die typischen Symptome aufweist und in der Magnetresonanztomografie (MRT) eine Abnahme des Gehirnvolumens darstellbar ist.
Lesen Sie auch: MS-Medikamente im Detail erklärt
Klassische Alzheimer-Therapien und ihre Grenzen
Alle bisherigen Alzheimer-Therapien wirken nur symptomatisch. Das heißt, sie mindern zwar die Beschwerden, den Krankheitsprozess können sie jedoch weder verhindern, noch aufhalten. Üblicherweise werden in der Alzheimer-Behandlung Medikamente zur Erhöhung der Acetylcholin-Konzentration eingesetzt. Diese wirken den Gedächtnisproblemen entgegen, indem sie versuchen, den Acetylcholinmangel, der durch den Nervenzelluntergang entsteht, auszugleichen. Zudem gelten die allgemeinen therapeutischen Maßnahmen, wie sie bei allen Demenzen angewendet werden. Diese umfassen unter anderem psychologisch auto-biografisches Arbeiten, kognitives Training (Gehirnjogging) oder Ergotherapie.
Sildenafil: Ein Hoffnungsschimmer in der Alzheimer-Forschung?
Eine aktuelle Studie unter der Leitung der Cleveland Clinic hat nun das Potenzial von Sildenafil, dem Wirkstoff von Viagra®, in den Fokus der Alzheimer-Forschung gerückt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Sildenafil das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, um bis zu 70 Prozent reduzieren könnte.
Wie Sildenafil wirken könnte
Sildenafil ist ursprünglich als Medikament zur Behandlung von Erektionsstörungen entwickelt worden. Es wirkt, indem es die Blutgefäße erweitert und so die Durchblutung des Penis verbessert. Interessanterweise scheint Sildenafil aber auch Auswirkungen auf das Gehirn zu haben.
Die Forscher der Cleveland Clinic suchten nach Medikamenten, die sowohl die Amyloid-Plaques als auch die Tau-Tangles beeinflussen, die für die Alzheimer-Demenz charakteristisch sind. Nachdem sie mehr als 1.600 bereits von der FDA zugelassene Medikamente gesichtet hatten, identifizierten sie Sildenafil als potenziellen Kandidaten.
Epidemiologische Evidenz
Um die Auswirkungen von Sildenafil auf den Verlauf der Alzheimer-Krankheit zu bewerten, analysierten die Forscher Versicherungsdaten von mehr als sieben Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten. Nach einer Nachbeobachtungszeit von sechs Jahren stellten sie fest, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Sildenafil-Anwender an Alzheimer erkrankten, um 69 Prozent geringer war als bei Nicht-Anwendern.
Lesen Sie auch: Cortison-Therapie bei Epilepsie im Detail
Wirkungsweise im Detail
Um die Wirkungsweise von Sildenafil im Detail zu untersuchen, arbeiteten die Forscher mit Gehirnzellen, die sie aus den Stammzellen von Alzheimer-Patienten gewonnen hatten. Es wird vermutet, dass Sildenafil den Abbau einer Substanz im Gehirn verhindert, die an der Steuerung der inneren Uhr beteiligt ist. Darüber hinaus könnte Sildenafil den Blutfluss im Gehirn erhöhen und vermehrt Glukose ins Hirn schleusen, was die Gedächtnisleistung verbessern könnte.
Einschränkungen und Ausblick
Es ist wichtig zu betonen, dass die Wirksamkeit von Sildenafil zur Vorbeugung von Alzheimer noch nicht erwiesen ist. Weitere klinische Studien sind erforderlich, um das Potenzial des Medikaments zu bestätigen. Dennoch sind die bisherigen Ergebnisse vielversprechend und könnten einen neuen Ansatz für die Alzheimer-Forschung eröffnen.
Weitere potenzielle Anwendungen von Sildenafil
Neben seiner potenziellen Wirkung bei Alzheimer wird Sildenafil auch für andere medizinische Anwendungen untersucht:
- Jetlag: Studien haben gezeigt, dass Sildenafil die Anpassung des Körpers an einen veränderten Tag-Nacht-Rhythmus erleichtern kann.
- Diabetes: Sildenafil könnte eine kurzfristig positive Wirkung bei Männern mit Diabetes Typ-2 haben.
- Unfruchtbarkeit bei Frauen: Sildenafil kann die Durchblutung der Gebärmutter verbessern und so die Einnistung befruchteter Eizellen erleichtern.
- Wachstumsverzögerung bei Föten: Sildenafil kann die Durchblutung der Gebärmutter und Plazenta verbessern und so das Wachstum des Fötus fördern.
Risiken und Nebenwirkungen von Sildenafil
Wie jedes Medikament kann auch Sildenafil Nebenwirkungen haben. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, Gesichtsrötung und Verdauungsbeschwerden. In seltenen Fällen kann es zu schwerwiegenderen Nebenwirkungen wie Sehverlust oder Hörschäden kommen.
Sildenafil kann auch mit anderen Medikamenten interagieren, insbesondere mit Blutdrucksenkern. Die Kombination mit nitrathaltigen Medikamenten kann zu einem starken Blutdruckabfall führen und ist kontraindiziert.
Lesen Sie auch: Präventive Maßnahmen gegen Demenz
tags: #sildenafil #alzheimer #wirkungsweise