Es ist schmerzhaft, wenn ein demenzkranker Angehöriger aggressive Beschuldigungen äußert, wie zum Beispiel: „Du hast mich bestohlen!“ In solchen Momenten ist es wichtig, das Verhalten nicht persönlich zu nehmen und zu verstehen, dass es Teil der Krankheit ist. Dieser Artikel gibt Einblicke in den Umgang mit solchen Situationen und bietet Strategien für pflegende Angehörige.
Beschuldigungen in den verschiedenen Phasen der Demenz
Beschuldigungen können in allen Phasen der Demenz auftreten, wobei Ausmaß und Häufigkeit von der Persönlichkeit des Betroffenen abhängen.
Frühe Phase: In der frühen Phase sind Beschuldigungen seltener. Symptome wie Gedächtnisprobleme und Verwirrung sind zwar vorhanden, Verhalten und Alltagskompetenz sind jedoch relativ stabil. Betroffene sind sich ihrer Defizite oft bewusst und führen Fehler auf ihr eigenes Unvermögen zurück, was zu Rückzug und depressiven Verstimmungen führen kann. Bei der Lewy-Body-Demenz können in dieser Phase bereits Halluzinationen auftreten.
Mittlere Phase: In dieser Phase verschlechtert sich das Gedächtnis gravierend. Die Betroffenen erleben sich jedoch oft als geistig gesund und bewerten die Realität anders. Wenn sie Situationen nicht einordnen können, sind sie überzeugt, dass andere Menschen, möglicherweise die pflegenden Angehörigen, die Ursache sind.
Späte Phase: Beschuldigungen sind auch in der späten Phase vorhanden und können sogar häufiger auftreten. Die kognitiven Funktionen sind stark beeinträchtigt und die Wahrnehmung der Realität ist stark verzerrt.
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Arten von Beschuldigungen
Demenzkranke können verschiedene Arten von Beschuldigungen äußern:
- Diebstahl: Betroffene glauben, dass ihnen Geld oder Gegenstände gestohlen wurden, obwohl dies nicht der Fall ist.
- Verschwörungstheorien: Sie entwickeln komplexe Verschwörungstheorien und glauben, dass Angehörige oder Pflegekräfte in geheime Machenschaften verwickelt sind, oft mit dem Glauben, ins Heim gesteckt zu werden.
- Falsche Identität: Wenn Menschen mit Demenz Familienmitglieder nicht erkennen, glauben sie möglicherweise, von Fremden umgeben zu sein.
Beispiel aus dem Alltag
Eine Tochter, deren Mutter in der mittleren Demenzphase allein lebte, erhielt oft Vorwürfe. Einmal kaufte die Mutter ein Kleidungsstück und konnte sich später nicht daran erinnern. Sie beschuldigte die Tochter, ihr solche Blusen in den Schrank zu hängen. Die Tochter versuchte, sich die Beschuldigungen zu erklären: Die Mutter hatte ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis. Wenn sie beispielsweise einen Arzttermin im Kalender sah, suchte sie ihre Krankenkarte, legte alle Wertsachen auf das Bett, wurde unterbrochen (z. B. durch die Postfrau oder eine Nachbarin) und konnte sich später nicht mehr daran erinnern, dass sie die Sachen selbst herausgelegt hatte. Sie schloss daraus, dass jemand in ihrer Wohnung gewesen sein musste.
Umgang mit Beschuldigungen
Es ist wichtig zu verstehen, dass Beschuldigungen Teil der Krankheit sind und kein böser Wille dahintersteckt. Dennoch ist es nicht immer einfach, damit umzugehen.
Warum es schwerfällt, Beschuldigungen nicht persönlich zu nehmen:
- Vorgeschichte: Es gibt eine gemeinsame Vorgeschichte mit dem Betroffenen, die alte Gefühle triggern kann.
- Veränderung: Der Angehörige wird als kluger, rationaler Mensch wahrgenommen, jetzt aber irrationalen Beschuldigungen ausgesetzt.
- Beziehungsbelastung: Die Beschuldigungen belasten die Beziehung zwischen dem Pflegenden und dem Demenzkranken.
- Schuldgefühle: Schuldgefühle können sich mit Ärger vermischen, besonders wenn der Demenzkranke früher für den Pflegenden gesorgt hat.
- Kontrollverlust: Es entsteht das Gefühl, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, was zu Überforderung führen kann.
Strategien für pflegende Angehörige
- Selbstfürsorge: Nehmen Sie sich Zeit und Raum für die eigene Gesundheit, ohne schlechtes Gewissen. Machen Sie sich bewusst, wie viele Aufgaben Sie gleichzeitig bewältigen, und überlegen Sie, welche Aktivitäten Sie reduziert oder aufgegeben haben, obwohl sie Ihnen Freude bereiten.
- Gesprächstechniken: Lernen Sie Gesprächstechniken und Methoden, um mit herausforderndem Verhalten umzugehen. Es ist in Ordnung, Grenzen zu setzen, auch wenn der Angehörige die Grenzen nicht mehr versteht. Eine Möglichkeit ist, den Raum zu verlassen, um sich selbst zu schützen und dem Angehörigen zu signalisieren, dass er zu weit gegangen ist.
- Verbündete suchen: Schließen Sie sich mit anderen Menschen in einer ähnlichen Situation zusammen, z. B. in Selbsthilfegruppen oder durch den Austausch mit anderen pflegenden Angehörigen.
- Professionelle Hilfe: Holen Sie sich professionelle Hilfe von ambulanten Pflegediensten oder Beratungsstellen. Beantragen Sie einen Pflegegrad, um finanzielle Unterstützung zu erhalten.
- Keine Konfrontation: Vermeiden Sie Konfrontationen und „Warum“-Fragen, da Menschen mit Demenz ihre Handlungen oft nicht mehr begründen können.
- Überforderung vermeiden: Stellen Sie einfache Fragen, um Verunsicherung zu vermeiden.
- Orientierungshilfen: Schaffen Sie Orientierungshilfen im häuslichen Umfeld, z. B. feste Plätze für Gegenstände und Kalender mit dem aktuellen Datum.
- Gedächtnistraining und Bewegung: Fördern Sie Gedächtnistraining und Bewegung, um vorhandene Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten.
- Gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung, da sich der Geschmackssinn verändern kann.
- Geduld: Bleiben Sie geduldig und versuchen Sie, die Situation zu beruhigen, ohne sich in Diskussionen zu verwickeln.
Umgang mit typischen Verhaltensweisen
Menschen mit Demenz zeigen oft typische Verhaltensweisen, die für Angehörige anstrengend sein können:
- Wiederholtes Fragen: Betroffene stellen immer wieder dieselben Fragen, weil sie vergessen, dass sie die Frage bereits gestellt haben. Es kann auch ein Zeichen von Angst oder Unsicherheit sein.
- Bewegungsdrang: Viele Menschen mit Demenz zeigen einen ausgeprägten Bewegungsdrang, gepaart mit starker Unruhe. Gehen stärkt ihr Selbstwert- und Körpergefühl und gibt ihnen eine gewisse Entscheidungsfreiheit.
- Falsche Beschuldigungen: Die eingeschränkte Fähigkeit, Situationen richtig zu deuten, führt oft zu falschen Beschuldigungen, z. B. des Diebstahls.
- Leben in der Vergangenheit: Mit dem Fortschreiten der Demenz leben die Betroffenen oft in der Vergangenheit, was ihnen Halt und Sicherheit gibt.
- Aggressives Verhalten: Auslöser für Wutausbrüche und aggressives Verhalten sind oft die erschwerten Lebensbedingungen und die daraus resultierende Angst.
Offenheit und Ehrlichkeit
Es ist wichtig, sich selbst einzugestehen, dass der Angehörige krank ist. Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit können zunächst Schamgefühle auslösen. Es kann hilfreich sein, eine vorgefertigte Karte mit einer Erklärung zu zeigen, wenn man sich unverständlichen Blicken ausgesetzt fühlt.
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Bei beginnender Demenz stellt sich die Frage, was der Betroffene selbst wissen sollte. Ein gemeinsamer Besuch beim Hausarzt kann ein erster Schritt sein, um eine Diagnose zu erhalten. Die Diagnose kann zunächst ein Schock sein, aber auch Erleichterung bringen.
Kommunikation und Validation
Mit der Zeit fällt es Menschen mit Demenz schwerer, Gesprächen zu folgen. Die Methode der Validation kann helfen, mit erkrankten Menschen in Kontakt zu bleiben. Validation bedeutet, den Menschen dort abzuholen, wo er sich in seiner Wahrnehmung befindet - nicht mit Fakten, sondern mit Verständnis.
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