Spermidin und Parkinson-Studien: Ein umfassender Überblick

Spermidin, ein natürlich vorkommendes Polyamin, rückt zunehmend in den Fokus der Forschung im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage zu Spermidin, seine Wirkungsweise und potenzielle Auswirkungen auf die Prävention und Behandlung von Parkinson.

Was ist Spermidin?

Spermidin ist ein Stoff, der sowohl in der Nahrung vorkommt als auch vom Körper selbst produziert wird. Die körpereigene Produktion findet in den Zellen statt, wird aber auch von manchen Darmbakterien übernommen. Mit zunehmendem Alter lässt die körpereigene Spermidinproduktion nach. Gute Spermidin-Quellen in der Nahrung sind beispielsweise Weizenkeime, Sojabohnen und gereifter Käse. Es genügten „beispielsweise zwei Portionen Vollkornbrot, zweimal Salat und ein Apfel auf dem täglichen Speiseplan“, um ins obere Drittel der Spermidineinnahme zu gelangen, so ein Bericht der Medizinischen Universität Innsbruck.

Spermidin in Lebensmitteln

Eine spermidinreiche Ernährung kann durch den Konsum verschiedener Lebensmittel erreicht werden. Hier eine Auswahl:

  • Weizenkeime: Gelten als besonders reich an Spermidin. Achtung: Weizenkeime gelten als sehr lektinreich. Lektine sind Pflanzenstoffe, die von manchen Autoren als darmschädlich bezeichnet werden. Beim Kochen oder Backen werden die Lektine jedoch offenbar deaktiviert (9). Wenn Sie Weizenkeime roh verspeisen möchten (im Müsli o. ä.), dann können Sie zu fermentierten Weizenkeimen greifen, da die Fermentation nicht nur die Lektine abbaut bzw. Weichen Sie die Weizenkeime vor dem Verzehr am besten einige Stunden lang ein, was die Verträglichkeit und Verdaulichkeit verbessert.
  • Vollkornprodukte: Tragen zur täglichen Spermidinaufnahme bei.
  • Sojabohnen: Sind eine weitere gute Quelle für Spermidin.
  • Gereifter Käse: Enthält ebenfalls nennenswerte Mengen des Polyamins.
  • Chlorella und Spirulina: Manche Hersteller geben den Spermidingehalt ihrer Produkte an.

Die Rolle der Autophagie

Spermidin kann die Autophagie anregen, den Selbstreinigungsprozess der Zelle. Bei der Autophagie werden fehlerhafte oder nicht mehr benötigte Zellbestandteile abgebaut und verwertet. Die Autophagie führt zu einem regelmäßigen Abbau von Ablagerungen im Gehirn und verhindert so die Alterung der Synapsen. Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen.

Spermidin und Neurodegenerative Erkrankungen

Alzheimer

Bei der Alzheimer-Krankheit sind meist zunächst die Synapsen betroffen. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen bricht stellenweise ab. Die Wirkung von Spermidin erklären sich die Neurowissenschaftler dadurch, dass der Stoff Autophagie-Prozesse steigert. Dies sind Vorgänge in Körperzellen, die den Müll der Zelle beseitigen. Beispiele für solchen Zellmüll sind die Eiweißstoffe Amyloid beta oder das tau-Protein. Beide fördern Demenz. Amyloid beta weil es zwischen den Nervenzellen verklumpt und das tau Protein weil es sich in den Zellen ansammelt. So können Informationen von einer Nervenzelle auf die nächste schlechter überspringen. Durch das Ankurbeln der Autophagie-Prozesse verhindert Spermidin dieses Verklumpen.

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Altersforscher haben Inhaltsstoffe in der Nahrung identifiziert, die Selbstreinigungsprozesse in den Gehirnzellen ankurbeln und vor Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson schützen könnten. Insbesondere das in Weizenkeimen enthaltene Spermidin scheint sich positiv auf die Gehirnfunktion auszuwirken.

Parkinson

Obwohl die bereitgestellten Informationen den direkten Zusammenhang zwischen Spermidin und Parkinson nicht detailliert beschreiben, lässt sich aus den allgemeinen Aussagen über neurodegenerative Erkrankungen und Autophagie ableiten, dass Spermidin auch hier eine Rolle spielen könnte. Eiweißablagerungen im Gehirn liegen fast allen neurodegenerativen Erkrankungen zugrunde, so auch Alzheimer und Parkinson. Ein Ankurbeln dieser Selbstreinigungsprozesse, so die Überlegung der Forscher, könnte diesen Erkrankungen vorbeugen. Mikroskopische Fluoreszenz-Aufnahme eines Drosophila-Gehirns von gealterten Fliegen, welche an Morbus Parkinson leiden. Es sind sowohl synaptische Verbindungen zwischen den Nervenzellen (grün) als auch die krankheitsauslösenden Proteine selbst (rot) dargestellt.

Studienergebnisse

  • SmartAge Trial: In einer 12-monatigen placebokontrollierten Doppelblindstudie (The SmartAge Trial), deren Ergebnisse 2022 veröffentlicht wurden, erhielten 100 ältere Teilnehmer (Durchschnittsalter 69 Jahre) täglich 0,9 mg Spermidin (aus Weizenkeimen gewonnen) oder ein Placebopräparat.
  • Studie der Charité Berlin: Eine Untersuchung an der Berliner Charité zeigte, dass das menschlichen Gehirn positiv auf Spermidin zu reagieren scheint. Die Ergebnisse seien laut Studienleiterin Agnes Flöel vielversprechend. "Wir konnten zeigen, dass sich Gedächtnisleistungen bereits nach dreimonatiger Einnahme tendenziell verbessern, bei sehr guter Verträglichkeit der Kapseln."
  • Studie der Freien Universität, der Georg-August-Universität Göttingen und der Karl-Franzens-Universität Graz: Gedächtnisdefizite im Alter können einer deutsch-österreichischen Studie zufolge unter Umständen durch die Einnahme des Polyamin-Moleküls Spermidin gemindert oder behoben werden. Diese natürliche Substanz könne bewirken, dass Synapsen im Gehirn ihre Fähigkeit auch im Alter beibehielten, Nervenzellen zu verbinden, fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus.

Weitere gesundheitliche Aspekte von Spermidin

  • Lebensverlängerung: Die Nahrungsergänzung mit dem Polyamin verlängert die Lebenserwartung von Mäusen, offenbar u. a. durch die Anregung der Autophagie.
  • Herzgesundheit: Spermidin schützt die Herzzellen vor Alterungsprozessen, da die verbesserte Autophagie die Herzzellen sauber und jung hält. Bei Ratten zeigte sich in einer Studie von 2019, dass der Stoff die Schwere eines Herzinfarktes abmildern konnte.
  • Diabetes: Spermidin könnte vor Diabetes Typ 2 schützen, denn es hilft dabei, den Untergang der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse zu verhindern.
  • Virale Infektionen: Das Polyamin verfügt auch über anti-virale Eigenschaften. Das Berliner Forscherteam stellte dabei fest, dass SARS-CoV-2 den Spiegel des Polyamins senkt.

Spermidin als Kalorienreduktions-Mimetikum

Spermidin ist ein Kalorienreduktions-Mimetikon. "Der Körper produziert sie beim Abnehmen, man kann sie aber auch mit der Nahrung aufnehmen", erklärt Agnes Flöel. Das täuscht dem Körper vor, er würde fasten. Dieser Kniff soll das Altern verlangsamen. Stoffe mit ähnlichem Effekt finden sich in Trauben, also auch im Rotwein, und im Grünen Tee.

Kritik und Einschränkungen

Es ist wichtig zu beachten, dass einige Studien auch zeigen, dass erhöhte Spermidin-Blutspiegel ein Indikator für eine fortgeschrittene Hirnalterung sein könnten. Eine Studie der Freien Universität, der Georg-August-Universität Göttingen und der Karl-Franzens-Universität Graz zeigte, dass erhöhte Spermidin-Blutspiegel mit einer fortgeschrittenen Hirnalterung bei allen vier Markern verbunden waren. Dies bedeutet, dass Spermidin eine Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen, wie der Alzheimer-Demenz, spielen könnte.

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