Sport und Demenz: Ein Überblick über Studien und Erkenntnisse

Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt weltweit rasant an. Derzeit sind über 46 Millionen Menschen betroffen, und bis 2030 wird diese Zahl auf 74 Millionen ansteigen. Demenz ist eine Folge von Erkrankungen des Gehirns, die zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen wie Gedächtnis, Orientierung und Denkvermögen führt. Auch Persönlichkeitsveränderungen, psychische Labilität, Wut und Aggressionen können auftreten. Dies stellt eine erhebliche Belastung für die Betroffenen und ihre Angehörigen dar. Im Endstadium der Erkrankung ist ein selbstständiges Leben nicht mehr möglich, und eine umfassende Betreuung ist erforderlich. Im Gegensatz zu vielen anderen schweren Erkrankungen ist Demenz derzeit nicht heilbar, und es gibt keine wirksamen Medikamente zur Prävention.

Prävention durch Bewegung: Empfehlungen der WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt regelmäßige körperliche Aktivität, um der Entstehung einer Demenz vorzubeugen. Studien haben gezeigt, dass Bewegung die kognitiven Funktionen verbessern und die Lebensqualität steigern kann.

DenkSport-Studie: Motivation und persönliche Erfahrungen

Die DenkSport-Studie hat gezeigt, dass regelmäßiges Training die kognitive Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität signifikant verbessern kann. Für viele Teilnehmer war das Projekt eine Motivation, wieder mit dem Sport zu beginnen. In Zusammenarbeit mit dem StoryAtelier Köln wurden eindrückliche Videos erstellt, in denen Teilnehmer über ihre persönlichen Sportbiografien und Erfahrungen mit dem Projekt berichten.

Einige Beispiele aus der DenkSport-Studie:

  • Renata: Singt leidenschaftlich gern im Chor, aber ihre Merkfähigkeit ist nach einer Krankheit stark eingeschränkt. Durch den Sport entdeckt sie eine neue Leidenschaft.
  • Hilmar: Findet heraus, dass Denksport mehr ist, als er sich vorgestellt hat, und erkennt den Wert der Anstrengung.
  • Ali: Nimmt am DenkSport-Projekt teil, nachdem er von seinem Demenzrisiko erfährt, und erinnert sich an eine besondere Zeit in seinem Leben.
  • Günther: Blickt mit Humor auf seine Aufnahmeprüfung an der Deutschen Sporthochschule Köln im Jahr 1967 zurück und tritt nun wieder auf derselben Tartanbahn zum Schwitzen an.
  • Christel: Ändert ihre Haltung zum Sport komplett, nachdem sie am DenkSport-Programm teilgenommen hat.

Risikofaktoren und Prävention

Verschiedene Risikofaktoren können die Entwicklung einer Demenz begünstigen, darunter höheres Alter, weibliches Geschlecht, Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas, Nikotinkonsum, niedriges Bildungsniveau, Depressionen und mangelnde körperliche Aktivität. Epidemiologische Studien haben ergeben, dass veränderliche Faktoren wie körperliche Inaktivität für etwa 30 % der Alzheimer-Erkrankungen in Deutschland verantwortlich sind, was über 300.000 Fällen entspricht. Körperliche Inaktivität stellt dabei das höchste Risiko dar (Luck & Riedel-Heller, 2016).

Lesen Sie auch: Wadenkrämpfe und die Schmerzen danach

Kognitive Reserve: Die Rolle der körperlichen Aktivität

Die kognitive Reserve bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, altersbedingte oder pathologische kognitive Verschlechterungen abzumildern. Dies wird durch eine verstärkte Aktivität noch funktionsfähiger Neuronen in der Nähe geschädigter Gebiete ermöglicht. Körperliche Aktivität trägt dazu bei, die neuronale strukturelle Integrität zu erhalten und ist somit für die Gehirnfunktion von großer Bedeutung. Allerdings sind etwa 50 % der Menschen in Deutschland körperlich inaktiv (Völzke et al., Dt. Ärzteblatt).

Sport als Therapie bei Demenz

Auch wenn bereits eine Demenz besteht, kann Sport die kognitiven Funktionen verbessern. Studien haben gezeigt, dass körperliche Aktivität positive Auswirkungen auf die kognitiven Funktionen, psychologische Faktoren, Alltagsaktivitäten und körperliche Parameter hat (Lee et al.). Es gibt keine spezifische "beste" Sportart für Menschen mit Demenz. Wichtig ist, dass die gewählte Aktivität individuell angepasst ist und Freude bereitet. Walking wird häufig empfohlen, da es leicht durchführbar ist und ein geringes Verletzungsrisiko birgt. Aktivere Sportarten oder eine Kombination verschiedener Trainingsformen können jedoch noch größere Effekte erzielen.

Eine Harvard-Langzeitstudie deutet darauf hin, dass bereits wenig Bewegung, wie beispielsweise ein Spaziergang von 3.000 Schritten pro Tag, das Fortschreiten von Alzheimer um bis zu drei Jahre verzögern kann.

Sportangebote für Menschen mit Demenz

In Deutschland leben rund 1,6 Millionen Menschen mit Demenz, und die Zahl wird voraussichtlich auf über drei Millionen im Jahr 2050 steigen. Regelmäßige Bewegung und Sportangebote können Menschen mit Demenz helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen und am sozialen Leben teilzunehmen. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bietet in Kooperation mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft jährlich Online-Seminare zum Thema "Umgang mit Demenz im Sport" an. Viele Sportvereine in Deutschland bieten bereits Bewegungsgruppen für Menschen mit Demenz an.

Körperliche Aktivität als Therapie: Spezifische Aspekte

Menschen mit Demenz sind oft mit den Belastungen des allgemeinen Alterns konfrontiert, wie z. B. reduzierter Ausdauer, Verlust von Muskelmasse, eingeschränkter Koordination und arthrotischen Veränderungen. Die Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit führt zu einem Verlust an Alltagsfähigkeiten, Gangunsicherheit, Verlangsamung der Reaktionsfähigkeit und einem erhöhten Sturzrisiko.

Lesen Sie auch: Demenz und Bewegung

Studien haben gezeigt, dass Menschen mit Demenz von körperlichem Training profitieren können. Ein speziell auf Demenzerkrankte abgestimmtes Trainingsprogramm kann die Kraftleistungsfähigkeit deutlich steigern und auch die kognitive Leistungsfähigkeit verbessern (Schwenk et al.).

Gleichgewicht, Kräftigung und Multitasking

In der Bewegungstherapie für Menschen mit Demenz sind Gleichgewichts- und Balancetraining, Kräftigungstraining und Multitaskingaufgaben wichtige Elemente.

  • Gleichgewichtstraining: Übungen zum Stehen mit unterschiedlicher Unterstützung, um die Stabilität zu verbessern.
  • Kräftigungstraining: Übungen, die an Alltagsbewegungen angelehnt sind und mit einer höheren Trainingsintensität durchgeführt werden.
  • Multitasking: Aufgaben, bei denen während einer sportlichen Bewegung gleichzeitig eine Rechenaufgabe gelöst oder das Gegenteil zu vorgegebenen Worten gefunden werden muss.

Methodische Aspekte der Sport- und Bewegungstherapie

Bei der Sport- und Bewegungstherapie für Menschen mit Demenz sind bestimmte methodische Aspekte zu beachten:

  • Langsame, deutliche Vermittlung und ein geduldiges Vorgehen.
  • Kurze, klare Anweisungen, ggf. mit Bildern.
  • Visuelle Fokussierung durch deutliche Bewegungsdemonstrationen.
  • Taktile und rhythmische Hilfen.
  • Gewohnte Räumlichkeiten, ein fester Organisationsablauf und kleine Gruppengrößen mit der Möglichkeit zur Individualisierung.
  • Integration von Emotionen, um Freude und Aufmerksamkeit zu wecken.
  • Sozialer Rahmen, um Gefühle zu wecken und zu verbinden.
  • Einsatz von Musik, um Erinnerungen hervorzurufen und Bewegung auszulösen.

Bewegungstherapie und Gehirnleistung: Neuroplastizität

Das Gehirn ist ein anpassungsfähiges Organ, und Sport- und Bewegungstherapie kann diese Anpassungsprozesse stimulieren. Die neurobiologischen Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und zerebraler Leistungsfähigkeit beruhen auf verschiedenen Faktoren:

  • Durchblutungssteigerung: Körperliche Aktivität erhöht die Durchblutung des Gehirns, was den Stoffwechsel ankurbelt.
  • Sinne schärfen: Körperliche Aktivität fordert die Sinne heraus und entwickelt die dazugehörigen Gehirnbereiche.
  • Synapsenverbindungen: Koordinativ komplexe Bewegungen fördern die Vernetzung der Gehirnzellen und die Verbindungen zu Motivations-, Aufmerksamkeits- und Emotionszentren.
  • Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese): Körperliche Aktivität kann die Neubildung von Neuronen im Hippocampus fördern.
  • Neurotransmitter steigen: Körperliche Aktivität erhöht die Konzentration von Neurotransmittern wie BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factors), die die Übertragungseffektivität der Synapsen steigern.

Empfehlungen für mehr Bewegung im Alltag

Neben gezieltem Sport ist auch Bewegung im Alltag wichtig, um Körper und Geist fit zu halten:

Lesen Sie auch: Nervensystem am Limit: Symptome und Behandlung

  • Kurze Strecken zu Fuß gehen oder das Rad nehmen.
  • Treppen statt Aufzug nehmen.
  • Freizeit aktiv gestalten, z. B. mit Spaziergängen, Gartenarbeit oder anderen Aktivitäten im Freien.

Fazit

Körperliche Aktivität ist eine wichtige Maßnahme zur Vorbeugung und Behandlung von Demenz. Sie kann die kognitiven Funktionen verbessern, die Lebensqualität steigern und den Krankheitsverlauf verlangsamen. Es gibt keine "beste" Sportart, wichtig ist, dass die gewählte Aktivität Freude bereitet und regelmäßig ausgeübt wird. Auch kleine Veränderungen im Alltag, wie z. B. mehr Bewegung, können einen positiven Effekt haben.

Obwohl die Pharmaindustrie intensiv an Medikamenten forscht, ist körperliche Bewegung derzeit die beste Medizin und die erfolgreichste Maßnahme, um dem Eintritt der Erkrankung vorzubeugen bzw. ihren Verlauf zu verlangsamen.

tags: #sport #demenz #studien #überblick