Sport und Gehirn: Neurowissenschaftliche Erkenntnisse für ein leistungsfähiges Denkorgan

Sport macht gute Laune und sorgt für einen freien Kopf. Zahlreiche Studien haben in den vergangenen Jahren bestätigt, dass Sport positive Auswirkungen auf Stimmung und geistige Leistungsfähigkeit hat. Doch wie wirkt sich die Bewegung tatsächlich auf das Gehirn aus? Dieser Frage widmen sich Bewegungs-Neurowissenschaftler wie Stefan Schneider von der Deutschen Sporthochschule Köln, die mittels EEG-Messungen erforschen, was dabei im Gehirn passiert.

Die positiven Effekte von Sport auf das Gehirn

Sport kann offenbar Cortex-Bereiche, die für kognitive Vorgänge zuständig sind, entlasten. So unterzogen beispielsweise Ulmer Neurowissenschaftler junge Erwachsene einem mehrwöchigen Ausdauer-Lauftraining. Das Ergebnis: Verbesserungen im visuell-räumlichen Gedächtnis, bei der Konzentrationsfähigkeit und der Stimmung. Die Forscher betitelten ihre Studie treffend: „Laufen macht schlau“. Auch die Langzeituntersuchung „Bewegtes Alter“ an der Jacobs University Bremen ergab, dass regelmäßiger Sport die Leistungsfähigkeit des Gehirns von Senioren deutlich steigern kann.

Weitgehend Konsens herrscht auch darüber, dass Sport bei der Behandlung von Depressionen hilft. Die kognitiv leistungsfördernde Wirkung körperlichen Trainings wurde zudem durch eine Meta-Analyse im Jahr 2010 bestätigt, die knapp 30 zuvor veröffentlichte Einzelstudien zur Wirkung von Ausdauertraining in der Zusammenschau auswertete.

Individuelle Faktoren spielen eine Rolle

Welche Art und Intensität von Bewegung dafür nötig sind, hängt aber vermutlich von individuellen Faktoren ab, wie Stefan Schneider vermutet. Er will herausfinden, warum und wie Sport sich neuronal auswirkt. Methodisch ist das nicht einfach, da Kernspintomografen, die bunte Bilder vom Gehirn liefern, nur im Ruhezustand eingesetzt werden können. Schneider setzt daher vor allem auf EEG-Messungen, welche die elektrische Aktivität im Gehirn durch Elektroden auf der Kopfhaut aufzeichnen. Die EEG-Kappe liefert Daten auch im Laufschritt.

EEG-Messungen zeigen Entlastung des präfrontalen Cortex

Bei Joggern zeigen die EEG-Bilder, dass die Intensität der Beta-Wellen des EEG in bestimmten Bereichen des präfrontalen Cortex nach dem Sport signifikant verringert ist - die geistige Aktivität in diesem Bereich also reduziert ist. Dies passt zu Theorien, die davon ausgehen, dass Anstrengung das Aktivitätszentrum im Cortex verschiebt: Statt für kognitive und emotionale Prozesse werden die Ressourcen demnach zunehmend in Regionen gebraucht, die etwa für Muskulatur, Atmung und Körperwahrnehmung zuständig sind.

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Schneider verweist zudem auf den Flow-Zustand, der mit der Absenkung der Aktivität im präfrontalen Cortex verwandt sei. Der beschriebene Entlastungseffekt stellte sich in dem Versuch allerdings nur beim Laufen ein - und auch nur, wenn sich die Probanden relativ stark verausgabten. Langsameres Laufen sowie die anderen Sportarten bewirkten nichts dergleichen. Schneider sieht sich dadurch in seiner Vermutung bestätigt, dass es von der einzelnen Testperson, ihren Präferenzen und ihrer Leistungsfähigkeit abhängt, ob sich positive psychische Effekte einstellen und nachweisen lassen.

Sport als Ausgleich in Extremsituationen

Auch in der psychischen Extremsituation eines simulierten Marsflugs hat Stefan Schneider untersucht, wie Sport dazu beitragen kann, Stimmung und Leistungsfähigkeit zu erhalten: Im Mars-500-Projekt lebten sechs Freiwillige von Mitte 2010 bis Ende 2011 abgeschnitten von der Außenwelt in einem Komplex in Russland. 520 Tage dauerte ihr Einsiedlerleben, das die Isolation und Eintönigkeit einer anderthalbjährigen bemannten Marsmission nachempfinden sollte. Auch Sport gehörte zum Tagesprogramm. Vor und nach ihrem regelmäßigen, zwischen verschiedenen Sportarten wechselnden Training nahmen die Crew-Mitglieder selbstständig EEGs auf, dokumentierten ihr Befinden und stellten ihre kognitiven Leistungen bei Denksportaufgaben auf einem Smartphone unter Beweis.

Sport als Prävention und Therapie

Schneider sorgt sich um die Folgen des heute verbreiteten Bewegungsmangels. „Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, auch mentale Krankheiten - das alles hat stark zugenommen, seit immer weniger körperlich gearbeitet wird“, sagt Schneider. Aber obwohl alle um den gesundheitlichen Nutzen wüssten, gelinge es bisher bei vielen Menschen nicht, sie dauerhaft zum Sport zu motivieren: „Wem es keinen Spaß macht, der steigt schnell wieder aus.“

Individuelles Sportprofil als Lösung?

Schneider schwebt vor, ausgehend von neurophysiologischen Parametern wie dem EEG ein individuelles Sport-Profil zu bestimmen - „eine Diagnostik, um einem Menschen schon im Voraus zu sagen, welche Art und Intensität von Bewegung ihm auch psychisch so richtig gut tun wird“.

Denksport: Bewegung für Körper und Geist

Auf dem Gelände der deutschen Sporthochschule Köln gibt es ein besonderes Angebot: Denksport. Dabei geht es nicht nur um die körperlichen Effekte, sondern vor allem um die geistigen. Denn Bewegung ist auch gut fürs Gehirn. „Langfristig ist davon auszugehen, dass sportliche Betätigung im Allgemeinen für verbesserte Gedächtnisleistung hilft“, sagt Jonas Korn, der die Denksport-Stunde anleitet. Sogar bei einer bestehenden Demenz soll regelmäßiges Training helfen.

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Sport hilft beim Stressabbau

Dass sich sportliche Menschen besser fühlen, bestätigt auch eine Studie der Universitäten Oxford und Yale, für die die Daten von 1,2 Millionen Menschen verglichen wurden. Das Ergebnis: Menschen, die regelmäßig Sport machten, hatten innerhalb eines Monats 43 Prozent weniger Tage, an denen sie in einem schlechten mentalen Zustand waren als jene Menschen, die sich weniger bewegten. Grund für positive Gefühle durch Bewegung und Sport ist zunächst vielmehr, dass bestimmte Zentren im Gehirn weniger aktiv sind - gerade jene nämlich, die für das Verarbeiten von Informationen oder Lösen von Problemen zuständig sind. Dafür muss der motorische Kortex mehr arbeiten, der für Bewegungsabläufe zuständig ist. Das heißt im Endeffekt: Mehr Sport bedeutet weniger Grübeln.

Zu wenig Bewegung hingegen kann laut Studien ebenfalls mentale Folgen haben. So kann es etwa zu langfristigen, strukturellen Veränderungen des Gehirns kommen, wenn Menschen mehrere Monate hinweg isoliert leben. Studien aus der Antarktis beispielsweise konnten zeigen, dass die Hirnregion, die für Lernen und Orientierung zuständig ist - der Hippocampus - tatsächlich an Größe verliert, wenn Menschen elf oder zwölf Monate lang isoliert auf einer Antarktisstation sind. Wer sich mehr bewegt und soziale Interaktionen hat, kann Gehirnmasse wieder aufbauen.

Regelmäßigkeit ist entscheidend

Um die Entwicklungen zu untersuchen, mussten die Teilnehmer beispielsweise regelmäßige Konzentrations- und Gedächtnistests machen. Dabei zeigte sich, dass die kognitive Leistungsfähigkeit bei regelmäßigem Sport um 15 Prozent anstieg, die Lebensqualität sogar um 23 Prozent. Die Effekte traten schon bei moderatem Training ein, ausschlaggebend war die Regelmäßigkeit.

Bei der Häufigkeit des Trainings sollte man sich laut Sportwissenschaftler Stefan Schneider an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation orientieren - auch wenn diese eigentlich auf Effekte auf das Herz-Kreislauf-System abzielen. „Wir sehen, dass die Größenordnung von 150 bis 180 Minuten in der Woche - also zwei bis drei Stunden - durchaus auch prophylaktisch für Demenzerkrankungen wirken kann, dass sie uns mental und psychisch gesund machen kann“, sagt Schneider. Welche Sportart man genau macht, ist dabei übrigens zweitrangig. Wichtig ist, dass man die Motivation nicht verliert und abschalten kann. Dann verbessert man sich nicht nur im Sport, sondern auch im Denksport.

Wie Bewegung das Gehirn beeinflusst: Neuronale Mechanismen

Petra Arndt erklärt, dass Bewegung das Gehirn auf mehreren Wegen beeinflusst:

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  • Erhöhte Durchblutung: Die erhöhte Durchblutung, die wir in den Muskeln spüren, macht uns wacher und betrifft auch das Gehirn.
  • Botenstoffe: Während der Bewegung werden Botenstoffe ausgeschüttet, die dafür sorgen, dass wir uns wohlfühlen und ausgeglichener sind.
  • Wachstumsfaktoren: Durch Bewegung werden Wachstumsfaktoren ausgeschüttet, sogenannte neurotrophe Faktoren, die dem Aufbau und der Stärkung neuronaler Verbindungen dienen.

Die Rolle von BDNF, VEGF und IGF-1

Eine Fülle von Studien beschreibt den Einfluss akuter körperlicher Belastung auf ZNS-relevante Wachstumsfaktoren. Neben dem bereits erwähnten BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factor) wird hier auch der Effekt auf den vascular endothelial growth factor (VEGF) sowie den insuline-like growth factor 1 (IGF-1) und deren Wirkung auf das ZNS besprochen. Für alle drei Faktoren ist bekannt, dass sie die Neurogenese stimulieren können, die zumindest partiell zu einer Volumenzunahme der Hirnmasse, z.B. im Hippocampus beitragen kann und direkt in Verbindung mit kognitiven Fähigkeiten steht. Darüber hinaus konnten Krityakiarana und Kollegen im Tiermodell zeigen, dass auch die Proliferation von Oligodendrozyten durch körperliche Belastung stimuliert wird. Neben einem generellen neuroprotektiven Effekt lassen diese Studienergebnisse erahnen, welch großen Stellenwert die Bewegungstherapie bei neurologischen, bzw. neurodegenerativen Erkrankungen, wie Alzheimer, Parkinson und der multiplen Sklerose spielen kann.

BDNF: Ein Schlüsselmediator für Gedächtnisleistungen

Bei Mäusen konnte infolge akuter körperlicher Belastungen ein drei bis vierfacher Anstieg der BDNF mRNA Expression in verschiedenen Hirnarealen festgestellt werden. Da Methoden zur Erfassung der zerebralen BDNF Konzentration beim Menschen nicht praktikabel sind, liegt der wissenschaftliche Fokus hier bislang auf der Erforschung der Wirkung akuter körperlicher Belastungen auf die periphere BDNF Serum- oder Plasmakonzentration. Gut belegt sind in diesem Zusammenhang vorübergehende Steigerungen der peripheren BDNF Konzentration durch akute Ausdauerbelastungen von mindestens 30 minütiger Dauer. Das Ausmaß der akut ausdauerbelastungsinduzierten Steigerung der peripheren BDNF Konzentration zeigt sich dabei abhängig von der Intensität der Belastung.

Interessanterweise zeigen neurologisch oder psychiatrisch erkrankte Patienten bereits nach leichten bis moderaten Ausdauerbelastungen einen deutlichen Anstieg der peripheren BDNF Konzentration. In fast allen Studien zeigen neurologische und psychiatrische Patienten einen im Vergleich zu Gesunden geringeren BDNF Anstieg infolge von akuten Ausdauerbelastungen.

Inwiefern die beim Menschen festgestellten peripheren BDNF Konzentrationsanstiege infolge körperlicher Aktivität eine Erhöhung der zerebralen BDNF Konzentration wiederspiegeln, wird weiterhin intensiv diskutiert. Für die Vermutung, dass die periphere die zerebrale BDNF Konzentration adäquat repräsentiert, sprechen jedoch Bestimmungen der arteriovenösen BDNF Differenz zwischen der A. radialis und der V. jugularis interna vor, während und nach verschiedenen Ausdauerbelastungen.

Tierexperimentelle Befunde stützen die These von BDNF als entscheidendem Mediator akut aktivitätsinduzierter Verbesserungen von Leistungen des Langzeitgedächtnisses. Durch pharmakologische Blockade der zerebralen BDNF Expression konnte bei Ratten die belastungsinduzierte Verbesserung des räumlichen Gedächtnisses aufgehoben werden. Beim Menschen konnten signifikante positive Zusammenhänge zwischen dem belastungsinduzierten Anstieg der peripheren BDNF Konzentration und motorischen Gedächtnisleistungen sowie zwischen der Dauer der gesteigerten BDNF Level nach Belastung und verbalen Gedächtnisleistungen nachgewiesen werden.

VEGF: Fördert Neurogenese und synaptische Plastizität

Mittlerweile weiß man, dass VEGF ähnlich wie BDNF die Neurogenese stimuliert und ferner zu einer verbesserten synaptischen Plastizität beiträgt, sowie neuroprotektive und regenerative Prozesse begünstigt. Ähnlich wie bereits für den BDNF beschrieben, scheint auch hinsichtlich der VEGF Serumlevel eine Dosis-Wirkungsbeziehung zu bestehen, wobei höhere Intensitäten bei akuten Ausdauerinterventionen einen deutlich wirksameren Reiz darstellen.

IGF-1: Beeinflusst Neurogenese und Hippocampusformation

Mit dem IGF1 wird in der Literatur ein dritter Wachstumsfaktor beschrieben, dessen Expression sich durch körperliche Belastung erhöhen lässt und von dem bekannt ist, dass er sich ähnlich positiv auf die Neurogenese auswirkt. Sowohl die Belastungsmodalität, als auch die Intensität dergleichen, scheinen einen maßgeblichen Einfluss auf die IGF1 Expression zu haben.

Zusammenfassung: Wachstumsfaktoren und kognitive Leistung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Sport in Abhängigkeit von Belastungsart, Dauer und Intensität die Konzentration neuronal wirksamer Wachstumsfaktoren beeinflusst. Die Literatur zeigt bislang, dass sich die damit einhergehende verstärkte Neurogenese v.a. positiv auf die Hippocampusformation auswirkt. Da diese fundamental zu Gedächtnisleistungen beiträgt, scheint es logisch, dass genau diese kognitive Domäne nach längeren Interventionen Verbesserungen aufweist.

Sport und Demenzprävention

Wer regelmäßig seine Muskeln sportlich beansprucht, profitiert mit Gehirngesundheit. Wissenschaftliche Studien zeigen deutlich, dass sich Bewegung und muskuläre Aktivität auf die kognitiven Fähigkeiten auswirken. Einerseits liegt dies an einer besseren Durchblutung von Gehirnarealen, die durch Muskelarbeit eintritt. Zum anderen setzen aktive Muskeln einen Wachstumsfaktor frei: Der BDNF, der Nervenzellen positiv stimuliert und so dafür sorgt, dass sich das Gehirn neu verdrahtet und verschaltet.

Sport hält das Gehirn jung

Nach dem Neurobiologen Martin Korte werden vermehrt neue Nervenzellen gebildet, wenn sich das Gehirn in einem Körper befindet, in dem "regelmäßig große Muskelgruppen trainiert werden". Anders gewendet: Sport sorgt für ein frischeres und jüngeres Gehirn. Es reicht bereits moderate Bewegung, um bei Senioren positive und gesunderhaltende Effekte zu stimulieren.

Tanzen als ideales Mittel

Wer Freude beispielsweise am Tanzen hat, verfügt über ein geradezu ideales Mittel, um das alternde Gehirn zu fordern und zu schützen. Je früher Menschen ab der Lebensmitte mit ihrem Bewegungsprogramm starten, desto heilsamer sind die Effekte bei alternden, aber noch gesunden Gehirnen. Bei diesen Menschen verbessert sich die Erinnerungsfunktion wie auch das Lernvermögen nachweislich durch Sport.

Sport kann Alzheimer-Risiko reduzieren

Einer Studie zufolge konnten Probanden, die zwei bis drei Mal pro Woche Sport trieben und noch nicht das fünfzigste Lebensjahr erreicht hatten, ihr Risiko für eine Alzheimererkrankung um 70 Prozent reduzieren. Eine Erkrankung wurde damit nicht ausgeschlossen, aber ihr Eintritt etwa um sieben Jahre verzögert. Vermutlich wirkt sich die bessere Durchblutung der Hirnareale so ausnehmend günstig auf die Gehirngesundheit aus und sorgt für eine gute Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Die Neurogenese wiederum regt wohl den Aufbau neuer Nervenzellen an, der einem demenzbedingten Verfall entgegenarbeitet.

Synaptische Proteine schützen vor Degeneration

Eine Langzeitstudie ergab, dass die Gehirne von körperlich aktiven älteren Menschen bei der Obduktion nach ihrem Tod eine höhere Anzahl "synaptischer Proteine" zeigten. Diese sorgen für den Austausch von Informationen zwischen Nervenzellen im Gehirn. Es wird vermutet, dass die synaptischen Proteine auch die schädlichen Beta-Amyloid-Ablagerungen (Plaques) und Tau-Proteinballungen im Gehirn vermindern, die bei einer Alzheimer-Krankheit typischerweise auftreten. Die durch Sport erzielte Verbesserung der synaptischen Proteine scheint also vor der Degeneration des alternden und kranken Gehirns zu schützen.

Sport im Schulalltag

Petra Arndt betont, dass mehr Bewegung gut für alle Lernprozesse wäre, nicht nur für die körperliche Gesundheit.

Welche Bewegungsarten sind für das Lernen besonders förderlich?

Wenn es eher Müdigkeit ist, dann reichen auch fünf Minuten aus, aber es braucht etwas anderes. Dann muss man den Rumpf und die Arme bewegen. Das führt zu einer vertieften Atmung, und dann hat man eben diesen Effekt der Durchblutung und der Ausschüttung von Wachstumsfaktoren. Wenn man einen sehr hohen Stresspegel hat, dann kommt man mit fünf Minuten Bewegung nicht so weit. Dann tut man gut daran, sich wirklich 20 oder 30 Minuten zu bewegen. Und es gibt noch einen ganz anderen Effekt, nämlich die Langzeitwirkung von Ausdauertraining. Man kann einmal mit einer kurzen Zeit von 20 bis 30 Minuten diese Wachstumsfaktoren anregen; man kann das aber auch längerfristig mit Ausdauersportarten, die regelmäßig ausgeübt werden, auf ein höheres Niveau heben. Auch davon profitieren Kinder und junge Erwachsene.

Bewegungsangebote in der Schule

Arndt würde alle Schülerinnen und Schüler sammeln, von denen sie weiß, dass sie einen besonders hohen Bewegungsbedarf haben oder gerade mit dem Elterntaxi gebracht wurden und noch gar nicht richtig wach sind. Dann investiert sie eine Viertelstunde in ein Bewegungsangebot mit Koordinationsübungen. Gerade für Grundschulen ist das wichtig, weil viele Schülerinnen und Schüler ihren Bewegungsdrang gar nicht ausleben können.

Kombination von Konzentration und Bewegung

Ein Beispiel ist die Kombination von Konzentration und Bewegung: Zwei Kinder stehen sich gegenüber, eines macht Körperbewegungen vor, das andere versucht wie ein Spiegelbild, so schnell und genau wie möglich zu folgen. Diese Kombination von Bewegung und Konzentration führt dazu, dass die Nervenzellen vor allem im vorderen Teil des Gehirns besser durchblutet werden. Das sind genau die Gehirnzellen, die wir für Aufmerksamkeit und gerichtete Konzentration brauchen. Wenn im Unterricht etwas inhaltlich sehr neu und herausfordernd ist, eignen sich eher entspannende Yogaübungen.

Die evolutionäre Perspektive

Unsere Vorfahren, die Hominini, mussten sich an ein Leben voller Bewegung anpassen. Der aufrechte Gang erforderte ein besonders ausgestattetes Gehirn. Über vier Millionen Jahre hinweg optimierte sich das menschliche Gehirn an das aufrechte Gehen. Vor zwei bis drei Millionen Jahren änderte sich das Klima in Afrika, und unsere frühen menschlichen Vorfahren wurden Jäger und Sammler - ein Lebensstil, der mehr körperliche Bewegung wie Laufen und Ausdauer erforderte. Diese neuen Herausforderungen formten unser Gehirn weiter und machten es leistungsfähiger.

Das Leben als Jäger und Sammler prägte unser Gehirn erheblich. Selbst heute sehen wir bei Gemeinschaften wie den Hadza in Tansania die Vorteile ständiger Bewegung. Die Jagd und das Sammeln in bekanntem und unbekanntem Terrain fördern das visuelle und motorische System sowie das Kurz- und Langzeitgedächtnis. Diese Art der räumlichen Navigation stützt sich auf den Hippocampus - das „Tor zum Gedächtnis“, das bei aktiver Nutzung kräftig bleibt und im Alter weniger schrumpft.

Selbst in unserer modernen Gesellschaft, die oft bewegungsarm ist, bleibt unser Gehirn mit einem „Bewegungsbedürfnis“ ausgestattet, das auf Millionen Jahre Evolution zurückzuführen ist.

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