Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Lange Zeit wurde Menschen mit Epilepsie pauschal davon abgeraten, Sport zu treiben. Dies lag an der Sorge vor Verletzungen bei einem Anfall und der Annahme, dass körperliche Anstrengung Anfälle auslösen könnte. Diese Sichtweise hat sich jedoch grundlegend geändert. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Sport das Auftreten von epileptischen Anfällen nicht begünstigt und sogar positive Auswirkungen auf die Lebensqualität haben kann.
Epilepsie: Was ist das eigentlich?
Bei einem epileptischen Anfall kommt es zu einer unkontrollierten und synchronen Entladung von Nervenzellverbänden im Gehirn. Geschieht dies in einer örtlich begrenzten Region einer Gehirnhälfte, spricht man von fokaler Epilepsie. Sind Teile beider Gehirnhälften betroffen, liegt eine generalisierte Form vor. Die Dauer eines Epilepsieanfalls ist sehr unterschiedlich und reicht von wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten. Bei kleineren Anfällen verlieren Patienten für kurze Zeit ihre Aufmerksamkeit und können dabei ganz bei Bewusstsein bleiben. Bei einem großen tonisch-klonischen Anfall, Grand Mal genannt, kommt es zu Zuckungen und Verkrampfungen, woran sich viele Betroffene nachher nicht mehr erinnern können, da sie bewusstlos werden. Die Folge können Muskelkater, Kopfschmerzen und Erschöpfung sein. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung erleidet mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, ohne dass sich daraus eine aktive Epilepsie entwickelt. Von Epilepsie spricht man erst, wenn die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Anfall in den nächsten zehn Jahren mehr als 60 Prozent ist. Das Wiederholungsrisiko einer Epilepsie wird anhand der Anfallsgeschichte, EEG-Ergebnissen, Hirnbildgebung, genetischen Faktoren, auslösenden Faktoren und Begleiterkrankungen bestimmt. Zwischen 0,5 und 1 Prozent der Bevölkerung haben eine aktive Epilepsie. Trotz großer Fortschritte in der medikamentösen Behandlung bleiben nur zwei Drittel der frisch diagnostizierten Epilepsiekranken anfallsfrei, das heißt, sie bleiben ein komplettes Jahr ohne Anfälle. Ob eine Epilepsie ausheilen kann, wird kontrovers diskutiert.
Sport und Epilepsie: Ein Umdenken
Früher riet man Menschen mit Epilepsie pauschal davon ab, Sport zu treiben. Zu groß sei das Verletzungsrisiko, wenn es dabei zu einem Anfall kommt. Zu unerforscht die Frage, ob körperliche Anstrengung gar Anfälle auslösen kann. »Von diesem Dogma ist man komplett abgerückt«, sagt Hajo Hamer, Leiter des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Erlangen. »Es gibt keine Belege dafür, dass Sport das Auftreten von epileptischen Anfällen begünstigt.« Eine Auswertung von 42 Studien zu dem Thema kommt im Gegenteil zum Schluss, dass bei regelmäßiger körperlicher Aktivität weniger Anfälle auftreten. Sport wird sogar ausdrücklich empfohlen, um begleitende Erscheinungen wie Depressionen oder Ängste zu minimieren und dadurch die Lebensqualität merklich zu steigern. Zudem geben einige wenige Studien Hinweise darauf, dass Sport die kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit Epilepsie steigern kann.
Welche Sportarten sind geeignet?
Grundsätzlich können Menschen mit Epilepsie viele Sportarten ausüben. Eine von der International League Against Epilepsy unterstützte Studie bewertete für gängige Sportdisziplinen das Risiko für Verletzungen oder Tod bei einem Anfall. Wenig riskant sind demnach Aktivitäten wie Tanzen, Fußball oder Tennis. Bei Sportarten wie Schwimmen, Ski- oder Radfahren sollte vorab mit einem Arzt die individuelle Eignung besprochen werden. Schwierig seien vor allem Sportarten, die im Wasser stattfinden, da man dort bei einem Anfall ertrinken kann. Manche Experten sind hingegen davon überzeugt, dass Menschen mit Epilepsie nahezu jeden Sport ausüben können, wenn sie seit rund einem Jahr keinen Vorfall mehr hatten.
Risikobewertung von Sportarten bei Epilepsie
- Wenig riskant: Tanzen, Fußball, Tennis
- Mittleres Risiko: Schwimmen, Ski- oder Radfahren (individuelle Absprache mit dem Arzt erforderlich)
- Höheres Risiko: Sportarten im Wasser (besondere Vorsicht geboten)
Es wird empfohlen, dass die zuständigen Übungsleiter darauf geschult werden, damit sie mit solchen Situationen gut umgehen können und nicht überfordert werden. Es wurde empfohlen, auch Kontakt zu den Kreissportverbänden und zum Bildungswerk des LSV aufzunehmen. Es gibt nicht viele Sportarten (Segelfliegen,….) die für von Epilepsie betroffenen Sportler nicht empfohlen werden. Im Gegenteil, der Sport trägt zu mehr Lebensqualität bei und mit der individuell geeigneten Therapie können die Anfälle vermindert oder im Idealfall sogar Anfallsfreiheit erzielt werden.
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Erfolgreiche Sportler mit Epilepsie: Vorbilder und Inspiration
Trotz der Herausforderungen gibt es zahlreiche Beispiele von Sportlern mit Epilepsie, die erfolgreich Karriere gemacht haben. Diese Athleten sind Vorbilder und zeigen, dass Epilepsie kein Hindernungsgrund für sportliche Höchstleistungen sein muss.
- Severin Freund: Der ehemalige Skispringer offenbarte zweieinhalb Jahre nach seinem Karriereende, dass er seit seinem 16. Lebensjahr mit fokaler Epilepsie lebt. Anfälle habe er während seiner Karriere dann zwar immer wieder gehabt, so Freund. "Allerdings nur aus dem Schlaf heraus."
- Lucas Fischer: Der Schweizer Turner gewann 2013 nach seiner Diagnose die Silbermedaille bei den Europameisterschaften.
- Justin Fields: Der US-Footballspieler spielt in der Profiliga NFL.
- Uwe Haas: Der deutsche Fußballer brachte es in den 1980er Jahren auf 63 Spiele in der 1. und 2. Bundesliga.
- Jérôme Becher: Der Ausdauersportler schwamm 80 Kilometer ohne Pause.
- Maximilian Gnigler: Österreichischer Kajakfahrer, der trotz seiner Epilepsie-Diagnose seinen Traum von Olympia noch nicht aufgeben will.
Sein Kollege Gallmetzer verweist ebenfalls darauf, dass es einige Beispiele von Athleten mit Epilepsie gibt, die es in ihrem Sport bis ganz nach oben geschafft haben.
Medikamente und Leistungssport: Eine Herausforderung
Die Medikamente, die epileptische Anfälle unterdrücken sollen, hemmen die Erregung von Nervenzellen im Gehirn. Wie aber würde sich das auf seine Leistungsfähigkeit auswirken? Würde er noch so gut sein, dass er bei internationalen Wettkämpfen an den Start gehen könnte?
Maximilian Gnigler lehnte beispielsweise die Einnahme der im Krankenhaus empfohlenen Medikamente ab, da er vermeintlich Wichtigeres im Kopf hatte und an sein Abschneiden bei Welt- und Europameisterschaften dachte.
»Ziel einer Therapie ist immer, anfallsfrei zu sein und keine Nebenwirkungen zu haben«, sagt Gallmetzer. »Ist eines von beidem nicht gegeben, ändert man die Therapie. Man muss so lange am Ball bleiben, bis für den Patienten der Optimalzustand erreicht ist.« Bedeutet: Es wird an der richtigen Dosierung geschraubt; Medikamente, von denen es derzeit mehr als 20 am Markt gibt, werden getauscht. »Trial and Error, wenn man es defätistisch ausdrücken will«, sagt Hamer vom Uniklinikum Erlangen. So lange, bis keine Einschränkungen mehr hinzunehmen sind. Also auch nicht in Sachen Spitzenleistung? »Findet man die individuell optimale Therapie für den Patienten, ist alles möglich«Hajo Hamer, Neurologe
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Umgang mit Epilepsie im Sport: Tipps und Empfehlungen
- Offene Kommunikation: Informieren Sie Trainer, Betreuer und Mitspieler über Ihre Epilepsie.
- Medizinische Beratung: Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, welche Sportarten für Sie geeignet sind und welche Vorsichtsmaßnahmen Sie treffen sollten.
- Notfallplan: Erstellen Sie einen Notfallplan für den Fall eines Anfalls während des Trainings oder Wettkampfs.
- Begleitung: Üben Sie risikoreiche Sportarten nicht alleine aus.
- Medikamenteneinnahme: Nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig und wie verordnet ein.
- Stressmanagement: Vermeiden Sie Stress und Überanstrengung, da diese Anfälle auslösen können.
Amelie Zachenhuber: Eine Kämpferin im Schwimmsport
Amelie Zachenhuber, eine talentierte Schwimmerin, kämpft seit eineinhalb Jahren gegen Epilepsie. Die Diagnose traf sie mitten in ihrer sportlichen Karriere. Trotz der Herausforderungen und Rückschläge gibt sie ihren Traum vom Schwimmsport nicht auf.
Nach ihrem ersten Anfall im November 2020 musste Amelie eine Zwangspause einlegen. Mit dem Training wartete sie nicht so lange - allerdings stets unter Aufsicht von Vater Karl, Mutter Rosi, Schwester Alisa, oder Freundinnen ihres ehemaligen Schwimmvereins SC Prinz Eugen München. Alle besitzen das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Silber. „Das hat unsere Neurologin zur Auflage gemacht“, sagt Rosi Zachenhuber. Also sitzt immer einer am Beckenrand, passt auf. „Wir haben ihr extra noch eine gut sichtbare rote Badekappe gekauft“, erzählt die Mutter.
Amelie erhält ein Night-Watch-Armband, das die Herzfrequenz im Schlaf registriert. Beim ersten Anzeichen eines Anfalls werden die Eltern über eine App informiert und könnten Rettungskräfte alarmieren.
Trotz der Schwierigkeiten und des Getuschels hinter ihrem Rücken, dass sie es nicht mal mehr ins Finale schafft, übernimmt Amelie die Initiative und macht ihre Krankheit öffentlich. Die Reaktionen seien überwältigend gewesen. „Ich bekam von allen Zuspruch.“
Andreas Greppmeir: Zurück auf die Laufstrecke
Der Meringer Ausdauersportler Andreas Greppmeir kämpft sich nach seiner Diagnose zurück ins Leben und auf die Laufstrecke. Er will auf die Krankheit aufmerksam machen. Andreas Greppmeir legte im Juli 2023 - zwischen der ersten Auszeit und dem großen Anfall - beim Mountain Man im Reit im Winkl 25 Kilometer und 1000 Höhenmeter zurück.
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