Ein Schlaganfall kann das Leben von einem Moment auf den anderen verändern. Doch körperliche Aktivität und Sport können eine entscheidende Rolle bei der Genesung spielen und die Lebensqualität verbessern. Studien zeigen, dass regelmäßige Bewegung nach einem Schlaganfall die Erholung fördert, Risikofaktoren reduziert und sogar einem weiteren Schlaganfall vorbeugen kann.
Die Bedeutung von Bewegung nach einem Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall ist es oft entscheidend, Mobilität, Sprache und Selbstständigkeit wiederzuerlangen. Körperliche Fitness mag zunächst zweitrangig erscheinen, ist aber eng mit dem Erfolg der Rehabilitation verbunden. Wer körperlich fitter ist, hat es leichter, die Übungen zu absolvieren, die die Genesung unterstützen und die Unabhängigkeit erhalten.
Eine Studie der Universität Göteborg hat gezeigt, dass Menschen, die nach einem Schlaganfall vier Stunden pro Woche Sport treiben, sich innerhalb von sechs Monaten besser erholen als Menschen, die sich weniger oder gar nicht bewegen. Die Chance auf eine gute Genesung verdoppelt sich sogar, wenn man bis zu sechs Monate nach dem Ereignis vier Stunden oder mehr pro Woche körperlich aktiv ist.
Bewegung wirkt sich nicht nur positiv auf den Körper und die Gesundheit aus, sondern auch auf das Gehirn. „Körperliche Aktivität programmiert sowohl das Gehirn als auch den Körper nach einem Schlaganfall positiv um. Bewegung verbessert die Erholung des Körpers auf zellulärer Ebene, steigert die Muskelkraft und das Wohlbefinden und verringert das Risiko von Stürzen, Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Unabhängig davon, wie schwer der Schlaganfall war, können die Betroffenen von mehr Bewegung profitieren“, sagt Buvarp.
Fitnesstraining als Teil der Rehabilitation
Fitnesstraining als Teil der Rehabilitation nach einem Schlaganfall kann die körperliche Fitness und die Belastbarkeit steigern sowie wieder mobiler machen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des internationalen Forschungsnetzwerks Cochrane Collaboration haben 58 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt knapp 2800 Frauen und Männern, die einen Schlaganfall gehabt hatten, untersucht und folgende Arten von Fitnesstraining analysiert:
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- Herz-Kreislauf-Programme für die Fitness von Herz und Lunge (28 Studien)
- Krafttraining (13 Studien)
- Programme, die Herz-Kreislauf-Training und Krafttraining kombinierten (17 Studien)
Die häufigste Form des Herz-Kreislauf-Trainings waren Walking-Programme (Gehtraining mit dem Ziel, die Gehzeit und die Gehgeschwindigkeit zu erhöhen). Außerdem gab es Programme, die selbstständiges Laufen (ohne Gehhilfen oder sonstige Unterstützung) fördern sollten. Ein Fitnessprogramm bestand beispielsweise aus etwa 20-minütigem Gehtraining dreimal pro Woche. Bei einigen Programmen kamen auch Laufbänder oder Fahrrad-Ergometer zum Einsatz. Die Akzeptanz der Fitnessprogramme war recht hoch. In den Studien nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Durchschnitt etwa 65 bis 100 % der Trainingstermine wahr.
Die Herz-Kreislauf-Übungen brachten einige Vorteile: Es gab Anzeichen, dass die Fitness von Herz und Lunge zunahm. Zudem waren die Teilnehmenden nach dem Training mobiler, sie konnten schneller laufen und waren belastbarer als vorher. Dadurch nahmen die körperlichen Einschränkungen durch den Schlaganfall ab. Auch Programme, die Herz-Kreislauf- und Krafttraining kombinierten, verbesserten die Mobilität. Krafttraining allein hatte keinen Einfluss auf die Mobilität.
Sport als Prävention weiterer Schlaganfälle
Regelmäßige Bewegung ist nicht nur nach einem Schlaganfall empfehlenswert, sondern kann auch einem Schlaganfall vorbeugen. Körperliche Aktivität senkt Schlaganfall-Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und erhöhte Cholesterinwerte.
Eine Studie zeigte, dass bei körperlich trägen Patienten die Gefahr, dass es erneut zu derartigen Gefäßverschlüssen oder Durchblutungsstörungen kommt, fünfmal größer ist als bei körperlich aktiven. Wer es schafft, pro Woche mindestens fünfmal 30 Minuten körperlich aktiv zu sein, dessen Risiko für einen Schlaganfall liegt nach drei Jahren bei null, so Prof. Turan.
Empfehlungen für Bewegung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für einen optimalen gesundheitlichen Effekt mindestens 150 Minuten ausdauerorientierte Bewegung pro Woche mit moderater Intensität oder 75 Minuten Bewegung pro Woche mit hoher Intensität. Die Bewegung muss nicht am Stück erfolgen, sondern sollte über die Woche verteilt werden, zum Beispiel 30 Minuten Bewegung an fünf Tagen pro Woche. Mit mittlerer Intensität sind Aktivitäten gemeint, bei denen Erwachsene eine leicht erhöhte Atem- und Pulsfrequenz haben, zum Beispiel bei einem zügigen Spaziergang. Bewegung mit hoher Intensität ist Bewegung, die als anstrengend empfunden wird.
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Es muss nicht gleich schweißtreibender Sport sein! Auch leichte Bewegung im Alltag kann helfen:
- Gehen Sie häufiger mal ein Stück zu Fuß.
- Verzichten Sie auf den Fahrstuhl und nehmen Sie stattdessen die Treppen.
- Gehen Sie beim Telefonieren auf und ab.
- Gehen Sie mehrmals, um Geschirr und Lebensmittel zum Esstisch zu tragen, statt ein Tablett zu benutzen.
Welche Sportarten eignen sich nach einem Schlaganfall?
Selbst nach einem leichten Schlaganfall sollten Betroffene keinesfalls in Eigenregie mit Sport beginnen, sondern den Wunsch mit ihrem Arzt besprechen. In der Regel ist Rehabilitationssport (Rehasport) ein guter Einstieg. Im Anschluss kann dann allein oder in einer Gruppe weiter gemacht werden.
Rehasport wird von einem Arzt verschrieben. Dafür gibt es in jeder Region spezielle Rehasportgruppen. In der Regel umfasst der Rehasport 50 Übungseinheiten für einen Zeitraum von 18 Monaten oder 120 Einheiten in 36 Monaten bei starker Beeinträchtigung. Wie genau der Rehasport nach einem Schlaganfall abläuft, hängt von den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen der Teilnehmenden ab. Gymnastikübungen und Bewegungsspiele können genauso dazugehören wie Schwimmen.
Grundsätzlich sollten Sie darauf achten, Ihr Herz-Kreislauf-System nicht zu stark zu belasten. Ein Pulsmesser ist daher beim Sport nach einem Schlaganfall eine gute Wahl. Geeignete Ausdauersportarten sind zum Beispiel:
- Schwimmen
- Walking
- Nordic Walking
- Rad fahren
- Schnelles Spazierengehen
Beginnen Sie zunächst mit wenigen Minuten Sport und steigern Sie sich nach und nach. Bei Sport im Freien sollten Schlaganfallpatienten auch darauf achten, starke Hitze und direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden.
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Zu den Rehabilitationsmaßnahmen nach einem Schlaganfall gehört in der Regel eine umfangreiche Physiotherapie. Sie sollten sich aber nicht zu stark belasten und regelmäßig den Puls messen.
Plötzliche Drehbewegungen des Kopfes sowie Übungen mit nach unten geneigtem Kopf sollten Sie vermeiden. Tabu ist zudem starkes Pressen. Geräte sollten Sie also mit niedriger Intensität beziehungsweise mit wenigen Gewichten verwenden.
Junge Schlaganfallpatienten
Der typische Schlaganfallpatient ist über 70 Jahre alt. Doch der Anteil von deutlich jüngeren Betroffenen steigt seit Jahren. Schuld ist ein ungesunder Lebensstil. Doch dann gibt es noch den Schlaganfall, der junge, fitte Menschen aus heiterem Himmel trifft.
Zum Teil gehen diese Schlaganfälle auf einen ungesunden Lebensstil zurück: Bewegungsmangel und Übergewicht seit der Kindheit, Rauchen, bei Frauen in Kombination mit der Antibabypille, nicht beachteter oder unbekannter Bluthochdruck. Das besonders Erschreckende am juvenilen Schlaganfall: Teilweise sind diese Betroffenen schlank, sportlich, Nichtraucher - also gesund und fit bis zu dem Moment, in dem sie der Schlag trifft.
Typisch für junge Schlaganfallpatienten ist, dass Mediziner bei 30 bis 50 Prozent keine konkrete Ursache für die folgenreiche Unterversorgung des Gehirns finden können.
Bei 20 Prozent der Schlaganfälle sehr junger Menschen ist eine „spontane Dissektion“ nachweisbar, eine Aufspaltung der Innenwand der Halsarterie, die das Gehirn versorgt. Zwischen der inneren und mittleren Gefäßwandschicht bildet sich eine Art Sackgasse, hier staut sich das Blut. Ein Hämatom entsteht und verstopft das Gefäß. So kommt es zum Infarkt.
Die spontane Dissektion kann sowohl Menschen treffen, die sich wenig bewegen und schlecht ernähren, als auch fitte, scheinbar gesunde Menschen. Eine schnelle, heftige Bewegung - wie etwa bei Sport - kann den Riss der Schlagader auslösen. Bei den meisten Patienten reicht auch schon eine Alltagsbewegung aus, um die Ader reißen zu lassen.
Jüngere Patienten erholen sich meist schneller und umfassender vom Schlaganfall als alte. Bei 30 Prozent der jungen Schlaganfallpatienten gehen die Symptome komplett zurück. Laut Kellert endet ein juveniler Schlaganfall nur bei fünf Prozent der Betroffenen tödlich. Bei älteren Patienten überleben 30 Prozent den Schlaganfall nicht.
Risikofaktoren und Prävention
Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die zu einem Schlaganfall führen können. Dazu gehören:
- Bluthochdruck
- Diabetes
- Erhöhte Cholesterinwerte
- Übergewicht
- Rauchen
- Bewegungsmangel
- Infektionen
- Operative Eingriffe
- Migräne
Regelmäßige körperliche Aktivität senkt das Schlaganfallrisiko. Ähnliches gilt für den Kaffeegenuss. Schlaganfallpatienten haben überdurchschnittlich oft einige Stunden vor dem Ereignis Kaffee getrunken. Dieser ungünstige Effekt wird durch regelmäßigen Kaffeekonsum abgeschwächt, was für Toleranzeffekte bzgl. Koffein spricht.
Grippeimpfungen senken das Schlaganfallrisiko und werden besonders bei Menschen mit erhöhtem Schlaganfallrisiko empfohlen, z.B. mit vorbekannten Gefäßerkrankungen und vaskulären Risikofaktoren wie Diabetes, Hypercholesterinämie oder Bluthochdruck. Daneben kann eine übliche Expositionsprophylaxe, also Vermeiden von Menschenansammlungen auf engem Raum, Tragen eines Mundnasenschutzes und regelmäßige Händedesinfektion helfen.
Fallbeispiele und persönliche Erfahrungen
Christian Walter, ein Leichtathletik-Trainer, Lauf-Impresario und Ex-Leistungssportler, erlitt mit 50 Jahren einen Schlaganfall. Nach Operationen und einer mehrmonatigen Reha kämpfte er sich zurück ins Leben. Er trainiert im Fitness-Studio und im Hallenbad und macht Fortschritte. Mit seinem Hund Al läuft er jeden Tag stundenlang an der Isar oder am Starnberger See entlang. Dabei hat er immer seine Ziele klar vor Augen: „Ich will irgendwann wieder einen Berg hinauf und wieder hinunter gehen und eine Runde im Isarau-Stadion joggen können."
Alexander Leipold, ein Ringer, erlitt nach dem Gewinn von Olympia-Gold drei Schlaganfälle aufgrund einer Viruserkrankung. Er engagiert sich heute als Botschafter der Deutschen Schlaganfall-Hilfe und erzählt, wie er es zurück auf die Matte schaffte. Er betont die Bedeutung von realistischen Zielen und Selbsthilfegruppen.
Simone Fox erlitt mit 30 Jahren ihren ersten Schlaganfall. Es folgten vier weitere, bis die Ursache für ihre Schlaganfälle gefunden wurde: eine Faktor-V-Mutation Typ Leiden, die das Thrombose-Risiko stark erhöht. Sie musste Sprechen, essen, laufen - alles neu lernen. Sie begann zu kämpfen und trainiert dreimal die Woche im Fitnessstudio. Heute lebt sie trotz Pflegegrad komplett selbstständig und setzt sich als Para-Athletin beim Sportschießen ein.
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