Starker Gewichtsverlust bei Demenz: Ursachen, Auswirkungen und Behandlungsansätze

Ungewollter Gewichtsverlust ist ein komplexes Problem, das verschiedene Ursachen haben kann und besonders im Alter häufig auftritt. Er kann die Folge von Krankheiten sein und schließlich zu deutlicher Unterernährung führen. Bei Erwachsenen spricht man von ungewolltem Gewichtsverlust bei einer Abnahme von mehr als 5 % des Körpergewichts innerhalb von 6-12 Monaten. Es ist wichtig, die Ursachen zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Lebensqualität und Gesundheit der Betroffenen zu erhalten.

Ursachen für ungewollten Gewichtsverlust

Eine ungewollte Gewichtsabnahme beruht auf drei Hauptmechanismen:

  • erhöhter Energieverbrauch
  • reduzierte Nährstoffzufuhr mit oder ohne Appetitverlust
  • veränderter Stoffwechsel (gesteigerter Energiebedarf)

Dafür kommt eine große Spannbreite an möglichen Ursachen infrage.

Häufige Ursachen:

  • Krebserkrankungen: Bei Patient*innen mit unbeabsichtigter Gewichtsabnahme liegt in 15-37 % der Fälle eine Krebserkrankung zugrunde. Prinzipiell können alle Formen von Krebs zu Gewichtsverlust führen, Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts (Speiseröhre, Magen, Dickdarm, Bauchspeicheldrüse) sowie Lungenkrebs oder bösartige Bluterkrankungen sind dafür jedoch häufiger verantwortlich. Prostatakrebs, Brustkrebs und Eierstockkrebs können ebenfalls ursächlich sein. Seltener sind akute lymphatische Leukämie, akute myeloische Leukämie, Nierenkrebs und Harnblasenkrebs Ursachen für ungewollten Gewichtsverlust.
  • Psychische Ursachen: Psychische Erkrankungen sind die Ursache in etwa 10-23 % der Fälle von signifikantem Gewichtsverlust. Depression ist die häufigste psychiatrische Ursache von ungewolltem Gewichtsverlust. Essstörungen, Zwangsstörungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit sowie generalisierte Angststörung sind weitere psychische Erkrankungen, die mit Gewichtsverlust einhergehen können.
  • Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes: Gastroenterologische Erkrankungen sind die Ursache von etwa 10-20 % der Fälle von signifikantem Gewichtsverlust. Eine Malabsorption bezeichnet die gestörte Resorption von Nahrungsbestandteilen infolge einer gestörten Funktion der Darmschleimhaut. Dies kann oft auf Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Zöliakie, Unverträglichkeiten (z. B. Laktoseintoleranz), Tumoren oder Infektionen zurückgehen. Eine Maldigestion bezeichnet die gestörte Spaltung von Nahrungsbestandteilen im Verdauungstrakt, die oft im Zusammenhang mit Gallensäuremangel, einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse oder einer Magenoperation auftritt. Eine Dysphagie bezeichnet Störungen der Funktion und Koordination des Schluckaktes, die z. B. durch Fehlbildungen, Engstellen oder andere Erkrankungen der Speiseröhre einer unzureichende Nahrungszufuhr verursachen können.
  • Infektionskrankheiten: Infektionen des Magen-Darm-Traktes, z. B. Bandwurminfektion oder Amöbenruhr, aber auch andere (chronische) Infektionen, z. B. HIV oder Tuberkulose, können mit Gewichtsverlust einhergehen.
  • Neurologische Erkrankungen: Neurologische Erkrankungen können z. B. durch einen Schlaganfall oder neurodegenerative Erkrankungen, bei denen es zum Verlust von Nervenzellen kommt, Schluckstörungen und damit Gewichtsverlust verursachen. Demenzerkrankungen und Muskelerkrankungen (z. B. Muskeldystrophie) können ebenfalls zu Mangelernährung und Gewichtsverlust führen.
  • Hormonelle Erkrankungen: Auch Hormonstörungen wie Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2, eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder Erkrankungen der Nebennierenrinde (z. B. Addison-Krankheit) können zu Gewichtsverlust führen.

Seltenere Ursachen:

  • Chronische Organerkrankungen: Chronische Erkrankungen mit reduzierter Nahrungsaufnahme und erhöhtem Energieverbrauch wie Herzinsuffizienz (Herzschwäche), chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder chronische Nierenkrankheit können zu Gewichtsabnahme führen.
  • Rheumatologische Erkrankungen: Bei rheumatologischen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Gefäßentzündungen (Vaskulitis) oder systemischer Sklerose (Sklerodermie) kann es ebenfalls zu ungewollter Gewichtsabnahme kommen.
  • Mangelernährung und Zahnprobleme: Nicht nur bei älteren Mensche, sondern in der gesamten Bevölkerung können Mangelernährung und Zahnprobleme auftreten, die in weiterer Folge zu einer Gewichtsabnahme führen. Mangelernährung kann bedingt sein durch körperliche oder geistige Einschränkungen, psychosoziale Umstände sowie Pflegebedürftigkeit. Zahnprobleme können in Form von Zahnschmerzen, schlecht sitzenden Prothesen oder Zahnfleischverletzungen mit einer ungewollten Gewichtsabnahme einhergehen.
  • Medikamente und andere Substanzen: Auch die Nebenwirkungen bestimmter Medikamente, z. B. Geschmacksstörungen, Durchfall oder Mundtrockenheit, können zu ungewolltem Gewichtsverlust beitragen. Alkohol, Rauchen bzw. der Missbrauch anderer Substanzen (z. B. Kokain, Heroin, Amphetamine) können ebenfalls zu einem ungewollten Gewichtsverlust führen.

Gewichtsverlust bei Demenz

Besonders bei der Alzheimererkrankung, einer Form der Demenz, ist sehr häufig eine Unterernährung festzustellen. Im Vergleich zu Gleichaltrigen sind Menschen mit Demenz daher auch vier Mal so häufig mangelernährt. Es tritt eine Unterversorgung mit Nährstoffen auf, die gravierende Folgen haben kann. Erst kaufen Erkrankte falsche Lebensmittel ein, im nächsten Schritt verlernen sie, wie sie sich ihr Essen zubereiten. Das Risiko für einen Gewichtsverlust oder sogar eine Unterernährung steigen linear zum Fortschreiten der Krankheit immer weiter an. Da die Betroffenen nach und nach die Fähigkeit verlieren, sich selbst zu versorgen, sind sie auf die Hilfe von Angehörigen und Pflegekräften angewiesen.

Ursachen für Gewichtsverlust bei Demenz:

  • Veränderte Wahrnehmung: Oft verweigern Demenzpatienten die angebotene Nahrung, weil die Erkrankung ihre Wahrnehmung stark beeinflusst. Zum einen können sie Lebensmittel oft nicht mehr als solche erkennen. Zum anderen schmecken ihnen die Speisen in vielen Fällen nicht mehr, da sich das Geschmacksempfinden im Alter verändert oder sie schlichtweg keinen Appetit haben. Besonders bittere Nahrungsmittel sollten vermieden werden, da diese von den Erkrankten mit Gift assoziiert werden.
  • Motorische Unruhe: Viele Demenzkranke sind von einer inneren Unruhe getrieben. Während der Mahlzeiten verlassen sie beispielsweise gern den Tisch, da sie sich schnell von äußeren Reizen, wie Lärm und Hektik ablenken lassen. Stereotype Bewegungen wie Aufstehen, Hinsetzen und das Verschieben von Mobiliar verbrauchen enorm viel Energie, was einen weiteren Gewichtsverlust zusätzlich begünstigt. Dadurch benötigen Demenzpatienten mit einem hohen Bewegungsdrang bis zu 4.000 Kalorien am Tag, während ältere, gesunde Menschen einen Energiebedarf von nur 1.800 Kalorien haben.
  • Körperliche Ursachen: Diese ist nicht unbedingt durch eine verminderte Nahrungsaufnahme zu erklären, sondern auch durch körperliche Ursachen. Patienten mit Demenz vom Alzheimertyp haben einen höheren Energiebedarf. Er führt dies auf motorische Unruhe, ruheloses Umhergehen und auf Stress zurück.

Auswirkungen von Gewichtsverlust im Alter

Ein signifikanter Gewichtsverlust ist kein natürlicher Teil des Alterungsprozesses und erhöht das Risiko für Gebrechlichkeit und Todesfälle. Gebrechlichkeit (Frailty) beschreibt einen Zustand aus Muskelschwäche, körperlicher Inaktivität sowie körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung, der zu unverhältnismäßig gravierenden Auswirkungen nach relativ geringfügigen Erkrankungen oder medizinischen Eingriffen führt. Ein niedriges Körpergewicht gehört zu den wichtigsten Risikofaktoren für unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen (UAW) im Alter.

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Diagnose und Abklärung

Zuerst wird ermittelt, wie hoch der Gewichtsverlust über einen bestimmten Zeitraum ist. Dazu können ältere Fotoaufnahmen oder ein Wechsel der Kleidergröße als indirekte Hinweise dienen. Wichtig ist ein regelmäßiges Wiegen und Protokollieren des Gewichtsverlaufes durch die Patient*innen.

Im ärztlichen Gespräch werden Sie gefragt, was und wie viel Sie essen oder ob Appetitlosigkeit, Geschmacksstörungen oder mangelnde Versorgungsmöglichkeiten/Mobilität vorliegen. Es werden allgemeine Symptome wie Erschöpfung, Infektanfälligkeit, Fieber oder Nachtschweiß abgefragt. Weitere wichtige Symptome sind Übelkeit/Erbrechen, Bauchschmerzen, Veränderungen beim Stuhlgang/Blut im Stuhl, vermehrtes Durstgefühl, ein Ausbleiben der Regelblutung oder kognitive Probleme. Eingenommene Medikamente oder (unabsichtliche) Überdosierungen, aber auch bestehende Erkrankungen oder frühere Operationen können Hinweise auf die Ursache für den Gewichtsverlust sein. Sie können zudem gefragt werden, ob Sie Alkohol trinken, rauchen oder Drogen nehmen.

Bei der körperlichen Untersuchung wird der Bauch abgetastet, auf vergrößerte Lymphknoten geachtet, die Mundhöhle untersucht und der Zahnstatus geprüft. Sichtbare Zeichen eines ausgeprägten Gewichtsverlustes sind unpassende Kleidung, tief liegende Augen und prominente Wangenknochen. Es werden mögliche Zeichen von Organerkrankungen von Herz, Lungen, Nieren und Schilddrüse geprüft und ggf. ein Test auf das Vorliegen von Demenzerkrankungen durchgeführt.

Zur Basisuntersuchung gehören außerdem eine Blutentnahme, bei der sich Organfunktionen, Stoffwechselparameter, Blutzucker, Hormone etc. bestimmen lassen, eine Röntgenaufnahme des Brustkorbes, ein Test auf verstecktes Blut im Stuhl, eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums sowie eine Untersuchung des Urins. Sind Untersuchungen notwendig, die nicht in der Hausarztpraxis durchgeführt werden können (z. B. Computertomografie, Koloskopie), werden Sie an Spezialist*innen oder ein Krankenhaus überwiesen. Ergeben sich Hinweise auf eine bestimmte zugrunde liegende Krankheit, sind meist weitere zielgerichtete Untersuchungen dafür nötig.

Bei unklarem Gewichtsverlust und unauffälligen Befunden in der Basisdiagnostik wird eine Beobachtung über einen Zeitraum von 3-6 Monaten empfohlen. Im Falle starker Mangelernährung kann eine Krankenhauseinweisung erwogen werden.

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Maßnahmen und Empfehlungen zur Behandlung und Vorbeugung

Die Behandlungsmaßnahmen richten sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Ergibt sich aus den Untersuchungen eine bestimmte Krankheit (etwa eine Essstörung, eine Krebserkrankung, Herzschwäche oder anderes), wird diese entsprechend behandelt. Die frühzeitige Behandlung von Mangelernährung hat einen positiven Einfluss auf die Sterblichkeit, Erkrankungshäufigkeit sowie Therapieverträglichkeit und Komplikationsrate medizinischer Behandlungen.

Bei multifaktoriellem Gewichtsverlust kann eine interdisziplinäre Behandlung (Zahnärztin, Ernährungsberaterin, Physio- und Ergotherapeutin, Logopädin, Sozialarbeiter*in, ambulanter Pflegedienst), ggf. unter Einbeziehung der Angehörigen sinnvoll sein.

Allgemeine Maßnahmen zur Anpassung der Ernährungsgewohnheiten sind:

  • Ernährungsberatung
  • häufigere und kleinere Mahlzeiten
  • Veränderung/Verbesserung des Geschmacks oder der Konsistenz der Mahlzeiten
  • Essen in Gesellschaft oder mit Unterstützung

Regelmäßige körperliche Aktivität oder Physiotherapie kann bei älteren Patient*innen den Appetit steigern und dem Abbau von Muskelmasse vorbeugen. Medikamentöse Behandlungen sind bei unbekannter Ursache des Gewichtsverlustes von untergeordneter Bedeutung, stattdessen sollte die bestehte Medikation, insbesondere bei Multimedikation, überprüft werden.

Die Datenlage zur (Langzeit-)Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln ist unzureichend, eine proteinreiche Nahrungsergänzung konnte jedoch die Sterblichkeit bei älteren Patient*innen unabhängig vom Gewichtsverlust senken. Nahrungsergänzungsmittel sollten zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden, um den Appetit zu erhalten. Die Wirkung von appetitanregenden Medikamenten ist nicht ausreichend belegt. Sie können zu einer Gewichtszunahme führen, senken jedoch nicht die Sterblichkeit. Künstliche Ernährung kann z. B. bei Tumorerkrankungen oder Multimorbidität notwendig sein.

Spezielle Maßnahmen bei Demenz:

  • Anpassung der Ernährung: Um trotz der veränderten Wahrnehmung einem ungewollten Gewichtsverlust vorzubeugen, bieten sich süße Speisen an. Ebenfalls sehr beliebt bei Demenzerkrankten sind bekannte Gerichte, die sie schon seit vielen Jahren kennen. Farblich ansprechende Gerichte regen zusätzlich den Appetit an. Generell sollte auf die Vorlieben der Betroffenen Rücksicht genommen werden. Um festzustellen, welche Speisen die Erkrankten in der Vergangenheit gern zu sich genommen haben, bietet sich die Erstellung von Essbiografien an.
  • Umfeldgestaltung: In einer angenehmen, ruhigen und zwanglosen Atmosphäre ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Erkrankte die Nahrung verweigern. Außerdem können Patienten die Bewegungsabläufe der anderen Personen am Tisch nachahmen. Die Tatsache, das Essen nicht nur ein Energielieferant, sondern auch ein wichtiges Genusserlebnis ist, sollte nicht außer Acht gelassen werden. Beim Essen werden alle Sinne angesprochen.
  • Hochkalorische Trinknahrung: Wenn Demenzkranke trotz aller Bemühungen weiterhin an Gewicht verlieren, empfiehlt es sich auf hochkalorische Trinknahrung zurückzugreifen um die Ernährungsdefizite auszugleichen, den ungewollten Gewichtsverlust zu stabilisieren oder eine Gewichtszunahme zu unterstützen. Trinknahrung kann als Zwischenmahlzeit angeboten, oder auch in die Speisen eingerührt werden. Leiden Demenzpatienten unter Schluckbeschwerden (Dysphagie), sollten Angehörige Flüssigkeiten mit Trinknahrung verdicken, damit Patienten sich nicht so leicht verschlucken. Trinknahrung ist in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich und kann vom Hausarzt verschrieben werden.
  • Mundgerechte Snacks: Um den hohen Eiweiß- und Kalorienbedarf zu decken, bietet es sich an, mundgerechte Snacks, wie Apfelstücke oder kleine Sandwiches, in Schalen aufzustellen. So haben die Betroffenen die Möglichkeit zu essen, während sie sich bewegen. Am besten ist die Einnahme der Mahlzeiten zu festgelegten Zeiten sowie in Gesellschaft.

Demenz vorbeugen

Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren, die das Entstehen einer Demenz begünstigen können. Durch die Reduzierung dieser Risikofaktoren kann das Demenzrisiko gesenkt werden.

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Risikofaktoren:

  • Erhöhtes Cholesterin - vor allem bei Menschen unter 65
  • Anhaltende Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug und mangelnde Selbstfürsorge
  • Schwere oder wiederholte Kopfverletzungen
  • Bewegungsmangel
  • Typ-2-Diabetes
  • Rauchen
  • Bluthochdruck im mittleren Lebensalter
  • Übergewicht - besonders im mittleren Lebensalter
  • Regelmäßiger, hoher Alkoholkonsum
  • Soziale Isolation
  • Feinstaubbelastung
  • Unbehandelte Sehschwäche

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