Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata genannt, ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem (ZNS) betrifft. Dabei greifen körpereigene Abwehrzellen die Schutzschicht der Nervenfasern (Myelinscheiden) an, was zu Entzündungen und in der Folge zu einer gestörten Nervenfunktion führt. Die Ursachen für diese fehlgesteuerte Reaktion des Immunsystems sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Die Erkrankung manifestiert sich durch vielfältige Symptome, was ihr den Beinamen "Krankheit mit den vielen Gesichtern" eingebracht hat.
Vielfältige Symptome und erste Anzeichen von MS
Die Symptome der Multiplen Sklerose sind sehr unterschiedlich, da Entzündungsherde in verschiedenen Regionen des zentralen Nervensystems auftreten können. Es gibt keine typische Krankheitsgeschichte, und die Symptome variieren stark in ihrem zeitlichen Verlauf, ihrer Ausprägung und Intensität.
Häufige frühe Anzeichen sind:
- Störungen der Gefühlswahrnehmung (Kribbeln, Taubheit) in Armen und Beinen
- Unsicherheit beim Gehen
- Gleichgewichtsstörungen
- Sehstörungen
- Darmentleerungsprobleme
Weitere Beschwerden, die im späteren Verlauf auftreten können, sind:
- Starke Ermüdungserscheinungen (Fatigue)
- Blasenentleerungsstörungen (Drangblase, Harnverhalt, Harninkontinenz)
- Sprechstörungen (undeutliche, verwaschene Sprache)
- Schwäche in den Beinen
- Gangstörungen durch Spastik
- Koordinationsstörungen
- Schmerzen
- Sexuelle Störungen
- Kognitive Störungen (Gedächtnisstörungen)
- Psychische Veränderungen
- Lähmungen (in schweren Fällen)
Verlaufsformen der Multiplen Sklerose
Die Entwicklung der MS kann bei jedem Betroffenen anders verlaufen. Grundsätzlich werden drei Verlaufsformen unterschieden:
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- Schubförmig-remittierender Verlauf (schubförmige MS): Bei etwa 80 % der Betroffenen beginnt die MS mit Schüben, in denen sich bestehende Symptome verschlechtern oder neue hinzukommen. Zwischen den Schüben können sich die Beschwerden vollständig oder teilweise zurückbilden.
- Sekundär chronisch-progredienter Verlauf (sekundär fortschreitender Verlauf): Bei einem Teil der Patienten geht die schubförmige MS nach einigen Jahren in einen Zustand über, in dem die Beschwerden kontinuierlich zunehmen, unabhängig von Schüben.
- Primär chronisch-progredienter Verlauf (primär fortschreitender Verlauf): Bei etwa 10-15 % der Betroffenen nehmen die Symptome von Beginn an schleichend zu, ohne dass Schübe auftreten.
Multiple Sklerose und Magen-Darm-Probleme
Magen-Darm-Probleme sind ein häufiges Begleitsymptom der Multiplen Sklerose. Studien zeigen, dass MS-Patienten oft schon Jahre vor der eigentlichen Diagnose unter verschiedenen Symptomen wie depressiven Verstimmungen, Angstgefühlen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schmerzen und eben auch Magen-Darm-Problemen leiden.
Ursachen für Magen-Darm-Probleme bei MS
Die Ursachen für Magen-Darm-Probleme bei MS sind vielfältig:
- Nervenschädigungen: MS kann die neurologischen Signalwege stören, die für die Steuerung der Darmfunktionen verantwortlich sind. Dies kann zu einer neurogenen Darmfunktionsstörung (NBD) führen. Werden bei MS entsprechende Nervenzellen in den Zentren des ZNS angegriffen oder zerstört, können Störungen im Darm entstehen.
- Veränderungen des Mikrobioms: Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass zwischen MS und der Zusammensetzung der Darmbakterien (Mikrobiom) ein Zusammenhang bestehen könnte.
- Medikamente: Viele Medikamente, die zur Behandlung von MS eingesetzt werden, können sich negativ auf den Verdauungstrakt auswirken und Magen-Darm-Probleme verursachen.
- Weitere Faktoren: Verstopfung kann beispielsweise auch durch Bewegungsmangel oder eine zu geringe Trinkmenge hervorgerufen werden.
Häufige Magen-Darm-Probleme bei MS
Zu den häufigsten Magen-Darm-Problemen bei MS gehören:
- Verstopfung (Obstipation): Der Darm ist weniger angeregt, transportiert den Stuhl langsamer weiter, und der Stuhl dickt ein.
- Blähungen: Durch die Verstopfung kann es zu Blähungen kommen.
- Durchfall: Ist der Darm durch die MS zu stark angeregt, bewegt er sich schneller, der Stuhl wird zügiger weitertransportiert, und Durchfall kann entstehen.
- Darminkontinenz: Ein ungewollter Stuhlabgang kann auftreten, wenn der Schließmuskel aufgrund von Nervenstörungen seine Funktion nicht mehr vollständig erfüllt.
- Sodbrennen und Magenschmerzen: Viele Betroffene berichten von Sodbrennen, Magendrücken und Magenschmerzen, die sich im Liegen oft verschlimmern.
- Luft im Bauch: Ein Gefühl von Luft im Bauch und Druck auf den Magen ist ebenfalls ein häufiges Problem.
Diagnose von Magen-Darm-Problemen bei MS
Um die Ursachen von Magen-Darm-Problemen bei MS abzuklären, ist eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung erforderlich. Der Arzt wird Fragen zu den genauen Beschwerden, den Begleitumständen und der bisherigen Krankengeschichte stellen.
Zusätzlich können folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
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- Stuhlanalyse: Eine Stuhlanalyse kann Aufschluss über die Zusammensetzung der Darmflora und mögliche Entzündungen im Darm geben.
- Gastroskopie und Koloskopie: Bei Verdacht auf eine Magenschleimhautentzündung oder andere Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts können eine Magen- und/oder Darmspiegelung durchgeführt werden.
- Ultraschalluntersuchung: Eine Ultraschalluntersuchung kann helfen, andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.
Behandlung von Magen-Darm-Problemen bei MS
Die Behandlung von Magen-Darm-Problemen bei MS richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und den individuellen Beschwerden.
Allgemeine Maßnahmen, die helfen können, sind:
- Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Ballaststoffen, viel Flüssigkeit und wenig Zucker und Weizen kann die Verdauung verbessern.
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung regt die Darmtätigkeit an.
- Medikamente: Je nach Bedarf können Medikamente zur Behandlung von Verstopfung (Laxantien), Durchfall (Antidiarrhoika), Sodbrennen (Protonenpumpenhemmer) oder Blähungen (Simeticon) eingesetzt werden.
- Probiotika: Die Einnahme von Probiotika kann helfen, die Darmflora zu verbessern.
- Beckenbodentraining: Ein gezieltes Beckenbodentraining kann bei Stuhlinkontinenz helfen.
- Toilettentraining: Ein Toilettentraining kann helfen, den Stuhlgang zu regulieren.
- Transanale Irrigation (TAI): Bei Stuhlinkontinenz kann die TAI eine wirksame Methode sein, um den Darm regelmäßig zu entleeren.
Die Darm-ZNS-Achse und neue Forschungsansätze
Die Forschung hat in den letzten Jahren zunehmend die Bedeutung der Darm-ZNS-Achse für die Entstehung und den Verlauf von Multipler Sklerose erkannt. Es gibt Hinweise darauf, dass die Zusammensetzung der Darmflora einen Einfluss auf das Immunsystem und Entzündungsprozesse im Gehirn haben kann.
Eine vielversprechende Forschungsrichtung ist die Untersuchung des Einflusses von konjugierter Linolsäure (CLA) auf MS. Studien haben gezeigt, dass CLA Entzündungsprozesse im Darm und im Gehirn positiv beeinflussen kann. In einer kleinen Studie erhielten MS-Patienten zusätzlich zu ihrer regulären Therapie sechs Monate lang täglich CLA als Nahrungsergänzung. Danach zeigten sich in ihrem Blut weniger entzündliche Immunzellen.
Es sind jedoch noch weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die genauen Mechanismen und die optimale Dosierung von CLA zu ermitteln. Von Selbstversuchen mit CLA als Nahrungsergänzungsmittel wird daher abgeraten.
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Die Bedeutung einer frühzeitigen Behandlung
Um die Krankheitsaktivität bei Multipler Sklerose von Anfang an so gering wie möglich zu halten und das Gehirn zu schützen, ist es wichtig, frühzeitig auf sichtbare, aber auch unsichtbare Symptome zu reagieren. Je früher die Multiple Sklerose behandelt wird, desto länger können MS-Erkrankte ohne wesentliche Beeinträchtigungen leben.
Wenn Sie erste Anzeichen für eine Funktionsstörung des Darms oder der Blase bei einer MS-Erkrankung spüren, vereinbaren Sie einen Kontrolltermin bei Ihrem Neurologen. Probleme mit der Blase wie häufiger Harndrang oder Harnverhalt können auf eine erste Krankheitsaktivität der MS hinweisen, die schnell behandelt werden muss.
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