Kommunikation mit Demenzkranken in der Pflege: Ein umfassender Leitfaden

Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt und somit die Kommunikation erschwert. Menschen mit Demenz können ihr Verhalten oft nicht mehr bewusst kontrollieren, daher ist es wichtig, dass Pflegekräfte und Angehörige ihr Verhalten fachgerecht deuten und professionell reagieren können. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Kommunikation mit Demenzkranken, einschließlich häufiger Fehler, praktischer Tipps und bewährter Methoden.

Einführung

Die Kommunikation mit Demenzkranken stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Erkrankung die Sprachfähigkeit, das Gedächtnis und die Denkprozesse beeinträchtigt. Im Laufe der Zeit verändert sich die Art und Weise, wie Betroffene kommunizieren, und es ist wichtig, dass Pflegekräfte und Angehörige ihre Kommunikationsstrategien anpassen, um eine wertschätzende und verständnisvolle Umgebung zu schaffen.

Die veränderte Kommunikation bei Demenz

Eine Demenz ist eine chronische Erkrankung, bei der es zu einem Leistungsverlust der höheren Gehirnfunktionen kommt. Die Demenz beeinträchtigt spezielle Gehirnregionen, die in Verbindung mit dem Denken, der Orientierung, dem Gedächtnis und der Sprache stehen - konkret sind das die Großhirnrinde und der Hippocampus. Diese Veränderungen im Gehirn beeinflussen auch im zunehmenden Maße die Kommunikation.

Zu den Demenzsymptomen, die die Kommunikation erschweren, gehören:

  • Wortfindungsstörungen: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden oder diese durch andere zu ersetzen.
  • Probleme mit dem Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnis: Vergessen von aktuellen Ereignissen oder wichtigen Details aus der Vergangenheit.
  • Persönlichkeitsveränderungen: Veränderungen im Verhalten, der Stimmung oder dem Charakter.
  • Verwirrtheit: Schwierigkeiten, sich in Zeit und Raum zu orientieren.
  • Wiederholungen: Ständiges Wiederholen von Fragen oder Aussagen.
  • Ängstlichkeit, Anhänglichkeit oder Aggressivität: Diese können im weiteren Verlauf der Erkrankung auftreten.
  • Misstrauen und Beschuldigungen: Auch diese können im fortgeschrittenen Stadium auftreten.

Allgemeine Regeln für die Kommunikation

Unabhängig vom Stadium der Erkrankung sind Wertschätzung, Akzeptanz und Geduld bei der Kommunikation sehr wichtig. Hier sind einige allgemeine Regeln, die bei der Kommunikation mit Demenzkranken beachtet werden sollten:

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  1. Aktive Ansprache: Demenzkranke sollten bei jeglicher Kommunikation aktiv angesprochen werden, da sie sich oftmals erst durch eine solche bewusste Zuwendung tatsächlich wahrgenommen fühlen. Halten Sie die Kommunikation mit den Pflegebedürftigen auf diese Weise immer wieder aufrecht, auch wenn es banale Alltagsthemen sein sollten.
  2. Einfache Sprache: Sprechen Sie in möglichst einfachen und kurzen Sätzen. Vermeiden Sie jedoch den Telegrammstil und eine verniedlichende Sprache.
  3. Empathie: Versuchen Sie, die Gefühlswelt der anderen Person zu verstehen - auch wenn es im Zeitdruck des Arbeitsalltags manchmal schwierig ist.
  4. Akzeptanz: Akzeptieren Sie die desorientierte Art des Betroffenen und versuchen Sie grundsätzlich nicht, bestimmte Verhaltensweisen zu ändern. Führen Sie auch keine Streitgespräche und Diskussionen.
  5. Blickkontakt: Nehmen Sie Blickkontakt zur dementen Person auf, wiederholen Sie deren Kernaussagen und spiegeln Sie das Verhalten körperlich wider. Vermeiden Sie allerdings Körperkontakt, während Sie sehr höflich und wertschätzend mit der Person umgehen.
  6. Sicherheit vermitteln: Verwirrte alte Menschen leiden oftmals unter Unruhe und Angst, weil ihnen alles unbekannt und nicht nachvollziehbar erscheint. Sie reagieren daher zum Teil extrem negativ unter Unruhe, Lärm oder Hektik.
  7. Gefühle verbalisieren: Versuchen Sie, die Gefühle des Betroffenen zu verstehen und wertschätzend zu verbalisieren (Validation).
  8. Sicherheit vermitteln: Vermitteln Sie den Betroffenen ein Gefühl der Sicherheit, insbesondere wenn sie unter einer allgegenwärtigen Existenzbedrohung leiden.
  9. Selbstwertgefühl stärken: Sprechen Sie Demenzkranke, die sich über ihre geleistete Arbeit definieren, bewusst mit Sätzen wie „Wir brauchen Ihre Mitarbeit“ an und geben Sie positive Rückmeldungen wie „Gute Arbeit!“.
  10. Beziehungsgestaltung: Eine funktionierende Beziehung zwischen Pflegekraft und dementer Person ist das Schlüsselelement für einen positiven Umgang mit Demenzkranken - egal ob im Pflegeheim, im Krankenhaus oder ambulant.

Kommunikation in verschiedenen Stadien der Demenz

Die Kommunikationsstrategien sollten an den Schweregrad der Demenz angepasst werden. Ein Austausch mit den Betroffenen ist in jedem Krankheitsstadium möglich und wichtig - durch Gespräche erfahren sie Anerkennung und Akzeptanz.

Anfangsstadium

Im Anfangsstadium ist die Wahrnehmung in der Regel nur wenig verändert. Allerdings kann es zu Vergesslichkeit oder Problemen mit dem Erinnern an vergangene Ereignisse kommen. Planen Sie mehr Zeit für die Kommunikation ein und bringen Sie dem Betroffenen Gelassenheit und Geduld entgegen. Verwenden Sie eine zugewandte Sprache, die sich auf kurze und einfache Sätze konzentriert.

Fortgeschrittenes Stadium

Im fortgeschrittenen Stadium zeigen sich ausgeprägte Gedächtnis- und Denklücken. Betroffene versuchen nun häufig, eventuell gemachte Fehler abzustreiten oder zu überspielen - womöglich geben sie auch anderen Menschen die Schuld für das Missgeschick. Gehen Sie auf jeden Fall auf die Gefühlslage Ihres Familienmitglieds ein. Ist der Demenzkranke beispielsweise davon überzeugt, dass er einen Freund vom Bahnhof abholen muss, zeigen Sie Verständnis: „Du hast Sorge, den Termin zu verpassen, oder?“ Belehren Sie Ihren Angehörigen nicht, indem Sie beispielsweise darauf beharren, dass niemand am Bahnhof ist.

Weit fortgeschrittenes Stadium

Im weit fortgeschrittenen Stadium kommunizieren viele Menschen nicht mehr mit Worten. Umso wichtiger ist deshalb der Austausch von Berührungen und Emotionen um dem Bedürfnis nach Geborgenheit gerecht zu werden. Beisammen zu sitzen und sich an den Händen zu halten vermittelt eine wichtige Botschaft: Du bist nicht allein!

Schlüsselreize und Emotionen nutzen

Schlüsselreize, also Reize, die ein bestimmtes Verhalten in Gang setzen, sind vor allem dann hilfreich, wenn Demenzkranke Angst empfinden. Sie können Ihrem Angehörigen ein positives Gefühl vermitteln, indem Sie Schlüsselreize nutzen. Dabei ist es wichtig, sich auf Ereignisse im Leben des Betroffenen zu konzentrieren, an die er sich erinnern kann.

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Emotionen spielen eine wichtige Rolle bei der Kommunikation mit Menschen mit Demenz. Betroffene haben sehr feine Antennen für Emotionen - Demenzkranke spiegeln oft bei der Kommunikation das Verhalten von Gesprächspartner:innen wider. Demenziell veränderte Personen nehmen Signale anderer Menschen mittels Körpersprache auf - so können Unruhe, Wut oder gute Laune ansteckend wirken. Gestalten Sie die Demenz-Kommunikation abwechslungsreich, mit Mimik, Berührungen und Gestik. Achten Sie unbedingt darauf, welche Gefühle bei dem Gespräch mitschwingen können.

Validation: Die Gefühlswelt anerkennen

Bei der Kommunikation mit Demenzkranken ist die Validation entscheidend. Das bedeutet, dass Sie die Äußerungen Ihres Familienangehörigen, aber auch seine Handlungen und seine Sichtweisen gelten lassen und nicht korrigieren.

Nonverbale Kommunikation

Die meisten Menschen mit Demenz beherrschen die Körpersprache länger als die Wortsprache: Je größer ihre Probleme mit der verbalen Kommunikation werden, desto öfter versuchen sie, ihre eigenen Botschaften durch Pantomime und Zeigegesten zu übermitteln. Und desto genauer schauen sie auch auf unsere Körpersprache.

Erinnerungsstützen

Solange die Demenz den Betroffenen noch nicht die Fähigkeit genommen hat, Gelesenes zu verstehen, sind kleine Zettel hilfreich, auf denen Informationen zum Alltagsablauf oder Antworten auf häufig gestellte Fragen stehen. Diese Zettel können zum Beispiel am Kühlschrank oder an der Badezimmertür kleben, sodass sie sich im Vorübergehen lesen lassen. Auch ein "Familienposter" mit Fotos aller Haushaltsmitglieder hilft Menschen mit Demenz. Bei jedem Foto steht eine kurze Information, auch zu den Haushaltshilfen und Pflegekräften und sogar zu den Haustieren.

Spezifische Kommunikationsstrategien

  • Klientenzentrierte Gesprächsführung: Diese basiert auf Empathie, Authentizität und Akzeptanz.
  • Validation: Wertschätzung und einfühlsame Akzeptanz der Verhaltensweisen und Äußerungen von verwirrten und dementen Menschen.
  • Basale Stimulation: Ziel ist es, den Erkrankten dazu zu bringen, den eigenen Körper wahrzunehmen, denn dies ist wichtige Voraussetzung, um einen Zugang zu Mitmenschen und der Umwelt aufzubauen.

Umgang mit schwierigen Situationen

  • Aggressivität: Bemühen Sie sich herauszufinden, was der Auslöser für das aggressive Verhalten war, um solche Situationen in Zukunft möglichst zu vermeiden. Versuchen Sie gelassen zu bleiben und die Vorwürfe oder das Verhalten der erkrankten Person nicht auf sich zu beziehen.
  • Unruhe: Menschen mit Demenz sind oft unruhig und laufen immer wieder die gleiche Strecke auf und ab. Daran sollte man sie nicht hindern. Sie können aber versuchen herauszufinden, was dieses Verhalten verursacht.

Biografiearbeit

Biografiearbeit ist insbesondere im Umgang mit Demenz entscheidend. Pflegekräfte sollten offen sein gegenüber der individuellen Vergangenheit aller Pflegebedürftigen. Erinnerungspflege ist für demenzkranke Menschen von größter Bedeutung. Bilder, Geschichten, Gegenstände, Briefe und andere Dinge wecken Erinnerungen.

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Häufige Fehler in der Kommunikation

  • Korrigieren: Menschen mit Demenz sollten nicht ständig korrigiert werden. Stattdessen sollte man sich auf ihre veränderte Wahrnehmung einlassen und versuchen, in ihre Welt einzutauchen.
  • Vorhaltungen: Vorhaltungen darüber, dass die oder der Erkrankte alles vergisst und falsch macht, erzeugen eine Stresssituation und machen die demente Person aggressiv.
  • Diskussionen und Rechthaberei: Vermeiden Sie Diskussionen und Rechthaberei.
  • Ironie und übertragene Bedeutungen: Diese können Menschen mit Demenz nicht nachvollziehen.

Zusätzliche Tipps und Empfehlungen

  • Sprechen Sie klar und in kurzen, knappen Sätzen. Wenn die demente Person Dialekt spricht, tun Sie das nach Möglichkeit auch.
  • Halten Sie Blickkontakt. Über Ihre Gesten und Ihre Emotionen erhält die erkrankte Person zusätzliche Informationen, die ihr das Gespräch erleichtern.
  • Bauen Sie Brücken, indem Sie alles beim Namen nennen. Sagen Sie „dein Sohn Michael“ oder „die Decke“.
  • Loben Sie die Person stattdessen für das, was sie noch kann oder gut gemacht hat. Das gibt der dementen Person die Bestätigung, noch gebraucht zu werden.
  • Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Umgebung.
  • Beziehen Sie die Betroffenen in Alltagsaktivitäten ein.
  • Nutzen Sie Musik, Kunst und andere kreative Ausdrucksformen.
  • Suchen Sie Unterstützung bei Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen.

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