Stress schadet dem Gehirn: Auswirkungen und Wege zur Resilienz

Stress ist ein allgegenwärtiges Phänomen im modernen Leben. Ob am Arbeitsplatz, in der Familie oder durch finanzielle Sorgen - fast jeder Mensch erlebt stressige Phasen. Obwohl Stress an sich nicht negativ ist und uns helfen kann, belastende Situationen zu bewältigen und uns an Veränderungen anzupassen, kann chronischer oder sehr häufiger Stress unser körperliches und psychisches Wohlbefinden beeinträchtigen und sogar das Gehirn schädigen.

Wie Stress das Gehirn beeinflusst

Eine der wichtigsten Hirnregionen für unser Stresserleben ist die Amygdala, das Angstzentrum unseres Gehirns. Sie spielt eine große Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere bei der Entstehung von Wut und Angstgefühlen. Die Amygdala wird aktiv, sobald unser Gehirn eine Situation als neu oder potenziell gefährlich interpretiert. Als Folge wird das Stresshormon Cortisol freigesetzt, wodurch unser Körper in Alarmbereitschaft versetzt wird. Der Blutdruck steigt, die Atmung wird schneller und die Muskeln spannen sich an.

Auswirkungen von anhaltendem Stress auf die Amygdala

Anhaltender Stress führt dazu, dass sich bestimmte Zellen in der Amygdala stärker vermehren und die neuronalen Verbindungen zu anderen Hirnregionen gestärkt werden. Dadurch wird die Amygdala schneller überstimuliert, was zu Überforderung, Hilflosigkeit, Nervosität und Reizbarkeit führen kann. Immer mehr Erinnerungen werden so mit Angst und Gefahr verbunden, wodurch der Cortisolspiegel konstant hoch bleibt. Wenn der Körper dauerhaft auf Gefahr eingestellt ist, hemmt das Gehirn Funktionen, die bei akuter Gefahr nicht notwendig sind.

Auswirkungen auf Hippocampus und präfrontalen Cortex

Wenn die Amygdala durch dauerhaften Stress überstimuliert wird, beeinträchtigt das auch die Funktion anderer Bereiche im Gehirn. Im Hippocampus, der unter anderem für Lernen und Erinnern zuständig ist, werden dadurch weniger Gehirnzellen produziert, was sich negativ auf unser Gedächtnis auswirkt. Zudem ist die Amygdala eng mit dem präfrontalen Cortex verbunden, der wichtig für die Kontrolle von Emotionen und die Beeinflussung unseres Verhaltens ist. Dauerstress führt dazu, dass hier Nervenverbindungen verloren gehen, wodurch unser Urteilsvermögen beeinträchtigt wird und Situationen emotionaler bewertet werden als üblich.

Langfristige Veränderungen in der Hirnstruktur

Langanhaltender Stress bringt unser neuronales Netzwerk aus dem Gleichgewicht und kann zu dauerhaften Veränderungen in unserer Hirnstruktur führen. Die Amygdala wird größer, während der Hippocampus und der präfrontale Kortex schrumpfen. Dies ebnet den Weg für eine Reihe an körperlichen und psychischen Beschwerden wie Erschöpfung, Reizbarkeit, Überforderung, Schlafstörungen und Vergesslichkeit.

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Stress und Gedächtnisstörungen

Stress kann auch Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auslösen, die uns im Alltag massiv beeinträchtigen können. Dazu gehören das Vergessen von Vorhaben, Terminen und Aufträgen, Störungen der Merkfähigkeit und der Konzentration, Wortfindungsstörungen sowie Blockaden beim Abruf von Gedächtnisinhalten. Bei sehr großem, aber auch bei chronischem Stress können Stresshormone die Gedächtniszentrale im Gehirn überlasten, was zu Blockaden und Aussetzern führen kann. Menschen im Stress neigen zudem dazu, innerlich abgelenkt zu sein und über vergangene Konfliktsituationen und zukünftige Schwierigkeiten zu grübeln.

Stress und das episodische Gedächtnis

Das episodische Gedächtnis, in dem sowohl positive als auch negative Erfahrungen unseres Lebens abgespeichert werden, wird durch Stress erheblich verändert. Wiederholter Stress destabilisiert die Synapsen in der für das episodische Gedächtnis wichtigen Hippocampus-Region CA1, sodass die Neuronen zunächst hyperaktiv sind, anschließend Nervenverbindungen verschwinden und sich somit die Kodierung verändert.

Frühkindlicher Stress und seine langfristigen Auswirkungen

Forschende der Mainzer Gutenberg-Universität haben in Tierversuchen einen Mechanismus entschlüsselt, der erklären könnte, wie frühkindlicher Stress das Gehirn auf Dauer schädigt und eine Art Narbe hinterlässt. Durch Stress steigt die Konzentration des Hormons Corticosteron, wodurch die Stromdichte in den Ionenkanälen erhöht wird. Dies beeinträchtigt die Kommunikation zwischen den Zellen, da Ionenkanäle eine wichtige Rolle beim Austausch von Informationen zwischen Gliazellen und Nervenzellen spielen. Zum Teil gehen sogar Strukturen verloren. Diese Veränderungen bleiben lange Zeit nach dem Stress in einer bestimmten Region des Gehirns nachweisbar.

Auswirkungen auf den Hippocampus

Einige der Mäuse, die von ihren Müttern weniger gut umsorgt wurden, zeigten später im Erwachsenenalter bei Tests eine eingeschränkte Gehirnleistung, insbesondere im Hippocampus, der Region, die hauptverantwortlich für das Lernen und das Gedächtnis ist. Diese Mäuse konnten sich schlechter Objekte merken und entwickelten Gedächtnisdefizite.

Die Rolle des Immunsystems bei stressbedingten Veränderungen im Gehirn

Chronischer Stress wirkt sich auch auf das Immunsystem und das Gehirn aus. Forschende der Universität Zürich (UZH) zeigen, dass unter Stress ein bestimmtes Enzym aus Immunzellen ins Gehirn gelangt. Bei Mäusen bewirkt es, dass sie sich zurückziehen und soziale Kontakte meiden, als ob sie depressiv seien. Stress erhöht die Menge des Enzyms Matrixmetalloproteinase 8 (MMP8) im Blut. Vom Blut gelangt MMP8 ins Gehirn und verändert dort die Funktionstüchtigkeit bestimmter Nervenzellen. Bei Stress wandern vermehrt Monozyten - eine bestimmte Art weißer Blutkörperchen - ins Gefäßsystem des Gehirns, besonders in die Regionen des Belohnungszentrums. Diese Immunzellen produzieren das Enzym MMP8. Es verändert das Zellgerüst und stört so die Funktion der Nervenzellen.

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Stress und Gedächtnis: Ein zweischneidiges Schwert

Stress beeinflusst durch die Ausschüttung von Hormonen die Gedächtnisleistung - und das je nach Situation positiv oder negativ. Moderater Stress kann das Lernen fördern, dauerhaft unter Strom zu stehen, mindert jedoch die Gedächtnisleistung. Ist der Stress zu stark, können sich Erlebnisse regelrecht ins Gedächtnis einbrennen, etwa bei einem Unfall.

Der Fokus auf den Rettungsring

Eigentlich ist Stress ein Alarmzustand. Er bereitet den Körper darauf vor, im nächsten Moment zu kämpfen oder zu flüchten. Die Aufmerksamkeit richtet sich dann auf das, was uns bedroht oder was uns retten könnte. Wenn eine Information wichtig ist, um eine Stresssituation zu bewältigen, brennt sie sich offenbar tief in das Gedächtnis ein. Durch die ausgeschütteten Stresshormone konzentrieren wir uns stärker auf den Weg und erinnern ihn später besser. Moderater Stress scheint beim Lernen wie ein Filter zu wirken: Stressrelevante Information fließt besonders schnell in das Gedächtnis. Dagegen blenden wir Eindrücke aus, die nicht mit dem Stressor verknüpft sind.

Die Rolle der Amygdala bei emotionalen Erinnerungen

Verantwortlich für die Verfestigung emotionaler Erinnerungen unter Stress ist die Amygdala, die emotionalen Erinnerungen den Stempel „Wichtig, nicht vergessen!“ aufdrückt. Unter Stress verstärkt das Hormon Cortisol diesen Effekt.

Wege zur Resilienz: Mentale Ressourcen und innere Stärken

Die gute Nachricht ist, dass die schädlichen Wirkungen von Stress auf unseren Körper und Geist weitgehend umkehrbar zu sein scheinen. Körperliche Aktivität, ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Lebensweise und gezielte Entspannung können helfen, den Hippocampus wieder in Schwung zu bringen.

Resilienz entwickeln

Resilienz ist die Fähigkeit, auf die kleinen und großen Belastungen des Lebens schnell, anpassungsfähig und flexibel zu reagieren. Unsere inneren Stärken und Ressourcen bilden die Grundlage für unsere psychische Widerstandskraft. Es ist wichtig, sich auf positive Erfahrungen in schwierigen Situationen zu besinnen, wie Erfolge, Mut, Zufriedenheit, Ruhe, Freude, Sicherheit, Vertrauen, Mitgefühl, Anpassungsfähigkeit, Offenheit, Zuversicht und Kompetenz. Wir können nicht immer die äußere Situation ändern, aber mehr mentale Ressourcen und Stärken in uns identifizieren, die uns helfen, mit schwierigen Situationen besser umzugehen, so dass sie weniger belastend sind.

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Strategien zur Stressbewältigung

Es gibt verschiedene Strategien, um im Alltag besser mit Stress und seinen Folgen umzugehen. Dazu gehören:

  • Achtsamkeit: Achtsamkeitstechniken helfen, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und Stressoren bewusst wahrzunehmen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen.
  • Entspannungstechniken: Progressive Muskelentspannung und Autogenes Training sind bewährte Methoden, um Körper und Geist zu entspannen und Stress abzubauen.
  • Kognitive Verhaltenstherapie: Diese Therapieform hilft, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern, die zu Stress beitragen.
  • Soziale Unterstützung: Der Austausch mit Freunden und Familie kann helfen, Stress abzubauen und neue Perspektiven zu gewinnen.
  • Bewegung und Sport: Regelmäßige körperliche Aktivität kann helfen, Stresshormone abzubauen und die Stimmung zu verbessern.
  • Ausreichend Schlaf: Ein gesunder Schlafrhythmus ist wichtig, um Körper und Geist zu regenerieren und Stress abzubauen.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten kann helfen, den Körper widerstandsfähiger gegen Stress zu machen.

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