Ein Schlaganfall kann vielfältige Einschränkungen verursachen, darunter auch eine Hemiparese (Halbseitenlähmung). Eine häufige Komplikation dabei ist die Subluxation der Schulter, bei der der Oberarmkopf nicht mehr vollständig in der Gelenkpfanne sitzt. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und verschiedene Behandlungsansätze für eine subluxierte Schulter nach einem Schlaganfall.
Ursachen und Entstehung einer Schulterluxation nach Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall kann es aufgrund der Muskelschwäche (Hypotonie) oder Spastik zu einer Instabilität im Schultergelenk kommen. Die Muskulatur, die normalerweise den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne zentriert, ist nicht mehr in der Lage, ihre Funktion ausreichend zu erfüllen.
Folgende Faktoren spielen eine Rolle:
- Hypotonie der Schultermuskulatur: Im anfänglichen hypotonen Stadium nach dem Schlaganfall haben fast alle Patienten eine Subluxation. Durch die fehlende Muskelspannung gleitet der Oberarmkopf nach unten.
- Rumpfinstabilität: Eine eingeschränkte Rumpfstabilität führt zu einer veränderten Position des Schulterblatts (Scapula). Die Scapula rotiert nach medial, und es entsteht eine Scapula alata mit Mediorotation und Retraktion.
- Verlust des "passiven Haltemechanismus": Die schrägen Bauchmuskeln können nicht mehr effektiv zusammenarbeiten, was die Stabilisierung des Rumpfes beeinträchtigt. Dadurch fehlt dem Musculus serratus anterior ein stabiler Punkt zur Fixierung, was wiederum die Muskeln der Scapula beeinflusst und eine Innenrotation (IR) des Arms begünstigt.
- Vorhandensein von Synergien: Flexions- oder Extensionssynergien können den Verlust des humeroskapulären Rhythmus (H-S-R) verursachen, da die notwendige Außenrotation ausbleibt.
- Spastizität: Eine Spastizität kann den Oberarmkopf nach kranial verschieben, wodurch das notwendige Kaudalgleiten verhindert wird.
Symptome einer subluxierten Schulter nach Schlaganfall
Eine subluxierte Schulter muss nicht zwangsläufig schmerzhaft sein. Oftmals ist die Mobilität des Schultergelenks zunächst nicht eingeschränkt. Im klinischen Alltag wird die Schulterproblematik bei Schlaganfallpatienten in drei Kategorien eingeteilt:
- Subluxierte Schulter
- Schmerzhafte Schulter
- Schulter-Hand-Finger-Syndrom
Die schmerzhafte Schulter und das Schulter-Hand-Finger-Syndrom stellen dabei die größten Herausforderungen für Therapeuten und Patienten dar, da sie die Rehabilitation massiv beeinträchtigen können.
Wichtige Aspekte der subluxierten Schulter:
- Betrifft fast zwei Drittel aller Schlaganfallpatienten
- Ist initial oft nicht schmerzhaft
- Volle, schmerzfreie Mobilität kann vorhanden sein
- Kann sich mit wiederkehrendem Muskeltonus zurückbilden
Diagnose einer subluxierten Schulter
Die Diagnose einer subluxierten Schulter erfolgt in der Regel durch eine klinische Untersuchung. Dabei wird der Abstand zwischen dem Akromion (Schulterdach) und dem Oberarmkopf (Caput humeri) beurteilt. Bei einer Subluxation ist dieser Abstand vergrößert. Röntgenaufnahmen können zusätzlich angefertigt werden, um den Grad der Subluxation zu dokumentieren und andere Ursachen für die Schulterproblematik auszuschließen. Eine MRT-Untersuchung kann weitere Verletzungen der Schulter, wie z.B. Risse der Gelenkkapsel oder des Labrums, aufzeigen.
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Behandlungsziele und Therapieansätze
Das Hauptziel der Behandlung einer subluxierten Schulter nach Schlaganfall ist die Vermeidung von Schmerzen und die Wiederherstellung der biomechanischen Funktion des Schultergürtels.
Die wichtigsten Behandlungsziele sind:
- Schmerzfreiheit: Die Subluxation darf nicht schmerzhaft werden.
- Biomechanische Wiederherstellung: Durch den Aufbau von Muskeltonus in der Rumpf- und Schultergürtelmuskulatur soll die normale Position des Schulterblatts und des Oberarmkopfes wiederhergestellt werden.
- Erhaltung der Schultermobilität: Die Beweglichkeit des Schultergelenks soll erhalten oder verbessert werden.
Verschiedene Therapieansätze kommen in Frage:
- Bobath-Konzept: Das Bobath-Konzept ist ein umfassender Therapieansatz, der darauf abzielt, die sensomotorischen Funktionen des Patienten zu verbessern. Ein wichtiger Bestandteil ist die Stabilisierung des Rumpfes, um eine bessere Kontrolle der Schulter zu ermöglichen.
- Manuelle Therapie: Durch manuelle Techniken können Gelenkblockaden gelöst und die Beweglichkeit der Scapula verbessert werden.
- Funktionelle Elektrostimulation (FES): FES kann eingesetzt werden, um die Muskulatur rund um das Schultergelenk zu aktivieren und den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne zu zentrieren.
- Orthesen: Schulterorthesen können eine unterstützende Funktion haben, indem sie den Arm stabilisieren und die Subluxation reduzieren.
- Neuro-Lux®-Orthese: Diese dynamische Funktionsorthese dient zur Sicherung des Schultergelenks bei schlaffen und spastischen Paresen der Schultermuskulatur. Studien haben gezeigt, dass die Neuro-Lux®-Orthese eine signifikante klinische Wirksamkeit bei der Vermeidung bzw. Minderung eines bestehenden Schulter-Arm-Syndroms (SHS) aufweist.
- Omo Neurexa: Eine weitere Schulterorthese von Otto Bock, die positiv überrascht.
- Hals-Arm-Schlinge: Klassische Hals-Arm-Schlingen werden zur Ruhigstellung eingesetzt, beispielsweise nach einer Schulterluxation. Im Rahmen der Rehabilitation einer Armparese ist die Immobilisation des betroffenen Arms durch eine Hals-Arm-Schlinge jedoch problematisch, da diese eine effektive Therapie verhindert und den erlernten Nichtgebrauch fördert.
- Taping: Das Taping der subluxierten Schulter kann den Schmerzbeginn verzögern, jedoch keine Schmerzabnahme erreichen.
- Schmerzmanagement: Bei einer schmerzhaften Schulter ist ein adäquates Schmerzmanagement wichtig. Dies kann durch Medikamente, lokale Injektionen oder physikalische Maßnahmen erfolgen.
- Angepasste Lagerung: Eine korrekte Lagerung des Arms ist wichtig, um eine weitere Subluxation zu vermeiden.
Konservative und operative Therapie
Ob eine konservative oder operative Therapie in Frage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Ausmaß der Verletzung und dem Aktivitätsniveau des Patienten.
Konservative Therapie:
Die konservative Therapie beinhaltet in der Regel:
- Physiotherapie: Übungen zur Kräftigung der Schultermuskulatur und Verbesserung der Beweglichkeit.
- Ergotherapie: Training alltagsrelevanter Tätigkeiten.
- Schmerzmanagement: Medikamentöse oder nicht-medikamentöse Schmerzlinderung.
- Orthesenversorgung: Unterstützung des Schultergelenks durch eine Orthese.
Operative Therapie:
Eine Operation kann notwendig sein, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichend sind oder wenn Begleitverletzungen vorliegen, wie z.B. ein Riss des Labrums oder knöcherne Verletzungen.
Mögliche operative Eingriffe sind:
- Arthroskopische Stabilisierung: Dabei werden die verletzten Strukturen, wie z.B. das Labrum, wieder an der Gelenkpfanne befestigt.
- Knochenblock-Operation: Bei großen knöchernen Defekten der Gelenkpfanne wird ein Knochenspan aus dem Beckenkamm entnommen und zur Stabilisierung der Schulter eingesetzt.
Schulterkräftigung
Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist die Kräftigung der Schultermuskulatur. Dies kann durch verschiedene Übungen erreicht werden:
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- Training an Geräten: Gezieltes Krafttraining an speziellen Geräten.
- Freie Bewegungen mit Hanteln: Übungen mit leichten Hanteln zur Kräftigung der Muskulatur.
- Kräftigung durch elastische Bänder: Übungen mit elastischen Bändern zur Verbesserung der Muskelkraft und Stabilität.
Einige Übungen können nach Absprache mit dem Physiotherapeuten auch zuhause durchgeführt werden.
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