Nervus Suralis: Anatomie, Funktion, Diagnostik und Klinik

Der Nervus suralis ist ein wichtiger peripherer Nerv, der eine entscheidende Rolle bei der sensiblen Versorgung des Unterschenkels und Fußes spielt. Dieser Artikel beleuchtet umfassend die Anatomie, Funktion, diagnostische Bedeutung und klinische Relevanz des Nervus suralis.

Einführung

Der Nervus suralis verläuft entlang der Rückseite des Unterschenkels und versorgt die Haut der äußeren Wade und des lateralen Fußrandes sensibel. Aufgrund seiner leicht zugänglichen Lage wird er häufig in der Diagnostik und für Nervenbiopsien genutzt. Zudem spielt der Nerv eine wichtige Rolle bei der Schmerzwahrnehmung und sensorischen Defiziten, etwa bei Polyneuropathien oder Verletzungen des peripheren Nervensystems.

Anatomie und Entstehung

Der Nervus suralis ist ein rein sensibler Nerv, der hauptsächlich aus Ästen des Nervus tibialis und des Nervus fibularis communis gebildet wird. Genauer gesagt, entsteht er aus der Vereinigung des Nervus cutaneus surae medialis (ein Ast des Nervus tibialis) und des Nervus cutaneus surae lateralis (ein Ast des Nervus fibularis communis). Diese Vereinigung findet distal der Kniekehle statt.

Makroanatomie: Entstehung des N. Suralis

Der Nervus suralis entsteht aus der Vereinigung von Fasern aus dem N. tibialis und dem N. fibularis (alte Bezeichung: N. peronaeus) distal der Kniekehle. Die Höhe der Vereinigung variiert jedoch erheblich. In etwa der Hälfte der Fälle findet die Vereinigung in der Mitte des Unterschenkels statt, in etwa einem Viertel am distalen Unterschenkel und in etwa einem Viertel am Außenknöchel. In etwa 1/3 der Fälle entsteht der Nerv nur aus dem N. tibialis.

Anatomische Variationen:

  • Typ A: Häufigster Typ, bei dem die Verbindung der Fasern aus dem N. cutaneus surae medialis und N. cutaneus surae lateralis in der Mitte des Unterschenkels stattfindet.
  • Typ B: Die Verbindung der Fasern aus dem N. fibularis ist weiter distal als in Typ A.
  • Typ C: Der N. suralis entsteht nur aus dem N. tibialis.
  • Typ D: Der N. suralis entsteht nur aus dem N. fibularis und liegt lateral der Achillessehne.

Selten (ca. 1%) entsteht der N. suralis direkt aus dem N. ischiadicus in der Kniekehle. Ein rechts / links-Unterschied dieser Varianten wird mit ca. 10% angegeben. Der N. suralis kann in ca. 8% der Fälle fehlen.

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Verlauf

Nach seiner Entstehung verläuft der Nervus suralis entlang der Rückseite des Unterschenkels, meist zwischen den Köpfen des Musculus gastrocnemius. Er zieht dann weiter in Richtung des lateralen Knöchels (Malleolus lateralis) und verläuft von dort entlang des lateralen Fußrandes.

Sensorische Innervation

Der N. suralis ist ein rein sensibler Nerv, der hauptsächlich für die Hautsensibilität an der lateralen Wade und des äußeren Fußrandes verantwortlich ist. Er innerviert vor allem die Haut an der Dorsalseite des Unterschenkels und des lateralen Fußrands. Der Nerv vermittelt Empfindungen wie Berührung, Schmerz und Temperatur in den versorgten Bereichen. Die sensible Innervation erstreckt sich über die Außenkante des Fußes bis zur Fußsohle und zur 5. Zehe. Teilweise werden auch die 4. bis 3. Zehe sensibel innerviert.

Funktion

Die Hauptfunktion des Nervus suralis besteht in der Vermittlung von sensorischen Informationen aus dem lateralen Unterschenkel und dem Fußrücken. Dies umfasst die Wahrnehmung von Berührung, Temperatur, Schmerz und Druck in diesen Regionen. Aufgrund seiner rein sensorischen Funktion ist der N. suralis auch in klinischen Untersuchungen und Nervenbiopsien von Bedeutung.

Diagnostische Bedeutung

Der Nervus suralis spielt eine wichtige Rolle in der Diagnostik verschiedener neurologischer Erkrankungen, insbesondere bei Polyneuropathien.

Nervenbiopsie

Der Nervus suralis wird oft für Nervenbiopsien verwendet, da er leicht zugänglich ist und durch seine Entnahme nur ein kleines Hautareal beeinträchtigt wird. Dies macht ihn wertvoll bei der Diagnose von Neuropathien wie der chronisch-entzündlichen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) und Vaskulitiden.

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Neurographie

Die Neurographie des N. suralis ist ein wichtiges diagnostisches Verfahren zur Beurteilung der Nervenleitgeschwindigkeit und der Funktion des Nervs. Sie dient der Unterscheidung zwischen axonalen und demyelinisierenden Läsionstypen bei Polyneuropathien. Der N. suralis ist einer der neurographisch meist untersuchten sensiblen Nerven.

Methodische Grundzüge der Neurographie sensibler Nerven:

Bei der Neurographie des N. suralis wird der Nerv entweder orthodrom (in Richtung der normalen Nervenleitung) oder antidrom (entgegen der normalen Nervenleitung) stimuliert. Die Ableitung des Nervenantwortpotenzials erfolgt typischerweise 12-15 cm proximal und lateral der Achillessehne. Dazu werden Oberflächen- oder Nadelelektroden genutzt.

Technische Parameter der Neurographie des N. suralis:

  • Stimulationsort: Zwischen Außenknöchel und Ferse
  • Referenz: Ca. 2-3 cm distal der Ableitelektrode an der Fußaußenkante
  • Reizdauer: 0,1-0,2 ms
  • Reizfrequenz: < 5 Hz
  • Reizstärke: Das 3-4-fache der sensiblen Schwelle

Einflussfaktoren auf die Messung:

Die Amplitude des sNAP (sensibles Nervenaktionspotential) wird durch den Abstand zwischen Nerv und Ableitelektrode beeinflusst. Bereits bei wenigen Millimetern Abstand nimmt die Amplitude massiv ab, ca. von 50% der Amplitude.

Normalwerte:

Normalwerte der Neurographie des N. suralis werden als Mittelwert ± 2x Standardabweichung angegeben. Es ist wichtig zu beachten, dass Normalwerte nur so gut sind wie ihre Erhebung und deren Nachvollziehbarkeit. Die NLG (Nervenleitgeschwindigkeit) des N. suralis stimmt mit einer normalen Leitgeschwindigkeit von rund 40 m/s gut überein. Die Amplitude des sNAP wird mit deutlichen Unterschieden mitgeteilt (antidrom: 6-10 µV; orthodrom: ca. 20 µV).

Einfluss von Alter, Geschlecht, Körpergröße und Temperatur:

Die NLG und die Amplitude des sNAP sind deutlich vom Lebensalter abhängig. Auch Körpergröße und Geschlecht haben einen Einfluss. Eine Abnahme der Amplitude und NLG wurde bei Abkühlung und Ableitung ermittelt.

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Retest-Reliabilität:

Unter besten Wiederholungsbedingungen gibt es Abweichungen von im Mittel 5 bzw. 7% für die NLG und 20 bzw. 40% für die Amplitude des sNAP (antidrom bzw. orthodrom).

Orthodrome vs. Antidrome Technik:

Beide Techniken sind für die Messung der Latenz geeignet. Zur Stimulation wird in orthodromer Technik weniger Reizstärke benötigt.

Oberflächenelektrode vs. Nadelelektrode:

Nadelelektroden liegen näher am Nerv und der Ableitelektrode.

Klinische Relevanz

Der Nervus suralis kann von verschiedenen Erkrankungen betroffen sein, die zu sensorischen Störungen führen können.

Läsionen des Nervus Suralis

Eine Läsion des Nerven äußert sich mit Sensibilitätsstörungen am lateralen Fußrand und der Wade. Verletzungen des Nerven führen typischerweise zu Gefühlsstörungen oder Taubheit im innervierten Bereich.

Periphere Neuropathien

Periphere Neuropathien sind eine häufige Ursache für Erkrankungen des Nervus suralis. Dazu zählen:

  • Diabetische Polyneuropathie: Bei Patienten mit Diabetes ist in ca. 50% der Fälle eine axonale Degeneration des N. suralis die Ursache der Polyneuropathie, in ca. 30% eine Demyelinisierung und in ca. 20% eine Kombination aus beidem.
  • Chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP): Die Neurographie zeigt typischerweise eine Demyelinisierung mit reduzierter NLG, mit oder ohne Konduktionsblöcke und temporale Dispersion.
  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Die Neurographie zeigt eine distal betonte Demyelinisierung und axonale Degeneration.
  • Vaskulitis peripherer Nerven: Beim Verdacht auf eine Vaskulitis peripherer Nerven ist die Biopsie des N. suralis indiziert.

Kompressionssyndrome

Auch Kompressionssyndrome können den Nervus suralis betreffen und zu Beschwerden führen.

Sural-Sparing-Muster

Ein Sural-sparing-Muster, d.h. eine erhaltene Amplitude des N. suralis gegenüber einer deutlich erniedrigten Amplitude anderer Nerven, kann bei bestimmten Polyneuropathien beobachtet werden.

Small-Fiber-Neuropathie

Bei der Small-Fiber-Neuropathie, die durch den Verlust von Aδ- und C-Fasern gekennzeichnet ist, sollte die Neurographie des N. suralis normal sein.

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