Synapsen, Gehirn und Depression: Ein komplexer Zusammenhang

Depressionen sind eine weit verbreitete psychische Erkrankung, die Millionen von Menschen weltweit betrifft. Um die Entstehung und Behandlung von Depressionen besser zu verstehen, ist es wichtig, die komplexen Zusammenhänge zwischen Synapsen, Gehirn und Depression zu beleuchten.

Wie Depressionen entstehen: Ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren

Die Entstehung einer Depression ist ein komplexer Prozess, der durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren beeinflusst wird. Neben psychosozialen Auslösern spielen auch körperliche Ursachen, insbesondere neurobiologische Veränderungen im Gehirn, eine wichtige Rolle.

Neurobiologische Veränderungen im Gehirn

Jedes Gefühl, jede Stimmung, jeder Gedanke, jede Wahrnehmung und jedes Verhalten geht mit einem besonderen Aktivitätsmuster der Nervenzellen im Gehirn einher. Die innerhalb einer Nervenzelle entstehende Aktivität wird über Axone zu vielen anderen Nervenzellen weitergeleitet. Zwischen den Nervenzellen besteht jedoch keine direkte Verbindung. Um den Reiz zur nächsten Nervenzelle weiterzuleiten, werden über Synapsen Botenstoffe (Neurotransmitter) in den synaptischen Spalt ausgeschüttet. Diese Botenstoffe aktivieren Kontaktstellen (Rezeptoren) an den nachgeschalteten Zellen und leiten so die Aktivität weiter.

Die Rolle von Neurotransmittern

Es gibt viele verschiedene Botenstoffe, die Hirnfunktionen beeinflussen. Einer davon, der mit Depression in Verbindung gebracht wird, ist Serotonin. Da die meisten Antidepressiva die Wirkung des Serotonins beeinflussen, wird angenommen, dass eine Störung im Serotoninsystem eine Rolle bei der Depressionsentstehung spielt. Die Vorstellung, es würde schlicht ein Mangel an Serotonin vorliegen, ist jedoch zu simpel.

Genetische Veranlagung

Im Zusammenhang mit der Frage nach den Ursachen einer Depression kommt oft die Frage nach der Vererbbarkeit der Erkrankung auf. Es gibt jedoch kein einzelnes "Depressionsgen", das hauptverantwortlich für die Erkrankung ist. Bei eineiigen Zwillingen leiden in circa 50 % der Fälle beide Zwillinge an einer depressiven Erkrankung. Das bedeutet aber auch, dass die Gene nicht alles erklären können.

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Stress und Cortisol

Wer häufig gestresst ist und den Spannungspegel nicht rechtzeitig wieder herunterfahren kann, leidet in der Folge öfter unter Depressionen als weniger gestresste Menschen. Das Stresshormon Cortisol versetzt den Organismus in Alarmzustand, kann aber auch Depressionen hervorrufen. Bei einem permanent erhöhten Cortisolspiegel kann das Volumen des Hippocampus abnehmen. Der Hippocampus ist der Teil des Gehirns, in dem neue Gedächtnisinhalte gespeichert und gleichzeitig Emotionen verarbeitet und gesteuert werden. Schrumpft er, begünstigt dies offensichtlich die Entstehung einer Depression.

Weitere Faktoren

Akute psychosoziale Belastungen, wie Verlust oder Tod einer Bezugsperson, treten vermehrt vor dem Beginn einer Depression auf. Auch körperliche Erkrankungen, z.B. Schilddrüsenfunktionsstörungen, oder soziale Aspekte können eine Depression mit verursachen. Es kommt zu neurobiologischen Veränderungen im Hirnstoffwechsel, die oftmals in eine Depression münden.

Was passiert bei einer Depression im Gehirn?

Bei einer Depression sind verschiedene Hirnbereiche und biochemische Prozesse betroffen.

Beteiligte Hirnregionen

Zu den bekannten Hirnbereichen, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung depressiver Symptome beteiligt sind, gehören:

  • Amygdala (Mandelkern): Zuständig für die Entstehung von Emotionen und das Emotionsgedächtnis. Volumenveränderungen der Amygdala stehen in Zusammenhang mit Depressionen.
  • Limbisches System: Wirkt auf die Stressregulation, Empfindung und Verarbeitung von Emotionen ein. Bei depressiven Patienten wurde hier eine veränderte Aktivität festgestellt.
  • Hypothalamus: Wichtig für Appetit, motivationales Verhalten, Schlafrhythmus, Hormonregulation und Libido. Studien konnten zeigen, dass der Hypothalamus bei depressiven Patienten vergrößert ist.
  • Großhirnrinde (Cortex): Insbesondere der präfrontale Cortex und andere Areale, die in höhere kognitive Leistungen involviert sind.

Wichtig ist, dass für die Entstehung depressiver Symptome nie nur einzelne Hirnareale verantwortlich sind, sondern das Zusammenspiel von Netzwerken im Gehirn fehlreguliert ist.

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Veränderungen auf Ebene der Nervenzelle

Die wichtigsten in Verbindung mit Depressionen stehenden biochemischen Bestandteile sind die Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Eine der Ursachen einer Depression kann ein zu niedriger Monoamin-Spiegel (Serotonin, Dopamin und Noradrenalin) im synaptischen Spalt sein. Daraus folgen Störungen neuronaler Schaltkreise und eine beeinträchtigte neuronale Reizübertragung.

Obduktionsbefunde zeigen, dass bei depressiven Patienten eine erhöhte Dichte bestimmter Noradrenalin-Rezeptoren in der Hirnrinde (Cortex) zu finden ist. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das System versucht hat, den Mangelzustand an Noradrenalin durch eine Erhöhung der postsynaptischen Rezeptordichte auszugleichen, um jedes Molekül aufzufangen.

Es können jedoch unterschiedliche Formen gestörter Neurotransmitter-Aktivität vorliegen. Der Mechanismus ist nicht bei allen Betroffenen gleich, sondern muss individuell betrachtet werden.

Veränderungen im Hormonsystem

Die hormonelle Stress-Achse (HPA-Achse) zeigt bei einer Depression ebenfalls Veränderungen. Eine chronische Aktivierung der HPA-Stress-Achse dient als Nährboden vieler Erkrankungen, vermutlich auch der Depression.

Die Geschlechtshormone haben neben den Stresshormonen offensichtlich auch Einfluss. Frauen sind öfter betroffen durch ein erhöhtes Risiko während Hormonumschwüngen, wie bei der Menarche, Menstruation, Schwangerschaft, Geburt oder Menopause.

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Verminderte synaptische Plastizität

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg wiesen nach, dass sich Nervenzellen im Gehirn während der depressiven Episoden langsamer neu vernetzen - und sich damit das Gehirn schlechter an neue Reize anpassen kann. Mit dieser als synaptische Plastizität bezeichneten verminderten Anpassungsfähigkeit lassen sich viele Symptome einer Depression erklären.

Neurobiologische Gemeinsamkeiten zwischen Angst, Panik und Depression

Ungeachtet dessen, welche individuellen Zusammenhänge die Erkrankung verursacht haben, entstehen sowohl bei Depression wie bei Angst und Panik biochemische Veränderungen im zentralen Nervensystem. Bei beiden psychischen Erkrankungen liegt ein Ungleichgewicht im Neurotransmitter-Haushalt vor, insbesondere ein Serotonin-Mangel. Zudem sind die Aktivität und manchmal sogar das Volumen bestimmter Hirnareale verändert, was die Schaltkreise und Netzwerke des Gehirns in ihrer normalen Funktion beeinträchtigt. Außerdem liegt bei Angst und Depression eine veränderte synaptische Plastizität vor. Zu einem höheren Risiko für Depression und Angsterkrankungen führt laut aktueller Studien eine relativ häufige Veränderung im Gen für die Synthese des Proteins BDNF (brain-derived neurotrophic factor), welches neuronales Wachstum fördert. Eine veränderte neuronale Plastizität bedeutet, dass weniger Neuronen gebildet werden, weniger Synapsen als neue Verknüpfung entstehen und Neuronen über dendritische Verästelungen weniger stark verbunden sind. Zuletzt ist die Überaktivierung der HPA-Achse und die damit verbundene übermäßige Ausschüttung von Cortisol bei Angsterkrankungen und Depressionen ähnlich vorhanden. Wobei schwierig zu beurteilen ist, ob die Übererregung der Stress-Achse die Angst oder Depression ausgelöst hat oder umgekehrt. Generell gilt: Eine veränderte Biochemie kann sowohl Ursache wie Wirkung der Erkrankung sein. Sie kann einerseits, etwa angeborenermaßen, die Krankheit (mit)verursachen, sie kann andererseits eine erst durch die Erkrankung eingetretene Folge sein.

Therapieansätze und Forschung

Medikamentöse Behandlung

Durch eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva kann direkt auf diese neurobiologischen Ungleichgewichte eingewirkt werden. Die Medikamente zielen meistens darauf ab, die Konzentration der Botenstoffe im synaptischen Spalt zu erhöhen und dadurch die Kommunikation zwischen den Nerven wieder auf die Bahn zu bringen.

Psychotherapie

Derzeit untersuchen die Mannheimer Forscher, ob sich Psychotherapien ähnlich auf biochemische Prozesse im Hirn auswirken wie medikamentöse Behandlungen. Sie vermuten, dass die Neuronen unter der Therapie neue synaptische Kontakte knüpfen - und wollen dies mit Hilfe der Magnetresonanz-Spektroskopie darstellen.

Weitere Forschungsansätze

Das Team des DZNE arbeitet in einem internationalen Konsortium mit Partnern aus Europa und Kanada zusammen. Das Konsortium verfolgt einen multidisziplinären und translationalen Ansatz, der präklinische und klinische Arbeiten als auch humane Studien an depressiven Patienten mit neurobiologischen Grundlagenwissenschaften vereint. Die beteiligten Wissenschaftler werden neueste Techniken einsetzen um die Mechanismen der Mikroglia-Synapsen Fehlfunktion bei Depressionen zu ergründen.

Bedeutung des Kontexts

Die Wirkmechanismen antidepressiver Substanzen, wie Neuro- und Metaplastizität, die Veränderung negativer kognitiver Verzerrungen und die Stabilisierung von Neurotransmitterdysbalancen, hängen stark von Interaktionen mit der Umwelt, anderen Menschen und dem eigenen Körper ab. Anstatt diese Kontextfaktoren grob als Placeboeffekte einzuordnen, sollten sie in der präklinischen und klinischen Forschung sowie in der Versorgung stärker berücksichtigt und untersucht werden.

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