Synkope vs. Epilepsie: Ein umfassender Überblick

Anfallartige Ereignisse stellen in der Notfallmedizin eine häufige Herausforderung dar. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Anfallsursachen, insbesondere zwischen Synkopen und epileptischen Anfällen, ist entscheidend für die richtige Diagnose und Behandlung. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede zwischen Synkopen und Epilepsie, um eine fundierte Einschätzung in Notfallsituationen zu ermöglichen.

Einführung

Die Diagnose von Anfallsleiden kann komplex sein, insbesondere wenn die anamnestischen Angaben unklar sind. Symptome, die neurologische oder psychische Funktionen betreffen, werden oft als TIA (transitorisch ischämische Attacke) oder Krampfanfall fehldiagnostiziert. Um eine adäquate Einschätzung zu gewährleisten, ist eine umfassende Differenzialdiagnostik erforderlich, die auch grenzüberschreitende Aspekte aus benachbarten Disziplinen berücksichtigt.

Definitionen und Abgrenzungen

Attacke/Anfall

Der Begriff "Attacke" oder "Anfall" beschreibt ein zeitlich umschriebenes Ereignis mit abnormer Symptomatik. "Umschrieben" bedeutet, dass Beginn und Ende nicht abrupt sein müssen, sondern sich die Symptomatik graduell aufbauen und abklingen kann. "Abnorm" bedeutet, dass die Symptomatik keine normale Reaktion auf Umweltbedingungen oder interne Signale darstellt. Die Dauer kann von Sekunden bis Stunden reichen.

Synkope

Synkopen sind kurzzeitige Ohnmachten (Sekunden bis wenige Minuten), die durch eine globale Drosselung der Hirndurchblutung verursacht werden. Sie sind ein häufiges Phänomen, das etwa ein Drittel aller Menschen mindestens einmal im Leben erlebt. Synkopen machen etwa 3 % der Notarztkonsultationen und 1-6 % der Krankenhausaufnahmen aus.

Epilepsie

Epilepsien sind Erkrankungen des Gehirns, die durch spontan auftretende epileptische Anfälle gekennzeichnet sind. Jeder Mensch hat ein gewisses Risiko, im Laufe seines Lebens einen epileptischen Anfall zu erleiden (ca. 5 %). Epilepsien sind chronische Erkrankungen, bei denen das Gehirn dazu neigt, spontan epileptische Anfälle auszulösen.

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Differenzialdiagnostik: Synkope vs. Epileptischer Anfall

Die Unterscheidung zwischen Synkopen und epileptischen Anfällen ist entscheidend, da sie unterschiedliche Ursachen und Behandlungsansätze erfordern.

Anamnese

Die Anamnese ist der erste und wichtigste Schritt zur Identifizierung der Anfallsentität. Dabei werden der Patient und mögliche Anfallszeugen nacheinander interviewt. Zunächst sollte der Patient die Möglichkeit haben, seine Erinnerungen an das Anfallsgeschehen mit seinen eigenen Worten zu schildern. Anschließend erfolgt eine gezielte Befragung, um ein vollständiges und präzises Bild der Semiologie und der prä- und postiktalen Phase zu erhalten.

Sheldon-Score I

Ein hilfreiches Instrument zur Differenzierung von Epilepsie und Synkope ist der Sheldon-Score I (siehe Tabelle 1). Dieser Score berücksichtigt verschiedene anamnestische Angaben, um eine zuverlässige Verdachtsdiagnose zu stellen.

VariablePunktzahl
Vorwarnzeit > 5 Sekunden2
Situation: Stehen2
Auslöser: Schmerz, Angst, Anblick von Blut2
Blässe1
Schwitzen1
Übelkeit1
Kopfschmerzen nach dem Ereignis-1
Zungenbiss-2
Muskelkater-2

Ein hoher Score deutet auf eine Synkope hin, während ein niedriger Score eher für einen epileptischen Anfall spricht.

Semiologie

Die Semiologie beschreibt das Muster der aufgetretenen Symptome in den verschiedenen neurologischen oder psychischen Funktionsbereichen. Dabei ist es zweckdienlich, Veränderungen des Bewusstseins, des Verhaltens, der Kognition, der Wahrnehmung, der Motorik, des Affektes und im Vegetativum getrennt zu beschreiben.

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Bewusstseinsverlust

Bei Synkopen kommt es zu einem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust aufgrund einer Minderdurchblutung des Gehirns. Bei epileptischen Anfällen ist das Bewusstsein ebenfalls beeinträchtigt, jedoch aufgrund einer übermäßigen neuronalen Aktivität.

Motorische Phänomene

Motorische Phänomene wie Zuckungen oder Krämpfe können sowohl bei Synkopen (konvulsive Synkopen) als auch bei epileptischen Anfällen auftreten. Bei Synkopen sind die Zuckungen oft diskret und asynchron, während sie bei epileptischen AnfällenGeneralisierter tonisch-klonischer Anfall kann heftig und synchron sein.

Prä- und postiktale Phase

Die prä- und postiktale Phase können wichtige Hinweise auf die Anfallsursache liefern. Eine Präsynkope, die sich durch Unwohlsein, Benommenheit oder Schwindel äußert, deutet auf eine Synkope hin. Eine verzögerte Reorientierung nach dem Anfall spricht eher für einen epileptischen Anfall.

Basisdiagnostik

Zur obligatorischen Basisdiagnostik von Anfällen gehören neben der Anamnese die körperliche und die zumindest orientierende neurologische Untersuchung sowie ein 12-Kanal-EKG. Bei Ohnmachtsanfällen wird auch ein Stehtest empfohlen, um frühzeitig eine orthostatische Hypotension zu erkennen.

Differenzierung im Notfall

Im Notfall ist es entscheidend, schnell eine Verdachtsdiagnose zu stellen, um die geeigneten Maßnahmen einzuleiten. Gezielte Fragen nach den Umständen des Anfalls, Vorboten, Auslösern und der Dauer der Episode können bei der Abgrenzung der Ursachen helfen.

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Synkope

Synkopen sind meist durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bedingt. Es gibt verschiedene Formen von Synkopen, darunter vasovagale, kardiale und orthostatische Synkopen.

Epileptischer Anfall

Bei epileptischen Anfällen liegt die Ursache im Gehirn, wenn sich Gruppen von Neuronen pathologisch synchronisiert immer wieder entladen. Es gibt verschiedene Formen von epileptischen Anfällen, darunter fokale und generalisierte Anfälle.

Psychogener Nicht-Epileptischer Anfall (PNEA)

Psychogene nicht-epileptische Anfälle (PNEA) sind Anfälle mit psychischen Ursachen, die oft mit epileptischen Anfällen verwechselt werden können. Sie gehen nicht auf neuronale Überaktivierungen zurück.

Ursachen von Synkopen

Synkopen können verschiedene Ursachen haben, die in neurogene und kardiale Ursachen unterteilt werden können.

Neurogene Synkopen

Neurogene Synkopen entstehen durch eine Fehlregulation des autonomen Nervensystems. Die häufigste Form ist die vasovagale Synkope, bei der es durch Vagusaktivierung und Sympathikushemmung zu Bradykardie, Vasodilatation und Blutdruckabfall kommt. Auslöser können verschiedene Reize oder Situationen sein, wie langes Stehen oder viszerale Reizung.

Eine weitere Form ist die neurogene orthostatische Hypotension, bei der es aufgrund einer Insuffizienz des Gefäßsympathikus zu einem Blutdruckabfall beim Aufstehen kommt.

Kardiale Synkopen

Kardiale Synkopen werden durch Herzrhythmusstörungen oder strukturelle Herzerkrankungen verursacht. Herzrhythmusstörungen können zu einem vorübergehenden Verlust der Pumpleistung des Herzens führen, während strukturelle Herzerkrankungen die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen können.

Ursachen von Epilepsie

Epilepsie kann verschiedene Ursachen haben, darunter genetische Faktoren, erworbene Hirnläsionen oder Stoffwechselstörungen.

Genetische Faktoren

Bei manchen Epilepsieformen spielen genetische Faktoren eine Rolle. Es gibt seltene Epilepsiesyndrome, die auf einen einzelnen Gendefekt zurückzuführen sind, während bei anderen Epilepsieformen eine Kombination verschiedener genetischer Merkmale zur Manifestation der Erkrankung beiträgt.

Erworbene Hirnläsionen

Erworbene Hirnläsionen, wie Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Traumata oder Infektionen des Gehirns, können ebenfalls zu Epilepsie führen.

Stoffwechselstörungen

Stoffwechselstörungen, wie Hypoglykämie oder Elektrolytstörungen, können epileptische Anfälle auslösen.

Erste Hilfe bei Anfällen

Die Erste Hilfe bei Anfällen umfasst folgende Maßnahmen:

  • Betroffene Person auf den Boden legen, um Stürze zu vermeiden
  • Gegenstände entfernen, die zu Verletzungen führen könnten
  • Seltsame Körperhaltungen und freie Zuckungen ermöglichen
  • Auf die Uhr schauen und die Dauer des Anfalls beobachten
  • Notruf (112) rufen, wenn der Anfall länger als 5 Minuten dauert oder Verletzungen vorliegen
  • Nach dem Anfall dabeibleiben, bis die betroffene Person wieder vollständig orientiert ist

Risiken und Komplikationen

Epileptische Anfälle können zu Verletzungen und sogar zum Tod führen. Ein besonderes Risiko besteht bei einem Status epilepticus, einem lang anhaltenden epileptischen Anfall, der lebensbedrohlich sein kann.

SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy) ist eine seltene, aber gefürchtete Komplikation der Epilepsie, bei der Menschen mit Epilepsie plötzlich und unerwartet versterben.

Behandlung

Die Behandlung von Synkopen richtet sich nach der Ursache. Bei neurogenen Synkopen können Maßnahmen wie das Vermeiden von Auslösern, körperliche Gegenmanöver und eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme helfen. Bei kardialen Synkopen ist eine Behandlung der Grunderkrankung erforderlich.

Die Behandlung von Epilepsie umfasst in der Regel die Einnahme von Antiepileptika, um weitere Anfälle zu verhindern. In manchen Fällen kann auch eine Operation oder eine ketogene Diät in Betracht gezogen werden.

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