Die systemische Sklerose (SSc), auch Sklerodermie genannt, ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die das Bindegewebe im ganzen Körper betrifft. Sie gehört zur Gruppe der Kollagenosen, entzündlich-rheumatische Erkrankungen des Bindegewebes unklarer Genese. Charakteristisch für die SSc ist eine fortschreitende Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose) im Bereich der Haut, der inneren Organe und der Gefäße. Die Erkrankung betrifft vor allem Frauen zwischen 30 und 50 Jahren. Da die SSc eine systemische Erkrankung ist, können im Prinzip alle Blutgefäße befallen werden, im Regelfall sind es aber eher die kleinen Blutgefäße.
Was ist systemische Sklerose?
Die systemische Sklerose ist eine komplexe Autoimmunerkrankung der kleinen Arterien, der Mikrogefäße und des Bindegewebes. Bei einer Autoimmunerkrankung bildet das Immunsystem Antikörper gegen gesunde Körperzellen und schädigt sie. Die Immunreaktion führt so zu einer Entzündung. Charakteristische Merkmale sind fibrotische Veränderungen der Haut und des darunter liegenden Gewebes. Diese führen zur Verhärtung und - damit einhergehend - Vernarbung der Haut, den auffallendsten Symptomen der Erkrankung. Auch innere Organe sind betroffen. Die Veränderungen gehen mit Anomalien und einer Fibrose von Blutgefäßen einher. Das Auftreten der Fibrose bestimmt das Krankheitsbild und die Diversität der Beschwerden. Die SSc kann viele unterschiedliche Beschwerden verursachen. Das Krankheitsbild ist dementsprechend vielfältig und die Erkrankung verläuft individuell sehr unterschiedlich. So kann sie relativ plötzlich oder ganz langsam einsetzen sowie in Schüben oder konstant über viele Jahre verlaufen.
Wie tritt systemische Sklerose auf?
Die systemische Sklerose kann das Bindegewebe im ganzen Körper betreffen. Die Erkrankung betrifft typischerweise die verschiedensten Organsysteme, allerdings glücklicherweise nicht unbedingt alle gleichzeitig. Die Symptomatik und der Krankheitsverlauf sind individuell unterschiedlich. Die Krankheit tritt in manchen Fällen abrupt und heftig auf, häufiger ist aber ein schleichender Verlauf.
Die systemische Sklerose wird anhand der Ausdehnung der Hautbeteiligung eingeteilt:
Limitierter Typ: PatientInnen haben oft kalte Finger, manchmal mit offenen Stellen, oder Lungenhochdruck.
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Diffuser Typ: Er betrifft häufiger innere Organe und ist häufiger „aktiv“.
Wer ist von systemischer Sklerose betroffen?
Vor allem Frauen zwischen 30 und 50 Jahren sind von der systemischen Sklerose betroffen. Die Häufigkeit der systemischen Sklerose steigt kontinuierlich bis zu einem ersten Erkrankungsgipfel zwischen 50 und 60 Jahren an. Ein zweiter Gipfel tritt nach dem 65. Lebensjahr auf. Für hormonelle Beteiligung spricht, dass die systemische Sklerose bei Frauen häufiger auftritt als bei Männern.
Symptome an den Händen
Die Haut ist bei allen Varianten früher oder später mehr oder weniger beteiligt. Indurative Phase: Die Haut wird zunehmend glänzend, straff und prall, haftet stark an der Subkutis (Unterhaut) an. Während sich die Haut in dieser Phase durch Kollagenablagerung verdickt, wird die Epidermis (Oberfläche der Haut) zunehmend dünner. Üblicherweise beginnen die Hautveränderungen an den Fingern. Diese sind geschwollen und gerötet (puffy fingers). Im weiteren Verlauf kann die Schwellung zwar wieder abnehmen, die Haut wird aber aufgrund der entzündungsbedingten Fibrose möglicherweise verdicken und verhärten, und die Finger können letztlich versteifen. Man spricht dann auch von der „Sklerodaktylie“ oder „Madonnenfingern“. Auf Grund der hier genannten Veränderungen der Haut und Blutgefäße kommt es bei SSc-Patienten häufig zu Geschwüren (Ulcerationen), insbesondere an besonders exponierten Körperteilen wie den Fingern und Zehen.
Raynaud-Syndrom
Im Allgemeinen ist das erste SSc-Anzeichen das „Raynaud-Syndrom“, benannt nach dem französischen Arzt Maurice Raynaud. Hierbei kommt es zu einem anfallsartigen Zusammenziehen der Blutgefäße an den Fingern, seltener auch an den Zehen. Dies hat eine Durchblutungsstörung in den jeweils betroffenen Körperteilen zur Folge: Die Finger oder Zehen verfärben sich zunächst weiß, dann auf Grund des Sauerstoffmangels blau und schließlich, wenn sich die Blutgefäße wieder erweitern, rot. Auf Grund der Farben, die denen der französischen Nationalflagge entsprechen, spricht man auch vom „Tricolore-Phänomen“. Dieses schnelle Zusammenziehen der Blutgefäße kann Sekunden, aber auch Stunden andauern und zu starken Schmerzen führen. Kommt es nicht wieder zu einer Erweiterung der Blutgefäße, kann es zu einer „Kritischen Ischämie“ kommen, das heißt zu einem zu lange dauernden Blut- und somit auch Sauerstoffmangel mit drohenden Gewebeschäden (Ulceration = Geschwür). Eine Kritische Ischämie ist ein rheumatologischer Notfall. Hier muss rasch eine Therapie eingeleitet werden, da ansonsten der Verlust des betroffenen Körperteils droht.
Von dem hier beschriebenen, durch die SSc bedingten, „sekundären“ Raynaud-Syndrom ist das „primäre“ Raynaud-Syndrom klar abzugrenzen. Das primäre Raynaud-Syndrom ist nicht mit einer entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung vergesellschaftet, wird z. B. durch Kälte, Stress oder Vibrationen ausgelöst, tritt bereits im Jugendalter erstmals auf und es kommt zu keinen dauerhaften Gewebeschäden.
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Hautmanifestationen
Die Hautmanifestationen beginnen typischerweise an den Fingern und Zehen und kann im weiteren Verlauf auf die gesamte Körperoberfläche ausdehnen. In der Frühphase entwickeln Betroffene typischerweise morgendlich akzentuierte Schwellungen und Rötungen an Fingern und Zehen (sog. „puffy hands“). Im Krankheitsverlauf wird die Haut durch die Fibrose immer fester und steif („Sklerose“). An den Fingern führen Verhärtung und Schrumpfung zu Beugekontrakturen („Sklerodaktylie“). Durch die straff gespannte Haut wirken die Finger verschmälert und glänzend („Madonnenfingern“). Sehr schmerzhaft ist die Ausbildung von Ulzera an den Fingerkuppen („Rattenbissnekrosen“), die durch rezidivierender Mikroinfarkte im Bereich der akralen Gefäße entstehen.
Weitere Symptome
- Verkalkungen in der Unterhaut (Calcinosis cutis) sowie im Bereich des Gesichts, des Dekolletés und der Handinnenflächen mit roten, punktförmigen Hautveränderungen auftreten (Teleangiektasie).
- Eine Gelenkbeteiligung wird in bis zu 97 % der SSc-Patienten beobachtet, wobei hier die nicht-entzündlichen Gelenkschmerzen (Arthralgien) im Vordergrund stehen. Bei circa 13 % der SSc-Patienten können Gelenkentzündungen (Arthritiden) nachgewiesen werden.
- Ähnlich verhält es sich bei den Muskelbeschwerden. Hier stehen mit bis zu 80 % auch die nicht-entzündlichen Muskelbeschwerden, vor allem der Kraftverlust, im Vordergrund. Nur circa 5 % der SSc-Patienten leiden an einer entzündlichen Muskelerkrankung (inflammatorische Myopathie bzw.
Diagnose
Für die Diagnose der SSc oder deren Ausschluss stehen keine Labortests zur Verfügung, wobei das Vorhandensein spezifischer Autoantikörper sehr gut auf die Erkrankung und auf deren weitere Risiken weist. Die Erkrankung wird als Ausschlussdiagnose unter Verwendung der Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) und der European League Against Rheumatism (EULAR) von 2013 klassifiziert. Für Veränderungen an der Haut, den Nagelfalz-Kapillaren, für die Präsenz von PAH oder interstitieller Lungenerkrankung, Raynaud-Syndrom und erhöhten SSc-spezifischen Antikörpern werden Punkte vergeben. Bei Erreichen von mindestens neun Punkten wird eine SSc diagnostiziert.
Bei Vorliegen dieser Kennzeichen sollte zeitnah die Überweisung zu einem Rheumatologen erfolgen, sodass eine kapillarmikroskopische Untersuchung des Nagelfalzes, die Bestimmung der SSc-spezifischen Autoantikörper (Anti-Centromer- und Anti-Topoisomerase-I-Antikörper). Die vaskuläre Dysfunktion kann oft schon in frühen Stadien der Erkrankung durch Nagelfalz-Kapillaroskopie beobachtet werden. Dabei werden normale und vergrößerte Kapillaren (Megakapillaren), Mikroblutungen, gewundene und verzweigte Kapillaren sowie Zeichen von Neoangiogenese beobachtet. Ein pathologisches Kapillarmuster ist ein ANA-unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer systemischen Sklerose bei Patienten mit Raynaud-Syndrom.
Behandlung
Die systemische Sklerose ist eine dauerhafte (= chronische) Erkrankung. Sie kann zurzeit nicht geheilt werden. Einige wenige PatientInnen haben ohne dauerhafte Medikamente eine hohe Lebensqualität. Der Status ihrer Erkrankung ist „nicht aktiv“. Falls Beschwerden durch die Erkrankung auftreten oder die Erkrankung aktiv fortschreitet, stehen wirksame Medikamente zur Verfügung. Die Therapie der SSc richtet sich in erster Linie nach den betroffenen Organen. Eine Therapie der gesamten Erkrankung gibt es leider noch nicht. In hochaktiven frühen Fällen können Medikamente, die das Immunsystem modulieren beziehungsweise supprimieren (zum Beispiel Methotrexat MTX), versucht werden.
Die Behandlung der Sklerodermie verfolgt drei Ziele:
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- Das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
- Die Beschwerden lindern.
- Die Lebensqualität erhalten.
Es gibt kein spezielles Medikament gegen Skerodermie, das den Verlauf und die Schwere der Erkrankung zuverlässig beeinflussen kann. Die Therapie besteht aus einer Kombination aus nichtmedikamentösen (Physio-, Ergotherapie, manuelle Lymphdrainage, manuelle Therapie) und medikamentösen Maßnahmen. Bei schwerer diffuser SSc kann eine autologe Stammzelltransplantation in Erwägung gezogen werden. Die Bausteine der Behandlung werden auf die individuellen Symptome und die Schwere der Erkrankung ausgerichtet. Oft erfolgt dies in Zusammenarbeit mit einem Zentrum des Netzwerks systemische Sklerose.
Allgemeine Maßnahmen
- Hautpflege, sorgsame Behandlungen von Hautverletzungen, Nikotinabstinenz, CO² -Bäder, regelmäßige Bewegungstherapie, auch Ergotherapie, Lymphdrainage und leichte Massagen.
- Augen und Schleimhäute: regelmäßig mit entsprechenden Präparaten befeuchten
- Vor allem in relativ frühen Stadien der SSc empfiehlt sich prophylaktisch Hautpflege, Gymnastik, Atemgymnastik, Inhalationen, Lymphdrainage und zur Intensivierung der physikalischen Therapie, wenn möglich, die Rehabilitation.
Behandlung des Raynaud-Syndroms
- Allgemeinmaßnahmen: Kälteschutz, nicht rauchen und Medikamente vermeiden, die das Raynaud-Syndrom verstärken können.
- Lymphdrainage und physikalische Therapie
- Für die medikamentöse Behandlung können bestimmte Blutdruckmedikamente eingesetzt werden.
Behandlung von schmerzhaften, schwer heilbaren Wunden an den Fingern
- Wichtig ist eine gute Wundversorgung und eine regelmäßige Anwendung von antiseptischen Lösungen (z. B. Octenidin).
- Mittel der Wahl ist der Wirkstoff Sildenafil (eher bekannt als potenzsteigerndes Mittel). Er hat eine gefäßerweiternde Wirkung.
Behandlung von Kalkablagerungen in der Haut
Kalkablagerungen in der Haut werden operativ entfernt.
Verlauf und Prognose
Der Verlauf der systemischen Sklerose ist individuell. Besonders beim diffusen Typ kommt es häufig zu Organbeteiligung. Die systemische Sklerose ist eine dauerhafte (= chronische) Erkrankung. Sie kann zurzeit nicht geheilt werden. Einige wenige PatientInnen haben ohne dauerhafte Medikamente eine hohe Lebensqualität. Der Status ihrer Erkrankung ist „nicht aktiv“. Falls Beschwerden durch die Erkrankung auftreten oder die Erkrankung aktiv fortschreitet, stehen wirksame Medikamente zur Verfügung. Die SSc weist unter den rheumatischen Erkrankungen die höchste krankheitsspezifische Mortalität auf. Die Häufigkeiten der Todesursachen haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aufgrund von Screening-Möglichkeiten und moderneren therapeutischen Strategien gewandelt. Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) und Lungenfibrose sind die häufigsten Todesursachen vor den Folgen gastrointestinaler oder kardialer Beteiligungen, renaler Krisen oder Multiorganversagen.
Die Sklerodermie entwickelt sich in den ersten 3-5 Jahren nach Beginn der Raynaud-Symptomatik am stärksten. 50 % aller Organbeteiligungen treten in den ersten beiden Jahren, 75 % in den ersten 5 Jahren auf. Anschließend kommt es bei den meisten Patient*innen zu einem Fortschreiten der bestehenden Symptome und/oder einer Zunahme der Beeinträchtigungen durch die Erkrankung.
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