Systemische Sklerose: Ursachen, Symptome, Therapie und Lebenserwartung

Die systemische Sklerose (SSc), auch Sklerodermie genannt, ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch eine übermäßige Produktion und Verhärtung von Bindegewebe (Fibrose) sowie Gefäßerkrankungen gekennzeichnet ist. Eine Heilung ist derzeit nicht möglich, daher zielt die Therapie darauf ab, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu erhalten.

Definition

Die systemische Sklerose ist eine seltene, autoimmune Systemerkrankung, die den ganzen Körper betrifft. Dabei kommt es zu einer krankhaften Vermehrung und Verhärtung des Bindegewebes der Haut und der inneren Organe (Fibrose). Auch die Blutgefäße können betroffen sein (Vaskulopathie). Die Krankheit wird durch Autoantikörper verursacht, die sich gegen körpereigenes, gesundes Gewebe richten.

Klassifikation der systemischen Sklerose

Es gibt verschiedene Formen der systemischen Sklerose, wobei die wichtigsten sind:

  • Limitierte systemische Sklerose: Früher als CREST-Syndrom bezeichnet, beschränken sich die Hautveränderungen auf Gesicht, Hände und Füße und reichen nicht über Ellenbogen und Knie hinaus.
  • Diffuse systemische Sklerose: Hier gehen die Hautveränderungen über Ellenbogen und Knie hinaus, wobei neben dem Gesicht auch der Körperstamm betroffen ist.
  • Systemische Sklerose sine scleroderma: Bei dieser Form sind die inneren Organe betroffen, ohne dass Hautveränderungen vorliegen.
  • Overlap-Syndrom: Diese Form kombiniert Symptome der Sklerodermie mit anderen rheumatischen Erkrankungen, wie z. B. Rheuma.

Symptome

Die Symptome der Sklerodermie können stark variieren. Einige Patient*innen sind fast alle Organe betroffen sind, während andere nur an einzelnen Organen Symptome aufweisen. Dies führt zu sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufen.

Warnzeichen

Das gemeinsame Auftreten der folgenden drei Symptome gilt als Warnzeichen für das Vorliegen einer systemischen Sklerose:

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  • Raynaud-Syndrom
  • Geschwollene und gerötete Finger („Puffy Fingers“)
  • Erhöhung der antinukleären Antikörper (erhöhter ANA-Titer)

Haut

Das Hauptsymptom der systemischen Sklerose ist das Verdicken und Verhärten der Haut, von dem fast alle Patient*innen betroffen sind, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. Typische Hautveränderungen sind:

  • Verdicken und Verhärten der Haut im Gesicht mit krankheitstypischen Veränderungen des Aussehens: sog. „Tabaksbeutelmund“ und eine spitz aussehende Nase.
  • Geschwollene und gerötete Finger („Puffy Fingers“), vor allem im frühen Krankheitsverlauf.
  • Sklerodaktylie: Straff gespannte, harte und verdickte Haut an den Fingern, die meist blass und haarlos sind.
  • Kalzinosen (Kalziumablagerung innerhalb der Haut)
  • Kontrakturen (Bewegungs- und Funktionseinschränkung von Gelenken)
  • Hyper- und Hypopigmentierung (Pigmentstörung der Haut)
  • Juckreiz (Pruritus)

Gefäßsystem

  • Raynaud-Syndrom: Bei der sog. „Weißfingerkrankheit“ verkrampfen sich die Gefäße in Fingerkuppen und Fingern, manchmal auch in Zehen, Nase oder Ohren aufgrund von Kälte oder Stress. Die Haut wird zunächst blass, verfärbt sich dann blau und mit Wiedereinsetzen der Durchblutung rot, was sehr schmerzhaft sein kann. Das Raynaud-Syndrom kann das erste Symptom der Sklerodermie sein. Viele Menschen haben allerdings ein Raynaud-Syndrom, ohne jemals an Sklerodermie zu erkranken.
  • Digitale Ulzerationen: Als Folge der Durchblutungsstörung entstehen schmerzhafte und schwer heilbare Wunden, die nur unter Narbenbildung abheilen („Pitting Scars“). Auch sie können ein erster Hinweis auf eine Sklerodermie sein.
  • Akrale Ischämien (Durchblutungsstörung in Fingern oder Zehen)
  • Veränderungen der kleinen Gefäße am Nagelfalz
  • Sichtbar erweiterte Gefäße (Teleangiektasien)

Magen-Darm-Trakt

Beschwerden im Magen-Darm-Trakt treten bei 90 % der Sklerodermie-Patient*innen auf und können sich ebenso wie das Raynaud-Syndrom bereits in einer frühen Phase der Erkrankung zeigen:

  • Verkürztes Zungenbändchen (Skleroglosson)
  • Erweiterte Gefäße innerhalb der Mundhöhle (enorale Teleangieektasien)
  • Sodbrennen, Schluckstörung (Dysphagie)
  • Übelkeit, Blähungen, Völlegefühl, Durchfall (Diarrhö)
  • Gelbsucht (Ikterus)
  • Inkontinenz

Muskeln und Gelenke

Viele von Sklerodermie Betroffene leiden unter Muskel- und Gelenkschmerzen (Myalgien, Arthralgien). Auch eine Morgensteifigkeit kann auftreten.

Lunge

  • Atemnot ausgelöst durch die Entwicklung einer interstitiellen Lungenerkrankung oder Atemmuskelschwäche. Patient*innen mit einer diffusen SSc sind hiervon häufiger betroffen.
  • Husten als Folge einer Aspirationspneumonitis bei Reflux (Lungenentzündung, die durch zurückgeflossenen Mageninhalt hervorgerufen)

Herz

Das Herz kann selbst betroffen sein oder infolge einer pulmonal-arteriellen Hypertonie (erhöhter Blutdruck im Lungenkreislauf) geschädigt werden. Atemnot, Ödeme (Flüssigkeitseinlagerungen) in den Armen oder Beinen und Herzrhythmusstörungen können auftreten.

Niere

Renale Krise (schwere, lebensbedrohende Nierenerkrankung), die sich durch Nierenversagen, Bluthochdruck (Hypertonie) und eine spezielle Form der Blutarmut, die sog. mikroangiopathische hämolytische Anämie, auszeichnet. Aufgrund der verbesserten Therapie treten renale Krisen heutzutage weniger häufig auf.

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Nervensystem

  • Zeichen einer Nervenschädigung, z. B. der Arm- und Beinnerven mit Gefühlsstörungen (Polyneuropathie)
  • Restless-Legs-Syndrom (v. a. nachts starke Unruhe und quälender Bewegungsdrang in den Beinen)

Exokrine Drüsen

Exokrine Drüsen, geben ihre Sekrete nach außen oder in Körperhöhlen ab. Ist die Abgabe reduziert, kann es zu Gefühlen von Trockenheit, Brennen oder Juckreiz kommen (Sicca-Symptom). Betroffen können bei Menschen mit systemischer Sklerose die Augen, der Mund und bei Frauen die Vagina sein.

Psychosozial

  • Depression
  • Angststörung
  • Schlafstörung

Allgemeine Beschwerden

  • Gewichtsverlust
  • Leistungsminderung
  • Erschöpfungssyndrom (Fatigue)

Häufigkeit

Die Sklerodermie ist eine seltene Erkrankung. Betroffen sind in Deutschland etwa 25.000 Menschen. Die Anzahl der Menschen, die von systemischer Sklerose betroffen sind, wird auf 5-20 von 100.000 Einwohnern geschätzt. Neue Klassifikationskriterien, die dieses Jahr veröffentlicht werden sollen, zeigen eine höhere Prävalenz von über 300 Betroffenen pro Million Einwohner sowie eine höhere Häufigkeit, aber weitere große epidemiologische Studien sind erforderlich. Systemische Sklerose kann in jedem Lebensalter auftreten, erreicht jedoch einen Höhepunkt zwischen 45 und 55 Jahren. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, insbesondere in jüngeren Jahren, im Verhältnis von 3-9 zu 1.

Diagnose

Nach der körperlichen Untersuchung werden verschiedene Blutwerte und die Eiweißkonzentration im Urin untersucht. Bei einigen Patient*innen können weitere Untersuchungen notwendig sein, z. B. ein EKG bei Verdacht auf Herzrhythmusstörungen, eine Röntgenuntersuchung des Brustkorbs, um Hinweise auf eine Lungenerkrankung oder Zeichen einer Lungenstauung erkennen zu können. Betrifft die Sklerodermie die Niere, wird eine Langzeit-Blutdruckmessung durchgeführt.

Bei Rheumatolog*innen werden weitere Untersuchungen durchgeführt, mit denen die beteiligten Organe und das Ausmaß der Erkrankung beurteilt werden können.

Therapie

Die Behandlung der Sklerodermie verfolgt drei Ziele:

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  • Das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
  • Die Beschwerden lindern.
  • Die Lebensqualität erhalten.

Es gibt kein spezielles Medikament gegen Skerodermie, das den Verlauf und die Schwere der Erkrankung zuverlässig beeinflussen kann. Die Therapie besteht aus einer Kombination aus nichtmedikamentösen (Physio-, Ergotherapie, manuelle Lymphdrainage, manuelle Therapie) und medikamentösen Maßnahmen. Bei schwerer diffuser SSc kann eine autologe Stammzelltransplantation in Erwägung gezogen werden.

Die Bausteine der Behandlung werden auf die individuellen Symptome und die Schwere der Erkrankung ausgerichtet. Oft erfolgt dies in Zusammenarbeit mit einem Zentrum des Netzwerks systemische Sklerose.

Gefäßerkrankungen

  • Raynaud-Syndrom:
    • Allgemeinmaßnahmen: Kälteschutz, nicht rauchen und Medikamente vermeiden, die das Raynaud-Syndrom verstärken können.
    • Lymphdrainage und physikalische Therapie
    • Für die medikamentöse Behandlung können bestimmte Blutdruckmedikamente eingesetzt werden.
  • Schmerzhafte, schwer heilbare Wunden an den Fingern:
    • Wichtig ist eine gute Wundversorgung und eine regelmäßige Anwendung von antiseptischen Lösungen (z. B. Octenidin).
    • Mittel der Wahl ist der Wirkstoff Sildenafil (eher bekannt als potenzsteigerndes Mittel). Er hat eine gefäßerweiternde Wirkung.
  • Hochdruck im Lungenkreislauf:
    • Für die medikamentöse Behandlung stehen verschiedene Medikamente, unter anderem Sildenafil, zur Verfügung.
  • Renale Krise (lebensbedrohliche Nierenerkrankung):
    • Es handelt sich um einen Notfall, der eine Krankenhausbehandlung notwendig macht.

Vermehrung und Verhärtung des Bindegewebes (Fibrose)

  • Haut, Muskeln und Gelenke:
    • Physio- und Ergotherapie tragen mit Dehnübungen zur Vermeidung bzw. Linderung von Versteifungen bei.
    • Lymphdrainage bei Ödemen (Wassereinlagerungen)
    • Logopädie hilft, die Mundöffnung und Zungenbeweglichkeit zu erhalten.
    • Die medikamentöse Behandlung erfolgt mit Medikamenten, die die Immunreaktion gegen körpereigene Strukturen abschwächen (Immunsuppressiva).
    • Kalkablagerungen in der Haut werden operativ entfernt.
  • Interstitielle Lungenerkrankung:
    • Immunsuppressive Behandlung
    • Antifibrotische Therapie: Wirkt einer krankhaften Vermehrung des Bindegewebes entgegen.
    • In Einzelfällen kann eine Lungentransplantation notwendig werden.

Herzbeteiligung

Für die Behandlung einer Herzschwäche oder von Herzrhythmusstörungen stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Leider kann es dadurch zu einer Verschlechterung des Raynaud-Syndroms oder der pulmonalen Hypertonie kommen.

Magen-Darm-Erkrankungen

  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden durch das Einhalten einer entsprechenden Diät behandelt.
  • Allgemeine Maßnahmen zur Vermeidung von Reflux (Rückfluss von Magensäure in der Speiseröhre) wie z. B. das Vermeiden enger Kleidung, das Schlafen mit leicht erhöhtem Oberkörper, die Anpassung der Ernährung werden empfohlen.
  • Sodbrennen kann mit Tabletten behandelt werden (Protonenpumpenhemmern, PPI).

Psychosoziale Belastung

Viele Patientinnen finden Unterstützung in Selbsthilfegruppen, die bei der Verarbeitung der Diagnose und dem Leben mit der Erkrankung helfen können. Auch eine psychotherapeutische Beratung und/oder Behandlung ist für einige Patientinnen hilfreich. Zur Behandlung von einer Depression können Antidepressiva eingesetzt werden.

Die Raynaud-Symptomatik kann durch Hypnose und autogenes Training gelindert werden.

Um die Krankheit möglichst gut unter Kontrolle zu behalten, sollten Sie die Therapieempfehlungen Ihrer Ärzt*innen umsetzen und Kontrolluntersuchungen regelmäßig wahrnehmen. Zudem ist eine gute Krankheitsverarbeitung wichtig. Unterstützung dabei finden Sie in Selbsthilfegruppen, in denen Sie sich mit anderen Betroffenen austauschen können. Auch eine psychotherapeutische Begleitung kann sinnvoll sein.

Verlauf und Komplikationen

Die Sklerodermie entwickelt sich in den ersten 3-5 Jahren nach Beginn der Raynaud-Symptomatik am stärksten. 50 % aller Organbeteiligungen treten in den ersten beiden Jahren, 75 % in den ersten 5 Jahren auf. Anschließend kommt es bei den meisten Patient*innen zu einem Fortschreiten der bestehenden Symptome und/oder einer Zunahme der Beeinträchtigungen durch die Erkrankung.

Je nachdem, welche Organe betroffen sind, kann es zu schweren Komplikationen kommen. Dazu gehört das Rechtsherzversagen bei pulmonaler Hypertonie, das als häufigste Todesursache gilt. In Folge einer renalen Krise werden 2/3 der Patient*innen dialysepflichtig. Der Reflux kann die Schleimhaut der Speiseröhre schädigen (Barrett-Ösophagus), die Magen-Darm-Beteiligung kann eine Mangelernährung hervorrufen. Die systemische Sklerose erhöht auch das Risiko für weitere Erkrankungen wie die koronare Herzkrankheit (KHK) und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK). Das Risiko für einen Schlaganfall und Krebs ist doppelt erhöht, das Risiko für eine Osteoporose dreifach.

Lebenserwartung

Die systemische Sklerose ist eine der rheumatologischen Erkrankungen mit der höchsten Mortalität. Folgeerkrankungen durch die systemische Sklerose können die Lebenserwartung reduzieren. Etwa 60 % der Patient*innen versterben an den direkten Folgen der Sklerodermie. Dabei gelten die pulmonal-arterielle Hypertonie und die Lungenfibrose (Lungenversteifung) als häufigste Todesursachen. Anschließend folgen Magen-Darm- oder Herz-Beteiligung, renale Krise und Multiorganversagen. Krebserkrankungen, Infektionen und Suizid sind für 25 % der Todesfälle verantwortlich. Der Rest bleibt ungeklärt. Eine Untersuchung aus Hongkong an 8367 Teilnehmern mit verschiedenen rheumatischen Erkrankungen zeigte, dass die Lebenserwartung SSc-erkrankter Frauen um etwa 34 Jahre erniedrigt ist. SSc-erkrankte Männer versterben ca. 16 Jahre früher.

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