Ein Taubheitsgefühl in der linken Körperhälfte kann beunruhigend sein und vielfältige Ursachen haben. Oftmals steckt eine harmlose Ursache dahinter, wie eine vorübergehende Durchblutungsstörung oder ein eingeklemmter Nerv. In manchen Fällen kann das Taubheitsgefühl jedoch auch ein Symptom einer ernsthaften Erkrankung sein, wie beispielsweise eines Schlaganfalls, eines Bandscheibenvorfalls oder Multipler Sklerose. Es ist daher wichtig, die Ursache des Taubheitsgefühls abzuklären, insbesondere wenn es häufiger auftritt, anhält oder von anderen Symptomen begleitet wird.
Wie entsteht ein Taubheitsgefühl?
Ein Taubheitsgefühl, medizinisch als Hypästhesie bezeichnet, entsteht durch eine verringerte Sensibilität der Haut. Der Gefühlssinn ist gestört, wodurch Informationen über äußere Reize wie Wärme, Kälte, Berührung, Druck, Schmerzen und Vibrationen nicht oder nur eingeschränkt an das Gehirn weitergeleitet werden können. Ein vollständiger Ausfall des Gefühlssinns wird als Anästhesie bezeichnet.
Taubheitsgefühle treten vor allem in den Extremitäten auf, also in Fingern, Zehen, Armen und Beinen. Seltener sind das Gesicht oder der Rumpf betroffen. Das Taubheitsgefühl kann einseitig oder beidseitig auftreten und wird häufig von einem Kribbeln ("Ameisenlaufen") begleitet.
Mögliche Ursachen für Taubheit der linken Körperhälfte
Die Ursachen für ein Taubheitsgefühl in der linken Körperhälfte sind vielfältig und reichen von harmlosen bis hin zu ernsten Erkrankungen. Im Folgenden werden einige der häufigsten Ursachen genauer erläutert:
Durchblutungsstörungen
- Vorübergehende Durchblutungsstörungen: Kälte oder das Einklemmen von Blutgefäßen (z. B. durch übereinandergeschlagene Beine) können zu vorübergehenden Durchblutungsstörungen und damit zu Taubheitsgefühlen führen. Diese sind in der Regel harmlos und verschwinden von selbst, sobald die Durchblutung wiederhergestellt ist.
- Arteriosklerose: Eine Arteriosklerose (Verkalkung der Arterien) kann die Blutversorgung der Extremitäten und des Gehirns beeinträchtigen und zu Taubheitsgefühlen führen.
- Raynaud-Krankheit: Bei der Raynaud-Krankheit kommt es zu anfallsartigen Durchblutungsstörungen in den Fingern und Zehen, die durch Kälte oder Stress ausgelöst werden. Die betroffenen Stellen werden blass, kalt und taub.
- Schlaganfall: Ein Schlaganfall entsteht, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird. Dies kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter auch Taubheitsgefühle, die typischerweise einseitig auftreten.
Eingeklemmte Nerven
- Falsche Körperhaltung: Eine falsche Körperhaltung beim Sitzen oder Liegen kann Nerven abklemmen und zu Taubheitsgefühlen führen. Diese sind in der Regel vorübergehend und verschwinden, sobald die Haltung geändert wird.
- Karpaltunnelsyndrom: Beim Karpaltunnelsyndrom wird der Mittelhandnerv im Handwurzelkanal eingeengt, was zu Taubheitsgefühlen und Kribbeln in den Fingern führen kann.
- Ulnartunnel-Syndrom (Radfahrerlähmung): Dieses Syndrom entsteht durch das Einklemmen des Ellennervs im Bereich des Ellenbogens oder Handgelenks, z. B. durch das feste Umgreifen des Lenkers beim Radfahren. Es verursacht Taubheitsgefühle im kleinen Finger und Ringfinger.
- Inguinaltunnel-Syndrom (Jeanskrankheit): Durch Übergewicht oder zu enge Kleidung kann der Oberschenkelhautnerv eingeklemmt werden, was zu Taubheitsgefühlen am Oberschenkel führt.
- Bandscheibenvorfall: Ein Bandscheibenvorfall kann auf Nervenwurzeln drücken und Schmerzen, Kribbeln oder Taubheitsgefühle im Lendenbereich oder den Beinen verursachen.
Neurologische Erkrankungen
- Polyneuropathie: Eine Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die mit Missempfindungen und Taubheitsgefühlen, häufig in Händen und Füßen, einhergeht. Ursachen können Diabetes, Alkoholmissbrauch, Vergiftungen oder Infektionen sein.
- Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu vielfältigen Symptomen führen kann, darunter auch Taubheitsgefühle im Gesicht, in Armen oder Beinen.
- Guillain-Barré-Syndrom: Diese seltene Autoimmunerkrankung greift die peripheren Nerven an und kann zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen und Lähmungserscheinungen führen.
Infektionen
- Gürtelrose: Eine Gürtelrose kann Nervenschmerzen und Taubheitsgefühle in dem betroffenen Hautbereich verursachen.
- Borreliose: Eine Borreliose, die durch Zecken übertragen wird, kann ebenfalls neurologische Symptome wie Taubheitsgefühle auslösen.
Mangelerscheinungen
- Vitamin-B12-Mangel: Ein Mangel an Vitamin B12 kann zu Taubheitsgefühlen, insbesondere auf der Zunge, sowie zu Empfindungsstörungen in Händen und Füßen führen.
- Magnesiummangel: Ein ausgeprägter Magnesiummangel kann sich ebenfalls in Form von Taubheitsgefühlen oder Kribbeln in Armen und Beinen bemerkbar machen.
Weitere Ursachen
- Tumore: Tumore im Gehirn oder Rückenmark können auf Nerven drücken und Taubheitsgefühle verursachen.
- Medikamente: Bestimmte Medikamente können als Nebenwirkung Taubheitsgefühle oder Kribbeln auslösen.
- Angst- und Panikattacken: In manchen Fällen können Taubheitsgefühle im Gesicht oder anderen Körperteilen im Rahmen von Angst- oder Panikattacken auftreten.
- Somatoforme Störungen: Bei somatoformen Störungen liegen körperliche Beschwerden vor, für die keine organische Ursache gefunden werden kann. Taubheitsgefühle können ein Symptom dieser Störung sein.
- Funktionelle neurologische Störungen: Funktionelle Gefühls- und Bewegungsstörungen wie Lähmungserscheinungen (Paresen) oder Taubheitsgefühle treten meist unerwartet auf - oft in Situationen hoher seelischer Belastung. Ursache ist nicht eine strukturelle des Nervensystems.
Taubheit der linken Körperhälfte nach Schlaganfall
Ein Schlaganfall ist eine der häufigsten Ursachen für eine Halbseitenlähmung (Hemiplegie) mit einhergehender Taubheit. Da die linke Körperhälfte von der rechten Gehirnhälfte gesteuert wird, führt ein Schlaganfall in der rechten Gehirnhälfte oft zu einer Lähmung und/oder Taubheit der linken Körperhälfte. Typischerweise treten die Taubheitsgefühle einseitig auf und können von weiteren Symptomen wie Sprachstörungen, Sehstörungen, Schwindel und Kopfschmerzen begleitet sein.
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Ein Schlaganfall ist ein Notfall und erfordert sofortige medizinische Behandlung. Je schneller die Behandlung erfolgt, desto besser sind die Chancen, bleibende Schäden zu vermeiden.
Schlaganfalltest (F.A.S.T.)
Um einen Schlaganfall schnell zu erkennen, kann der F.A.S.T.-Test durchgeführt werden:
- Face (Gesicht): Bitten Sie die Person zu lächeln. Ist das Gesicht einseitig verzogen?
- Arms (Arme): Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Kann die Person beide Arme gleichmäßig heben?
- Speech (Sprache): Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist die Sprache verwaschen oder undeutlich?
- Time (Zeit): Wenn eines dieser Symptome auftritt, wählen Sie sofort den Notruf (112).
Diagnose von Taubheitsgefühlen
Um die Ursache von Taubheitsgefühlen abzuklären, wird der Arzt zunächst eine ausführliche Anamnese erheben und den Patienten körperlich untersuchen. Dabei wird er Fragen stellen wie:
- Wo tritt das Taubheitsgefühl auf?
- Seit wann besteht das Taubheitsgefühl?
- In welchen Situationen tritt das Taubheitsgefühl auf?
- Ist das Taubheitsgefühl einseitig oder beidseitig?
- Tritt das Taubheitsgefühl zusammen mit anderen Symptomen auf?
Bei der körperlichen Untersuchung wird der Arzt die Reflexe, die Sensibilität und die Muskelkraft prüfen. Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie z. B.:
- Neurologische Untersuchung: Um Nervenschädigungen festzustellen, werden verschiedene Sinnesleistungen (z. B. Gehör und Sehen) geprüft.
- Blutuntersuchungen: Um Mangelerscheinungen, Entzündungen oder andere Erkrankungen festzustellen.
- Elektrophysiologische Untersuchungen (z. B. EMG, NLG): Um die Funktion der Nerven und Muskeln zu überprüfen.
- Bildgebende Verfahren (z. B. MRT, CT): Um Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks oder der Wirbelsäule auszuschließen.
Therapie von Taubheitsgefühlen
Die Therapie von Taubheitsgefühlen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Einige Beispiele:
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- Durchblutungsstörungen: Medikamentöse Behandlung, Gefäßtraining, Operation (in schweren Fällen).
- Eingeklemmte Nerven: Konservative Behandlung (z. B. Physiotherapie, Schiene) oder Operation.
- Polyneuropathie: Behandlung der Grunderkrankung (z. B. Diabetes), Medikamente gegen Nervenschmerzen.
- Multiple Sklerose: Immunmodulatorische Therapie, symptomatische Behandlung.
- Bandscheibenvorfall: Konservative Behandlung (z. B. Schmerzmittel, Physiotherapie) oder Operation.
- Vitamin-B12-Mangel: Vitamin-B12-Injektionen oder -Tabletten.
- Schlaganfall: Akuttherapie (z. B. Thrombolyse), Rehabilitation.
Was Sie selbst tun können
In vielen Fällen können Sie selbst etwas tun, um Taubheitsgefühlen vorzubeugen oder sie zu lindern:
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung fördert die Durchblutung und kann helfen, Nerven einzuklemmen.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen ist wichtig für die Gesundheit der Nerven.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Vermeiden Sie Rauchen, Übergewicht und übermäßigen Alkoholkonsum, um das Risiko von Durchblutungsstörungen und anderen Erkrankungen zu senken.
- Ergonomischer Arbeitsplatz: Achten Sie auf eine gute Körperhaltung und einen ergonomischen Arbeitsplatz, um Nerven nicht einzuklemmen.
- Entspannung: Stress kann Muskelverspannungen verursachen, die Nerven einklemmen können. Entspannungsübungen wie Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen.
- Sitzposition überprüfen: Besonders viele Beschwerden macht das Sitzen mit gekreuzten Beinen, weil dies die Blutversorgung stört oder gar Nerven gequetscht werden. Wechseln Sie also immer wieder die Sitzposition und stehen Sie beim ersten Kribbeln sofort auf, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Auch zu enge Schuhe schnüren die Blutzufuhr ab.
Wann Sie zum Arzt sollten
Ein Taubheitsgefühl in der linken Körperhälfte sollte ärztlich abgeklärt werden, wenn:
- es plötzlich auftritt und von anderen Symptomen wie Lähmungen, Sprachstörungen oder Sehstörungen begleitet wird (Verdacht auf Schlaganfall).
- es häufiger auftritt oder anhält.
- es sich verschlimmert.
- es von Schmerzen begleitet wird.
- Sie weitere Symptome haben, die Sie beunruhigen.
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