Ursachen von Taubheit: Ein umfassender Überblick

Gehörlosigkeit, medizinisch als Taubheit bezeichnet, unterscheidet sich von Schwerhörigkeit durch den Grad des Hörverlustes. Eine Person gilt als gehörlos, wenn sie im Frequenzbereich zwischen 125 und 250 Hz einen Hörverlust von mehr als 60 dB und in den übrigen Frequenzbereichen von mehr als 100 dB aufweist.

Vielfältige Ursachen von Gehörlosigkeit

Die Ursachen für Gehörlosigkeit sind vielfältig und können angeboren oder im Laufe des Lebens erworben sein. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Ursache sowohl im Ohr selbst, insbesondere bei der Schallempfindung im Innenohr, als auch in den nachgeschalteten Stationen der Hörbahn im Gehirn liegen kann. Auch eine Kombination mehrerer Ursachen ist möglich.

Angeborene Taubheit

Etwa 15 Prozent der Gehörlosen sind von Geburt an taub. Angeborene Taubheit kann verschiedene Ursachen haben:

  • Viruserkrankungen der Mutter während der Schwangerschaft: Röteln oder Toxoplasmose können das Gehör des ungeborenen Kindes stark schädigen.
  • Medikamente während der Schwangerschaft: Einige Medikamente können das Gehör des ungeborenen Kindes beeinträchtigen. Bekannte Beispiele für ohrschädigende (ototoxische) Arzneistoffe sind Thalidomid sowie verschiedene Antibiotika aus den Gruppen der Aminoglykoside, Makrolide und Glykopeptide.
  • Sauerstoffmangel oder mechanische Schädigungen bei der Geburt: Komplikationen während der Geburt können ebenfalls zu Gehörlosigkeit führen. Frühgeborene Kinder, die häufig aufgrund einer unzureichenden Lungenreife kurz nach der Geburt an Sauerstoff-Mangel leiden, haben ein erhöhtes Risiko für eine Hörstörung.
  • Genetische Faktoren: Genetisch bedingte Hörstörungen können durch Fehlbildungen des Innenohrs oder des Gehirns verursacht werden. Ein Hinweis darauf ist das gehäufte Vorkommen von Taubheit in der Familie.
  • Drogenkonsum der Mutter: Drogen wie Alkohol und Nikotin während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko für eine Hörschädigung beim Kind.
  • Entwicklungsbedingte Verzögerung der Hörbahn-Reifung: In diesem Fall verbessert sich das Hörvermögen häufig im Laufe des ersten Lebensjahrs. Manchmal bleibt aber auch eine ausgeprägte Schwerhörigkeit oder Taubheit bestehen.

Erworbene Taubheit

Gehörlosigkeit kann auch im Laufe des Lebens entstehen. Hier sind einige der häufigsten Ursachen:

  • Infektionen des Ohres: Längere oder schwere Ohrinfektionen können sowohl das Mittelohr (Schall-Leitung) als auch das Innenohr (Schall-Empfindung) schädigen. Auch Infektionen der Hirnhäute (Meningitis) oder des Gehirns (Enzephalitis) ziehen manchmal Taubheit nach sich.
  • Medikamente: Einige Medikamente, wie bestimmte Krebs-Medikamente (Chemo-Therapeutika), gewisse Entwässerungsmittel (Diuretika) und eine ganze Reihe von Antibiotika, haben eine ohrschädigende Wirkung. Auch das gebräuchliche Schmerz- und Fiebermittel Acetylsalicylsäure wirkt ototoxisch - allerdings deutlich geringer als bei den zuvor genannten Arzneistoffen.
  • Lärmschäden: Regelmäßige oder dauerhafte Exposition gegenüber lauten Geräuschen kann die feinen Haarzellen im Innenohr schädigen und zu einer Lärmschwerhörigkeit führen, die bis zur Taubheit fortschreiten kann. Schon Pegel ab 85 Dezibel (z. B. im Straßenbau oder bei Konzerten) können auf Dauer das Innenohr schädigen.
  • Altersschwerhörigkeit: Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich das Hörvermögen durch degenerative Veränderungen im Innenohr oder im Hörnerv.
  • Tumore: Tumore, insbesondere das Akustikusneurinom, können auf den Hörnerv drücken und zu Hörverlust bis hin zur Taubheit führen. Eine einseitige Schwerhörigkeit kann durch Tumore wie ein Akustikusneurinom entstehen.
  • Hörsturz: Ein plötzlicher Hörverlust, oft begleitet von Tinnitus oder Schwindel, kann in manchen Fällen zur Taubheit führen.
  • Durchblutungsstörungen: Durchblutungsstörungen im Innenohr können zu einem Hörverlust führen.
  • Chronische Mittelohrentzündungen: Wiederholte oder unbehandelte Mittelohrentzündungen können das Gehör schädigen.
  • Otosklerose: Diese Erkrankung führt zu einer Verknöcherung im Mittelohr, die die Schallübertragung beeinträchtigt.
  • Verletzungen: Kopfverletzungen oder Schädelbrüche können das Gehör schädigen. Auch mechanische Schäden - etwa durch einen Schädelbruch oder einen starken Druckausgleich (z. B. beim Tauchen oder Fliegen) - zählen zu den Risikofaktoren.
  • Industrie-Schadstoffe: Seltener führen auch Industrie-Schadstoffe (zum Beispiel Kohlenmonoxid) zu Taubheit.
  • Virale oder bakterielle Infekte: Virale oder bakterielle Infekte, wie eine Mittelohrentzündung oder Mumps, können zu Hörverlust auf einem Ohr führen, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden.
  • Psychogene Hörstörung: In seltenen Fällen führen psychiatrische Erkrankungen zu einer Taubheit. Psychische Belastungen stören bei manchen Menschen die Hörempfindung - auch ohne nachweisbare Schäden der Ohren.

Diagnose von Taubheit

Die Diagnose von Taubheit erfolgt in mehreren Schritten:

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  1. Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte, einschließlich Symptome, familiäre Vorbelastungen, Beruf (z. B. Lärmbelastung) und mögliche Auslöser wie Infekte oder Medikamente. Auch die Frage, ob man auf einem Ohr schlechter hört oder ob die Symptome plötzlich aufgetreten sind (z. B. Hörsturz), ist relevant.
  2. Ohrspiegelung (Otoskopie): Der Arzt untersucht das Ohr mit einem Otoskop, um das Trommelfell und den Gehörgang zu beurteilen.
  3. Hörtests (Audiometrie): Verschiedene Hörtests werden durchgeführt, um den Grad und die Art des Hörverlustes zu bestimmen. Dazu gehören:
    • Tonschwellen-Audiometrie: Hierbei werden Töne unterschiedlicher Frequenz über Kopfhörer oder Knochenleitungshörer abgespielt, um die Hörschwelle zu ermitteln.
    • Sprach-Audiometrie: Wörter oder Laute werden vorgespielt, um das Sprachverständnis zu testen.
    • Weber- und Rinne-Test: Diese Tests mit einer Stimmgabel helfen, zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit zu unterscheiden.
  4. Weitere Untersuchungen: Je nach Befund können bildgebende Verfahren (z. B. MRT bei plötzlichem Hörverlust auf einem Ohr) oder Blutuntersuchungen folgen, um die Ursache der Taubheit zu ermitteln. Insbesondere bei Kindern werden neben der Audiometrie auch andere Hör-Tests genutzt, um das Hörvermögen zu überprüfen. Wenn das Tragen von Kopfhörern abgelehnt oder nicht möglich ist, werden Lautsprecher genutzt.

Objektive Hörtests:

  • Tympanometrie: Misst die Beweglichkeit des Trommelfells und gibt Aufschluss über die Funktion des Mittelohrs.
  • Messung des Stapedius-Reflexes: Untersucht die Reaktion des Stapedius-Muskels auf laute Geräusche.
  • Otoakustische Emissionen (OAE): Misst die Echos, die von den äußeren Haarzellen im Innenohr erzeugt werden.
  • Hirnstamm-Audiometrie (BERA): Untersucht die Nerven- und Gehirnbereiche, die für das Hören verantwortlich sind.

Neugeborenen-Hörscreening: Seit 2009 werden alle Neugeborenen auf Taubheit untersucht, um Hörstörungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Behandlung von Taubheit

Die Behandlung von Taubheit richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad des Hörverlustes:

  • Hörgeräte: Bei leichter bis mittelgradiger Schwerhörigkeit können Hörgeräte helfen, die fehlenden Frequenzen zu verstärken.
  • Cochlea-Implantate: Für Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit oder vollständiger Gehörlosigkeit können Cochlea-Implantate eine Option sein. Diese elektronischen Innenohrprothesen umgehen das beschädigte Hörorgan teilweise und leiten akustische Informationen direkt an den Hörnerv weiter.
  • Medikamentöse Behandlung: Wenn die Schwerhörigkeit durch behandelbare Erkrankungen wie eine Mittelohrentzündung verursacht wird, können Medikamente helfen.
  • Operative Maßnahmen: Bei bestimmten Ursachen, wie z. B. Otosklerose oder Tumoren, können operative Eingriffe erforderlich sein. Eine Tympanoplastik, bei der beschädigte Strukturen im Mittelohr rekonstruiert werden, oder das Einsetzen von Mittelohrimplantaten zählen zu den chirurgischen Optionen.
  • CROS/BiCROS-Systeme: Bei einseitiger Taubheit können diese Systeme den Schall von der tauben auf die hörende Seite übertragen.
  • Ergänzende Maßnahmen: Hörtraining, Logopädie oder psychologische Beratung können Menschen mit Hörbehinderung zusätzlich unterstützen.

Prävention von Taubheit

Einige Maßnahmen können helfen, das Risiko von Gehörlosigkeit zu verringern:

  • Gehörschutz: Tragen Sie Gehörschutz bei lauten Aktivitäten oder in lärmintensiven Umgebungen.
  • Regelmäßige Hörtests: Lassen Sie Ihr Gehör regelmäßig überprüfen, insbesondere wenn Sie beruflich oder privat häufiger Lärm ausgesetzt sind oder bereits erste Anzeichen einer Schwerhörigkeit bemerken.
  • Vermeidung ototoxischer Medikamente: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über mögliche Risiken, wenn Sie Medikamente einnehmen müssen, die das Gehör schädigen können.
  • Impfungen: Lassen Sie sich gegen Röteln und andere Infektionskrankheiten impfen, die das Gehör schädigen können.
  • Schnelle Behandlung von Ohrinfektionen: Suchen Sie bei Ohrinfektionen frühzeitig einen Arzt auf.
  • Gesunder Lebensstil: Vermeiden Sie Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum.

Taubheitsgefühle im Ohr

Taubheitsgefühle im Ohr können verschiedene Ursachen haben, darunter:

  • Erkältung: Durch die Verstopfung der Nase und ggfs. auch der Nebenhöhlen wird das Mittelohr nicht richtig belüftet.
  • Ohrenschmalzpfropf: Eine Ansammlung von Ohrenschmalz kann den Gehörgang verstopfen.
  • Mittelohrentzündung: Eine Infektion im Mittelohr kann zu Taubheitsgefühlen führen.
  • Eustachische Röhre: Eine Verengung oder ein Verschluss der Eustachischen Röhre kann eine Mittelohrentzündung verursachen.
  • Migräne: Manche Patientinnen und Patienten leiden an einer speziellen Migräne-Form und haben eine Aura. Darunter versteht man Symptome/neurologische Ausfälle, die den Kopfschmerzen vorausgehen. Das können Sehausfälle, Taubheitsgefühle an der Wange oder am Ohr, Sprachstörungen und Lähmungserscheinungen sein.
  • Gehörgangsentzündung: Eine Entzündung des äußeren Gehörgangs kann mit Taubheitsgefühlen einhergehen.
  • Durchblutungsstörungen: Durchblutungsstörungen im Ohr können ein dumpfes Gefühl und Taubheit verursachen.
  • Hörsturz: Ein Hörsturz kann mit einem dumpfen, pelzigen Gefühl im Ohr einhergehen.

Bei Taubheitsgefühlen im Ohr sollte ein Arzt aufgesucht werden, um die Ursache abzuklären und eine geeignete Behandlung einzuleiten.

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Leben mit Taubheit

Leben mit Taubheit oder Schwerhörigkeit bedeutet Herausforderungen - aber auch viele Möglichkeiten. Es ist wichtig, sich frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern. Nutzen Sie visuelle Signale (z. B. Lippenlesen), kommunizieren Sie offen über Ihre Hörbehinderung und suchen Sie Unterstützung bei Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen.

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