Ein Taubheitsgefühl in den Fingern kann viele Ursachen haben, von harmlosen Verspannungen bis hin zu ernsthaften Erkrankungen. Eine der weniger bekannten, aber dennoch häufigen Ursachen ist der übermäßige Alkoholkonsum. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Taubheitsgefühl in den Fingern, die zugrunde liegenden Mechanismen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten.
Was ist Polyneuropathie?
Der Begriff „Polyneuropathie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „Erkrankung mehrerer Nerven“. Bei den meisten Menschen beginnt die Polyneuropathie mit Reizerscheinungen im Sinne von Kribbelgefühlen, brennenden Mißempfindungen bis hin zu heftigen Schmerzen und Taubheitsgefühlen an den Füßen. Häufig beschrieben wird ein Schwellungsgefühl, unangenehmer Druck, Gefühl wie auf Watte zu gehen, ein Elektrisieren oder Stechen. Meistens sind zunächst nur die Zehen und der Fußballen bds. betroffen. Im Verlauf von mehreren Monaten bis Jahren kommt es zur Ausweitung der Symptome auf die Füße und Unterschenkel mit Socken-förmiger oder Kniestrumpf-förmiger Begrenzung.
Das Nervensystem und seine Bedeutung
Das menschliche Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das in ein zentrales und ein peripheres System unterteilt ist. Das zentrale Nervensystem umfasst Gehirn und Rückenmark, während das periphere Nervensystem alle Nerven außerhalb dieser Strukturen umfasst. Diese peripheren Nerven sind für die Übertragung von Informationen zwischen dem Gehirn und den Muskeln, der Haut und den Organen verantwortlich. Schädigungen dieser Nerven können zu einer Vielzahl von Problemen führen, darunter auch Taubheitsgefühle.
Das periphere Nervensystem ist für zahlreiche körperliche Prozesse wie die Empfindung von Reizen und die Bewegung von Muskeln verantwortlich. Auch das vegetative Körpersystem, das für die Koordination der Verdauung, der Atmung und weiterer lebenswichtiger Körperfunktionen verantwortlich ist, gehört zum peripheren Nervensystem.
Alkohol und seine Auswirkungen auf das Nervensystem
Alkohol ist ein Zell- und Nervenschädigendes Gift, das im Körper großen Schaden anrichten kann. Alkohol nimmt Einfluss auf die Neurotransmitter und sorgt folglich für eine falsche oder veränderte Übertragung. Übermäßiger Alkoholkonsum kann zu einer Schädigung des peripheren Nervensystems führen, einer sogenannten alkoholischen Polyneuropathie.
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Alkoholische Polyneuropathie: Eine häufige Folge von Alkoholmissbrauch
Die alkoholische Polyneuropathie ist eine neuropathische Schmerzerkrankung, bei der mehrere Neuronen oder Nervenfasern verletzt und somit in ihrer Funktion gestört sind. Die geschädigten peripheren Nerven sind nur eingeschränkt fähig, Impulse zwischen Gehirn und Rückenmark weiterzuleiten.
Schätzungen zufolge betrifft die Alkoholische Polyneuropathie in Deutschland mindestens ein Fünftel aller Alkoholiker. Männer leiden deutlich häufiger an der Erkrankung als Frauen. Die meisten Betroffenen konsumieren über mehrere Jahre hinweg mehr als 60 g Ethanol täglich, bevor sie an einer Polyneuropathie durch Alkohol erkranken.
Ursachen der alkoholischen Polyneuropathie
Ursache für eine Alkoholische Polyneuropathie ist in erster Linie die toxische Wirkung des Alkohols und seiner Abbauprodukte. Bei Alkohol handelt es sich um eine neurotoxische Substanz, die eine exotoxische Schädigung im Nervensystem hervorrufen kann. Dies bedeutet, dass die Schäden im Organismus durch Zufuhr einer äußeren Substanz entstehen. Daneben kann eine Unter- oder Mangelernährung, die in vielen Fällen mit einer chronischen Alkoholsucht einhergeht, das Entstehen der Erkrankung begünstigen oder sogar hervorrufen.
Ein Vitamin-Mangel liegt vor, insbesondere der B-Vitamine. Diese fungieren als wichtige Hilfsstoffe, sogenannte Co-Faktoren, der Enzyme (steuern den Stoffwechsel des Organismus). Grund für die Entstehung eines Vitamin-Mangels ist oftmals, dass bedingt durch den Alkoholmissbrauch einer gesunden, ausgewogenen Ernährung weniger Beachtung geschenkt wird.
Weitere Ursachen können sein:
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- Direkte toxische Wirkung: Alkohol wirkt als Nervengift und schädigt die Nervenzellen direkt.
- Mangelernährung: Alkoholiker vernachlässigen oft ihre Ernährung, was zu einem Mangel an wichtigen Nährstoffen, insbesondere B-Vitaminen, führen kann. Diese Vitamine sind jedoch für die Gesundheit der Nerven unerlässlich.
- Lebererkrankungen: Alkoholmissbrauch kann zu Lebererkrankungen führen, die wiederum die Nervenfunktion beeinträchtigen können.
Symptome der alkoholischen Polyneuropathie
Wann die Polyneuropathie durch Alkohol Symptome auftreten, welche Nerven von der Erkrankung betroffen sind, welche Beschwerden auftreten und wie stark diese ausgeprägt sind, variiert von Patient zu Patient. Der Krankheitsverlauf lässt sich in den meisten Fällen nicht voraussagen. In den meisten Fällen entstehen die Polyneuropathie durch Alkohol Symptome schleichend und steigern sich langsam über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder Jahren. In seltenen Fällen zeigen sich die Beschwerden dagegen schlagartig oder entstehen innerhalb einiger weniger Wochen.
Typische Symptome der Nervenkrankheit Polyneuropathie sind Kribbeln, Brennen und Taubheit, die anfangs an beiden Füßen und Beinen auftreten. Ihren Ursprung haben die Gefühlsstörungen in den langen Nerven, die Muskeln, Haut und Organe mit dem Gehirn verbinden. Schäden an den Nerven führen dazu, dass die Weiterleitung von Informationen zwischen Gehirn, Rückenmark und dem Rest des Körpers gestört ist.
Als typisches Frühsymptom der Erkrankung gilt Druckschmerzhaftigkeit der großen Nervenstämme, beispielsweise in der Kniekehle oder in der Wade. Daneben kann sich eine Alkoholbedingte Polyneuropathie durch zahlreiche weitere Symptome äußern. In den meisten Fällen treten durch die Nervenschäden durch Alkohol zunächst Störungen in den Füßen, Händen und Beinen auf. Die Beschwerden können Bewegungsabläufe, die körperliche Kraft und die Sensibilität des Körpers beeinträchtigen.
Weitere Symptome können sein:
- Taubheitsgefühl: Häufig in den Füßen und Händen, kann sich aber auch auf andere Körperteile ausbreiten.
- Kribbeln und Brennen: Ein unangenehmes Gefühl, das oft als "Ameisenlaufen" beschrieben wird.
- Schmerzen: Ziehende, stechende oder brennende Schmerzen, die sich nachts oft verschlimmern.
- Muskelschwäche: Schwierigkeiten beim Gehen, Heben von Gegenständen oder Ausführen anderer alltäglicher Aufgaben.
- Koordinationsprobleme: Unsicherheit beim Gehen und Stehen.
- Gleichgewichtsstörungen: Erhöhtes Sturzrisiko.
- Empfindungsstörungen: Verminderte oder fehlende Wahrnehmung von Berührungen, Temperatur oder Schmerz.
- Impotenz, Verdauungsbeschwerden und Herzrhythmusstörungen: Wenn das vegetative Nervensystem von der Polyneuropathie durch Alkohol betroffen ist, können Impotenz, Verdauungsbeschwerden und Herzrhythmusstörungen die Folge sein.
Die Symptome beginnen meistens an den Füßen, später an den Händen, und steigen dann langsam auf, Richtung Körpermitte.
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Diagnose der alkoholischen Polyneuropathie
Um eine Alkoholische Polyneuropathie zuverlässig zu diagnostizieren, ist eine ehrliche Antwort notwendig. Die Diagnose von Polyneuropathien erfolgt meist in mehreren Schritten. Meist erfolgt zunächst ein Arzt-Patient-Gespräch, in dem die Krankengeschichte des Betroffenen erhoben wird (Anamnese). Neben einer Schilderung der bestehenden Beschwerden erfolgt eine Nennung eventueller Grund- und Vorerkrankungen. Hierbei sind Angaben zum Alkohol- und Drogenkonsum besonders wichtig.
Die wichtigsten diagnostischen Schritte sind:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich Alkoholkonsum, Ernährungsgewohnheiten und Vorerkrankungen.
- Körperliche Untersuchung: Überprüfung der Reflexe, Muskelkraft und Sensibilität.
- Neurologische Untersuchung: Beurteilung der Nervenfunktion durch verschiedene Tests.
- Elektroneurographie (NLG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um Schädigungen der Nerven festzustellen.
- Elektromyographie (EMG): Untersuchung der Muskelaktivität, um festzustellen, ob die Muskeln richtig auf Nervenimpulse reagieren.
- Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen, um Vitaminmängel, Lebererkrankungen oder andere Ursachen auszuschließen.
- Nervenbiopsie: In seltenen Fällen kann eine Gewebeprobe eines Nervs entnommen und untersucht werden, um die Ursache der Polyneuropathie zu bestimmen.
Bei Vorliegen einer Polyneuropathie durch Alkohol wird dagegen meist eine herabgesetzte Nervenleitgeschwindigkeit, eine gestörte Nervenfunktion oder eine Beeinträchtigung der Empfindlichkeit der Nerven festgestellt. Daneben können erhöhte Entzündungswerte wie weiße Blutkörperchen oder CRP im Blut, ein Vitamin-B12-Mangel oder auffällige Leber- und Nierenwerte auf eine Alkoholische Polyneuropathie hinweisen.
Behandlung der alkoholischen Polyneuropathie
Um eine Alkoholische Polyneuropathie erfolgreich zu behandeln, sollten die Nervenschäden durch Alkohol möglichst früh erkannt und behandelt werden. Die Therapie von Polyneuropathien richtet sich dabei in erster Linie nach der Ursache der Erkrankung. Wenn eine Begleiterkrankung wie Diabetes vorliegt, ist es beispielsweise entscheidend, die Blutzuckereinstellung zu optimieren.
Die wichtigsten Behandlungsansätze sind:
- Alkoholabstinenz: Der wichtigste Schritt ist der vollständige Verzicht auf Alkohol. Dies ermöglicht es den Nerven, sich zu erholen und weitere Schäden zu verhindern.
- Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen, insbesondere B-Vitaminen, ist entscheidend für die Regeneration der Nerven. Gegebenenfalls können Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, um Mängel auszugleichen.
- Schmerztherapie: Medikamente wie Antidepressiva und Antikonvulsiva können helfen, die Schmerzen zu lindern. In einigen Fällen können auch Opioide eingesetzt werden, jedoch nur kurzfristig, da sie ein hohes Suchtpotenzial haben.
- Physiotherapie: Gezielte Übungen können helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern.
- Ergotherapie: Hilft bei der Anpassung an die Einschränkungen durch die Polyneuropathie und verbessert die Alltagsfähigkeit.
- Reizstromtherapie (TENS): Kann helfen, Schmerzen zu lindern und die Nervenfunktion zu verbessern.
Da eine Alkoholische Polyneuropathie in vielen Fällen mit einem Nährstoffmangel einhergeht, sollten zu niedrige Nährstoffspiegel durch die Einnahme geeigneter Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere von B-Vitaminen, schnellstmöglich ausgeglichen werden. Daneben ist eine dauerhafte Ernährungsumstellung notwendig.
Zur Behandlung der Beschwerden können zudem verschiedene physikalische Therapien wie Wärme- und Kältebehandlungen, Physiotherapie, Krankengymnastik oder Reizstromtherapie angewandt werden.
Prognose der alkoholischen Polyneuropathie
Ein positiver Aspekt an alkoholbedingten Nervenschädigungen ist die hohe Regenerationsquote der betroffenen Nerven, sobald der Alkoholkonsum eingeschränkt oder sogar völlig eingestellt wird. Insofern die Erkrankung in einer leichten Form vorliegt, ist eine Alkoholische Polyneuropathie bis zu einem gewissen Grad heilbar. Sobald die Erkrankung in einer fortgeschrittenen Form vorliegt, können bereits bestehende Nervenschäden jedoch nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Obwohl Polyneuropathien die Lebenserwartung in der Regel nicht negativ beeinflussen, können die ihr zugrundeliegenden Ursachen wie Alkoholmissbrauch zu einer verkürzten Lebensdauer beitragen.
Prävention der alkoholischen Polyneuropathie
Die beste Prävention ist ein maßvoller Umgang mit Alkohol oder der vollständige Verzicht darauf. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung tragen ebenfalls zur Gesundheit der Nerven bei.
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