Taubheitsgefühl in den Fingern nach Schulter-OP: Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten

Ein Taubheitsgefühl in den Fingern nach einer Schulteroperation kann verschiedene Ursachen haben. Es ist wichtig, die Symptome richtig zu deuten und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Beschwerden zu lindern und die Nervenfunktion wiederherzustellen.

Mögliche Ursachen für Taubheitsgefühle nach Schulter-OP

Regionale Anästhesie

Unmittelbar nach der Operation kann ein Taubheitsgefühl im Arm von der regionalen Anästhesie herrühren, die während des Eingriffs eingesetzt wurde. Dieses Taubheitsgefühl ist in der Regel vorübergehend und klingt innerhalb des ersten Tages nach der Operation ab.

Schulterluxation und Begleitverletzungen

Eine Schulterluxation (Ausrenkung des Schultergelenks), die möglicherweise vor der Operation bestand oder während eines Unfalls verursacht wurde, kann ebenfalls zu Taubheitsgefühlen in den Fingern führen. Bei einer Schulterluxation rutscht der Oberarmkopf aus der Gelenkpfanne, was zu starken Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit führt. Begleitverletzungen wie Knorpelschäden oder ein Einriss der Gelenklippe (Labrum) können ebenfalls auftreten und die Nervenbahnen beeinträchtigen.

Nervenkompressionssyndrome

Nervenkompressionssyndrome, wie das Karpaltunnelsyndrom oder das Kubitaltunnelsyndrom, können Taubheitsgefühle in den Fingern verursachen.

Karpaltunnelsyndrom

Das Karpaltunnelsyndrom entsteht durch eine Einengung des Nervus medianus im Karpaltunnel, einer anatomischen Engstelle im Handgelenk. Dies kann zu Handschmerzen und Taubheitsgefühlen im Bereich von Daumen, Zeige- und Mittelfinger führen. In schweren Fällen kann es auch zu Lähmungserscheinungen der Hand und einem Verlust der Greifkraft kommen.

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Kubitaltunnelsyndrom

Das Kubitaltunnelsyndrom, auch bekannt als Ulnarisrinnensyndrom, ist ein Nervenengpasssyndrom, das den Nervus ulnaris betrifft. Durch Druck oder Reibung am Nerv im Bereich des Ellenbogens kann es zu einer Beeinträchtigung der Nervenleitung kommen. Dies führt zu Taubheit, Kribbeln oder Schmerzen, vor allem im kleinen Finger und Ringfinger.

Nervenschäden während der Operation

In seltenen Fällen kann es während der Schulteroperation selbst zu Nervenschäden kommen. Dies kann passieren, wenn Nerven verletzt oder durchtrennt werden. Typische Anzeichen für einen Nervenschaden sind Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schmerzen oder Lähmungserscheinungen in bestimmten Körperregionen, die vor der Operation nicht vorhanden waren. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Nervenschaden auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist, sondern in manchen Fällen eine unvermeidbare Komplikation darstellen kann.

Schulter-Arm-Syndrom

Das Schulter-Arm-Syndrom ist ein Symptomkomplex, der Beschwerden rund um das Schultergelenk umfasst. Verhärtete oder ungleich trainierte Muskeln können Nerven komprimieren oder einklemmen und so ein Kribbeln in Händen und Fingern auslösen.

Probleme mit der Halswirbelsäule

Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich oder Probleme mit der Halswirbelsäule können ebenfalls zu Kribbeln in Händen und Fingern führen. Die Nerven, die durch die Schulter verlaufen, sind mit den Nervenenden in den Fingern verbunden, und eine Beeinträchtigung der Nervenfunktion in der Halswirbelsäule kann sich bis in die Finger auswirken.

Weitere mögliche Ursachen

Neben den genannten Ursachen können auch andere Faktoren wie Stoffwechselstörungen (z.B. Diabetes, Vitamin-B12-Mangel, Calciummangel), hormonelle Veränderungen (z.B. Schwangerschaft), Medikamente oder Durchblutungsstörungen zu Taubheitsgefühlen in den Fingern führen.

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Diagnose

Um die Ursache für das Taubheitsgefühl in den Fingern nach einer Schulteroperation zu ermitteln, sind verschiedene diagnostische Maßnahmen erforderlich.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Der Arzt wird zunächst eine ausführliche Anamnese erheben, um die Krankengeschichte des Patienten zu erfassen und die genauen Symptome zu erfragen. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der der Arzt die Schulter, den Arm und die Hand untersucht, um mögliche Ursachen für die Beschwerden zu finden.

Funktionstests

  • Ellenbeugen-Test: Beugen Sie den Arm vollständig und halten Sie die Position für 30-60 Sekunden.
  • Tinel-Test: Klopfen Sie vorsichtig auf die Innenseite des Ellenbogens (über den Kubitaltunnel).
  • Phalen-Test: Der Patient legt die Handinnenflächen und anschließend die Handrückseiten zusammen. Der Test fällt positiv aus, wenn das Aneinanderdrücken der Handrücken Gefühlsstörungen in den Fingern auslöst.

Bildgebende Verfahren

  • Röntgen: Eine Röntgenaufnahme kann helfen, knöcherne Veränderungen oder Verletzungen im Bereich der Schulter oder der Halswirbelsäule zu erkennen.
  • Sonographie: Eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann Weichteile wie Muskeln, Sehnen und Nerven darstellen und mögliche Entzündungen oder Kompressionen aufzeigen.
  • Kernspintomographie (MRT): Eine MRT-Untersuchung ist besonders geeignet, um Weichteilverletzungen wie Knorpelschäden, Labrumrisse oder Nervenkompressionen zu beurteilen.

Neurologische Untersuchungen

  • Nervenleitgeschwindigkeit (NLG): Dieser Test misst die Geschwindigkeit, mit der elektrische Signale entlang der Nerven geleitet werden. Eine verringerte Nervenleitgeschwindigkeit kann auf eine Nervenkompression oder einen Nervenschaden hindeuten.
  • Elektroneurographie (ENG): Mittels Elektroneurographie kann der Arzt die Nervenleitgeschwindigkeit ermitteln und erkennt auf diese Weise Nervenschädigungen.

Behandlung

Die Behandlung von Taubheitsgefühlen in den Fingern nach einer Schulteroperation richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.

Konservative Behandlung

In vielen Fällen können konservative Maßnahmen helfen, die Beschwerden zu lindern und die Nervenfunktion wiederherzustellen.

  • Schmerzmittel: Entzündungshemmende Schmerzmittel können helfen, Schmerzen zu reduzieren und Entzündungen zu hemmen.
  • Physiotherapie: Physiotherapeutische Übungen können helfen, die Muskulatur zu kräftigen, die Beweglichkeit zu verbessern und die Nerven zu entlasten.
  • Ergotherapie: Ergotherapeutische Maßnahmen können helfen, die Handfunktion zu verbessern und den Alltag besser zu bewältigen.
  • Schienen: Spezielle Schienen können das Handgelenk oder den Ellenbogen in einer neutralen Position ruhigstellen und so den Druck auf die Nerven reduzieren. Nachtschienen halten den Ellenbogen in einer leicht gestreckten Position, um den Druck auf den Nerv zu verringern.
  • Taping: Das Aufbringen von speziellen Tapes unterstützt die Entlastung des Nervus ulnaris und fördert die Durchblutung.
  • Injektionen: Injektionen mit Kortison oder lokalen Schmerzmitteln können helfen, Entzündungen zu reduzieren und Schmerzen zu lindern.

Operative Behandlung

In einigen Fällen ist eine operative Behandlung erforderlich, um die Ursache für das Taubheitsgefühl zu beseitigen.

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  • Karpaltunnelspaltung: Bei einem Karpaltunnelsyndrom kann eine Operation durchgeführt werden, um den Karpaltunnel zu erweitern und den Nervus medianus zu entlasten.
  • Dekompression des Nervus ulnaris: Bei einem Kubitaltunnelsyndrom kann eine Operation durchgeführt werden, um den Nervus ulnaris im Bereich des Ellenbogens zu entlasten. Hierzu wird der Nerv oberhalb des Ellenbogens aufgesucht und weit nach unten verfolgt und das einengende Gewebe durchtrennt. Dies ist meist für die Entlastung (Dekompression) des Nerves ausreichend. In seltenen Fällen, wenn die Einengung sehr stark ausgeprägt ist, wird der Nerv dann nach vorne verlagert und dort in ein Bett aus subkutanem Fettgewebe verlagert.
  • Arthroskopische Operation: Bei Begleitverletzungen wie Knorpelschäden oder Labrumrissen kann eine arthroskopische Operation durchgeführt werden, um die Schäden zu beheben. Dabei wird das Schultergelenk in einer Schlüsselloch Operation arthroskopisch ambulant behandelt, um sie wieder an der Pfanne zu fixieren. Bei einer Operation kann der Arzt bei Bedarf auch eine Straffung der überdehnten Bänder vornehmen, um das Risiko für eine wiederholte Ausrenkung zu minimieren.

Nachbehandlung

Nach einer operativen Behandlung ist eine sorgfältige Nachbehandlung wichtig, um den Heilungsprozess zu unterstützen und die Funktion des Arms und der Hand wiederherzustellen.

  • Ruhigstellung: Nach der Operation erfolgt in der Regel eine Ruhigstellung des Arms in einer Armbandage oder einer Schiene für einige Wochen. Es erfolgt eine Ruhigstellung des Ellenbogens in einer Schiene für 3 - 4 Wochen.
  • Physiotherapie: Physiotherapeutische Übungen helfen, die Muskulatur zu kräftigen, die Beweglichkeit zu verbessern und die Nervenfunktion wiederherzustellen. Danach erfolgt vorsichtiges Mobilisieren.
  • Narbenpflege: Eine spezielle Wundpflege ist in der Regel nicht notwendig. Narben heilen am besten, wenn sie mechanisch in Ruhe gelassen werden.

Selbsthilfe und Vorbeugung

Neben den ärztlichen Maßnahmen können auch einige Selbsthilfe-Maßnahmen helfen, die Beschwerden zu lindern und die Heilung zu fördern.

  • Vermeidung von Überlastung: Vermeiden Sie repetitive Bewegungen und Überlastungen des Arms und der Hand.
  • Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung: Achten Sie auf eine ergonomische Gestaltung Ihres Arbeitsplatzes, um Fehlbelastungen zu vermeiden. Bei der Computerarbeit ist eine ergonomisch geformte Tastatur ratsam sowie die Nutzung einer Maus, deren Maße zur Größe der Hand passen und die flüssig zu bewegen ist.
  • Regelmäßige Pausen: Machen Sie regelmäßig Pausen bei Tätigkeiten, die den Arm und die Hand belasten.
  • Dehnübungen: Führen Sie regelmäßig Dehnübungen für die Handgelenke und die Finger durch. Drehe die Finger nach außen und immer weiter zurück bis die Finger im besten Fall zu dir nach hinten zeigen. Du lässt deine Handfläche am Boden oder auf dem Tisch und erzeugst eine intensive Dehnung am Handgelenk. Um die Dehnung zu intensivieren, bewege die Schultern zurück.
  • Schlafposition: Vermeiden Sie es, mit gebeugtem Ellenbogen zu schlafen. Halten Sie den Arm möglichst gestreckt.
  • Stressreduktion: Stress kann die Beschwerden verstärken. Versuchen Sie, Stress abzubauen und Entspannungsübungen zu praktizieren.

Rechtliche Aspekte bei Nervenschäden nach Operationen

Wenn ein Nervenschaden nach einer Operation auftritt, stellt sich oft die Frage nach rechtlichen Ansprüchen. Grundsätzlich muss der Patient beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dieser ursächlich für den Schaden ist. Die Beweisführung ist oft komplex und erfordert spezielles Fachwissen. Es ist wichtig, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um keine Fristen zu versäumen und wichtige Beweise zu sichern.

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