Nach einer Impfung im Arm können verschiedene Empfindungen auftreten, darunter auch Taubheitsgefühle. Diese können vielfältige Ursachen haben, die von harmlosen Reaktionen bis hin zu seltenen, aber schwerwiegenden Komplikationen reichen. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für Taubheitsgefühle nach einer Impfung im Arm und bietet einen umfassenden Überblick über das Thema.
Häufige Ursachen für Taubheitsgefühle nach Impfung
Lokale Reaktionen
Zu den üblichen Nebenwirkungen von Impfungen gehören lokale Reaktionen an der Einstichstelle. Dazu zählen Rötungen, Schwellungen und Schmerzen. Diese Reaktionen können vorübergehend Nerven in der Umgebung beeinträchtigen und so Taubheitsgefühle verursachen. Diese Symptome klingen in der Regel nach wenigen Tagen von selbst wieder ab.
Vasovagale Reaktion
Eine weitere mögliche Ursache für Taubheitsgefühle nach einer Impfung ist eine vasovagale Reaktion. Diese Reaktion wird durch den Vagusnerv ausgelöst und kann zu einem plötzlichen Abfall des Blutdrucks und der Herzfrequenz führen. Dies kann Schwindel, Übelkeit und sogar Ohnmacht verursachen. In manchen Fällen kann eine vasovagale Reaktion auch Taubheitsgefühle in den Extremitäten auslösen.
Seltene, aber schwerwiegende Ursachen
Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine seltene neurologische Erkrankung, bei der das Immunsystem die peripheren Nerven angreift. Dies kann zu Muskelschwäche, Taubheitsgefühlen und Lähmungen führen. In sehr seltenen Fällen wurde GBS nach Impfungen beobachtet, insbesondere nach der COVID-19-Impfung mit Vektor-basierten Vakzinen wie dem von Janssen (Johnson & Johnson).
Die US-Gesundheitsbehörde FDA warnte am 12. Juli 2021, dass der COVID-19 Impfstoff von Janssen (Johnson & Johnson) in sehr seltenen Fällen das Guillain-Barré-Syndroms (GBS) auslösen kann. So gebe es 100 vorläufige Berichte über GBS in Verbindung mit der Impfung. 95 davon seien schwer verlaufen und hätten eine Krankenhausbehandlung nötig gemacht. Insgesamt waren da bereits 12,5 Millionen Dosen des Impfstoffes in den USA verabreicht worden. Diese spezielle Nebenwirkung gilt somit als sehr selten.
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Es ist nicht das erste Mal, dass Impfungen in Zusammenhang mit GBS gebracht wurden. In Peru waren am 12. Dezember 2020 klinische Tests mit einem Impfstoff der chinesischen Firma Sinopharm unterbrochen worden, nachdem ein Proband GBS-Symptome entwickelte. Weil GBS so selten auftritt, ist die Kausalität zwischen der Nervenerkrankung und einer Impfung meist nicht eindeutig festzustellen. Viel häufiger tritt sie nach bakteriellen oder viralen Infektionserkrankungen auf.
Ein Fallbeispiel ist Carsten Kolberg, der nach einer Hepatitis-B-Auffrischungsimpfung am Guillain-Barré-Syndrom erkrankte. Er entwickelte zunächst erkältungsähnliche Symptome, gefolgt von Schmerzen in den Füßen und schließlich Lähmungen. Die Diagnose lautete Guillain-Barré-Syndrom, eine Entzündung der Nervenwurzeln und der peripheren Nerven. Die Entzündung betrifft die Myelinscheide, eine Isolierschicht um die Nervenzellen, die für die schnelle Signalübertragung verantwortlich ist.
Um herauszufinden, ob die Lähmung auch wirklich ein GBS ist, können die Ärzte auf drei Diagnoseverfahren zurückgreifen. Durch eine elektrophysiologische Untersuchung lässt sich messen, ob die Nervenleitgeschwindigkeit verändert ist. Hinzu kommt die Bildgebung. "Die Kernspintomographie des Rückenmarks zeigt uns die Entzündungsreaktion im Bereich der Nervenwurzeln. Das Nervenwasser wird aus dem Rückenmark entnommen.
Gleichzeitig unterstützen sie die Heilung entweder durch eine spezielle Blutwäsche, bei der das Blutserum von Antikörpern gereinigt und ersetzt wird oder durch die Gabe von Immunglobulinen. "Das sind gepoolte Antikörper von Blutspendern. Möglicherweise verdrängen die gespendeten Antikörper die körpereigenen Antikörper. Diese haben die Entzündung ausgelöst. Die gespendeten Antikörper, hingegen - die Immunglobuline - verhindern, dass noch mehr Nervenzellen geschädigt werden. Dies ist aber nur eine stark vereinfachte Erklärung. Was sich genau beim Heilungsprozess abspielt, wissen die Ärzte in Wirklichkeit nicht: "Also, was wir sagen können, ist: 'Wir geben die Immunglobuline und die Erkrankung verläuft kürzer'.
Nach einer SARS-CoV-2-Infektion ist das Risiko für die Nervenkrankheit um über das Sechsfache erhöht, zeigt eine israelische Studie. Eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff kann es hingegen sogar senken.
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Auswertungen der Daten aus dem Zeitraum zwischen dem 27.12.2020 bis 31.8.2021 zeigen: Ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) nach der Impfung gegen Covid-19 kann vorkommen, allerdings nur selten. Auch wurde es nur im Zusammenhang mit der Verwendung Vektor-basierter Vakzinen häufiger beobachtet als erwartet.
Eine Impfung mit mRNA-Impfstoffen scheint das Risiko für GBS hingegen um mehr als die Hälfte zu verringern, wie eine israelische Studie aus dem Jahr 2023 zeigt. Die Forschenden analysierten die GBS-Fälle, sie sowohl nach einer Impfung mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 als auch nach einer Covid-19-Erkrankung auftraten. Dafür wurden bei 3.193.951 Patientinnen und Patienten im Alter über 16 Jahren, die zuvor keine GBS-Diagnose hatten, im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2022 und dem 30. Juni 2022 alle Fälle eines GBS erfasst. Insgesamt erlitten 76 Patientinnen und Patienten ein GBS. Neun der GBS-Betroffenen waren in den sechs Wochen zuvor positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden (11,8 Prozent), ebenso wie 18 der Kontrollpatientinnen und -patienten (2,4 Prozent). Acht der GBS-Betroffenen (10,5 Prozent) hatten in den sechs Wochen zuvor eine Impfung gegen SARS-CoV-2 erhalten (alle BNT162b2) sowie 136 der Kontrollpatientinnen und -patienten (17,9 Prozent), von denen 134 mit BNT162b2 geimpft worden waren. Die Studienautoren kommen daher zu dem Schluss, dass eine Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff nicht mit einem höheren Risiko für GBS einhergeht. Stattdessen zeigt die aktuelle Erhebung, dass eine SARS-CoV-2-Infektion das Risiko eines GBS um über das Sechsfache erhöht.
Beim GBS handelt es sich um eine Nervenerkrankung, die in seltenen Fällen nach einer Virus- oder Bakterieninfektion auftreten kann. Mediziner gehen davon aus, dass es sich dabei um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der sich das Immunsystem irrtümlich gegen den eigenen Körper richtet. Im Fall des Guillain-Barré-Syndroms sind die Nerven betroffen, ein erstes Warnzeichen sind Kribbeln und ein Taubheitsgefühl in den Beinen, Armen oder im Gesicht. Es kann auch zu Lähmungserscheinungen führen, die sich von den Beinen nach oben hin ausbreiten. In schlimmen Fällen ist davon auch die Atmung betroffen, was die Erkrankung lebensbedrohlich macht. Die Betroffenen erhalten zur Therapie entweder hochdosiert intravenös Immunglobuline oder es erfolgt ein Blutreinigungsverfahren, bei dem die krankheitsauslösenden Autoantikörper herausgefiltert werden.
Post-Vac-Syndrom
In einigen Fällen berichten Menschen nach einer Corona-Impfung über anhaltende Symptome, die als Post-Vac-Syndrom bezeichnet werden. Zu diesen Symptomen können auch neurologische Beschwerden wie Taubheitsgefühle gehören. Die Ursachen für das Post-Vac-Syndrom sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird vermutet, dass Autoimmunreaktionen oder die Reaktivierung früherer Viruserkrankungen eine Rolle spielen könnten.
So beschreibt eine Patientin, die nach der Corona-Impfung mit dem Präparat von Moderna Nebenwirkungen erlebt, ihre Symptome gegenüber Spiegel Online. „Es ist mal schlimmer, mal besser und kommt in Wellen“, wird sie zitiert.
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„Aktuell überblicken wir circa 200 Patienten aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Post-Vac-Syndrom, die wir seit Anfang 2022 systematisch erfassen“, wird der Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin vom Universitätsklinikum Marburg, Prof. Dr. med. Bernhard Schieffer, vom Deutschen Ärzteblatt zitiert.
„Ob ihre Symptome tatsächlich von der Impfung kommen, wissen wir nicht. Es scheint aber, dass zumindest bei einem Teil der Patienten etwas durch die Impfung getriggert wurde, etwa in Form einer Reaktivierung früherer Viruserkrankungen oder einer Autoimmunreaktion. Das könnte zu Gefäßproblemen führen, die wiederum für die Symptome verantwortlich sind“, erklärte er gegenüber Spiegel Online. Auch im Zusammenhang mit Long-Covid werden diese Ursachen, aber auch eine Beteiligung des Vagusnerv, diskutiert und untersucht.
Auf die 65 Millionen Geimpften in Deutschland gerechnet, könnten das derzeit 4500 Betroffene sein - ohne Symptome wie Ermüdung, Herzrasen oder Schwindel zu berücksichtigen.
Verletzung von Nerven
In sehr seltenen Fällen kann es bei der Impfung selbst zu einer direkten Verletzung von Nerven im Arm kommen. Dies kann zu sofortigen Taubheitsgefühlen, Schmerzen und möglicherweise auch zu langfristigen neurologischen Problemen führen.
Differentialdiagnosen
Es ist wichtig zu beachten, dass Taubheitsgefühle im Arm auch andere Ursachen haben können, die nicht mit einer Impfung in Zusammenhang stehen. Dazu gehören:
- Nervenkompressionssyndrome: Karpaltunnelsyndrom, Ulnarisnerv-Kompression
- Bandscheibenvorfälle im Nackenbereich
- Durchblutungsstörungen
- Neuropathien (z. B. diabetische Neuropathie)
- Multiple Sklerose
- Borreliose
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
In den meisten Fällen sind Taubheitsgefühle nach einer Impfung harmlos und verschwinden von selbst. Es gibt jedoch bestimmte Warnzeichen, bei denen ein Arzt aufgesucht werden sollte:
- Plötzlich auftretende, starke Taubheitsgefühle
- Taubheitsgefühle, die sich ausbreiten oder verschlimmern
- Begleitende Muskelschwäche oder Lähmungen
- Atembeschwerden
- Schluckbeschwerden
- Verlust der Blasen- oder Darmkontrolle
- Anhaltende Symptome über mehrere Tage hinaus
Diagnose und Behandlung
Die Diagnose von Taubheitsgefühlen nach einer Impfung umfasst in der Regel eine gründliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung und gegebenenfalls neurologische Tests wie Elektromyographie (EMG) und Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen. Bildgebende Verfahren wie MRT können ebenfalls eingesetzt werden, um andere Ursachen auszuschließen.
Die Behandlung hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Bei lokalen Reaktionen können kühlende Umschläge und Schmerzmittel helfen. Bei GBS oder anderen schwerwiegenden Komplikationen können Immunglobuline, Plasmapherese oder andere immunmodulierende Therapien erforderlich sein. Physiotherapie und Rehabilitation können ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Wiederherstellung der Funktion spielen.
Prävention
Obwohl nicht alle Ursachen von Taubheitsgefühlen nach Impfungen vermeidbar sind, gibt es einige Maßnahmen, die ergriffen werden können, um das Risiko zu minimieren:
- Sorgfältige Injektionstechnik: Eine korrekte Injektionstechnik kann das Risiko einer Nervenverletzung reduzieren.
- Beobachtung nach der Impfung: Achten Sie auf ungewöhnliche Symptome und suchen Sie bei Bedarf einen Arzt auf.
- Impfung mit mRNA-Impfstoffen: Einige Studien deuten darauf hin, dass mRNA-Impfstoffe möglicherweise ein geringeres Risiko für GBS aufweisen als Vektor-basierte Impfstoffe.
Tetanusimpfung und ihre Bedeutung
Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit Impfungen ist der Schutz vor Tetanus (Wundstarrkrampf). Tetanus wird durch Bakterien (Clostridium tetani) verursacht, deren Sporen widerstandsfähig sind und weltweit im Erdreich und im Kot von Tieren vorkommen. Die Erreger gelangen durch verunreinigte Wunden in den Körper, auch durch unscheinbare Kratzer oder Bagatellverletzungen.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen Erwachsenen, die Impfung gegen Tetanus und Diphtherie alle zehn Jahre aufzufrischen. Die nächste Auffrischimpfung gegen Tetanus und Diphtherie (und gegebenenfalls Kinderlähmung) sollte als Kombinationsimpfung, die auch eine Keuchhustenkomponente enthält, gegeben werden.
Kribbeln und Taubheitsgefühl im Bereich der Wunde sowie Abgeschlagenheit, Unruhe und Kopfschmerzen sind erste Anzeichen. Nach kurzer Zeit kommen starke, schmerzhafte Krämpfe des Kiefers und weiterer Muskelgruppen hinzu. Die Patienten scheinen starr zu grinsen. Krämpfe des Kehlkopfes und der Brustmuskulatur können so ausgeprägt sein, dass sie zum Erstickungstod führen.
Nicht die Bakterien selbst verursachen die Krankheit, sondern die Gifte, die sie ausscheiden. Deshalb wird bei großen und schmutzigen Wunden schnellstmöglich Antiserum (Immunglobulin) gegeben, das noch frei zirkulierendes Gift unwirksam macht. Antibiotika sollen verhindern, dass sich die Bakterien weiter vermehren. Falls notwendig, werden Wunden operativ gesäubert. Je nachdem wie gut der Patient geimpft ist, wird bei Verletzungen auch eine Auffrischimpfung gegeben, um die körpereigene Abwehr schneller zu aktivieren.
Die Kombinationsimpfstoffe enthalten eine oder mehrere Komponenten zum Schutz gegen Tetanus, Diphtherie und/oder Pertussis (Keuchhusten) und/oder Polio (Kinderlähmung). Seit Juli 2024 ist zudem ein Impfstoff ausschließlich gegen Tetanus (Tetanus-Monoimpfstoff) ab einem Alter von 2 Monaten zugelassen.
Fallberichte und Studien
Fallberichte und Studien liefern wichtige Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge zwischen Impfungen und neurologischen Komplikationen. Ein Bericht beschreibt den Fall einer 66-jährigen Patientin, bei der neun Tage nach einer ersten Impfung mit Shingrix® Kribbelparästhesien in den Füßen und Unterschenkeln auftraten, gefolgt von Missempfindungen in den Fingerspitzen und Schwäche der Beine. Die Diagnose lautete Guillain-Barré-Syndrom (GBS).
In einem weiteren Fall kam es bei einem 15-jährigen Mädchen etwa einen Monat nach einer Injektion von Encepur® als Auffrischimpfung zu distalen Gefühlstörungen mit Parästhesien und langsam zunehmenden distal betonten Lähmungen. Auch hier wurde ein GBS diagnostiziert.
Diese Fallberichte unterstreichen die Notwendigkeit, neurologische Symptome nach Impfungen ernst zu nehmen undDifferentialdiagnosen in Betracht zu ziehen.
Long-Covid-Syndrom und neurologische Auswirkungen
Nach einer durchgemachten Covid-19-Infektion kann es zu anhaltenden und z.T. dauerhaften neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen kommen. Wenn diese über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten nach der Akutinfektion bestehen spricht man von einem Long-Covid-Syndrom oder Post-Covid-Syndrom.
Auch im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19 wurde das Auftreten von verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie z.B. Hirnnervenausfällen, Nervenentzündungen (Polyneuritis) und Muskelerkrankungen (Myopathien) beschrieben.
Im Bereich der peripheren Nerven kann es zu einer Entzündung vieler Nerven (Polyneuritis) mit Taubheitsgefühlen, Lähmungen überwiegend an den Extremitäten und Schmerzen (Burning-Hands- und Burning-Feet-Syndrom) überwiegend nächtlich und seltener zu einem Guillain-Barré-Syndrom mit schnell aufsteigenden Taubheitsgefühlen und Lähmungen kommen.
Nervenentzündungen und Nervenausfälle können mit Cortisonstoß-Therapie oder Anwendung von Immunglobulinen oder in schweren Fällen auch durch Plasmaaustausch behandelt werden und werden zusätzlich physiotherapeutisch und mittels Akupunktur oder auch medikamentöser Schmerztherapie, falls notwendig, behandelt.
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