Taubheitsgefühl nach Kreuzband-OP: Ursachen und Lösungen

Ein Taubheitsgefühl nach einer Kreuzbandoperation kann beunruhigend sein. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen für dieses Gefühl, beginnend mit den häufigsten Komplikationen nach der Operation und geht dann auf spezifische Nervenschäden und andere mögliche Faktoren ein. Ziel ist es, Betroffenen eine umfassende Grundlage zu bieten, um ihre Beschwerden besser zu verstehen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Arthrofibrose als mögliche Ursache

Eine häufige Komplikation nach Knieoperationen, insbesondere nach Eingriffen am Kreuzband oder Meniskus, ist die Arthrofibrose. Hierbei handelt es sich um eine überschießende Narbenbildung im Gelenk. In Deutschland sind jährlich Tausende Menschen von dieser Erkrankung betroffen. Die Bindegewebszellen der inneren Narbe verdrängen gesundes Gewebe und schränken dadurch die Beweglichkeit des Gelenks dauerhaft ein.

Symptome und Behandlung:

Eine Arthrofibrose macht sich zunächst durch Entzündungsreaktionen wie Rötung und Schwellung bemerkbar. Im Laufe der Zeit lässt sich das betroffene Gelenk immer weniger beugen oder strecken. Eine Beugung des Gelenks über 90 Grad ist oft nicht mehr möglich.

Die Behandlung einer Arthrofibrose ist ein Balanceakt. Ziel ist es, den Körper beim Abbau des überschüssigen Gewebes zu unterstützen, ohne die Narbenbildung durch zu starke mechanische Belastung zu fördern. Betroffene sollten ihren Körper langsam und mit viel Geduld trainieren. Langsames Auf- und Abrollen der Beine mit einer Decke unter dem Knie kann beispielsweise das Beugen des Gelenks fördern.

Wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen, kann eine Arthrolyse in Betracht gezogen werden. Dabei entfernt der Operateur im Rahmen einer Gelenkspiegelung das Narbengewebe und löst Verklebungen. Im Anschluss ist es wichtig, mit verschiedenen Maßnahmen das überschüssige Gewebe weiter abzubauen.

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Weitere Therapieansätze:

  • Medikamente: Kortison und Schmerzmittel können helfen, das Stresslevel zu senken und eine weitere Vernarbung zu unterbrechen.
  • Physikalische Therapie: Lymphdrainagen und Massagen können eingesetzt werden.
  • Sporttherapie: Diese Behandlung dient der Kräftigung. Wichtig ist, dass die Therapieeinheiten täglich durchgeführt werden.
  • Judet-Operation: Wenn nicht nur das Gelenk, sondern auch die Oberschenkelmuskulatur vernarbt ist, kann eine Judet-Operation helfen. Bei diesem aufwendigen Eingriff wird die komplette Oberschenkelmuskulatur von der Hüfte bis unter das Knie abgelöst.

Komplikationen nach Kreuzband-OP: Ein Überblick

Komplikationen nach einer vorderen Kreuzband-OP sind keine Seltenheit. Etwa 15 bis 20 % aller Patienten leiden länger als erwartet unter den Folgen ihrer Operation. Einige von ihnen müssen aufgrund der Schwere der Komplikationen erneut operiert werden (Revision).

Frühe und späte Komplikationen:

Mediziner unterscheiden zwischen frühen und späten Komplikationen. Frühe Komplikationen treten unmittelbar nach der Operation auf, während späte Komplikationen erst mit der Zeit deutlich werden.

Frühe Komplikationen:

Allgemeine frühe Risiken bei Knieoperationen sind Wundheilungsstörungen, eine bakterielle Infektion des Kniegelenkes oder eine Thrombose im Bein.

Späte Komplikationen:

Späte Komplikationen sind eine verbleibende Restinstabilität des Kniegelenkes, eine bleibende Bewegungseinschränkung (fehlende volle Streck- oder Beugefähigkeit) oder Unverträglichkeitsreaktionen mit Knochenerweichungen.

Mögliche Ursachen für anhaltende Kniebeschwerden

Auch nach einer Kreuzband-OP können verschiedene Ursachen für anhaltende Kniebeschwerden verantwortlich sein:

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Mechanisch störende Implantate:

Bei der Fixierung der Sehne verwenden Operateure unterschiedliche Implantate (Fixationsschrauben, Pins, Endobuttons usw.). Diese können mechanisch stören, insbesondere wenn sie nicht vollständig im Knochen versenkt wurden oder unmittelbar unter einer Sehne liegen. Ragen die Implantate direkt in das Kniegelenk hinein, besteht die Gefahr, dass sie den Bewegungsablauf behindern und zu einer vermehrten Vernarbung führen.

Abstoßungsreaktionen auf Knie-Implantate:

Oft verwenden Chirurgen auflösende (resorbierbare) Implantate. Eine Komplikation besteht darin, dass sich diese zwar auflösen, aber sich dabei eine Art "Grieß" bildet. Dieser "Grieß" kann im Kniegelenk wie Schleifpapier wirken und zu Knorpelschäden führen. In seltenen Fällen kann es auch zu Abstoßungsreaktionen auf die Abbauprodukte der Bioschrauben kommen.

Nicht ausgeheilter Bon Bruise:

Die meisten Kreuzbandrisse sind Folgen eines Traumas. Dabei kann es zu einer Knorpel-Knochen-Prellung ("Bon Bruise" oder "Knochenmarksödem") kommen. In der Regel heilen Knochenmarksödeme folgenlos aus. War die Krafteinwirkung jedoch sehr hoch, können bleibende Schäden am Knochen oder Knorpel die Folge sein.

Fehlplatzierung des vorderen Kreuzbandes:

Eine weitere häufige Komplikation ist, dass das vordere Kreuzbandplastik nicht richtig "sitzt". Dies kann zu einer anhaltenden Bewegungseinschränkung führen. Reibt das Sehnentransplantat in einer zu eng angelegten Notch, kann dies zu Entzündungen und Schmerzen führen.

Fehlplatzierte Bohrkanäle:

Auch fehlplatzierte Bohrkanäle können dazu führen, dass das Kreuzband an der Notch reibt oder zu locker bzw. zu straff sitzt.

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Tunnelerweiterung:

Innerhalb der ersten Wochen nach der Operation kann es zu einer Erweiterung der Bohrkanäle kommen.

Zyklops:

Beim Zyklopssyndrom kommt es zu einer überschießenden Narbenbildung im Bereich der Notch mit einem resultierenden Streckdefizit.

Plica-Syndrom:

Durch eine Knieverletzung oder Überbelastung können sich die Schleimhautfalten (Plicae) im Kniegelenk verdicken bzw. vernarben. Dies kann zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen.

Übersehene Schäden anderer Bänder oder Menisken:

Auch übersehene Schäden anderer Bänder oder Menisken können zu anhaltenden Beschwerden führen.

Infektionen und Nervenschäden nach Knie-OP

Infektionen und Nervenschäden zählen zu den schwerwiegendsten Komplikationen nach einer Knie-OP.

Infektionen:

Trotz modernster Hygienestandards können sich Bakterien während oder nach dem Eingriff im Operationsgebiet ansiedeln.

Ursachen:

  • Bakterielle Kontamination während der Operation
  • Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus oder ein geschwächtes Immunsystem
  • Unzureichende Wundpflege in der postoperativen Phase
  • Durchblutungsstörungen im Operationsgebiet
  • Verzögerte Wundheilung durch Bewegungsmangel

Symptome:

  • Zunehmende Schmerzen im operierten Knie
  • Deutliche Rötung und Überwärmung des Operationsgebiets
  • Starke Schwellung des Knies und der umliegenden Bereiche
  • Austritt von Wundsekret oder Eiterbildung
  • Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl
  • Eingeschränkte Beweglichkeit des Kniegelenks

Nervenschäden:

Nervenschäden können durch verschiedene Faktoren während oder nach einer Knieoperation entstehen.

Ursachen:

  • Direkte Verletzung des Nervs während des operativen Eingriffs
  • Übermäßiger Druck auf den Nerv durch postoperative Schwellungen
  • Kompression durch Narbengewebe oder Hämatome
  • Ischämie (Minderdurchblutung) des Nervs
  • Auswirkungen von Anästhesie oder Blutsperre

Besonders gefährdet sind der Nervus peroneus (Wadenbeinnerv) und der Nervus tibialis (Schienbeinnerv).

Symptome:

  • Taubheitsgefühl oder Kribbeln im Knie, Unterschenkel oder Fuß
  • Brennende oder stechende Schmerzen
  • Muskelschwäche, insbesondere beim Anheben des Fußes (Fußheberschwäche)
  • Eingeschränkte Beweglichkeit des Knies oder Fußes
  • Veränderungen der Hautempfindlichkeit
  • In schweren Fällen: Lähmungserscheinungen

Fallbeispiel: Nervenschädigung nach Knie-TEP

Ein konkretes Fallbeispiel verdeutlicht die Komplexität von Nervenschäden nach Knieoperationen. Eine Diabetikerin erhielt eine Knie-Endoprothese. Während des Eingriffs kam es zu einer Verletzung des Nervus peroneus links mit neuropathischen Schmerzen. Die Schmerzen bestanden vor allem im Bereich der Einstichstelle des Schmerzkatheters. Zwei Tage später wurden neurologische Auffälligkeiten festgestellt, die eine Schädigung der Nerven im Bereich des Nervus peroneus und des Nervus ischiadicus mit Sensibilitätsstörungen in den entsprechenden Arealen bestätigten. Die Patientin entwickelte eine tiefe Venenthrombose des linken Oberschenkels und eine Lungenembolie. Sie klagte über Schwellungen, Schmerzen, ein Spannungsgefühl im Bein, ein Taubheitsgefühl und einen "Steppergang".

In diesem Fall wurde die Operation als regelgerecht bewertet, jedoch konnte die Ursache der Nervenschädigung nicht eindeutig geklärt werden. Mögliche Ursachen waren der Schmerzkatheter, eine Blutsperre oder ein postoperativ entstandenes Kompartmentsyndrom.

Neuropathische Schmerzen nach OP

Neuropathische Schmerzen sind Nervenschmerzen, die nach einer Operation auftreten können. Kennzeichnend ist eine veränderte Hautsensibilität, wobei Betroffene unter- oder überempfindlich auf Reize wie Kälte, Wärme, Berührung oder Druck reagieren. Sie berichten von Taubheitsgefühlen und/oder Schmerzattacken.

Ursachen:

Die Ursachen postoperativer Nervenschmerzen sind vielfältig. So kann es während des operativen Eingriffs zu Schädigungen des Nervensystems kommen. Auch Entzündungsprozesse nach einer Operation können dazu führen, dass die peripheren Nerven erkranken.

Therapie:

Die Therapie postoperativer neuropathischer Schmerzen kann medikamentös (z.B. Antikonvulsiva, Antidepressiva, Opioide) oder nicht-medikamentös (z.B. warme Fußbäder, Akupunktur, Physio- und Ergotherapie) erfolgen. In manchen Fällen ist eine invasive Therapie (z.B. Nervenblockaden) sinnvoll.

Moderne Techniken zur Kreuzbandrekonstruktion

Es gibt verschiedene Techniken zur Kreuzbandrekonstruktion, die sich in der Wahl des Transplantats und der Fixierung unterscheiden.

STG-Technik:

Bei der STG-Technik werden die Semitendinosus- und Gracilissehne verwendet. Der Vorteil dieser Technik besteht im kleineren Hautschnitt und darin, dass die Patient*innen meist weniger über postoperative Schmerzen klagen. Ein Nachteil ist, dass die Beugekraft im Kniegelenk um ca. 10 % geschwächt sein kann. In 10 - 20 % der Fälle kann ein Nerv geschädigt werden, was zu einem (meist vorübergehenden) Taubheitsgefühl an der Unterschenkel-Innenseite führt.

BTB-Technik:

Bei der BTB-Technik wird die Kniescheiben- oder Patellasehne verwendet. Der Nachteil dieser Technik ist, dass die Patient*innen häufig über Schmerzen der Entnahmestellen der Knochenblöcke klagen.

All-inside-Technik:

Bei der "All-inside"-Technik erfolgt die Verankerung mit sogenannten Endobuttons. Diese Methode ist besonders schonend und eignet sich gut für Kinder.

Kreuzband Reinsertion:

Wenn das Kreuzband ganz oben in seiner Verankerung ausgerissen ist, kann es mit speziellen Dübelbolzen refixiert werden.

Allograft:

Ein Allograft ist eine Spendersehne. Diese Option kommt oft bei Revisionsoperationen zum Einsatz, wenn keine körpereigenen Sehnen mehr vorhanden sind.

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