Taurin, ein Begriff, der oft mit Energy-Drinks in Verbindung gebracht wird, ist eine organische Säure, die natürlich im Körper vorkommt und eine Vielzahl physiologischer Funktionen erfüllt. Es ist ein Abbauprodukt der Aminosäuren Methionin und Cystein. Obwohl es gelegentlich als Aminosäure bezeichnet wird, ist die chemisch korrekte Bezeichnung 2-Aminoethansulfonsäure. Der menschliche Körper kann Taurin selbst herstellen und ist nicht auf die Zufuhr von außen angewiesen. Es kommt natürlicherweise in tierischen Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch und Milch vor. Im Körper findet sich Taurin in hoher Konzentration im Gehirn, in der Netzhaut des Auges (Retina), im Herzen, in der Muskulatur und in den weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Auch in der Muttermilch ist Taurin enthalten.
Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Wirkungen von Taurin, insbesondere auf das Gehirn, basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Studien.
Aufgaben von Taurin im Körper
Taurin erfüllt im Körper vielfältige Aufgaben:
- Stabilisierung von Zellmembranen: Taurin trägt zur Integrität der Zellstrukturen bei.
- Antioxidative Wirkung: Es bindet zellschädigende "freie Radikale" (aggressive Sauerstoffverbindungen).
- Beteiligung an der Fettverdauung: Taurin wird in der Leber an Gallensäuren angehängt, um deren Löslichkeit zu verbessern.
- Beteiligung an der Entwicklung des zentralen Nervensystems und des Herzens
- Antiarrhythmische Wirkung: Taurin sorgt für einen regelmäßigen Herzschlag.
- Angstlösende Eigenschaften
- Verhinderung der Glykierung: Es verhindert die Anheftung von Zucker an Zellstrukturen, wodurch deren Funktion beeinträchtigt wird, besonders in der Niere.
Taurin und seine Wirkung auf das Gehirn
Taurin ist eine der am häufigsten vorkommenden freien Aminosäuren im Gehirn. Studien zeigen, dass Taurin als partieller Agonist am GABA(A)-Rezeptor fungiert. Die funktionellen Eigenschaften und die Affinität von GABA(A)-Rezeptor für Taurin variieren je nach Zusammensetzung der Untereinheiten.
Die Regulierung des GABA(A)-Rezeptors ist komplex. Die akute Verabreichung von Taurin hat eine aktivierende Wirkung auf den GABA(A)-Rezeptor. Während chronisch hohe Taurinspiegel zwar zu einer Herabregulierung des GABA(A)-Rezeptors führen, kommt es zu einer Hochregulierung der Glutamat-Decarboxylase.
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Taurin kann die Wirkung von Glycin modulieren, indem es die Sensitivität der Rezeptoren verändert. Der genaue Mechanismus und die Auswirkungen können je nach Gehirnregion und neuronaler Umgebung variieren, da Glycinrezeptoren in verschiedenen neuronalen Populationen unterschiedlich exprimiert werden. Sowohl die Modulierung der GABA(A)-Rezeptoren als auch der Glycin-Rezeptoren führt zu einem Chlorideinstrom in die Zelle. Die Tatsache, dass Taurin die Öffnung der Chloridkanäle, die mit GABA(A)- und Glycinrezeptoren assoziiert sind, modulieren kann, beeinflusst auch indirekt die Glutamat-induzierte Exzitotoxizität. Die neuroprotektiven Fähigkeiten von Taurin können aber auch auf einen direkten Einfluss von Taurin auf die Glutamat-NMDA-Rezeptoren zurückgeführt werden. Es konnte aufgezeigt werden, dass ein funktioneller Taurinrezeptor existiert, der direkt mit dem Glutamat-NMDA-Rezeptor interagiert.
Taurin als potenzielles Anti-Aging-Mittel
Eine im Jahr 2023 veröffentlichte Übersichtsarbeit im Fachjournal Nutrients, durchgeführt von Santulli et al., beleuchtet die funktionelle Rolle von Taurin im Alterungsprozess und der Herzgesundheit. Der Alterungsprozess ist geprägt von chronischem, niedriggradigem Entzündungsgeschehen („Inflammaging“), mitochondrialer Dysfunktion und zunehmendem oxidativem Stress. Taurin wirkt genau diesen Prozessen entgegen. Es moduliert Entzündungsreaktionen, schützt die Zellstruktur, unterstützt die Funktion der Mitochondrien und trägt zur antioxidativen Abwehr bei. Studien deuten darauf hin, dass der Taurinspiegel im Gewebe im Alter sinkt. Gleichzeitig steigen im Alter oxidativer Stress, chronische Entzündungsprozesse und mitochondriale Dysfunktion - Prozesse, gegen die Taurin wirkt.
Die Studie legt nahe, dass Taurin ein vielversprechender, kostengünstiger und sicherer Kandidat für Anti-Aging-Therapien sowie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein könnte. Die Datenlage ist vielversprechend: Taurin könnte eine Schlüsselrolle dabei spielen, den Alterungsprozess positiv zu beeinflussen und das Risiko für chronische Erkrankungen zu senken.
Taurin in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln
Taurin kommt in Arzneimitteln ausschließlich im Rahmen der sogenannten parenteralen Ernährung zum Einsatz. Als parenterale Ernährung bezeichnen Mediziner eine künstliche Ernährung über Nährstoffinfusionen, die direkt in den Blutkreislauf eingeleitet werden. Solche Ernährungsinfusionen erhalten vor allem Neugeborene, da deren Körper Taurin noch nicht selbst bilden kann - die Leberfunktion ist bei ihnen noch nicht ausgereift. Der Stoff ist aber lebensnotwendig (essentiell) für sie, beispielsweise für die Entwicklung der Augennetzhaut (Retina), den Schutz und die Stabilisierung von Zellmembranen, die Fettverdauung und die Kommunikation zwischen Nervenzellen (neuronale Transmission).
Zur Nahrungsergänzung wird der Stoff in Getränken gelöst oder in Form von Kapseln oder reinem/vermischtem Taurin-Pulver eingenommen. Außerdem ist es Bestandteil vieler Energy Drinks (zusammen mit Koffein). Über eine ausgewogene Ernährung kann der normale Taurin-Bedarf gut abgedeckt werden. Kritisch wird es allerdings für Vegetarier oder Veganer. Während Vegetarier über Eier und Milchprodukte wenigstens einen kleinen Anteil des Nährstoffs aufnehmen, gehen Veganer komplett leer aus. Obwohl der Körper den geringen notwendigen Anteil an Taurin selbst produzieren kann, empfiehlt sich hier eine Supplementierung.
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Mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Nebenwirkungen zeigen sich meist erst bei sehr hoher Dosierung. Einzelfälle berichten von Magenverstimmungen und Magenbrennen. Taurin kann bei Kindern Schläfrigkeit bewirken. Unter Einhaltung der maximalen Tagesdosierung ist Taurin relativ unbedenklich, jedoch sollten Menschen mit Nierenbeschwerden auf eine Einnahme verzichten (vor allem in höherer Dosierung). Es gibt keine Daten zur Anwendung von Taurin in der Schwangerschaft und Stillzeit. Aus diesem Grund sollten Schwangere und Stillende von einer Einnahme absehen.
Aktuelle Forschung und Studienergebnisse
Neue Studienergebnisse im Widerspruch zu früheren Annahmen
Einige frühere Studien legten nahe, dass ein niedriger Taurinspiegel mit einer kürzeren Lebenserwartung zusammenhängt. Eine neue Studie aus dem Jahr 2025, die die Taurin-Werte von rund 1.000 menschlichen Probanden analysierte, ergab jedoch, dass sich die Taurin-Werte häufig verändern, aber dies nicht unbedingt mit dem Alter zusammenhängt. Statt des Alters spielten eher das Geschlecht oder die Ernährung eine Rolle. Daraus schlossen die Forscher, dass die Konzentration des Stoffs kein verlässlicher Biomarker für das Altern ist.
Taurin und Krebs
Forscher der Universität Rochester kamen zu dem Ergebnis, dass Taurin das Fortschreiten von Leukämie fördern könnte. Krebszellen nehmen Taurin auf, da es ihnen über bestimmte chemische Prozesse zur Energiegewinnung dient und damit das Krebswachstum fördert. Wurde der Taurin-Transport blockiert, wuchs der Tumor deutlich langsamer. Umgekehrt zeigte sich bei Mäusen: Wurde ihnen Taurin zugeführt, beschleunigte sich das Tumorwachstum. Die Forscher weisen deutlich darauf hin, dass der Konsum von taurinhaltigen Produkten wie Energydrinks oder Nahrungsergänzungsmitteln für Leukämiepatienten problematisch sein kann.
Taurin und der Alterungsprozess: Die EPIC-Norfolk-Studie
Eine Assoziationsanalyse anhand der Daten von 11.966 Personen, die an der EPIC-Norfolk-Studie (European Prospective Investigation into Cancer in Norfolk) teilnahmen, zeigte, dass eine höhere Taurinkonzentration im Blut mit einem niedrigeren BMI, einem geringeren Verhältnis von Taille zu Hüfte und weniger Bauchfett verbunden war.
Die Bedeutung von Taurin als semi-essentieller Nährstoff
Taurin wird als semi-essentiell betrachtet, da der Körper es zwar selbst herstellen kann, aber unter bestimmten Umständen (z. B. bei Neugeborenen, chronischen Erkrankungen oder starker Belastung) die Zufuhr über die Ernährung notwendig oder vorteilhaft ist.
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Taurin und die Gesundheit von Frauen
Frauen können in verschiedenen Lebensphasen einen besonderen Bedarf an Taurin haben, da es an vielen Prozessen beteiligt ist, die für die Gesundheit von Frauen entscheidend sind. Während der Schwangerschaft und Stillzeit ist Taurin wichtig für die Entwicklung des Gehirns und des zentralen Nervensystems des Fötus sowie für die Netzhautentwicklung des Babys. In der Perimenopause und den Wechseljahren kann Taurin helfen, oxidativen Stress zu reduzieren, den Blutdruck zu regulieren und die Knochendichte zu unterstützen.