Ginkgo-biloba-Extrakte werden seit langem zur Behandlung von kognitiven Funktionsstörungen eingesetzt. Die Frage, ob sie tatsächlich wirksam sind, ist jedoch Gegenstand anhaltender Diskussionen. Dieser Artikel analysiert die aktuelle Studienlage zu Tebonin, einem Ginkgo-biloba-Spezialextrakt (EGb 761), bei Demenz und beleuchtet sowohl potenzielle Nutzen als auch Risiken.
Ginkgo biloba bei Demenz: Überblick
Demenz ist ein Überbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit einhergehen. Sie tritt meist bei älteren Menschen auf und äußert sich durch Gedächtnisprobleme, Schwierigkeiten bei der Orientierung und Einschränkungen im Denkvermögen. Ginkgo biloba ist ein pflanzliches Mittel, das aus den Blättern des Ginkgo-Baums gewonnen wird. Ihm werden verschiedene positive Effekte auf die Hirnfunktion zugeschrieben.
Studienlage zu Ginkgo biloba und Demenz
Positive Ergebnisse
Eine Meta-Analyse von Dr. Hong-Feng Zhang von der Wenzhou Medical University in Wenzhou ergab, dass Ginkgo-biloba-Extrakte neuropsychiatrische Symptome bei Patienten mit milden und sehr milden kognitiven Beeinträchtigungen bessern und die Lebensqualität verbessern können. Die Verträglichkeit des Extrakts war dabei ebenso gut wie unter Placebo.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht in seiner Bewertung von Ginkgo biloba zur Behandlung der Alzheimer-Demenz den Nutzen des Extrakts in der höheren Dosierung von täglich 240 mg und in einem der betrachteten Endpunkte - Aktivitäten des täglichen Lebens - tatsächlich als belegt an. Für die anderen Wirksamkeitsendpunkte - begleitende Psychopathologie, Kognition oder Lebensqualität - sieht das Institut nur "Hinweise auf einen Nutzen".
Einschränkungen und Kritik
Allerdings gibt es auch kritische Stimmen und Einschränkungen hinsichtlich der positiven Ergebnisse. Das IQWiG weist darauf hin, dass es bei den meisten Endpunkten eine ausgeprägte Heterogenität zwischen den Ergebnissen gibt, für die eine hinreichende Erklärung fehlt. Die größten Wirkungen zeigten zwei Studien des Herstellers in der Ukraine, deren Glaubwürdigkeit aufgrund von methodischen Mängeln und mangelnder Transparenz infrage gestellt wird.
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Die Schlussfolgerungen des IQWiG beruhen wesentlich auf den beiden in der Ukraine durchgeführten Studien des Herstellers. Abgesehen von der Frage der Übertragbarkeit auf die hiesige Situation steht für uns auch ihre Glaubwürdigkeit infrage: Die in keinem Studienregister angemeldeten Studien wurden dem IQWiG jeweils erst bekannt gegeben, als die Datenauswertung abgeschlossen war und die Ergebnisse feststanden. So wurde die NAPRYEYENKO-2007-Studie bereits im August 2004, also vor Beginn der IQWiG-Auswertung 2005, beendet, dem Institut gegenüber auf seine Anfrage nach abgeschlossenen Studien hin aber verschwiegen und erst nach Veröffentlichung des ersten IQWiG-Vorberichts Anfang 2007 als fertiger Studienbericht überreicht. Die zu diesem Zeitpunkt fast abgeschlossene, bis heute unveröffentlichte Studie SCHWABE 2008 wird weiterhin verschwiegen und gegenüber dem IQWiG erstmals in der Anhörung zum zweiten Vorbericht Anfang 2008 erwähnt, wiederum als die Ergebnisse feststehen. Bei dieser mündlichen Vorstellung der Studie betont Studienleiter Ralf IHL - von den anwesenden Firmenmitarbeitern unwidersprochen -, dass sie (die SCHWABE-2008-Studie) "nicht im selben Land wie die NAPRYEYENKO-Studie durchgeführt worden" sei. Ist es glaubwürdig, dass sich ein Studienleiter in solch einer Basisinformation "irrt"?
GEM-Studie: Keine Prävention von Demenz
Die GEM-Studie, die zeitgleich mit dem Abschlussbericht des IQWiG veröffentlicht wurde, untersuchte die präventive Wirkung von Ginkgo biloba auf Demenz. Die Studie ergab, dass zweimal täglich 120 mg Ginkgo biloba nicht besser vor der Entwicklung einer Demenz schützen als Placebo. In einer explorativen Analyse deutete sich sogar ein erhöhtes Demenzrisiko bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen an.
Weitere Aspekte
Eine weitere Studie untersuchte die Wirkung von Ginkgo biloba in Kombination mit Donepezil bei Alzheimer-Patienten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Kombinationstherapie im Vergleich zur Donepezil-Monotherapie zu signifikanten Verbesserungen in der klinischen Wirksamkeitsrate, im kognitiven Status und den Alltagsfähigkeiten der Patienten führen könnte.
Tebonin®: Spezieller Ginkgo-Extrakt
Tebonin® enthält den Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761®, der nachweislich zu zerebralen Effekten führt, die der Therapie mit anderen psychotropen Substanzen entsprechen. Studien haben gezeigt, dass EGb 761® dosisabhängige EEG-Effekte hervorruft und die Alpha-Aktivität im Gehirn erhöht. Ein Vergleich mit dem EEG-Profil anderer psychotroper Substanzen ergab für alle EGb-Dosierungen eine Übereinstimmung mit dem typischen Nootropika-Profil.
Der aus den Blättern des Ginkgo-Baums gewonnene Spezialextrakt EGb761® wurde vor 50 Jahren in die Therapie eingeführt und ist seit dieser Zeit in Deutschland unter dem Handelsnamen Tebonin® erhältlich. Von Anfang an wurde er bei Hirnleistungsstörungen im Alter eingesetzt, anfangs unter der Diagnose hirnorganisches Psychosyndrom, später dann unter der Diagnose einer Demenz vom Alzheimer-Typ bzw. vaskulärer Demenz.
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Wirkmechanismus von EGb761®
Der Wirkmechanismus von EGb761® ist komplex und umfasst verschiedene Effekte auf zellulärer Ebene. Dazu gehören:
- Verbesserung der mitochondrialen Funktion: EGb761® kann die Funktion der Mitochondrien verbessern, was zu einer Steigerung der neuronalen Leistungsfähigkeit und der neuronalen Plastizität führt.
- Schutz vor oxidativem Stress: EGb761® wirkt antioxidativ und kann Neuronen vor Schäden durch freie Radikale schützen.
- Förderung der Durchblutung: EGb761® kann die Fließfähigkeit des Blutes verbessern und so die Durchblutung des Gehirns fördern.
- Modulation der Neurotransmission: EGb761® kann die Neurotransmission im Gehirn beeinflussen und so die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen verbessern.
Bedeutung der mitochondrialen Funktion
Mit der Erkenntnis der letzten Jahre, dass eine mitochondriale Dysfunktion einen wesentlichen Pathomechanismus für das gesamte Spektrum von altersassoziierten kognitiven Defiziten darstellt, auch für die Alzheimer-Demenz, hat man realisiert, dass eine Verbesserung der mitochondrialen Funktion über das gesamte Spektrum der altersassoziierten kognitiven Störungen nicht nur wirksam sein kann, sondern muss. Dies hat dazu geführt, dass eine positive Bewertung von EGb761® inzwischen unter anderem auch ihren Eingang in die Demenz-Leitlinien der Weltgesellschaften für biologische Psychiatrie und die aktuellen S3-Leitlinien Demenz gefunden hat.
Kumulative neuronale Schädigung
Die früheren Konzepte einer klaren Trennung der biologischen Ursachen für leichtere kognitive Störungen im Rahmen des unspezifischen Hirnalterungsprozesses auf der einen Seite und den ausgeprägten Störungen der eigentlichen Demenzen, besonders der Demenz vom Alzheimer-Typ, auf der anderen Seite ist nach heutigen Vorstellungen so nicht mehr haltbar. Man geht vielmehr von einem Kontinuum neuronaler Schädigungen mit ähnlichen Ursachen im Frühstadium und ihrer Akzentuierung im Endstadium aus, allerdings mit deutlichen Unterschieden besonders im Hinblick auf das Ausmaß des Substanzverlusts (Verlust von Synapsen, Neuriten und letztlich von Nervenzellen durch Apoptose).
Bewertung durch Ökotest
Das Verbrauchermagazin «Ökotest» hat verschiedene Ginkgo-Präparate getestet und Tebonin® konzent 240 mg Filmtabletten mit «gut» bewertet. Laut Ökotest liegen für diesen Extrakt drei methodisch aktuelle Studien zu Patienten mit Alzheimer-Demenz und altersbedingten Gedächtnisstörungen vor. Bei zwei dieser Studien wurde eine signifikante Verbesserung der kognitiven Defizite bei einer Tagesdosis von 240 Milligramm gefunden.
Empfehlungen und Fazit
Die Studienlage zu Ginkgo biloba bei Demenz ist komplex und widersprüchlich. Während einige Studien positive Effekte auf kognitive Funktionen und Lebensqualität zeigen, gibt es auch kritische Stimmen und Einschränkungen. Die GEM-Studie konnte keine präventive Wirkung von Ginkgo biloba auf Demenz nachweisen.
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Aufgrund der inkonsistenten Datenlage und der methodischen Mängel einiger Studien ist es schwierig, eine klare Empfehlung für oder gegen die Einnahme von Ginkgo biloba bei Demenz auszusprechen. Es ist wichtig, die potenziellen Nutzen und Risiken sorgfältig abzuwägen und sich von einem Arzt oder Apotheker beraten zu lassen.