Ein Leben mit Schmerzen, insbesondere chronischen Schmerzen, kann für Betroffene sehr belastend sein. Medikamente stoßen oft an ihre Grenzen, wodurch die Suche nach alternativen Behandlungsmethoden immer wichtiger wird. Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), eine fachkundige Reizstromtherapie, stellt eine vielversprechende Option dar, die eine lang anhaltende Schmerzlinderung ohne nennenswerte Nebenwirkungen ermöglichen kann.
Was ist TENS?
TENS steht für "Transkutane Elektrische Nervenstimulation". Bei dieser Behandlungsmethode werden elektrische Impulse niedriger bis hoher Intensität eingesetzt, um gezielt Nervenbahnen oder die Muskulatur zu stimulieren. Ziel der Schmerzbehandlung mit Strom ist es, die für die Schmerzübermittlung zuständigen Nervenbahnen, die zum Gehirn führen, zu beeinflussen. Dadurch soll die Schmerzleitung minimiert oder sogar vollständig unterbrochen werden, um die quälenden Symptome zu lindern.
Wie funktioniert die TENS-Therapie?
Die TENS-Therapie basiert auf zwei Hauptwirkmechanismen:
- Schmerzblockade: Die elektrischen Impulse des TENS-Geräts können die Weiterleitung des Schmerzempfindens an das Gehirn blockieren bzw. verringern. Vereinfacht gesagt, maskiert die TENS-Therapie den Schmerz, indem sie die Schmerzsignale überlagert.
- Ausschüttung von Endorphinen: Die Elektrotherapie regt die Ausschüttung von Endorphinen an. Endorphine sind körpereigene Glückshormone, die als natürliche Schmerzmittel wirken und eine langfristige Schmerzlinderung versprechen.
Die Geschichte der TENS-Therapie
Obwohl die TENS-Therapie erst mit der technischen Revolution und der Möglichkeit künstlichen Strom zu erzeugen eine fundierte Basis erhielt, reichen ihre frühen Anfänge bis in die Antike zurück. Es gibt Hinweise aus ägyptischen, römischen und griechischen Kulturen, die zeigen, dass Behandlungen von Schmerzsymptomen mittels elektrischer Impulse bereits weit vor Christus stattfanden. Anstelle von modernen Reizstromgeräten wurden damals Elektrizität erzeugende Fische wie Zitteraale, Zitterrochen und Zitterwelse für die Schmerztherapie eingesetzt.
Mitte des 18. Jahrhunderts stieg das Interesse an Elektrizität und ihrer künstlichen Erzeugung. Der Mediziner Luigi Galvani entdeckte, dass Muskelkontraktionen durch elektrische Ströme stimuliert werden können, was zu wichtigen Erkenntnissen über den Zusammenhang zwischen dem menschlichen Körper und Elektrizität führte.
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In den 1960er Jahren erlebte die Schmerzforschung einen Umbruch durch die Arbeit der Professoren Ronald Melzack und Patrick Wall. Ihr Konzept der Kontrollschranken, welche die Schmerzleitung im Körper maßgeblich beeinflussen, schuf die theoretische Grundlage für die Schmerzbehandlung mit Strom. Es entstand die Idee, die Weiterleitung über die Nervenbahnen mittels Stromschlägen zu unterbrechen.
Anwendungsgebiete der TENS-Therapie
TENS wird zur Therapie akuter und chronischer Schmerzen verschiedenster Art eingesetzt. Besonders häufig findet sie Anwendung bei:
- Muskel-, Gelenk- und Sehnenschmerzen
- Arthroseschmerzen
- Schmerzen infolge von Unfällen, Überlastung oder Reizung
- Nervenschmerzen
- Phantomschmerzen
Auch bei rehabilitativen Maßnahmen nach Operationen oder Verletzungen wird TENS eingesetzt. Bei akuten, regional begrenzten Schmerzen eignet sich eine Elektrotherapie mit hohen Frequenzen. Für eine wirksame Behandlung chronischer und allgemeinerer Schmerzen kommen in erster Linie niederfrequente Impulse zum Einsatz.
Vorteile der TENS-Therapie
Die TENS-Therapie bietet eine Reihe von Vorteilen:
- Schmerzlinderung ohne Medikamente: Einer der größten Vorteile ist die Möglichkeit, Schmerzen ohne den Einsatz von Medikamenten zu lindern. Dies ist besonders für Menschen von Bedeutung, die unter Nebenwirkungen von Schmerzmitteln leiden oder diese reduzieren möchten.
- Geringe Nebenwirkungen: Bei richtiger Anwendung ist die TENS-Therapie nebenwirkungsarm und risikolos.
- Selbstständige Anwendung: Nach einer guten Einweisung und etwas Übung kann die TENS-Therapie problemlos selbstständig zu Hause durchgeführt werden.
- Mobile Anwendung: Die Behandlung kann mit kleinen, akku- oder batteriebetriebenen Geräten auch unterwegs oder im Büro erfolgen.
- Verbesserung der Lebensqualität: Durch die symptomatische Schmerzlinderung kann ein entscheidendes Stück Lebensqualität zurückgewonnen werden.
Die richtige Anwendung eines TENS-Geräts
Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, ist die richtige Anwendung des TENS-Geräts entscheidend. Hier sind einige wichtige Aspekte zu beachten:
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- Gebrauchsanleitung: Lesen Sie die Gebrauchsanleitung sorgfältig durch, um die Funktionsweise des Geräts und seine Möglichkeiten zu verstehen.
- Elektroden: Machen Sie sich mit der Handhabung der Elektroden vertraut. Je nach Körperregion, die behandelt werden soll, können verschiedene Elektrodenformen und -größen erforderlich sein. Achten Sie darauf, die Elektroden auf sauberer, trockener und fettfreier Haut anzubringen. Elektroden dürfen nicht auf offenen Wunden oder erkrankten Hautbereichen platziert werden. TENS-Elektroden sind normalerweise wiederverwendbar. Nach der Behandlung sollten Sie die Schutzfolie wieder aufkleben, um die Lebensdauer der Elektroden zu verlängern.
- Stimulationsfrequenz: Bei der TENS-Therapie kommen in der Regel zwei Stimulationsfrequenzen infrage, die auch abwechselnd angewendet werden können:
- Konventionelle TENS: Hier werden hochfrequente Stromimpulse von etwa 60-100 Hz verwendet, bei denen der Patient ein deutliches Kribbeln wahrnimmt. Diese Art der Behandlung hemmt vor allem die Schmerzweiterleitung. Die Wirkung tritt rasch ein, hält jedoch nur für kürzere Zeit an.
- Niederfrequente TENS (akupunkturähnlich): Hier kommen Frequenzen von etwa 3-5 Hz zum Einsatz, die Muskelzuckungen auslösen können. Sie regen die Ausschüttung körpereigener „Schmerzhemmer“ (z. B. Endorphine) an. Die Wirkung tritt langsamer ein, hält jedoch auch länger an.
- Vorinstallierte Programme: Viele Geräte bieten die Möglichkeit, festgelegte Programme zur Reizstrombehandlung zu verwenden. Prüfen Sie, welche für Sie infrage kommen und probieren Sie aus, wie Ihr Körper darauf reagiert.
- Behandlungszeit und Anwendungshäufigkeit: In der Regel wird empfohlen, die TENS-Behandlung mehrmals täglich über mehrere Wochen durchzuführen. Eine Therapiesitzung kann dabei etwa 15 bis 45 Minuten dauern.
- Elektrodenplatzierung: Die elektrischen Impulse müssen in der jeweiligen Schmerzregion bzw. darum herum platziert werden. Eine Ausnahme bilden Hals und Brustkorb. Bei Kopfschmerzen können Sie die TENS Elektroden beispielsweise am Hinterkopf/Nacken anbringen oder auf die seitliche Stirn kleben.
TENS-Geräte: Vielfalt für unterschiedliche Bedürfnisse
Heutzutage gibt es verschiedenste TENS-Geräte. Einige werden mit Batterien betrieben, andere mit einem Akku. Viele gängige Reizstromgeräte erlauben die Anwendung an unterschiedlichen Körperstellen, andere wiederum sind speziell für die Behandlung ganz bestimmter Areale entwickelt. Manche Geräte sind kabellos und können so auch unterwegs oder sogar nachts zur TENS-Behandlung eingesetzt werden. Zudem gibt es TENS-Geräte, die ganz bequem via App gesteuert werden.
Kontraindikationen: Wann sollte TENS nicht angewendet werden?
Obwohl die TENS-Therapie generell sicher ist, gibt es bestimmte Fälle, in denen von einer Anwendung abgeraten wird:
- Herzschrittmacher oder andere implantierte elektrische Geräte: Träger dieser Geräte sollten auf den Einsatz von TENS verzichten, um eine negative Wechselwirkung zu vermeiden.
- Metallische Implantate: TENS Anwendungen sollten nicht in dem Bereich dieser Implantate angewendet werden.
- Epilepsie: Menschen mit Epilepsie sollten TENS nicht anwenden.
- Schwangerschaft: In der Schwangerschaft sollte TENS generell nur nach Rücksprache mit einem Arzt angewendet werden.
- Verletzte Haut: Die Elektroden sollten nicht direkt auf verletzter Haut, direkt über dem Auge oder den Hauptschlagadern angebracht werden.
- Entzündungen: Da die Durchblutung der behandelten Körperstelle angeregt wird, kann es bei entzündlichen Ursachen für den Schmerz empfehlenswert sein, auf den Einsatz von TENS zu verzichten.
TENS bei Handschmerzen: Karpaltunnelsyndrom & Co.
Eine Reizstromtherapie kann bei verschiedenen Arten von Handschmerzen, wie z. B. beim Karpaltunnelsyndrom oder bei Schmerzen in den Fingern und Daumen, zur Schmerzlinderung beitragen.
- Arthritis: Bei einer Arthritis, die mit geschwollenen, warmen, geröteten und schmerzenden Fingern einhergeht, können mit einer Reizstromtherapie zwar nicht unbedingt die Ursache (die Krankheit) behandelt, aber die Symptome gelindert werden.
- Karpaltunnelsyndrom (KTS): Beim Karpaltunnelsyndrom ist der sogenannte Medianus-Nerv, der Mittelnerv im Handgelenkbereich, eingeengt. Ein TENS-Gerät kann zur Schmerzlinderung und Anregung des Heilungsprozesses eingesetzt werden.
- Sehnenscheidenentzündung: Bei einer Sehnenscheidenentzündung, die häufig durch Überlastung oder Reibung entsteht, kann ein TENS-Gerät ebenfalls zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
Für die Reizstromtherapie der Finger eignen sich eher kleine Elektroden. Sind direkt mehrere Finger betroffen, empfiehlt sich ein Stimulationshandschuh.
Tipps für eine erfolgreiche TENS-Therapie
- Probieren Sie sich aus: Wenden Sie verschiedene Programme, Elektroden an oder erhöhen bzw. reduzieren Sie die Stromstärke, um herauszufinden, auf welche Reizstromtherapie Sie am besten reagieren.
- Haben Sie Geduld: Manchmal dauert es einige Anwendungen, bis Sie die Schmerzlinderung tatsächlich spüren. Daher ist es wichtig, dass Sie die TENS-Therapie regelmäßig anwenden.
- Studieren Sie die Bedienungsanleitung: In der Gebrauchsanweisung finden Sie wichtige Hinweise über das jeweilige TENS-Gerät, Abbildungen der korrekten Elektrodenplatzierung und eine ausführliche Liste der verschiedenen Programme, deren Einsatzgebiete, Wirkungsweise und Einstellungen.
- Denken Sie an den Gewöhnungseffekt: Bei manchen TENS Anwendern lässt die Wirkung mit der Zeit nach. Um dem entgegen zu wirken, bieten einige Reizstromgeräte Programme zur Vorbeugung von Therapieresistenz.
- Sprechen Sie mit Ihrem Arzt / Ihrer Ärztin: In manchen Fällen dürfen Sie ein TENS-Gerät nicht anwenden. Bei Schwangerschaft oder Herzrhythmusstörungen sollten Sie beispielsweise vor der Elektrotherapie mit Ihrem Arzt / Ihrer Ärztin sprechen. Da TENS die Schmerzen lindert, jedoch der Ursache nicht auf den Grund geht, sollten Sie bei länger anhaltenden Schmerzen ebenfalls einen Arzt / eine Ärztin aufsuchen.
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