Trigeminusneuralgie beim Pferd: Akupunktur und andere Therapieansätze

Das Headshaking beim Pferd, ein unkontrolliertes Kopfschütteln, wurde bereits vor über 200 Jahren in der Literatur beschrieben. Es handelt sich dabei nicht um eine Krankheit im eigentlichen Sinne oder eine Verhaltensstörung wie Koppen oder Weben, sondern um ein Symptom, das durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden kann. Die Symptome können schleichend beginnen oder plötzlich auftreten und sich so verstärken, dass das Reiten unmöglich wird und die Pferde eine Gefahr für sich und ihre Umgebung darstellen. Laut einer britischen Untersuchung leidet etwa jedes sechste Pferd unter Headshaking.

Ursachenforschung: Ein komplexes Feld

Die Ursachen für Headshaking sind vielfältig und oft schwer zu identifizieren. Wissenschaftler haben inzwischen etwa 60 mögliche Ursachen gefunden, die verschiedene Organe und Körperteile betreffen können:

  • Haut: Parasiten können das Kopfschlagen auslösen.
  • Ohr: Milben oder Entzündungen können die unerwünschte Reaktion hervorrufen.
  • Auge: Lichtempfindlichkeit und Reizung des Trigeminusnervs werden in Verbindung gebracht.
  • Atemwege: Allergische Rhinitis oder Erkrankungen der oberen Atemwege können Headshaking verursachen.
  • Verdauungsapparat: Zahnprobleme können eine Ursache sein.
  • Nervensystem: Der Trigeminusnerv spielt eine Hauptrolle, da eine Nervenschädigung starke Schmerzen auslösen kann.

Idiopathisches Headshaking und Trigeminusneuralgie

Wenn keine spezifische Ursache gefunden wird, spricht man von idiopathischem Headshaking. Zu dieser Form zählen die Trigeminusneuralgie (Entzündung des Trigeminusnervs), photosensitives Headshaking und vasomotorische Rhinitis. In den meisten Fällen ist der fünfte Hirnnerv (Nervus trigeminus) äußerst empfindlich, aber auch der Sehnerv (Nervus opticus) oder Hörnerv (Nervus opticus) können betroffen sein. Der Trigeminusnerv teilt sich im gesamten Gesichtsfeld des Pferdes in mehrere Äste und versorgt dort diverse Muskeln. Shara Sheldon, Forscherin an der University of California, beschreibt, dass Pferde mit Trigeminus-vermitteltem Kopfschütteln unter neuropathischen Nervenschmerzen leiden, da der Trigeminusnerv ständig am Rande des Feuers steht. Helles Sonnenlicht kann zusätzlich einen Reiz auf den Trigeminusnerv ausüben, wodurch das sogenannte photosensitive Headshaking ausgelöst wird.

Mögliche Auslöser und Risikofaktoren

Neben den genannten Ursachen werden auch weitere Faktoren mit einer Nervenschädigung in Verbindung gebracht:

  • Viren (z.B. Herpes Virus)
  • Borreliose (Borrelien können Nerven speziell im Auge angreifen und Schäden verursachen)
  • Elektrosmog durch Hochspannungsleitungen, Mobilfunkmasten
  • Mykotoxine im Getreide, Heu oder Silage
  • Schwermetalle z.B. im Wasser
  • Umweltgifte z.B. aus Abgasen oder Holzschutzmitteln

Diese Faktoren lösen in der Regel nicht die Krankheit aus, können aber die Symptome verstärken.

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Diagnose: Ein systematischer Ansatz

Die Diagnose von Headshaking kann langwierig und kostspielig sein. Wissenschaftler haben einen Leitfaden entwickelt, um die Ursachenfindung zu vereinfachen und zu strukturieren. Tierärzte untersuchen zunächst mit einfachen und risikoarmen Diagnosemöglichkeiten andere, wahrscheinliche Ursachen. Die ersten Schritte sind stets identisch und umfassen eine Allgemeinuntersuchung und eine Blutprobe. Wichtig ist, dass Pferdebesitzer genaue Angaben über die Symptome machen können, um die Untersuchung zu beschleunigen. Im nächsten Schritt wägt der Tierarzt ab, welche Untersuchung zum Ziel führen könnte und welches Risiko diese mit sich bringt. Spezielle Diagnoseverfahren wie die Betäubung oder Reizmessung des Nervs kommen erst am Ende der Untersuchungskette in Frage. In speziellen Fällen kann es sogar zu einer Betäubung des Gesichtsnervs kommen, um zu sehen, ob das Headshaking aufhört. Meist empfiehlt der Tierarzt im Vorfeld eine Endoskopie oder ein umfassendes Röntgen.

Therapieansätze: Ein Überblick

Die Behandlung von Headshaking ist abhängig von der Ursache. Beim verhaltensbedingten Headshaking sind die Heilungschancen gut, oft kann eine Haltungsumstellung eine schnelle Verbesserung erzielen. Beim symptomatischen Headshaking hängen die Heilungschancen von der Ursache ab. Beim idiopathischen Headshaking, bei dem keine Ursache gefunden wird, ist eine symptomatische Behandlung notwendig.

Medikamentöse Therapie

In der Humanmedizin werden bei einer Trigeminusneuralgie gute Erfolge mit den Medikamenten Cyproheptadin und Carbamazepin erzielt. Diese Mittel finden inzwischen auch im Pferdebereich Einsatz. Eine saisonale Dauergabe ist notwendig. Aufgrund des hohen Preises von Cyproheptadin entstehen sehr hohe Kosten. Ein weiterer negativer Punkt sind die Nebenwirkungen: Die Pferde wirken bei Dauergabe matt sowie apathisch und das Kolikrisiko steigt. Eine Heilung ist durch die Medikamentengabe nicht möglich, aber es kann zu einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität des Pferdes kommen.

Chirurgische Intervention

Die Neurektomie (Nervenschnitt) wird auch von einigen Tierärzten praktiziert. Zuvor werden verschiedene Gesichtsnerven betäubt. So kann man herausfinden, welcher Nerv das Kopfschütteln auslöst und ihn durchtrennen. Die Neurektomie ist sehr risikoreich und führt nicht immer zum Erfolg.

Akupunktur

Mit Akupunktur kann der Nerv beruhigt und „abgelenkt“ werden. Außerdem eignen sich chinesische Kräuter dazu, die „Gereiztheit“ des Nervs zu beeinflussen und den Stress-Level zu senken. Sie beruhigen das Pferd und bringen es wieder in sein natürliches Gleichgewicht. Diese Methoden müssen natürlich über einen längeren Zeitraum angewendet werden, um einen Erfolg zu erzielen. Eine Trigeminus-Neuralgie verschwindet nicht von heute auf morgen durch eine einzige Akupunkturbehandlung.

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Eine Studie untersuchte die klinischen Aufzeichnungen von Pferden in England, die zwischen 2015 und 2024 Elektroakupunktur wegen einer kopfschüttelnden Diagnose erhielten. Bei der Nachbeobachtung besserten sich 64 Prozent der untersuchten Pferde und konnten nach der Behandlung wieder arbeiten. 31 Prozent hatten nach der Behandlung nur noch leichte Symptome. 31 Prozent der Pferde zeigten hingegen keine Besserung der Symptome. Es wird angenommen, dass die Behandlung eine Schmerzunempfindlichkeit hervorruft und den Trigeminusnerv beruhigt.

Weitere Therapiemöglichkeiten

  • PENS-Technik (Perkutane elektrische Nervenstimulation): Bei dieser Therapie wird der Nerv 25 Minuten lang mit wechselnder Frequenz und Spannung angeregt und stimuliert, damit er weniger sensibel wird.
  • Coil-Embolisation: Eine Metallspirale wird im Bereich des Trigeminusnervs eingesetzt, welcher durch den konstanten Druck geschädigt werden soll.
  • Injektion von Glycerol: Teilweise bringt auch eine Injektion von Glycerol in den Nerv positive Ergebnisse.
  • Melatonin: Mit einem Melatoninersatz wurde bei einigen Pferden eine deutliche Verbesserung der Symptome erreicht.
  • Magnesium: Die Gabe von Magnesium führt bei vielen Headshakern zu einer Verbesserung der Symptomatik. Magnesium stabilisiert die Zellmembran der Nervenzellen.
  • Kinesiotaping: Durch das Aufkleben von Tapestreifen wird die Beweglichkeit der Haut verändert und die Mechanorezeptoren angeregt, sodass sich die ROM (Range of Motion), Propriozeption (Eigenwahrnehmung) und Gewebsspannung ändern. Ebenso kann eine Schmerzreduktion bewirkt werden.

Fütterungsmanagement

Die Therapie bei Headshakern kann man gut über die Fütterung unterstützen. Wie auch bei gesunden Pferden muss die Basisversorgung stimmen.

  • Leinöl: Es ist reich an ungesättigten essenziellen Omega-3-6- Fettsäuren, die eine entzündungshemmende Wirkung haben, was sich positiv auf die chronische Reizung der Nerven und Schleimhäute auswirkt.
  • Magnesium: Bei den betroffenen Pferden wurde vor Beginn der Fütterung ein ungewöhnlich niedriger Magnesiumspiegel im Serum festgestellt.
  • Tryptophan: Die essenzielle Aminosäure Tryptophan regt die Bildung der „Wohlfühlhormone“ (Serotonin und Melatonin) an.
  • Hibiskusblüten: Werden wegen ihrer antibakteriellen Wirkung der Atemwege und Schleimhäute geschätzt.
  • MSM (Methyl- Sulfonyl- Methan): Natürlicher Schwefel, trägt zur Symptomlinderung bei. Es hemmt Entzündungen und Schmerzen und steigert die Widerstandskraft und körpereigenen Abwehr.
  • Süßholzwurzel: Es hat sich gezeigt, dass Süßholz bevorzugt in gemahlener Form, als Futterzusatz bei Pferden sehr effektiv das Headshaken lindert und die Leistungsbereitschaft etwas erhöht. Die Süßholzwurzel hemmt Bakterien und Pilze, beugt Entzündungen vor und wird wegen ihrer antiviralen und antiallergischen Wirkung sehr geschätzt.

Management und Haltung

  • Stress vermeiden: Hartes Training und Leistungsdruck sollten reduziert werden.
  • Artgerechte Haltung: Viel Freigang und ein harmonisches Herdenleben sind extrem wichtig. Auch die Position des erkrankten Pferdes in der Herde sollte beobachtet werden.
  • Passendes Equipment: Gebisslose Zäumung oder spezielle Trensen, die möglichst wenig Druck auf Nerven im Genick- und Gesichtsbereich ausüben, können hilfreich sein.

Gesichtsmasken, Nasennetze und andere Ausrüstungsgegenstände

Beim lichtinduzierten Headshaking wird der Trigeminusnerv oder Sehnerv durch die Sonneneinstrahlung gereizt und führt zu den typischen unwillkürlichen Zuckungen der Gesichtsmuskulatur. Als symptomatische Behandlung hilft hier das Reiten in der Dämmerung oder in einer eher dunklen Reithalle. Des Weiteren sind abdunkelnde Gesichtsmasken mit einem guten UV-Schutz hilfreich. Nasennetze sind immer wieder im Gespräch. Der Effekt ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Dennoch haben viele Besitzer eines Pferdes mit Headshaking gute Erfolge damit erzielt. Die Wirkung beruht wohl darauf, dass eine dauerhafte Stimulation der Oberlippe stattfindet sowie Wind und Pollen gefiltert werden. Einen ähnlich stimulierenden Effekt haben Fliegenfransenbänder, die statt als Stirnbänder als Nasenbänder verwendet werden.

Das richtige Zaumzeug

Wissenschaftler haben festgestellt, dass zwischen den Schneidezähnen des Pferdes mindestens 12,5 mm Raum sein muss, in dem das Gebiss liegen kann. Auf diese Weise ist es dem Pferd möglich, auch dann entspannt zu kauen, wenn es ein Gebiss trägt. Sind der Sperr- oder der Nasenriemen zu eng verschnallt, werden nicht nur diese Akupunkturpunkte blockiert, sondern auch der Energiefluss in den Meridianen, die auf beiden Seiten des Kopfes verlaufen (u.a. Dickdarm- und Dünndarm-Meridian). Übt das Genickstück an der Schädelbasis zu viel Druck aus, so kommt es zu Störungen. Da der Nerv hier auch mit der Haut an den Ohren verbunden ist, mag sich das Pferd nicht mehr gerne an den Ohren anfassen lassen, wenn das Genickstück zu viel Druck ausübt. Außerdem ist der Nerv mit der Zungenmuskulatur verbunden, was unter Umständen zu weiteren Problemen mit der Vorhand führen kann, da die Zungenmuskulatur mit vielen Muskeln in Beziehung steht, die für die Vorhandbewegung zuständig ist.

Der Nasenriemen einiger Zaumzeugmodelle entspricht dem Austrittspunkt zweier Nervenäste („Nervus trigeminus“ und „Nervus facialis“) am „Foramen infraorbitale“, das man am oberen Ende des Oberkieferknochens ertasten kann. Die Trense muss korrekt angepasst und verschnallt sein, damit sie an diesen Knochenvorsprüngen nicht drückt oder reibt. Es ist wichtig, dass die Riemen locker verschnallt werden und zwei Finger Platz haben.

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Wetterfühligkeit

Das Wetter spielt eine große Rolle dabei, wie stark das Headshaken bei den betroffenen Pferden zu Tage tritt. Die Symptome treten nämlich oft nur zu bestimmten Jahreszeiten oder bei bestimmtem Wetterverhältnissen vermehrt auf und sind somit nicht immer zu sehen. Eine Studie an der tierärztlichen Hochschule Hannover hat dazu folgende Ergebnisse veröffentlich:

  • Vor allem im Frühjahr und Sommer: Bei 59 bis 73 Prozent aller untersuchten Pferde.
  • Helle, sonnige Tage: Bei 52 bis 64 Prozent aller untersuchten Pferde.
  • Pferde meiden Licht: Bei 35 Prozent aller untersuchten Pferde.
  • Nachts weniger: Bei 52 bis 74 Prozent aller untersuchten Pferde.
  • Im Stall besser: Bei 77 Prozent aller untersuchten Pferde.
  • An Regentagen besser: Bei 58 Prozent aller untersuchten Pferde.
  • An windigen Tagen besser: Bei 22 Prozent aller untersuchten Pferde.
  • An windigen Tagen schlechter: Bei 22 Prozent aller untersuchten Pferde.

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