Trigeminusneuralgie: Ursachen, Ohrenschmerzen und Behandlungsmöglichkeiten

Die Trigeminusneuralgie (TN) ist eine äußerst schmerzhafte Erkrankung, die den Trigeminusnerv betrifft. Dieser Nerv ist für die Übertragung von Schmerz- und Tastempfindungen im Gesicht verantwortlich. Die Erkrankung kann starke Gesichtsschmerzen verursachen, und wenn der betroffene Bereich das Ohr umfasst, kann dies zu intensiven Ohrenschmerzen und unangenehmen Ohrgefühlen führen.

Was ist Trigeminusneuralgie?

Die Trigeminusneuralgie ist eine neurologische Störung, die durch unerklärliche, scharfe, elektrisierende Schmerzen gekennzeichnet ist, die in der Regel in einem bestimmten Bereich des Gesichts auftreten. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) teilt die Trigeminusneuralgie gemäß der internationalen Kopfschmerzklassifikation (ICHD-3) in drei Formen ein: klassische, sekundäre und idiopathische Trigeminusneuralgie.

Der Trigeminusnerv

Der Trigeminusnerv, auch Drillingsnerv genannt, ist der größte Hirnnerv und teilt sich in drei Hauptäste auf:

  • V1: Augenast (Nervus ophthalmicus): Versorgt den Stirnbereich
  • V2: Oberkieferast (Nervus maxillaris): Versorgt den Oberkiefer
  • V3: Unterkieferast (Nervus mandibularis): Versorgt den Unterkiefer

Diese Äste versorgen den Großteil des Gesichts, insbesondere die Haut von Stirn, Augen, Nase, Wangen und Kieferregion, sowie die Schleimhäute in Mund und Nase und die Zähne. Der Nerv leitet Sinneseindrücke wie Berührungen, Temperaturempfinden oder Schmerz an das Gehirn weiter. Zudem steuert er die Kiefer- und Zungenmuskulatur und ist somit für das Kauen verantwortlich.

Ursachen der Trigeminusneuralgie

Die Trigeminusneuralgie tritt auf, wenn der Trigeminusnerv beschädigt oder gereizt wird. Es gibt verschiedene Ursachen, die dazu führen können:

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  • Blutgerinnsel oder Gefäßkompression: Ein Blutgefäß kann den Trigeminusnerv komprimieren und so Schmerzen verursachen. Häufig ist ein neurovaskulärer Konflikt für die Trigeminusneuralgie verantwortlich, d.h. es besteht ein enger Kontakt zwischen dem Nerv und einem pochenden Blutgefäß. Durch diese Kompression wird der Nerv einer dauerhaften Reizung ausgesetzt.
  • Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS): MS kann zu einer Schädigung des Nervs führen und trigeminusbedingte Schmerzen auslösen. Insbesondere bei jüngeren Patienten sollte bei starken Gesichtsschmerzen immer auch an eine Multiple Sklerose gedacht werden.
  • Verletzungen oder Traumata im Kopfbereich: Traumatische Verletzungen im Bereich des Nervs können zu einer Neuralgie führen.
  • Altersbedingte Veränderungen: Mit zunehmendem Alter können Veränderungen im Nervensystem zu einer erhöhten Anfälligkeit für Trigeminusneuralgie führen.
  • Tumoren: In seltenen Fällen kann ein Tumor, der den Nerv komprimiert, wie z.B. ein Neurinom oder Meningeom, die Ursache sein.

Klassische Trigeminusneuralgie

Bei einer klassischen Trigeminusneuralgie entstehen die Schmerzen dadurch, dass benachbarte Blutgefäße auf den Nerv drücken (neurovaskuläre Kompression) und so die Umhüllung des Nervs (Myelinscheide) schädigen. Ein solch krankhafter Kontakt zwischen Gefäß und Nerv ist wahrscheinlicher, wenn die Wände der Schlagadern (Arterien) verdickt und starr sind. Das ist bei einer Arterienverkalkung (Arteriosklerose) der Fall. Diese erhöht deshalb das Risiko einer Trigeminusneuralgie. Zudem besteht meist nicht nur ein Kontakt zwischen Gefäß und Nerv: Die betreffende Arterie verdrängt bei einer klassischen Trigeminusneuralgie außerdem den Nerv, was diesen zusätzlich reizt und eine Gesichtsnerventzündung sowie Funktionsstörungen hervorruft.

Sekundäre Trigeminusneuralgie

Eine sekundäre Trigeminusneuralgie liegt vor, wenn sich anhand radiologischer Bildgebung oder durch eine Operation eine andere Erkrankung als eindeutige Ursache für die Schmerzattacken nachweisen lässt. Zu diesen möglichen Ursachen zählen:

  • Krankheiten, bei denen die Schutzhüllen der Nervenfasern (Myelinscheiden) im Nervensystem zerstört werden ("Entmarkungskrankheiten"): z. B. Multiple Sklerose (MS)
  • Gehirntumoren, vor allem sogenannte Akustikusneurinome: Das sind seltene, gutartige Tumoren des Hör- und Gleichgewichtsnervs. Sie drücken auf den Trigeminusnerv oder ein benachbartes Blutgefäß, sodass beide gegeneinandergedrückt werden. Das kann zusätzlich zur Trigeminusnerventzündung führen und löst die Schmerzen aus.
  • Schlaganfall (Apoplex)
  • Gefäßmissbildungen (Angiom, Aneurysma) im Bereich des Hirnstammes

Patienten mit einer sekundären Trigeminusneuralgie sind im Durchschnitt jünger als Menschen mit der klassischen Krankheitsform.

Idiopathische Trigeminusneuralgie

Bei der idiopathischen Trigeminusneuralgie, die deutlich seltener auftritt, lässt sich keine andere Erkrankung oder Gewebeveränderung an beteiligten Gefäßen und Nerven als Ursache für die Beschwerden feststellen (idiopathisch = ohne bekannte Ursache). Emotionale beziehungsweise psychische Faktoren wie Stress oder Aufregung reizen die Nerven und gelten ebenfalls als Auslöser für eine Trigeminusneuralgie. Psychische Ursachen sind jedoch oft nicht eindeutig festzumachen.

Wie wirkt sich die Trigeminusneuralgie auf das Ohr aus?

Die Symptome der Trigeminusneuralgie im Ohr können sehr schmerzhaft und plötzlich auftreten. Die häufigste Symptomatik bei einer Trigeminusneuralgie im Ohr sind scharfe, stechende Ohrenschmerzen, die sehr intensiv und plötzlich auftreten können. Diese Schmerzen werden oft als elektrisierend beschrieben und können durch einfache Bewegungen wie Kauen oder Sprechen ausgelöst werden. Die Schmerzen sind in der Regel kurz, aber sehr intensiv und können einige Sekunden bis Minuten dauern.

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Weitere mögliche Auswirkungen auf das Ohr sind:

  • Tinnitus (Ohrgeräusche): Ein ständiges Rauschen oder Klingeln im Ohr kann auftreten.
  • Überempfindlichkeit im Ohrbereich: Betroffene können das Gefühl haben, dass das Ohr "eingeschaltet" oder "überempfindlich" auf Geräusche reagiert.
  • Gefühl eines verstopften Ohrs: Kompression oder Entzündung des Trigeminusnervs kann Schmerzen und Reizungen verursachen, die den Ohrbereich und seine Nervenverbindungen beeinträchtigen und das Gefühl einer Verstopfung verursachen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome der Trigeminusneuralgie im Ohr leicht mit einer Ohrenentzündung verwechselt werden können, da beide ähnliche Beschwerden wie Schmerzen, Druckgefühl und Überempfindlichkeit im Ohr verursachen können. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Art des Schmerzes, der bei der Neuralgie scharf und stechend ist, während eine Ohrenentzündung in der Regel dumpfe Schmerzen verursacht.

Diagnose der Trigeminusneuralgie

Nicht jeder Schmerz im Gesichtsbereich ist eine Trigeminusneuralgie. Es gilt, die Trigeminusneuralgie gegen die zahlreichen anderen Formen von Kopf- und Gesichtsschmerzen abzugrenzen. Anhand des typischen Schmerzverlaufs ist meist auch der Hausarzt in der Lage, eine Trigeminusneuralgie zu identifizieren. Der richtige Ansprechpartner für die Diagnose und weiterführenden Untersuchungen bei dieser Erkrankung ist aber ein Facharzt für Neurologie oder ein Facharzt für Neurochirurgie.

Der erste Schritt bei Verdacht auf eine Trigeminusneuralgie ist die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese): Der Arzt befragt den Patienten ausführlich zu seinen Beschwerden. Mögliche Fragen dabei sind:

  • Wo genau haben Sie Schmerzen?
  • Wie lange dauern die Schmerzen jeweils an?
  • Wie empfinden Sie den Schmerz, zum Beispiel als stechend, drückend, stromstoßartig?
  • Haben Sie neben den Schmerzen andere Beschwerden wie Gefühlsstörungen an anderen Körperstellen, Sehstörungen, Übelkeit oder Erbrechen?
  • Machen Ihnen die Schmerzattacken seelisch sehr zu schaffen?

Im Anschluss führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch. Dabei achtet er zum Beispiel darauf, ob das Empfindungsvermögen (Sensibilität) im Gesichtsbereich normal ist.

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Weitere Untersuchungen klären dann, ob eine auslösende Erkrankung der Trigeminusneuralgie zugrunde liegt oder nicht. Je nach Beschwerdebild führt der Arzt eine oder mehrere der folgenden Untersuchungen durch:

  • Magnetresonanztomografie (MRT): Anhand der Magnetresonanz- oder Kernspintomografie überprüft der Arzt, ob eine Erkrankung wie Multiple Sklerose, Hirntumor, Schlaganfall oder Gefäßmissbildung (Aneurysma) die Trigeminusneuralgie auslöst.
  • Entnahme und Analyse des Nervenwassers: Mit einer dünnen, feinen Hohlnadel entnimmt der Arzt eine Probe des Nervenwassers (Hirn-Rückenmarksflüssigkeit) aus dem Wirbelkanal (Liquorpunktion). Im Labor untersucht Fachpersonal, ob der Patient unter Multipler Sklerose leidet.
  • Computertomografie (CT): Damit begutachten Ärzte vor allem die knöchernen Strukturen des Schädels. Eventuelle krankhafte Veränderungen sind eine mögliche Ursache der Schmerzattacken.
  • Angiografie oder Kernspin-Angiografie (MRA): Anhand einer Röntgen-Untersuchung der Blutgefäße (Angiografie) im Schädelbereich lassen sich eventuelle Gefäßmissbildungen erkennen. Bei der Kernspin-Angiografie erfolgt die Röntgen-Darstellung der Gefäße mittels Kernspintomografie. Die Bildgebung der Blutgefäße ist auch vor einer Operation sinnvoll, damit der Neurochirurg sieht, wo genau die Blutgefäße im Operationsgebiet verlaufen.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Dazu gehören zum Beispiel Trigeminus-SEP (Überprüfung der Funktionsfähigkeit sensibler Nervenbahnen, zum Beispiel Berührungs- und Druckempfinden), Überprüfung von beispielsweise Lidschlussreflex und Kaumuskelreflex (Masseterreflex).
  • Sonstige Untersuchungen: Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen nötig, zum Beispiel beim Zahnarzt, Kieferorthopäden oder HNO-Arzt.

Therapie der Trigeminusneuralgie

Bei der Trigeminusneuralgie-Therapie unterscheidet man die konservative von der invasiven Behandlung. Es gibt keine Standardtherapie für die Trigeminusneuralgie, die bei jedem Betroffenen Wirkung zeigt. Zudem besteht immer die Möglichkeit, dass die Schmerzen nach einer erfolgreichen Behandlung zurückkehren.

Konservative Behandlung

Die bisher gängige Therapie bei Patienten mit Trigeminusneuralgie ist die medikamentöse Behandlung. Da Opioide und nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente wie ASS oder Ibuprofen gegen neuropathische Schmerzen unwirksam sind, werden krampflösende Medikamente eingesetzt, sog. Anticonvulsiva.

  • Antikonvulsiva: Carbamazepin und Oxcarbazepin sind die Mittel der 1. Wahl bei einer Trigeminusneuralgie. Sie vermindern die Nervenaktivität und „beruhigen“ so den Schmerz. Auch einige weitere Arzneimittel können erfolgreich eingesetzt werden. Aufgrund von Nebenwirkungen (Stand- und Gangunsicherheit mit Fallneigung, Müdigkeit, Benommenheit) wird häufig zur Behandlung der Trigeminusneuralgie Pregabalin oder Gabapentin eingesetzt. Pregabalin und Gabapentin sind zwar besser verträglich, aber deutlich schlechter wirksam als die Mittel der 1. Wahl Carbamazepin und Oxcarbazepin.

  • Weitere Medikamente: Weitere wichtige Medikamente der 2. Wahl sind Lamotrigin, OnabotulinumtoxinA und Baclofen, Lidocain intranasal/intraoral und Topiramat (alle off-label).

Invasive Behandlung

Reicht eine medikamentöse Therapie nicht aus, kann eine neurochirurgische bzw. ablative Therapie in Erwägung gezogen werden, um eine zügige und erfolgversprechende Lösung zur Schmerzlinderung zu erzielen.

  • Mikrovaskuläre Dekompression (MVD): Operation nach Jannetta. Die Mikrovaskuläre Dekompression beseitigt den krankhaften Kontakt zwischen Gefäß und Nerv. Dabei handelt es sich um die einzige Behandlung, die die direkte Ursache der Trigeminusneuralgie angeht. Komprimierende Blutgefäße werden vom kontaktierten Teil des Trigeminusnervs entfernt und ggf. ein Interponat z.B. aus Teflon zwischen Gefäß und Nerv positioniert.

  • Ablative Verfahren: Ein weiterer Therapieansatz sind die ablativen Verfahren. Diese bezeichnen die teilweise Zerstörung des Nervs, sodass versucht wird, die normale sensorische Funktion zu erhalten und gleichzeitig den bestehenden Schmerz zu lindern. Dies umfasst die perkutane Glycerin-/ Hochfrequenz-Rhizotomie, ein nadelbasiertes Verfahren, das mit Lokalanästhesie durchgeführt werden kann. Auch die stereotaktische Radiochirurgie (z. B. Gamma Knife ®) zählt zu diesen Verfahren.

Weitere Maßnahmen zur Schmerzlinderung

Zusätzlich zu den oben genannten Behandlungen können folgende Maßnahmen zur Schmerzlinderung beitragen:

  • Heiße oder kalte Kompressen: Das Auflegen eines Eisbeutels oder eines warmen Tuchs auf die schmerzende Stelle Ihres Gesichts kann helfen, die Entzündung zu reduzieren und die Schmerzen zu lindern.
  • Leichte Massage: Eine sanfte Massage des Bereichs um Kiefer, Gesicht und Schläfen kann die Muskeln entspannen und die Durchblutung verbessern, wodurch Schmerzen vorübergehend gelindert werden.
  • Vermeiden von Triggern: Trigeminusneuralgie kann durch äußere Faktoren wie Kälte, helles Licht, Kauen oder Sprechen ausgelöst werden. Das Vermeiden dieser Auslöser kann hilfreich sein, um Schmerzattacken vorzubeugen.
  • Entspannungstechniken: Stress kann Schmerzen verschlimmern, daher können Übungen wie Meditation, tiefes Atmen oder Yoga helfen, Spannungen abzubauen und die Schmerzbehandlung zu verbessern.
  • Pflege der Nerven- und Gefäßgesundheit: Eine ausgewogene Ernährung, reich an Vitaminen und Nährstoffen, die die Nerven- und Gefäßgesundheit unterstützen, kann helfen, das Risiko von Trigeminusneuralgie zu verringern und den Allgemeinzustand zu verbessern. Regelmäßige körperliche Aktivität fördert die Durchblutung, stärkt das Nervensystem und kann dazu beitragen, das Risiko für viele Erkrankungen, einschließlich Trigeminusneuralgie, zu senken.

Verlauf und Prognose

Der Krankheitsverlauf bei der Trigeminusneuralgie ist sehr variabel. Es ist kaum vorhersehbar, wie viel Zeit bis zur nächsten Schmerzattacke vergeht. Manchmal liegen Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre zwischen einzelnen Attacken. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen bleibt es sogar bei einem einmaligen Anfall von Trigeminusneuralgie. Bei den meisten Menschen treten die Attacken anfangs nur ab und zu auf, häufen sich aber im Laufe der Zeit.

Die Trigeminusneuralgie beeinträchtigt das Alltagsleben der meisten Betroffenen massiv - nicht nur durch die heftigen Schmerzattacken an sich, sondern auch durch die Angst vor der nächsten Attacke. Auch das seelische Wohlbefinden leidet entsprechend darunter. Deshalb entwickeln manche Patienten zusätzlich eine depressive Verstimmung. In diesen Fällen ist es sinnvoll, eine medikamentöse und/oder operative Therapie der Trigeminusneuralgie um eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung zu ergänzen.

Mit dem richtigen Behandlungsplan lassen sich die Schmerzen einer Trigeminusneuralgie zumindest eine Zeitlang reduzieren oder vertreiben. Komplett heilen lässt sich die Erkrankung derzeit aber nicht. Bislang ist auch nicht bekannt, ob und wie sich einer Trigeminusneuralgie vorbeugen lässt.

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