Trippelschritte bei Demenz: Ursachen und Behandlung

Gehen ist eine alltägliche und komplexe Fähigkeit, die das Zusammenspiel von Knochen, Gelenken, Muskeln, Nerven, Sinnen und Gehirn erfordert. Gangstörungen können durch Probleme in einem dieser Bereiche entstehen und im Alter oft durch mehrere Faktoren gleichzeitig verursacht werden. In den Schön Kliniken besteht eine Expertise bei der Diagnose und Therapie von Gangstörungen verschiedener Ursache.

Was sind Gangstörungen?

Eine Gangstörung liegt vor, wenn der automatisierte, reibungslose und harmonische Ablauf von Gehbewegungen beeinträchtigt ist. Dies kann das Gangmuster, die Ganggeschwindigkeit oder beides betreffen. Die Ausprägungen reichen von leichter Unsicherheit bis hin zu schweren Beeinträchtigungen, die das Gehen unmöglich machen.

Junge Menschen legen beim Gehen etwa eine Geschwindigkeit von 2,5 Metern pro Sekunde zurück, während ältere Menschen etwa 1,5 Meter pro Sekunde erreichen. Weicht die eigene Ganggeschwindigkeit oder das Gangmuster von der Norm ab, spricht man von einer Gangstörung. Trippelschritte, ein schlurfender Gang oder Schwankschwindel können auf eine Gangunsicherheit hindeuten.

Ursachen von Gangstörungen

Die Ursachen für Gangstörungen sind vielfältig und können von Fehlfunktionen von Knochen, Muskeln, Gelenken, Nerven oder Hirnfunktionen herrühren. Gerade im Alter kommen oft mehrere Faktoren zusammen.

Neurologische Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen, die das Nervensystem beeinträchtigen, sind eine der häufigsten Ursachen für Gangstörungen. Dazu gehören:

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  • Polyneuropathie: Diese Erkrankung des peripheren Nervensystems betrifft viele Nerven und kann mit Symptomen wie Taubheitsgefühlen in den Füßen, Kribbeln oder Muskelschwäche einhergehen.
  • Spinalkanalstenose: Hierbei handelt es sich um eine Verengung des Wirbelkanals, die auf das Rückenmark und die Nervenwurzeln drückt. In schweren Fällen kann dies zu Gangstörungen führen. Betroffene leiden oft an starken Schmerzen im Gesäß und im Bein, die bis zu den Unterschenkeln und Füßen ausstrahlen können. Die Spinalkanalstenose (LWS) erschwert das Treppensteigen bei Patienten erheblich.
  • Morbus Parkinson: Diese neurodegenerative Erkrankung beeinträchtigt die Bewegungssteuerung und führt oft zu einem kleinschrittigen Gang (Trippelschritte) mit nach vorne gebeugtem Oberkörper.
  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall kann je nach betroffenem Hirnareal zu unterschiedlichen Gangstörungen führen, beispielsweise zu einer Halbseitenlähmung (Hemiparese).
  • Ataxie: Ataxie bezeichnet eine Störung der Bewegungskoordination, die zu einem unsicheren und schwankenden Gang führen kann.
  • Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die verschiedene neurologische Symptome verursachen kann, darunter auch Gangstörungen.

Auch Störungen der Sinnessysteme (Augen, Gleichgewichtsorgane im Innenohr, Nerven an Gelenken und Muskeln) können Gangstörungen verursachen. Nicht selten verstärkt die Angst vor Stürzen die Unsicherheit zusätzlich.

Muskuloskelettale Probleme

Probleme mit Muskeln, Knochen, Gelenken oder Sehnen können ebenfalls zu Gangstörungen führen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Muskelmasse ab (Sarkopenie), die Gelenke verschleißen (Arthrose) und das Gleichgewicht verschlechtert sich. Dies hat Auswirkungen auf die Ganggeschwindigkeit. Die altersbedingte Gangstörung kann durch gezielte Übungen gemildert werden. Je nach Krankheitsbild helfen Übungen für das Gleichgewicht.

  • Arthrose: Sie verursacht durch jahrelange Überlastung von Knochen und Knorpeln eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung und bei starker Ausprägung auch eine Deformierung der Gelenke.
  • Muskelschwäche: Mit zunehmendem Alter nimmt die Muskelmasse und Kraft ab (Sarkopenie). Dies führt zu einer deutlichen Verlangsamung des Gangbildes, einem breitbeinigem und kleinschrittigen Gangbild und erhöhter Sturzneigung.
  • Fußheberschwäche: Die Fußspitze hängt beim Laufen nach unten, wodurch der Fuß extrem hoch angehoben werden muss (Storchengang). Sie kommt vor bei Schäden des Wadenbeinnervs (Nervus peroneus), bei Verletzungen oder Operationen am Knie, der Hüfte oder bei Wirbelsäulenverletzungen.

Psychologische Faktoren

Eine Gangstörung kann auch durch die Psyche bedingt sein. Missempfindungen in Armen und Beinen können ein normales Gangbild verhindern. Nicht körperliche Störungen, sondern psychische Beeinträchtigungen sind die Auslöser.

Weitere Ursachen

  • Normaldruckhydrozephalus (NPH): Diese Erkrankung, auch Altershirndruck genannt, ist durch eine Kombination aus Vergesslichkeit, Gangstörung und Inkontinenz gekennzeichnet. Durch eine Operation kann die Lebensqualität oft deutlich verbessert werden.
  • Medikamente: Bestimmte Medikamente können als Nebenwirkung Gangstörungen verursachen.
  • Vitaminmangel: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere Vitamin B12, kann zu neurologischen Störungen und Gangstörungen führen.
  • Wetterfühligkeit: Wetterfühligkeit kann die Stimmung oder sogar die Gesundheit mit den wechselnden Wetterbedingungen verändern.

In der Regel liegen mehrere Ursachen gemeinsam vor. Nur äußerst selten lässt sich ein einziger Grund für die Gangstörung verantwortlich machen.

Gangstörungen bei Demenz

Im Rahmen einer Demenzentwicklung ist eine Bewegungseinschränkung im Verlauf meist vorhanden. Messbar wird sie zunächst durch das Phänomen „stops walking when talking“, also die Fähigkeit, gleichzeitig zu laufen und zu sprechen.

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Alzheimer-Demenz

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz. Sie ist durch eine zunehmende Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit gekennzeichnet, die in der Regel einhergeht mit einer Abnahme der Fähigkeit, die Aktivitäten des täglichen Lebens zu bewältigen, mit zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten und verstärkt auftretenden neuropsychiatrischen Symptomen.

Im Gehirn von Alzheimer-Patienten bilden sich senile Plaques und fibrilläre Ablagerungen. Die Proteinablagerungen der Plaques bestehen im Wesentlichen aus dem Beta-Amyloid-Peptid. Die intrazellulär gelegenen Neurofibrillenbündel bestehen aus dem Tau-Protein.

Vaskuläre Demenz

Vaskuläre Demenz ist mit etwa 15 Prozent aller Demenzerkrankungen die zweithäufigste Form nach Alzheimer-Demenz. Sie entsteht aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn. Bei vaskulärer Demenz können zu Beginn vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Dazu können Gangstörungen oder Kontrollverluste der Blase sowie Probleme mit der Sprache kommen. Auch Gedächtnisstörungen können auftreten, stehen aber zu Beginn nicht immer im Vordergrund.

Diagnose von Gangstörungen

Eine gründliche Diagnose ist entscheidend, um die Ursache der Gangstörung zu identifizieren und eine geeignete Behandlung einzuleiten. In den Schön Kliniken, in denen es ein Ganglabor gibt, können die Defizite quantitativ erfasst und einer Diagnose zugeordnet werden. Die modernen Methoden erlauben später die Kontrolle des Behandlungserfolges.

Anamnese

Die Anamnese erlaubt bei Gangstörungen im Alter die Erfassung wesentlicher Faktoren, die der klinischen Untersuchung entgehen können. Wichtige Faktoren sind Medikamente, die häufig Ursache von Schwindel, fluktuierender Gangunsicherheit und Stürzen sind. Auch die Eruierung auslösender und verstärkender Faktoren kann sehr hilfreich sein, um zum Beispiel eine Angstkomponente zu erfassen.

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Klinische Untersuchung

Die Analyse beginnt mit dem Betrachten des Gehens unter verschiedenen Bedingungen und kann mit apparativen Verfahren verfeinert werden.

Die klinische Untersuchung von Gangstörungen im Alter beinhaltet neben der Beurteilung differenzieller Stand- und Gangproben (geschlossene Augen, Tandemstand/Strichgang, Einbeinstand, Zehen-/Fersenstand/-gang) auch die Evaluation sensorischer Defizite (visuell, vestibulär, somatosensibel). Zusätzlich sollte eine komplette neurologische Untersuchung (insbesondere Extremitätenmotorik, Okulomotorik), die Beurteilung von aktiver und passiver Beweglichkeit in den großen Gelenken sowie eine internistische Untersuchung erfolgen.

Apparative Diagnostik

Die apparative Zusatzdiagnostik kann die nach Anamnese und Untersuchung formulierte Verdachtsdiagnose gezielt unterstützen und sollte differenziert verlaufen. Zur neurologischen Basisdiagnostik ist bei Gangstörungen im Alter die sensorische Testung oft hilfreich. Sie umfasst neben einer Bestimmung von Visus und Gesichtsfeld (visuelle Testung), eine Untersuchung des vestibulo-okulären Reflexes mithilfe des Kopfimpulstests und der vestibulären Innenohrfunktion mit kalorischer Reizung (vestibuläre Testung) sowie eine Bestimmung der Nervenleitungsgeschwindigkeit (somatosensorische Testung). Auffälligkeiten in der klinischen Untersuchung leiten den Weg zu Art und Umfang bildgebender Diagnostik.

  • Ganganalyse: In die klinische Anwendung wurden hauptsächlich Videosysteme eingeführt, die idealerweise von vorn und von der Seite aufzeichnen. Quantitative Möglichkeiten der Ganganalyse bis hin zur dreidimensionalen Erfassung aller Gelenkbewegungen sind die genaueste Methode der Gangbeurteilung.
  • Funktionelle Bildgebung: Um die supraspinale Aktivität in Abhängigkeit vom Gangmuster und kortikale Korrelate der sensorischen Kontrolle darzustellen, sind die funktionelle Kernspintomographie (fMRT) und nuklearmedizinische Methoden ([18F]-FDG-PET) geeignet.

Tests zur Beurteilung der Sturzgefahr

  • Timed-up-and-go-Test: Bei diesem Test sitzt der Patient auf einem Standardstuhl mit Armlehnen. Beim Startzeichen steht er auf, geht drei Meter, dreht um, geht die drei Meter zurück und setzt sich wieder. Die Zeit in Sekunden wird registriert.
  • Pull-Test: Am häufigsten wird der Patient vom hinter ihm stehenden Untersucher plötzlich und kurz an den Schultern nach hinten gezogen. Es wird beurteilt, ob der Patient auf diesen Störreiz adäquat mit einer raschen Standkorrektur oder/und einem Ausfallschritt reagiert.

Behandlung von Gangstörungen

Die Behandlung von Gangstörungen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.

  • Therapie der Grunderkrankung: In erster Linie wird die Therapie auf die zugrunde liegende Krankheit ausgerichtet, da ein von der Norm abweichendes Gangmuster nur ein Symptom ist. Daher kann die Behandlung erst stattfinden, wenn die Ursachen geklärt sind. Sind die Auslöser reversibel, wie zum Beispiel bei der Avitaminose, besteht die Therapie in der Gabe von Vitaminen. Bei orthopädischen oder neurologischen Ursachen können je nach vorliegender Krankheit ein operativer Eingriff, Medikamente, sowie Physio- oder Ergotherapie helfen, ein Fortschreiten der Störung aufzuhalten.
  • Medikamentöse Therapie: Die Dosierung von Medikamenten wird bestmöglich eingestellt und ihre Wirkung durch Tests überprüft.
  • Physio- und Ergotherapie: Ergotherapie und Physiotherapie unterstützen den Patienten, seinen Alltag zu meistern und trotz bestehender Einschränkungen sich so viel wie möglich an Selbstständigkeit zu erhalten.
  • Patientenschulung: Der Patient wird über die Hintergründe seiner Erkrankung und deren Symptome informiert. Er lernt, mit der Krankheit umzugehen, und erfährt, wie er selbst seine Gesundheit stärken kann.
  • Rehabilitation: Die Reha orientiert sich ebenfalls an der auslösenden Erkrankung.

Hilfsmittel

Auch einige Hilfsmittel unterstützen Patienten im Alltag und erhalten die Selbstständigkeit. Die wohl bekanntesten sind Gehstöcke, Rollatoren und Rollstühle. Welche Mobilitätshilfe sich für Dich oder Deinen Angehörigen am besten eignet, hängt von der individuellen Erkrankung ab. Faltbare Elektrorollstühle ermöglichen weiterhin Selbstständigkeit und Flexibilität -im Alltag und auf Reisen.

Sturzprophylaxe

Eine ausgeprägte Sturzneigung erhöht das Risiko für Knochenbrüche, Funktionseinschränkungen und Verlust der Selbstständigkeit. Bei einem Sturz kommen meist mehrere Ursachen zusammen. Trotzdem könnte die Mehrzahl der Stürze durch das Ausschalten von nur einem Risikofaktor verhindert werden. Dies ist das Ziel der Sturzprophylaxe. Hierunter versteht man alle Maßnahmen, die Stürzen vorbeugen sollen.

  • Gehhilfen nutzen: Spazierstöcke, Rollator oder das Delta-Gehrad bieten Halt und entlasten Hüfte und Becken.
  • Altersgerechte Anpassung des Wohnraums: Beidseitige Handläufe an den Treppen oder Haltegriffe im Bad geben Sicherheit. Zudem sollte man steile (Keller-)Treppen absichern und Stufen und Schwellen auffällig markieren.
  • Beseitigung von Stolperfallen: Lose Teppiche und Kabel entfernen und Laufwege frei davon halten.
  • Hüftprotektoren: Im Falle eines Sturzes verringern Hüftprotektoren die Gefahr, den Oberschenkelhals zu brechen.

Prognose

Die Prognose ist von der Ursache der Gangstörung abhängig. Ist die Ursache gut behandelbar, wie beim Vitaminmangel, normalisiert sich auch das Gangbild recht schnell. Bei Erkrankungen, die nicht heilbar sind, wie Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose, kann sich die medikamentöse Linderung der Symptome auch positiv auf das Gangbild ausüben.

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