Gangstörungen sind ein häufiges Leitsymptom im Alter und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Bei Parkinson-Patienten manifestieren sich diese Störungen oft in Form von Trippelschritten, einem unsicheren Gang und einer erhöhten Sturzgefahr. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Gangstörungen im Alter, insbesondere im Zusammenhang mit Parkinson, und stellt verschiedene Behandlungsansätze vor.
Gangstörungen im Alter: Ein Überblick
Gangstörungen im Alter sind häufig multifaktoriell bedingt. Relevante pathogenetische Faktoren sind sensorische Defizite, neurodegenerative Prozesse, toxische Einflüsse und Angst. Gangstörungen sind eines der führenden Leitsymptome bei älteren Patienten. Im Patientenkollektiv einer neurologischen Akutklinik ist höheres Lebensalter der wichtigste Risikofaktor für eine Gangstörung. Die Ursachen umfassen verschiedene Erkrankungen, deren Behandlung zum Teil EBM-basiert sehr gut untersucht ist, zum Beispiel bei der Parkinson-Erkrankung, oder bei denen es kaum Evidenz für die beste Therapie gibt, beispielsweise bei vaskulären Gangstörungen.
In einer populationsbasierten Studie bei über 70-Jährigen lag die Prävalenz von Gangstörungen bei 35 Prozent. Während im Alter von 60 Jahren noch 85 Prozent der Menschen einen normalen Gang haben, sind es bei den 85-Jährigen nur noch etwa 20 Prozent. Dies bedeutet aber auch, dass Gangstörungen keine zwangsläufige Folge des Alterns sind. Störungen der Körperbalance und des Gehens sind mit Immobilität und Stürzen assoziiert, die wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Innerhalb eines Jahres kommt es bei etwa 30 Prozent der zu Hause Lebenden, die älter als 65 Jahre sind, und bei etwa 50 Prozent von Pflegeheimbewohnern zu mindestens einem Sturz. Häufig schränkt die Angst vor Stürzen die Mobilität weiter ein. Patienten, die sich wegen ihrer Gangstörung beim Hausarzt vorstellen, geben am häufigsten Schmerzen, Gelenksteifigkeit, Taubheitsgefühl, Schwäche und ein abnormes Gangmuster als Beschwerden an.
Die Rolle von Parkinson bei Gangstörungen
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Dies führt zu einer Reihe von motorischen Symptomen, darunter Tremor, Rigor (Muskelsteifheit), Akinese (Bewegungsverlangsamung) und posturale Instabilität (Gleichgewichtsstörungen). Gangstörungen, insbesondere Trippelschritte, sind ein häufiges und beeinträchtigendes Symptom bei Parkinson.
Was sind Trippelschritte?
Trippelschritte sind kleine, schlurfende Schritte, die oft mit einer verminderten Schrittlänge und einer erhöhten Schrittfrequenz einhergehen. Betroffene haben Schwierigkeiten, ihren Gang zu kontrollieren und das Gleichgewicht zu halten, was zu einer erhöhten Sturzgefahr führt. Das Wort „Freezing“ haben ursprünglich englischsprachige Patientinnen und Patienten benutzt, um ihre Gangstörung zu beschreiben, bei der sie mitten in einer Bewegung „einfrieren“. Im Deutschen sprechen Betroffene häufig vom „Festkleben am Boden“, vom „Trippeln“ und davon, nicht von der Stelle zu kommen. Diese Umschreibungen fassen das zentrale Problem der Gangstörung bei Morbus Parkinson recht genau zusammen. Freezing bezeichnet eine plötzlich auftretende, vorübergehende Störung des Ganges. Insgesamt 60-80% aller Menschen mit Parkinson leiden unter solchen Gangblockierungen. Die Gangstörung kann in sehr unterschiedlichen Situationen auftreten: während Wendebewegungen, beim Losgehen (sogenannte Ampelsituation), in räumlicher Enge (wie in einem Türdurchgang) oder nach längerem Sitzen oder Stehen (wenn beispielsweise das Telefon in einiger Entfernung klingelt). Freezing beeinträchtigt die Selbstständigkeit der Betroffenen stark, reduziert die Lebensqualität und stellt durch die erhöhte Sturzgefahr eine Bedrohung der körperlichen Gesundheit dar.
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Ursachen von Trippelschritten bei Parkinson
Die genauen Ursachen von Trippelschritten bei Parkinson sind komplex und nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass der Dopaminmangel im Gehirn eine zentrale Rolle spielt, da Dopamin für die Steuerung von Bewegungen unerlässlich ist. Andere Faktoren, die zu Trippelschritten beitragen können, sind:
- Verlust der automatischen Gangsteuerung: Parkinson beeinträchtigt die Fähigkeit des Gehirns, den Gang automatisch zu steuern, was zu einer bewussten Anstrengung bei jedem Schritt führt.
- Störung der Basalganglien: Die Basalganglien sind eine Gruppe von Hirnstrukturen, die an der Bewegungsplanung und -ausführung beteiligt sind. Bei Parkinson sind diese Strukturen beeinträchtigt, was zu Gangstörungen führt.
- Sensorische Defizite: Parkinson kann sensorische Defizite verursachen, die die Fähigkeit des Körpers beeinträchtigen, seine Position im Raum wahrzunehmen und das Gleichgewicht zu halten.
- Muskelsteifheit und -schwäche: Rigor und Akinese können die Muskeln versteifen und schwächen, was zu einer verminderten Schrittlänge und einem unsicheren Gang führt.
Diagnose von Gangstörungen
Die Untersuchung betagter Patienten mit dem Leitsymptom „Gangstörung“ sollte die Identifizierung der spezifischen Defizite zum Ziel haben. So kann auch bei multifaktorieller Genese eine gezielte Therapie erfolgen. Die Erhaltung der Mobilität ist auch deshalb so wichtig, weil Gehfähigkeit und kognitive Leistungsfähigkeit eng verknüpft sind.
Die Diagnose von Gangstörungen im Alter erfordert eine umfassende Anamnese, klinische Untersuchung und gegebenenfalls paraklinische Diagnostik. Die Anamnese erlaubt bei Gangstörungen im Alter die Erfassung wesentlicher Faktoren, die der klinischen Untersuchung entgehen können. Wichtige Faktoren sind Medikamente, die häufig Ursache von Schwindel, fluktuierender Gang-unsicherheit und Stürzen sind. Auch die Eruierung auslösender und verstärkender Faktoren kann sehr hilfreich sein, um zum Beispiel eine Angstkomponente zu erfassen.
Klinische Präsentation
Die häufigsten Gangmuster, deren Bestimmung für den ersten Schritt der Klassifikation erforderlich ist, fasst Tabelle 2 (gif ppt) zusammen. Unter den betagten Patienten, die sich beim Neurologen vorstellen, sind folgende Gangstörungen besonders häufig:
- sensorische (zum Beispiel Polyneuropathie)
- hypokinetische (zum Beispiel Morbus Parkinson)
- ataktische (zum Beispiel degenerative Kleinhirnatrophie)
- ängstliche (zum Beispiel „fear of falling“)
Beim Allgemeinarzt, beim Orthopäden und beim Neurologen machen antalgische (zum Beispiel Gonarthrose) und paretische (zum Beispiel radikulär nach Bandscheibenvorfall) Gangstörungen einen erheblichen Prozentsatz aus. Spastische, dyskinetische und psychogene Gangstörungen kommen im Alter vor, sind aber nicht häufiger als in anderen Lebensabschnitten. Die Analyse des Gehens kann auf verschiedene Weise erfolgen. Am einfachsten ist die klinische Beobachtung des Patienten, der mit offenen und geschlossenen Augen, bei Ablenkung oder/und kognitiven Anforderungen eine Gehstrecke zurücklegt. Man achtet auf Körperhaltung, Ganggeschwindigkeit, Asymmetrien, Schrittbreite und Schrittlänge, Fußabhebung vom Boden, Variabilität der Schritte, Balancestörungen mit Gangabweichung und Fallneigung sowie auf die Mitbewegungen der Arme. Die Betrachtung des Gangmusters erlaubt bei entsprechender Erfahrung die Formulierung einer kategorischen Einteilung (Tabelle 2).
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Zur klinischen Untersuchung von Gangstörungen im Alter gehören neben der Beurteilung differenzieller Stand- und Gangproben (geschlossene Augen, Tandemstand/Strichgang, Einbeinstand, Zehen-/Fersenstand/-gang), auch die Evaluation sensorischer Defizite (visuell, vestibulär, somatosensibel). Zusätzlich sollte eine komplette neurologische Untersuchung (insbesondere Extremitätenmotorik, Okulomotorik), die Beurteilung von aktiver und passiver Beweglichkeit in den großen Gelenken sowie eine internistische Untersuchung erfolgen.
Weit verbreitet, leicht durchzuführen und daher auch zur Verlaufsbeurteilung geeignet sind „timed tests“ wie der „timed-up-and-go“-Test, bei denen die Zeit für eine motorische Sequenz gemessen wird. Die Tests erfassen Mobilitätsparameter, die über das bloße Lokomotionsvermögen hinausgehen. Beim „timed-up-and-go“-Test sitzt der Patient auf einem Standardstuhl mit Armlehnen. Beim Startzeichen steht er auf geht drei Meter, dreht um, geht die drei Meter zurück und setzt sich wieder. Die Zeit in Sekunden wird registriert.
Sehr hilfreich zur Beurteilung der Sturzgefahr ist die Testung der Stellreflexe im „pull“-Test. Der Test existiert in zahlreichen Varianten. Am häufigsten wird der Patient vom hinter ihm stehenden Untersucher plötzlich und kurz an den Schultern nach hinten gezogen. Dem Patienten wird der Test angekündigt, er hat die Augen offen, die Füße in bequemen Abstand auf dem Boden.
Es wird beurteilt, ob der Patient auf diesen Störreiz adäquat mit einer raschen Standkorrektur oder/und einem Ausfallschritt reagiert. Bei Erkrankungen mit gestörten Stellreflexen (zum Beispiel progressive supranukleäre Blickparese) kann der Patient nicht adäquat reagieren und muss aufgefangen werden. Es ist dabei egal, ob die Pertubation erwartet wird oder nicht.
Paraklinische Diagnostik
Die apparative Zusatzdiagnostik kann die nach Anamnese und Untersuchung formulierte Verdachtsdiagnose gezielt unterstützen und sollte differenziert verlaufen. Zur neurologischen Basisdiagnostik ist bei Gangstörungen im Alter die sensorische Testung oft hilfreich. Sie umfasst neben einer Bestimmung von Visus und Gesichtsfeld (visuelle Testung), eine Untersuchung des vestibulo-okulären Reflexes mithilfe des Kopfimpulstests und der vestibulären Innenohrfunktion mit kalorischer Reizung (vestibuläre Testung) sowie eine Bestimmung der Nervenleitungsgeschwindigkeit (somatosensorische Testung). Auffälligkeiten in der klinischen Untersuchung leiten den Weg zu Art und Umfang bildgebender Diagnostik.
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Neue Verfahren zur Diagnostik
Die wechselseitige Beeinflussung von Kognition und Gang ist ein faszinierendes Forschungsgebiet mit klinischer Relevanz. Die sogenannte „Dual-task“-Fähigkeit kann relativ einfach in den klinischen Untersuchungsablauf integriert werden. Dabei sollen entweder kognitive Aufgaben (zum Beispiel rückwärts rechnen, Wörter einer Kategorie aufzählen) oder motorische Aufgaben (zum Beispiel tragen von Gegenständen, motorische Handlungen) während des Gehens durchgeführt werden. Ein typisches klinisches Zeichen für die störende Interaktion von Gang und Kognition ist das Stehenbleiben beim Reden („stop walking while talking“), das auch als klinischer Test eingesetzt werden kann. Typisch ist die Gangverschlechterung unter „Dual-task“-Anforderungen für Gangstörungen mit kortikaler und subkortikaler Hirnbeteiligung (zum Beispiel degenerative Demenzen, vaskuläre Gangstörungen), aber auch beim Parkinson-Syndrom. Die Patienten zeigen oft eine paradoxe Umkehr der eigentlich physiologischen „Posture-first“-Strategie und unterbrechen den Gang für die Ausübung des „Dual-task“. Bei Patienten mit ängstlicher und psychogener Gangstörung kommt es eher zu einer Verbesserung bei Ablenkung unter „Dual-task“.
In die klinische Anwendung wurden hauptsächlich Videosysteme eingeführt, die idealerweise von vorn und von der Seite aufzeichnen. Dadurch lassen sich Gangmuster mehrmals und unabhängig vom Beobachter beurteilen. Quantitative Möglichkeiten der Ganganalyse bis hin zur dreidimensionalen Erfassung aller Gelenkbewegungen sind die genaueste Methode der Gangbeurteilung. Eine differenzialdiagnostische Einordnung von Gangstörungen wird durch die quantitative Ganganalyse erleichtert, da die hohe Standardisierung der Messung und die Berücksichtigung verschiedener Bedingungen den diagnostischen Wert gegenüber einer einfachen Gangbeobachtung erhöhen. Oft wird dieser diagnostische Mehrwert allerdings durch den hohen Analyseaufwand begrenzt. Vereinfachte Systeme (zum Beispiel Videosysteme oder drucksensitive Bodenmatten) sind hilfreich, wenn definierte Patientengruppen intraindividuell im Verlauf beurteilt werden sollen (zum Beispiel Normaldruckhydrozephalus vor und nach Liquorablassversuch, Parkinson-Syndrom nach Therapieumstellung).
Um die supraspinale Aktivität in Abhängigkeit vom Gangmuster und kortikale Korrelate der sensorischen Kontrolle darzustellen sind die funktionelle Kernspintomographie (fMRT) und nuklearmedizinische Methoden ([18F]-FDG-PET) geeignet. Damit lassen sich zum Beispiel Korrelate für die aus Tierversuchen bekannten Lokomotionszentren in Kleinhirn und Hirnstamm darstellen, die bei zentralen Ursachen von Gangstörungen beeinträchtigt sein können (Grafik 2) (11). Für die klinische Diagnostik haben die Verfahren noch keine Bedeutung. Die Methoden ergänzen sich: Während im fMRT vorgestelltes Gehen untersucht wird und beliebig modifiziert werden kann, wird im [18F]-FDG-PET tatsächliches Gehen untersucht. Reale Lokomotion ist weniger abhängig von der Mitarbeitsfähigkeit des Patienten, was insbesondere für ältere Patienten mit …
Therapieansätze bei Trippelschritten und Gangstörungen
Ziel der Behandlung von Gangstörungen bei Parkinson ist es, die Mobilität zu verbessern, die Sturzgefahr zu reduzieren und die Lebensqualität zu erhalten. Die Therapie umfasst in der Regel eine Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Ansätzen.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie zielt darauf ab, den Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen. Häufig eingesetzte Medikamente sind:
- Levodopa: Eine Vorstufe von Dopamin, die im Gehirn in Dopamin umgewandelt wird.
- Dopaminagonisten: Medikamente, die die Wirkung von Dopamin im Gehirn imitieren.
- MAO-B-Hemmer: Medikamente, die den Abbau von Dopamin im Gehirn verlangsamen.
- COMT-Hemmer: Medikamente, die den Abbau von Levodopa im Körper verlangsamen und so die Wirkung von Levodopa verlängern.
Nicht-medikamentöse Therapie
Neben der medikamentösen Therapie spielen nicht-medikamentöse Ansätze eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Gangstörungen bei Parkinson. Dazu gehören:
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft, Flexibilität und Balance zu verbessern. Gezielte Übungen können die Gangstabilität erhöhen und die Sturzgefahr reduzieren.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, Strategien zu entwickeln, um alltägliche Aktivitäten sicherer und einfacher zu gestalten. Dies kann die Anpassung der Wohnumgebung, die Verwendung von Gehhilfen oder die Entwicklung von Kompensationsstrategien umfassen.
- Logopädie: Logopädie kann helfen, Sprach- und Schluckstörungen zu verbessern, die bei Parkinson auftreten können.
- Neuropsychologische Therapie: Neuropsychologische Therapie kann helfen, kognitive Defizite zu behandeln, die die Gangstörung beeinflussen können.
- Tiefe Hirnstimulation (THS): Bei der Tiefen Hirnstimulation wird eine Elektrode in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert, um die Hirnaktivität zu modulieren und die Symptome von Parkinson zu lindern. Die THS kann bei einigen Patienten mit Parkinson die Gangstörung verbessern.
- Fokussierter Ultraschall: Der fokussierte Ultraschall ist eine weitere Operationsmethode, die helfen kann, wenn die Medikamente nicht mehr wirken.
Hilfsmittel und Anpassungen im Alltag
Zusätzlich zu den oben genannten Therapien können verschiedene Hilfsmittel und Anpassungen im Alltag die Mobilität und Sicherheit von Parkinson-Patienten verbessern:
- Gehhilfen: Gehstöcke, Rollatoren oder andere Gehhilfen können die Stabilität erhöhen und die Sturzgefahr reduzieren.
- Anpassung der Wohnumgebung: Die Beseitigung von Stolperfallen, die Installation von Haltegriffen und die Verbesserung der Beleuchtung können die Sicherheit in der Wohnung erhöhen.
- Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität, wie Spaziergänge, Tanzen oder Schwimmen, kann die Muskelkraft, Flexibilität und Balance verbessern. Tischtennis kann bei Parkinson die Sprache verbessern und die Konzentration fördern.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann emotionalen Halt geben und praktische Tipps für den Umgang mit der Erkrankung vermitteln.
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