Tuberöse Sklerose: Häufigkeit, Diagnose und Therapie

Die Tuberöse Sklerose (TSC), auch bekannt als Tuberous Sclerosis Complex oder Morbus Bourneville-Pringle, ist eine autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung, die durch eine große klinische Variabilität gekennzeichnet ist. Die Erkrankung manifestiert sich durch multiple, lokale Areale unvollständiger und abnormer Gewebsdifferenzierung, sogenannte Hamartien, die bei verstärkter Proliferation als Hamartome bezeichnet werden, aber gutartig bleiben. TSC kann sich in fast allen Organen manifestieren, wobei Gehirn, Herz, Nieren, Lunge, Haut und Augen am häufigsten betroffen sind.

Häufigkeit der Tuberösen Sklerose

Die Inzidenz der Tuberösen Sklerose wird mit etwa 1:6.000 bis 1:8.000 angegeben. Genaue Angaben über die Häufigkeit sind allerdings schwierig, weil typische Anzeichen zu verschiedenen Zeitpunkten auftreten und die Erkrankung meist nicht sofort nach der Geburt erkannt wird. Schätzungen zufolge leiden 7.145 Menschen in Deutschland daran. Die Anzahl neuerkrankter Personen liegt bei 1 zu 11.180 und 1 zu 22.360 Lebendgeburten.

Genetische Ursachen

Molekulare Ursachen sind pathogene Varianten im TSC1- und TSC2-Gen. In Familien mit mehreren Betroffenen sind Varianten des TSC1- und des TSC2-Gens gleich häufig, 70% der TSC-Fälle treten allerdings sporadisch durch Neumutationen auf, wobei in diesen Fällen nur in 10-15% TSC1 und in 70% TSC2 verändert ist. Insgesamt sind TSC2-Varianten drei- bis viermal häufiger als TSC1-Varianten.

Bei beiden TSC-Genen handelt es sich um Tumorsuppressor-Gene, die auf zellulärer Ebene rezessiv wirken, d.h. nur dann zur lokalen Entstehung von Hamartomen führen, wenn durch zwei unabhängige Varianten beide homologen TSC-Gene inaktiviert wurden. Die TSC1- und TSC2-Genprodukte Hamartin und Tuberin bilden einen Komplex und haben eine zentrale Funktion innerhalb grundlegender Signaltransduktionswege, über die Zelladhäsion, Transkription und Zellproliferation, Vesikeltransport und Zellmigration gesteuert werden. Eine zentrale Rolle stellt die Insulin-vermittelte mTOR-Signaltransduktion dar. Der Tuberin-Hamartin-Komplex inhibiert die Aktivität der Serin-Kinase mTOR (mammalian Target of Rapamycin). Infolge von pathogenen TSC1- oder TSC2-Varianten kommt es zur Überaktivierung der mTOR-Signaltransduktion und zu einer verstärkten Proliferation in den charakteristischen TSC-Läsionen.

Durch die Interaktion von Hamartin und Tuberin führt die Inaktivierung beider Kopien eines der beiden TSC-Gene zum Funktionsverlust des gesamten Proteinkomplexes und somit zur gleichen Pathogenese. Bei Ausfall des TSC1/TSC2-Komplexes kann die aktivierte mTOR-Signaltransduktion auch durch Medikamente gehemmt werden.

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Die Varianten sind in beiden TSC-Genen über nahezu alle Exons bzw. angrenzende Intronsequenzen verteilt und umfassen alle Mutationstypen. Im TSC1-Gen machen Varianten, die zum vorzeitigen translationalen Stop führen, mit ca. 90% den Hauptanteil aus. Dagegen sind pathogene Missense-Varianten und größere genomische Deletionen mit weniger als 6% bzw. 3% relativ selten. Im TSC2-Gen sind alle Arten von kleinen Nukleotidveränderungen etwa gleich häufig, wobei die Konsequenz ebenfalls in 75% ein vorzeitiger translationaler Stop ist. Verluste größerer Genbereiche machen etwa 5% aus, wobei in 4,5% Teile des Gens und 0,5% das gesamte Gen betreffen. Von den kompletten Gendeletionen ist in der Hälfte neben dem TSC2-Gen zusätzlich das chromosomal benachbarte PKD1-Gen für die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) betroffen.

Symptome der Tuberösen Sklerose

Die Beschwerden, die mit der Tuberösen Sklerose einhergehen, können von Patient zu Patient unterschiedlich sein. Zu den häufigsten Symptomen gehören epileptische Anfälle und Störungen der geistigen Entwicklung. Die Tuberöse Sklerose tritt oft bereits im Kindesalter zum ersten Mal in Erscheinung.

Ein erster Hinweis auf die Krankheit können Tumoren am Herzen geben, die mittels Ultraschall zum Teil schon vorgeburtlich erkannt werden. Oft wird die Diagnose jedoch aufgrund epileptischer Anfälle gestellt, die bereits in den ersten Lebensmonaten auftreten können.

Die Tuberöse Sklerose ist eine seltene Erbkrankheit, bei der Gewebswucherungen und -fehlbildungen in fast allen Organen wie z. B. dem Gehirn, der Niere, dem Herz, der Haut, aber auch der Lunge, den Verdauungsorganen, Knochen oder Zähnen auftreten können. Sie wird deshalb auch die „Krankheit mit vielen Gesichtern“ oder medizinisch „Tuberöse Sklerose-Komplex“ (TSC, aus dem Englischen „Tuberous Sclerosis Complex“) genannt.

Hautveränderungen

Fast alle Patienten zeigen sogenannte White Spots bzw. hypomelanotische Flecken. Diese Depigmentierungen sind bei älteren Patienten und gebräunter Haut oft gut sichtbar; bei Säuglingen muss danach aber mit ultraviolettem Licht („Wood-Lampe“) gezielt gesucht werden. Weitere charakteristische Hautsymptome sind bilateral symmetrische Angiofibrome des Gesichts (Adenome sebaceum), die von vielen Patienten als kosmetisch störend bzw. stigmatisierend empfunden werden. Gutartige Tumoren unterhalb der Fingernägel werden als sogenannte Unguale Fibrome bezeichnet.

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Organbeteiligung

Symptome, die bereits im Neugeborenen- oder Säuglingsalter auftreten können, sind kardiale Rhabdomyome und Veränderungen des Augenhintergrundes (retinale Astrozytome). Die Herztumoren sind prinzipiell gutartig und bilden sich meist ohne spezifische Therapie im Verlauf zurück. Selten kann es aber auch zu Rhythmusstörungen oder einer Einschränkung der Herzfunktion kommen.

Mit zunehmendem Alter werden Tumoren und Zysten in der Niere sichtbar. Diese Angiomyolipome können zu Einschränkungen der Nierenfunktion und Nierenblutungen führen. Eine selten, bei jungen Frauen auftretende Komplikation ist die sogenannte Lymphangioleiomyomatose (LAM) der Lunge.

Symptome des zentralen Nervensystems umfassen subependymale Knötchen, subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA) und kortikale Tubera. Bei all diesen Veränderungen handelt es sich um gutartige Tumoren bzw. sogenannte Hamartome. Die Riesenzellastrozytome können aber zu einem Aufstau des Nervanwasserabflusses (Hydrozephalus) führen. Die kortikalen Tubera können zu epileptischen Anfällen, Wesensänderungen, Verhaltensauffälligkeiten und neurokognitiven Problemen führen. Bis zu 90% der Patienten mit TSC entwickeln eine Epilepsie.

Weitere Symptome

Tuberöse Sklerose kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, je nachdem, wo die Veränderungen auftreten. Haut, Gehirn, Nieren, Herz, Augen und Lungen sind die am häufigsten betroffenen Organe.

  • Neurologische Beeinträchtigungen: Oft treten die Veränderungen im Gehirn auf. Tuberöse Veränderungen können u. a. Epilepsie verursachen. Häufig treten auch Autismus, kognitive Störungen und Verhaltensauffälligkeiten auf, ca. 85 % der Kinder erleiden Komplikationen des Zentralnervensystems. Intellektuelle Entwicklungsstörungen werden bei 50 % beobachtet.
  • Hautbefunde: Hautveränderungen treten besonders häufig im Gesicht auf, aber auch in anderen Körperregionen. Angiofibrome sind gelb-rote, feste, Muttermal-ähnliche Veränderungen, die oftmals eine leicht blutende Oberfläche haben und im Gesicht und auf der Stirn vorkommen. Weißliche Flecken lassen sich am ganzen Körper erkennen und knollenartige Veränderungen in der Nähe des Nagelbetts oder unter den Nägeln sind ebenfalls häufig.
  • Beeinträchtigungen der Herzfunktion: Fetale Herztumore (Rhabdomyome) können z. B. Herzklappen oder Herzkammern verengen und zu verminderter Kontraktionsfähigkeit des Herzens führen. Dies kann Erkrankungen des Herzmuskels zur Folge haben (Kardiomyopathie). Die Rhabdomyome verschwinden aber häufig in den ersten Lebensjahren ohne größere Folgen.
  • Nierenbeeinträchtigung: In den Nieren kann tuberöse Sklerose zur Bildung von Tumoren führen, die Blutungen auslösen können (Angiomyolipome). Auch Nierenzysten sind häufig. Nierenkrebs tritt bei Personen mit tuberöser Sklerose häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.
  • Lungenerkrankungen: In der Lunge treten Zysten auf, die symptomlos sein, aber im Falle eines Risses zu einem Pneumothorax (krankhafte Luftansammlung im Brustkorb) führen können. Außerdem kann es zu Veränderungen der glatten Muskulatur kommen, die im Verlauf Lungenfunktionsstörungen und eine Herzbelastung mit sich bringen können.
  • Augenbefunde: Können zur Einschränkung des Sehfelds oder Sehvermögens führen.
  • Zähne und Mundraum: Typisch sind Defekte des Zahnschmelzes und gutartige Tumore im Bereich des Zahnfleisches.

Diagnose der Tuberösen Sklerose

Anhand der aktualisierten, 2013 veröffentlichten diagnostischen Kriterien kann die Diagnose Tuberöse Sklerose (TSC) sowohl genetisch als auch klinisch gestellt werden. Demnach ist der alleinige Nachweis einer pathogenen Variante im TSC1- oder TSC2-Gen ausreichend für die Diagnosestellung.

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Bei Verdacht auf tuberöse Sklerose werden in der Regel unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt. Die Haut wird untersucht, Blut und Urin analysiert, der Blutdruck gemessen, ein EKG geschrieben und weitere Untersuchungen bei Spezialist*innen durchgeführt:

  • Eine CT oder MRT des Gehirns lässt die typischen Veränderungen im Gehirn erkennen.
  • Ultraschalluntersuchungen können Nierenzysten und -tumore aufzeigen und werden auch eingesetzt, um Herzerkrankungen aufzuspüren, die bei Neugeborenen und Kleinkindern mit tuberöser Sklerose häufig sind.
  • Eltern und Geschwister betroffener Patient*innen können genetisch untersucht werden.

Bedeutung von Subkortikalen White Matter Läsionen (SBLs)

Subkortikale White Matter Läsionen (SBLs) sind ein wichtiges diagnostisches Kriterium bei TSC. Studien haben gezeigt, dass die Häufigkeit von SBLs bei TSC-Patienten signifikant höher ist als in Kontrollgruppen. Die Analyse der SBL-Verteilung kann ebenfalls zur Diagnose beitragen. Mittels ROC-Kurven wurde die SBL-Häufigkeit berechnet, um die diagnostische Genauigkeit zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigten, dass bestimmte Schwellenwerte für die SBL-Anzahl in verschiedenen anatomischen Regionen (Schädel, Thorax, Abdomen/Becken) eine hohe Sensitivität und Spezifität für die TSC-Diagnose aufweisen. Daher können SBLs als ein nützlicher bildgebender Marker für TSC-Patienten dienen und zur Ergänzung der TSC-Diagnosekriterien geeignet sein.

Angiomyolipome (AML) und Everolimus-Therapie

Angiomyolipome (AML) sind gutartige Nierentumore, die häufig bei TSC-Patienten auftreten. Die Everolimus-Therapie zielt darauf ab, die AML-Größe zu reduzieren und das Blutungsrisiko zu senken. Studien haben gezeigt, dass die Everolimus-Therapie bei TSC-Patienten zu einer deutlichen und frühen Fetttransformation von AML führt. Die Messung von SNR (signal-to-noise-ratio) und CNR (contrast-to-noise-ratio) könnte als geeignete Indikatoren für den Therapieerfolg dienen, insbesondere wenn keine Größenreduktion messbar ist.

Therapie der Tuberösen Sklerose

Die Tuberöse Sklerose ist nach heutigem Stand nicht heilbar. Die Behandlung orientiert sich daher an den Beschwerden, unter welchen die Patienten leiden. Für viele dieser Symptome stehen gute Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Die Behandlung besteht aus verschiedenen Maßnahmen, damit das Kind so normal wie möglich heranwachsen und sich entwickeln kann. Je nach Ausmaß der Erkrankung sind bei Kindern unterschiedliche Behandlungen erforderlich. Einzelne Kinder benötigen zusätzliche Unterstützung, um Dinge zu lernen, die andere Kinder leicht lernen.

Viele Patientinnen mit tuberöser Sklerose benötigen Antiepileptika, um Anfällen vorzubeugen. Das Medikament Everolimus (EVE) ist für die Behandlung von epileptischen Anfällen, von Angiomyolipomen der Niere und von Riesenzellastrozytomen des Gehirns zugelassen und kann bei therapieresistenten Epilepsien zu Erfolgen führen, wirkt aber immunsuppressiv und kann Nebenwirkungen haben. Eine fettreiche Ernährung, eine sogenannte ketogene Diät, kann sich bei Patientinnen mit häufigen epileptischen Anfällen positiv auswirken.

Zudem können andere Medikamente erforderlich sein, z. B. Herzmedikamente. Darüber hinaus können die Tumore gelegentlich so groß werden, dass sie einen operativen Eingriff erfordern. Regelmäßige zahnmedizinische Untersuchungen sind wichtig.

mTOR-Inhibitoren

Für die Behandlung von epileptischen Anfällen, von Angiomyolipomen der Niere und von Riesenzellastrozytomen des Gehirns ist Rapamycin (Everolimus, Sirolimus) zugelassen. Diese Medikamente hemmen die aktivierte mTOR-Signaltransduktion und können so das übermäßige Gewebewachstum reduzieren.

PROTECT-Studie

Die PROTECT-Studie untersucht, ob Babys mit der Seltenen Erkrankung Tuberöse Sklerose von sehr früher Medikation profitieren. In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie erhalten 30 Säuglinge von den ersten vier Lebensmonaten an das Medikament. Ziel ist es, durch die Gabe eines bereits für ältere Kinder zugelassenen Medikamentes möglichst früh nach der Geburt die Hirnentwicklung positiv zu beeinflussen.

Verlauf und Prognose

Die Ausprägung der Symptome und Einschränkungen kann sehr unterschiedlich sein. Patient*innen mit Epilepsie, die vor dem 12. Lebensmonat auftritt, haben eine schlechtere Prognose hinsichtlich ihrer Beschwerden. Eine gute Anfallskontrolle scheint sich positiv auf geistige Entwicklungsprozesse auszuwirken.

Der Umfang der Behandlung hängt teilweise vom Ausmaß der Erkrankung und den betroffenen Organsystem ab. Im Allgemeinen sollten sich Patientinnen mindestens zu jährlichen Routinekontrollen bei Hausärztinnen und anderen Spezialistinnen (wie Neurologinnen) vorstellen.

Bedeutung der Patientenorganisationen

Die Elterninitiative „Tuberöse Sklerose Deutschland e. V.“ spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Betroffenen und ihren Familien. Die Organisation bietet Informationen, Beratung und Vernetzungsmöglichkeiten. Zudem engagiert sie sich in der Forschung und setzt sich für die Verbesserung der Versorgung von TSC-Patienten ein.

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