Übergewicht und Demenz: Ein komplexer Zusammenhang

Der Zusammenhang zwischen Übergewicht und Demenz ist ein komplexes und viel diskutiertes Thema in der medizinischen Forschung. Es gibt Hinweise darauf, dass Übergewicht in bestimmten Lebensphasen das Demenzrisiko erhöhen kann, während es in anderen Phasen möglicherweise sogar einen schützenden Effekt hat. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieses Zusammenhangs und fasst die aktuellen Forschungsergebnisse zusammen.

Die Definition von Demenz und Übergewicht

Bevor wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Übergewicht und Demenz befassen, ist es wichtig, die beiden Begriffe zu definieren. Demenz bezeichnet einen Verfall der geistigen Leistungsfähigkeit, der mit einer Abnahme von Gedächtnisleistung und Denkvermögen einhergeht. Häufig leiden die Betroffenen zusätzlich unter Sprachstörungen, sind orientierungslos, sprunghaft und depressiv. Eine Demenz kann die Folge einer ganzen Reihe von Erkrankungen und Ursachen sein. Eine der heutzutage bekanntesten Formen ist die Alzheimer-Demenz, bei der typische Abbauprozesse im Gehirn stattfinden.

Übergewicht wird in der Regel anhand des Body-Mass-Index (BMI) definiert. Der BMI gibt das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße wieder und dient der Einschätzung von Normal-, Unter- oder Übergewicht. In die Kategorie "normalgewichtig" fallen BMI-Werte zwischen 18,5 und 25 kg/m². Alles, was über 25 liegt, gilt als übergewichtig. Ein BMI über 30 kg/m² wird als Adipositas (Fettleibigkeit) bezeichnet.

Übergewicht im mittleren Lebensalter erhöht das Demenzrisiko

Mehrere Studien deuten darauf hin, dass Übergewicht im mittleren Lebensalter das Risiko, später an einer Demenz zu erkranken, erhöht. So ergab beispielsweise eine Auswertung des Schwedischen Zwillingsregisters, dass bereits für den Übergewichtsbereich (BMI 25 bis 30) ein um 71 Prozent erhöhtes Risiko besteht. Adipöse Personen (BMI >30) hatten sogar ein fast vierfach erhöhtes Risiko. Insgesamt waren 39 Prozent aller Demenzpatienten im mittleren Alter übergewichtig gewesen, während der Anteil bei den Personen ohne Demenz nur bei 26 Prozent lag.

Eine weitere Studie, die im Fachjournal "Obesity Reviews" veröffentlicht wurde, ergab, dass Adipöse (BMI über 30 kg/m²) ein um 42 Prozent höheres Demenzrisiko haben als Normalgewichtige (BMI zwischen 18,5 und 24,9). Auch eine Studie mit über einer Million Frauen in Großbritannien zeigte, dass Frauen, die zu Beginn der Studie an Fettleibigkeit litten, eine um 21 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit hatten, eine Demenz zu entwickeln, als Frauen mit einem "empfehlenswerten" BMI.

Lesen Sie auch: Forschung zu Übergewicht und Gehirnveränderungen

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Übergewicht im mittleren Lebensalter ein unabhängiger Risikofaktor für Demenz ist und möglicherweise dazu beiträgt, dass diese neurodegenerativen Erkrankungen zugenommen haben.

Übergewicht im fortgeschrittenen Alter als Schutzfaktor?

Im Gegensatz zu den Ergebnissen für das mittlere Lebensalter gibt es Hinweise darauf, dass Übergewicht im fortgeschrittenen Alter möglicherweise vor Demenz schützen kann. Dies wird von Wissenschaftlern auf den sogenannten "Reverse-Causation-Effekt" zurückgeführt. In der Frühphase einer Demenzerkrankung verlieren Patienten häufig an Gewicht. Dadurch könnte es fälschlicherweise so aussehen, als ob Übergewicht vor Demenz schützt, obwohl in Wirklichkeit die Demenz den Gewichtsverlust verursacht.

Eine Analyse von 39 Kohortenstudien ergab, dass Übergewicht 20 Jahre vor einer Demenzdiagnose die Wahrscheinlichkeit einer Demenz erhöht, während Übergewicht 10 bis 20 Jahre vor der Diagnose keinen signifikanten Einfluss hatte. Dies unterstützt die Hypothese des Reverse-Causation-Effekts.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Ergebnisse nicht bedeuten, dass Übergewicht im Alter generell empfehlenswert ist. Übergewicht erhöht weiterhin das Risiko für eine Vielzahl anderer Gesundheitsprobleme, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und bestimmte Krebsarten.

Mögliche Mechanismen

Die genauen Mechanismen, die dem Zusammenhang zwischen Übergewicht und Demenz zugrunde liegen, sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch mehrere Hypothesen:

Lesen Sie auch: Übergewicht als Risikofaktor bei MS

  • Vaskuläre Schäden: Übergewicht begünstigt die Verkalkung der Blutgefäße (Atherosklerose), was zu einer vaskulären Demenz führen kann.
  • Entzündungen: Übergewicht, insbesondere Bauchfett, fördert Entzündungen im Körper, die das Gehirn schädigen können.
  • Metabolische Störungen: Übergewicht ist häufig mit metabolischen Störungen wie Bluthochdruck, hohen Blutzucker- und Cholesterinwerten verbunden, die das Demenzrisiko erhöhen können.
  • Schwächung der kognitiven Reserve: Übergewicht könnte die kognitive Reserve schwächen, also die Widerstandskraft des Gehirns gegenüber Schäden.
  • Veränderungen im Gehirn: Studien haben gezeigt, dass bei adipösen Menschen höheren Alters das sogenannte Default Mode Network (DMN) schwächer vernetzt ist. Das DMN ist wichtig für Prozesse wie Erinnern und Planen. Ein weniger vernetztes DMN ist auch ein frühes Signal für ein höheres Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken.

Weitere Risikofaktoren für Demenz

Neben Übergewicht gibt es eine Reihe weiterer Risikofaktoren für Demenz, die beeinflussbar sind. Dazu gehören:

  • Bluthochdruck: Bluthochdruck im mittleren Lebensalter erhöht das Risiko für alle Demenzformen, insbesondere für die vaskuläre Demenz.
  • Diabetes: Typ-2-Diabetes zählt zu den am besten belegten Risikofaktoren für Demenz.
  • Rauchen: Rauchen erhöht das Risiko für Alzheimer und vaskuläre Demenz.
  • Bewegungsmangel: Wer sich im Alltag kaum bewegt, erhöht sein Risiko, an einer Demenz zu erkranken.
  • Soziale Isolation: Soziale Isolation kann das Risiko erhöhen, an Demenz zu erkranken, da das Gehirn Anregung durch Gespräche und soziale Interaktion benötigt.
  • Luftverschmutzung: Feinstaub aus Abgasen, Industrie und Heizungen kann Entzündungen auslösen und langfristig die geistige Gesundheit beeinträchtigen.
  • Sehschwäche: Unbehandelte Sehschwächen können dazu führen, dass dem Gehirn wichtige Reize verloren gehen, was das Demenzrisiko erhöht.
  • Hoher Alkoholkonsum: Regelmäßiger, hoher Alkoholkonsum kann zum Verlust der grauen Masse im Gehirn führen und das Demenzrisiko erhöhen.
  • Depression: Anhaltende Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug und mangelnde Selbstfürsorge belasten nicht nur die Seele, sondern auch das Gehirn.
  • Kopfverletzungen: Schwere oder wiederholte Kopfverletzungen erhöhen das Risiko für Demenzerkrankungen.

Prävention von Demenz

Da die Ursachen der altersbedingten Demenz noch immer weitestgehend unbekannt sind, gibt es keine garantierte Möglichkeit, Demenz zu verhindern. Es gibt jedoch eine Reihe von Maßnahmen, die das Demenzrisiko senken können:

  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten kann dazu beitragen, das Gehirn gesund zu halten.
  • Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität fördert die Durchblutung des Gehirns und stärkt Nervenzellen.
  • Geistige Aktivität: Geistige Anregung, wie z.B. Lesen, Kreuzworträtsel lösen oder ein Instrument spielen, kann das Gehirn fit halten.
  • Soziale Interaktion: Regelmäßige soziale Kontakte und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben können das Gehirn anregen und die geistige Gesundheit fördern.
  • Risikofaktoren kontrollieren: Die Kontrolle von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht kann dazu beitragen, das Demenzrisiko zu senken.
  • Vermeidung von schädlichen Substanzen: Der Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum kann das Gehirn schützen.
  • Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen: Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen können helfen, Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Benzodiazepine und Demenzrisiko

Neben den bereits genannten Faktoren gibt es auch Hinweise darauf, dass die unkontrollierte Langzeiteinnahme von Benzodiazepinen das Risiko, an Demenz zu erkranken, für über 65-Jährige um 50 % erhöht. Benzodiazepine werden vor allem als Schlaf- und Beruhigungsmittel eingesetzt. Daher sollte die Einnahme von Benzodiazepinen nur unter ärztlicher Aufsicht und nicht über einen längeren Zeitraum erfolgen.

Lesen Sie auch: Die Verbindung zwischen Übergewicht und Schlaganfall

tags: #Übergewicht #und #Demenz #Zusammenhang